Psychopharmaka und das Heildilemma

Ob von der Psyche zum Körper oder vom Körper zur Psyche – die Peptide bilden den Dreh- und Angelpunkt. Sie sind die Substanzen, die Leib und Seele miteinander verbinden. Wahrscheinlich gibt es nur wenige Vorgänge, bei deren Steuerung und Funktion sie nicht eine wichtige Rolle spielen. Schaut man genau hin, so sind sie schon von der ersten Stunde an mit von der Partie. Denn das Spermium ist nicht so klug, wie bisher gedacht. Es spürt das Ei nicht aus eigener Kraft auf, sondern wird von ihm angelockt. Wodurch? Natürlich durch Peptide.

Unsere innere Apotheke ist gut sortiert. Ob Schmerzmittel, Tranquilizer, Antidepressiva oder Schlafmittel – das Gehirn stellt sie rezeptfrei und kostenlos zur Verfügung. Wahrscheinlich gibt es für viele, vielleicht sogar für alle handelsüblichen Psychopharmaka entsprechende vom Gehirn selbst produzierte Substanzen. Das hat einen einfachen Grund. Medikamente können nur dann eine Wirkung er­zielen, wenn sie die in den Zellen ablaufenden Prozesse beein­flussen können. Dies gelingt ihnen, indem sie sich an einen Re­zeptor an der Oberfläche einer Zelle binden. Dazu müssen sie al­lerdings die passende molekulare Struktur haben, sonst öffnet der Schlüssel nicht das Schloß. Doch unsere Rezeptoren sind nicht für die Pharmaindustrie gemacht, sondern für unsere eigenen »Medikamente«. Wie schlecht wir davon Gebrauch machen, zeigt der jährlich verschlungene Tablettenberg. Gelänge es uns, unser eigenes Potential besser zu nutzen, so könnten wir uns so man­chen Gang zur Apotheke sparen und würden dabei noch etwas ge­gen die Kostenexplosion im Gesundheitswesen tun.

Unsere körpereigenen Medikamente sind dabei jedem Pharma­medikament haushoch überlegen. Sie wirken gezielt und spezi­fisch. Der Körper gibt sie in der richtigen Dosierung ab, sie haben keine Nebenwirkungen und werden ohne Probleme wieder abge­baut. Im Vergleich dazu führen sich viele Medikamente wie ein Elefant im Prozellanladen auf. Sie blockieren die Rezeptoren und kümmern sich wenig um das fein abgestimmte Zusammenspiel der biochemischen Prozesse des Körpers. Die mehr oder weniger lange Liste der Nebenwirkungen auf den Beipackzetteln von Medikamenten spiegelt dies wider. Erst vor kurzem wurden etwa Valiumrezeptoren auf Immunzellen entdeckt. An eine mögliche Beeinflussung des Immunsystems hat wahrscheinlich kein Dok­tor gedacht, der in den letzten dreißig Jahren seinen Patienten wegen jeder Kleinigkeit einen Tranquilizer verschrieb.

Dies alles spricht nicht gegen den gezielten Einsatz von Medika­menten, wenn es dafür eine klare medizinische Indikation gibt. Es spricht allerdings klar dafür, sich mehr um unser eigenes inne­res Heilungspotential zu kümmern. Jeder kann lernen, es für sei­ne eigene Gesundung einzusetzen. Ob wir es wissen oder nicht, wir können uns selbst heilen.

Mit jedem neuen Gedanken verändern sich das chemische Muster des Gehirns, die Zusam­mensetzung und Lokalisation seiner Botenmoleküle. Es besteht kein Zweifel daran: Unser Denken formt die materielle Realität des Gehirns. Zumindest im molekularen Bereich sind wir, was wir denken. Was sagte die vedische Literatur schon vor 5000 Jahren? Der Körper ist die Projektion des Bewußtseins. Das war ein Voll­treffer. Es scheint, die Wissenschaft ist dort angekommen, wo die Intuition schon immer war.

Jetzt zeigt sich das kunstvolle Zusammenspiel zwischen Seele und Körper in seinem ganzen Ausmaß. Genau genommen wirkt sich jeder neue Gedanke auf den ganzen Körper aus. Wenn ein angst­voller Gedanke durch den Kopf geht, zieht die Angst auch durch den Körper. Denn die mit der Angst verbundenen Botenstoffe be­einflussen das vegetative Nervensystem, verändern die Balance der Hormone, wirken sich auf den Stoffwechsel aus, auf den Blut­druck, die Körpertemperatur, die Verdauung, natürlich auch auf die Immunzellen und wahrscheinlich – wir können es noch nicht genau genug messen – auf jede einzelne Zelle. Weshalb chroni­sche Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit oder Niedergeschlagenheit sich gesundheitlich so verheerend auswirken können, ist nun of­fensichtlich: Der Körper bekommt immer wieder die gleichen »deprimierenden« Botschaften, die seine Vitalität hemmen, seine Widerstandskraft beanspruchen und seiner Gesundheit zusetzen. Doch schon im nächsten Augenblick kann sich das ganze Bild än­dern. Eine glückliche Erinnerung erzeugt ein neues Muster und löst im Körper eine »glückliche« Reaktion aus. Wie oben, so un­ten – diese alte esoterische Weisheit hat es in sich. Körper und See­le bewegen sich zwar in unterschiedlichen Welten, doch sie sind, paradox wie es ist, nicht voneinander getrennt.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Gedankenfetzen: Wohlstand

Gedankenfetzen 1:

mato | bilder
mato | bilder

Alle unsere Gedanken und Gefühle – und letztlich die Taten, sind darauf ausgerichtet, unseren materiellen Wohlstand zu erhalten.

Schon im Kindesalter werden wir dahingehend erzogen, einen „anständigen“ Beruf zu erlernen, etwas „Gescheites“ zu tun (dazu gehört definitiv nicht der Beruf eines Künstlers oder Schriftstellers), um später gut durchs Leben zu kommen, ein schönes Haus zu kaufen, eine Familie zu begründen, vielleicht ein tolles Auto zu fahren.
Und wir versuchen in den folgenden 40 bis 50 Jahren unseres Arbeitslebens, nachdem wir diese „Grundausbildung“ nach 20 Jahren abgeschlossen haben, stets, diesen materiellen Wohlstand aufrecht zu erhalten, um dann auch im Alter, im sogenanntem Ruhestand, von dem wir nicht wissen, wie lange er dauert, geschweige denn, ob wir ihn überhaupt erleben, davon zehren zu können.

Alles wird nach diesem Ideal ausgerichtet.
Wir geben es unseren Kindern genauso weiter, wie wir es selbst vermittelt bekommen haben. Mögen unsere Beziehungen leiden, unsere wirklichen Interessen und Freuden immer mehr in den Hintergrund rücken: wir klammern uns unerbittlich und fest an diesem Ziel.
Denn es ist zur Massensuggestion geworden, zu einem „Zahir“*, der uns innerlich gefangen hält.
In dieser Art und Weise verbauen wir der wahren Energie des Lebens und der Liebe jede Macht, um uns zu erfüllen…
Und jede Entwicklung, ob persönlich oder global, stockt solange, bis wir begriffen haben, dass sich das „Universum“ nicht an diesem Ideal orientiert…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Im Sinne Paulo Coelhos ist der Zahir (gemäß seinem gleichnamigen Roman) etwas festgefahrenes in unserem Denken, etwas, was uns gefangen hält und über lange Zeit zum handeln verleitet…

Heimatgefühle

mato | bilder
mato | bilder

Heimatgefühle kennt wohl jede und jeder von uns. Das Gefühl, mit einer Landschaft, mit Menschen, mit Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen verbunden zu sein, gehört zu unseren wichtigsten Grundemotionen. Sie können unser ganzes Leben nachhaltig beeinflussen, uns prägen und formen, bis in die Physiognomie hinein.

Doch was ist Heimat? Was passiert,wenn wir entwurzelt werden, wenn wir Land und Leute verlassen (müssen) und uns an einem fremden Ort dieser Welt ansiedeln? Was bleibt von diesem Gefühl übrig und wie sehr verändert es uns, wenn wir es nicht mehr befriedigen können?

Bausinger z. B. beschreibt den Begriff „Heimat“ (gemäß Wikipedia) folgendermaßen: „Eine einheitliche Definition existiert nicht. So ist für Bausinger Heimat eine räumlich-soziale Einheit mittlerer Reichweite, in welcher der Mensch Sicherheit und Verlässlichkeit seines Daseins erfahren kann, sowie ein Ort tieferen Vertrauens: „Heimat als Nahwelt, die verständlich und durchschaubar ist, als Rahmen, in dem sich Verhaltenserwartungen stabilisieren, in dem sinnvolles, abschätzbares Handeln möglich ist – Heimat also als Gegensatz zu Fremdheit und Entfremdung, als Bereich der Aneignung, der aktiven Durchdringung, der Verlässlichkeit“ (Bausinger 1980: 20)

Es gibt aber noch ganz andere, offenere Konzepte, die einen festen Standort relativieren. So steht es ebenfalls auf Wikipedia: „Heimat ist im Gehirn jedes Menschen präsent. Heimat besteht aus einer Unmenge von Engrammen. Je länger er an einem Ort verweilt, desto stärker sind die Engramme synaptisch bei ihm verfestigt, sofern sie emotional positiv korrelieren. Heimatgefühle manifestieren sich durch wiederholte Prägung. Diesen Gedankengang hat bereits der römische Philosoph Cicero entwickelt:.[3] – Wenn emotional bejaht, können mehrere Orte für ein bestimmtes Individuum Heimat werden. Auf ähnliche Weise entstehen nicht-ortgebundene Heimatgefühle (wie das Sich-Heimisch-Fühlen in einer Sprache). Umgekehrt ergibt sich aus einer Auflösung neuronaler Strukturen im Zuge einer Demenzerkrankung oft ein Gefühl der Heimatlosigkeit, und zwar auch dann, wenn sich in der Umgebung des Erkrankten objektiv nichts Wesentliches verändert hat.[4]

Der Begriff ist, wie so viele andere auch, also nicht einheitlich definiert. Der letzte Gedanke, welcher offenbar sogar auf Cicero zurückgeht, scheint mir hingegen sehr wichtig zu sein! Er lässt den Schluss zu: Es gibt, neben der räumlichen, auch eine geistige Heimat, und diese ist durchaus recht flexibel, zumindest potenziell. Die Fähigkeit der Flexibilität ist individuell bedingt und bei jedem Menschen unterschiedlich stark. Manche können durchaus oft und ohne Probleme ihre räumliche Umgebung wechseln, sich bestens an die neue Umgebung anpassen, sich integrieren. Andere sind dazu weniger in der Lage.

Woran liegt es denn, woran liegt diese Fähigkeit? Kann man sie schulen, oder ist sie, wie meistens im normalmedizinischen Kontext, schlicht „genetisch bedingt“. Die Zigeuner z.B. tragen, gemäß solchen Vorstellungen, diese Fähigkeit sozusagen als „Wander-Gen“ schon in sich. Die Bayern vielleicht weniger… Nein, Spaß beiseite, die Frage der Wandelbarkeit unserer geistigen Veranlagung ist, vor allem in der Neurologie, ein vieldiskutiertes Thema der letzten Jahrzehnte. Und der Schluss, der aus vielen Forschungen gezogen wurde, ist eindeutig: Unser Gehirn ist extrem wandelbar! Der Begriff Neuroplastizität besagt, – und ich lasse auch dieses Mal Wikipedia sprechen: „…unter neuronaler Plastizität versteht man die Eigenschaft von SynapsenNervenzellen oder auch ganzen Hirnarealen, sich in Abhängigkeit von der Verwendung in ihren Eigenschaften zu verändern (anzupassen)“.

In der Kindheit, Jugendzeit passt sich das Gehirn und diese neuronalen Strukturen zwar seiner Umgebung an und prägen unser Denken und Fühlen, unsere Vorstellungen und damit auch unser Handeln. Gleichzeitig hat es aber auch die Fähigkeit, sich jeder neuen Situation und neuen Gedankenmustern anzupassen. Das bedeutet, dass unser Denken nicht per se abhängig bleibt von sogenannten psychologischen und sozialen „Altlasten“. Die Bedingungen für eine Veränderung liegen also in uns selbst. Wir selbst können es beeinflussen, ob uns unsere Automatismen durchs Leben begleiten bis dass der Tod uns von ihnen scheidet, ganz im Sinne von: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nicht mehr“, oder ob wir jederzeit neue Wege gehen können…

Heimat ist also in uns. Es ist ein innerer Zustand, der weder vom Raum, noch von der Umgebung, und auch nicht von Menschen oder Verhältnissen abhängig ist, sondern einzig und alleine von dem, „was wir daraus machen“. Wir können also in jedem Augenblick die Zukunft verändern… und Heimatgefühle entwickeln…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Besitz und Freiheit

Vor einigen Tagen erzählte mir ein guter Freund, er möchte all seine Besitztümer bis an sein Lebensende weggeben, um vollkommen frei und unabhängig zu werden. Natürlich meinte er es nicht so absolut und vielleicht auch nicht ganz so ernst, wie er es sagte. Dennoch sinniere ich seither über diesen Gedanken nach und frage mich, wie viel Freiheit nimmt uns der Besitz, den wir haben, wirklich?

Gewiss hatte ich diesen Gedanken in mir schon oft selber bewegt. Und der Wunsch, mit zunehmendem Alter, mein Hab und Gut eher abzubauen als aufzustocken, wird mir immer mehr zu einem inneren Wunsch. Dies umso mehr, als ich in den letzten 60 Jahren um die 30 Mal meinen Wohnort gewechselt hatte; allein seit meinem 18. Lebensjahr etwa 25 Mal. Da hieß es dann auch, die ständig wachsenden Berge von Kisten und das stets zunehmende Mobiliar anzupacken und am neuen Ort jeweils wieder zusammenzustellen.

Dies alles wurde mir zu einer Last. Bei meinem letzten Umzug, nach meiner Trennung, reduzierte sich der Stapel erstmals wieder. Und zwar beträchtlich. Und ich wünsche mir, sollte ich jemals wieder umziehen, dann sollte ein einziger Lieferwagen und eine Fahrt genügen. Andere können mit einem einzigen Koffer leben! So weit bin ich noch nicht. Aber es ist eine durchaus schöne Vorstellung für mich. Und wenn dies einst Tatsache werden sollte, bin ich damit wirklich freier geworden?

Freiheit, wie ich sie verstehe und wie ich sie zum Inhalt meines Selbst-Reflexion-Buches gemacht hatte, wird uns vor allem im Kopf entzogen. Es ist gewiss nicht möglich, sie alleine durch äußere Maßnahmen, durch Wechsel der aktuellen Verhältnisse usw., oder eben durch Aufgabe des Besitztums, einzufordern. Sonst hätten es reiche Menschen extrem schwer, frei zu werden. Da ändert auch dieses Bibelzitat wohl nichts daran: „Eher wird ein Reicher durch ein Nadelöhr kommen, als ins Himmelreich!“ Und mit „Himmelreich“ kann doch nur die absolute, innere Freiheit gemeint sein!

Viele bestreiten schon dies: die absolute Freiheit. Aber dieselben bestreiten wohl auch das Himmelreich… Dass wir in solcher Art, also auch mit „Besitz“, die Freiheit, wirkliches inneres Freisein, dennoch erleben können, das bezweifle ich indessen nicht mehr. Was ich nicht glaube ist, dass es möglich sei durch solche rein äußerliche Maßnahmen wie die Aufgabe seines Besitzes im Nachleben eines Franziskus von Assisi, nicht ohne weiteres zur Freiheit kommt. Und dass auch reiche Menschen, diese Freiheit erleben können, auch wenn ihnen viel Besitz „anlastet“. Und da liegt wohl der Schlüssel verborgen; in diesem „Anlasten“. Ein Etwas lastet nur im Kopf an, sonst nirgends! Wenn mir der Besitz zur Last wird, heißt dies nichts anderes, als dies: Meine Vorstellungen, diesen Besitz zu haben, lastet mir an. Und daran hängt die Vorstellung des „Mein“ an diesem Gut und Geld. „Mein“ ist keine Tatsache, sondern eine Vorstellung! Natürlich, ich habe dieses oder jenes gekauft und bezahlt. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass dieses Ding nun in meinen Besitz gekommen ist.

Das gilt selbstverständlich absolut, wenn man die Sache rein rechtlich und wirtschaftstechnisch betrachtet. Moralisch könnte die Vorstellung aber auch anders aussehen! Denn an diesem Ding, was ich erstanden habe, hängt viel! Es hängt daran viel Arbeit und andere Ressourcen. Sie wurden irgendwo geschöpft. In irgendeiner Grube wurde das Silber, welches in meinem Fotoapparat eingebaut ist, geschöpft. Das Silber liegt irgendwo im Boden vergraben und irgendeiner hat es einmal entdeckt. Dafür brauchte er bis vor einigen Jahrhunderten nichts zu bezahlen. Er investierte schlicht und ergreifend Arbeit. Heute müsste er natürlich wiederum irgendeinem Staat oder sonst wem Gebühren zur Nutzung bezahlen und so weiter. Letztlich ist dann der Staat oder diese Staatsstelle wieder das letzte Glied des Kreislaufs der Macht. Dieses verfügt über die Werte, ohne Kostenaufwand, einfach, weil zum Beispiel die Miene innerhalb der eigenen Grenzen liegt. Dass dann schon mal, wie im Falle des Öls, mit Schrägbohrungen angezapft wird, ist auch bekannt. Alles, was kostenrelevant ist, um irgendein Produkt herzustellen, sind letztlich Arbeitsaufwendungen. Das Produkt, liegt irgendwo vergraben…

Gut so weit. Was will ich damit sagen und was hat dies nun mit den Vorstellungen des „Mein“ zu tun? Was gehört mir nun also? Die Materie? Oder doch nur Arbeitsleistung? Bezahlt habe ich immer nur für die Arbeitsleistung. Und sie gehört definitiv nicht mir. Denn jemand hat sie für mich gemacht, damit ich dieses Produkt, das iPhone oder was auch immer in den Händen halten kann. Und so erstehe ich mir, wenn ich reich bin, sehr viele solche Leistungen von Arbeit. Sie wird bezahlt, oft sehr schlecht bezahlt. So schlecht nämlich, dass einer, der mein iPhone herstellt, der Arbeiter/die Arbeiterin, der/die es zusammenbaut usw., sich selbst niemals so ein Ding leisten könnte.

Der Besitz, den ich habe, und der mich umgibt, besteht also in erster Linie aus Zeit, die dafür investiert wird. Das Rohmaterial gehört grundsätzlich (vom Standpunkt der Natur aus betrachtet), niemandem! Ich könnte ihn (den Besitz) vernichten, die Leistung, die investiert wurde wird sich dadurch in keiner Weise verringern. Sie wird nur noch grösser! Weil ich nun wiederum Zeit investieren muss für die Vernichtung. Und selbst wenn ich meinen Besitz verschenke, so wird die Zeit nicht verschwinden, die an diesem Produkt hängt. Dieses geht in andere Hände über, das ist alles. So gesehen, gibt es gar keinen Besitz! Denn die Zeit, die investiert wurde, um ein Produkt herzustellen und wofür ich Geld bezahlt habe, diese Zeit kann ich nicht vernichten. Ich kann sie auch nicht besitzen. Es ist lediglich eine Leistung, die ich bezahlt habe. Also kann mich Besitz auch nicht unfrei machen, weil es ihn gar nicht gibt!

Das Gefühl, etwas zu besitzen, ist ein Agreement der Gesellschaft, welches so konstruiert und geregelt wurde. Wir sind alle besitzlos! Und gleichzeitig besitzen wir alles! Es gibt manchmal nur ein paar Hürden, die den offenen Zugang verhindern. Auch dies sind Vorstellungen. Es sind die Gesetze, die uns rechtlich einbinden und unter Drohung von „Freiheitsstrafe“ behindern, Rohstoffe aus dem Boden zu holen, um etwas daraus zu machen. Natürlich geht dies bis zu einem gewissen Grad noch relativ leicht, etwa, wenn ich in den Bergen einen Bergkristall finde, oder in „meinem“ Garten etwas pflanze oder Lehm schürfe. Dann werde ich mich als Besitzer desselben fühlen. Dennoch bleibt dies alles Bestandteil der Natur und ich werde es ihr irgendwann wieder zurückgeben (müssen…). Im Fall der Pflanze ist es noch eindeutiger. Sie stirbt irgendwann von alleine, vermutlich vor mir, wenn es nicht gerade ein Baum ist.

Wenn sich also das „Mein“ als Vorstellung verkappt, dann verändert sich damit auch das Bild der äußeren Freiheit. Freiheit von was kann man fragen. Freiheit kann nur immer eine innere Qualität haben. Indem ich die Vorstellung des „Meins“ erkenne und durchschaue, mache ich mich letztlich erst frei von ihr. Sie ist es, die mich im Bann gehalten hat und die in mir ein schlechtes Gewissen verursachte.

Nichts desto trotz, zurück zu meinem Freund und dessen Absichten. Ich kenne das Gefühl sehr wohl, wie reinigend es sein kann, wenn man äußeren „Besitz“, wenn ich ihn nun einmal weiterhin so nennen will, reduziert. Solches Gut kann sicherlich zu einer Last werden und in uns eine große Menge anderer Vorstellungen verursachen, die uns viel Leid (aber halt auch viel Freude, auch wenn sie kurzfristig sein mag) bringen können! Das Anhängen an den äußeren Besitz verkompliziert das Leben zumindest, weil mit ihm immer wieder eine große Menge Fragen verbunden sind. Letztlich ist es das Geld, was uns in erster Linie einengt, weil wir von ihm vollkommen abhängig sind. Dies geschieht durch die Einbindung in ein weltweites System. Ein Leben in der zivilisierten, westlichen Welt ohne Geld ist schlicht nicht realisierbar, auch wenn ich entsprechende Versuche kenne. Alle diese Menschen, die dies versuchen, sind ganz einfach von anderen Menschen abhängig, die Geld haben. Sie sind davon abhängig, dass sie von anderer Seite ernährt und unterstützt werden. Ich bin gerne bereit, mich belehren zu lassen und gespannt auf positive Versuche diesbezüglich… letztlich bleiben auch solche Ideale zunächst lediglich Vorstellungen…

[wysija_form id=“1″]
Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

Unsere Feindbilder

Aus Mato | Bilderwelt
Aus Mato | Bilderwelt

Es ist Ihnen sicher auch schon passiert, dass Sie sich nicht verstanden fühlten, dass Sie jemand mit einer Sache konfrontierte, von der er meinte, Sie seien ein Vertreter dieser Sache! Es kann sogar sein, dass Sie dem Angreifer in dem, was er verurteilte, vollkommen Recht geben konnten!

So könnten Sie beide für eine Sache gegen dieses Angegriffene in bester Freundschaft kämpfen. Das Dumme ist nur, dass der Angreifer in Ihnen einen Vertreter eben dieses Feindbildes zu sehen glaubt! Er hat sich von Ihnen ein Bild geschmiedet, welches vollkommen an der Realität vorbei zielt, belud es mit seinen persönlichen Vorstellungen und Meinungen und hält Ihnen dieses selbst geschaffene Gespenst nun entgegen. Sie versuchen vielleicht, ihn davon zu überzeugen, dass das, wovon er spricht, nicht Ihr Glaube, Ihre Weltanschauung, Ihre Meinung, oder was auch immer, sei, und bemühen sich den Tatbestand wohlwollend zu erläutern. Ihr Gegenüber „glaubt“ aber Ihren eigenen Wahrnehmungen nicht. Er hat sich so sehr in sein eigenes Bild von Ihnen verbissen, dass jede Rechtfertigung nur noch mehr Nahrung für seinen Angriff bietet. Nun ziehen Sie sich vielleicht zurück, denken, ach was solls, da ist nichts zu machen, soll der glauben, was er will…

Nicht immer läuft es so glimpflich ab…

Solche Situationen gibt es bestimmt nicht selten. Und wenn wir uns selbst ganz genau beobachten merken wir, dass es auch uns, manchmal nur in kleinen Dingen, sehr ähnlich geht mit unseren (Vor-) Urteilen! Manchmal sind es nur die ganz kleinen Schatten: ein Flüchtling zum Beispiel, der am Tor des Asylheimes sitzt und um sein Überleben kämpft. Ein flüchtiger Blick, ein flüchtiger Gedanke, der durch unseren Kopf zieht: „Der taugt ja eh nichts, soll doch zurück in sein Land gehen…“, oder ähnliches. Ein flüchtiger Gedanke nur, der uns kaum oder gar nicht bewusst wird, in sekundenbruchteilen aufblitzt und wieder verschwindet. Schnell, schon im nächsten Sekundennruchteil schalten wir wieder um, unsere nächste Sitzung anvisierend, wo es schließlich „grössere“ Probleme zu behandeln gilt, (z.B., was wir nun mit dem erwirtschafteten Gewinn von fünf Millionen Euro anfangen sollen…).

Feindbilder sind aus dieser Art (Gedanken-) Stoff gemacht. Egal ob sie im Kleinen oder im großen passieren. Es ist oft genug der Stoff UNSERER EIGENEN, persönlichen Vorstellungen, unserem persönlichen Verständnisbild der Welt, dem wir nur immer wieder frische Nahrung geben, um dieses so am Leben zu erhalten und um unser Gewissen damit zu beruhigen. Das Gewissen, welches gebetsmühlenartig predigt: „Ich bin ja ein guter Mensch! Der oder Jener aber verkörpert das Böse!“ Was wir dort zu sehen meinen und vernichten wollen, ist oft nichts anderes als ein selbst kreiertes Schattenbild unserer selbst, ein persönlich geschaffenes Gespenst. Wie viele solche Gespenster geistern in der Welt herum, mich wohlweislich mit einbezogen…

Der Flüchtling war vielleicht, bevor er in die Schweiz einwandern musste, ein ehrbarer Bürger seines Landes gewesen und verurteilte, wie Sie, jede Form von Müßiggang. Er hatte viel Pech in seinem Leben und konnte letztlich auch nichts für die Verhältnisse, die ihn und seine Familie zur Flucht trieben… Überall wurde er abgelehnt, als Nichtsnutz verurteilt… Nun sitzt er da…
Man kann nur hoffen, dass es uns nicht auch einmal so geht. Stellen Sie sich vor, Sie müssten in Syrien oder anderswo Fuss fassen, sich in deren Kultur einleben, sich mit den dortigen Behörden arrangieren, die für Sie so fremde, exotische Sprache, die seltsamen Schriftzeichen usw. lernen und dies unter grösstem existentiellem Druck für Sie und Ihre Familie… Unter schwierigsten Bedingungen, sich an die Verhaltensregeln dieser fremden Kultur gewöhnen, Sitten und Gebräuche verstehen. Alles Dinge, die komplett neu sind für Sie… Das wäre doch auch einmal eine sehr interessante – und zudem lehrreiche – Vorstellung…

PS: ECOPOP heisst eine Initiative, die derzeit in der Schweiz läuft und am 30.11.2014 zur Abstimmung kommt. «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen». Man kann sich fragen, was in diesem Sinn der Begriff „natürlich“ bedeuten mag…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Fehlerkultur…

FehlerkulturFehler sind das natürlichste im Leben und gehören ebenso dazu, wie das Amen in der Kirche und der Tod. Das ist den meisten Menschen irgendwie klar. Dennoch sieht die Realität, vor allem im Schul- und Berufsalltag, oft sehr anders aus. Wir schwanken oft zwischen den Extremen Perfektionismus und Nachlässigkeit hin und her. Das oft gelobte „Ego“ tümpelt mit einem mehr oder weniger bewussten Umgang mit seinen «Fehlern» dazwischen. 

Die Toleranz gegenüber Fehler hat in den letzten Jahrzehnten sogar noch abgenommen. Missgeschicke schlagen schnell aufs Ansehen (oder auf den Umsatz…). Dabei könnten Fehler zu einem echten kreativen Motor werden, wenn wir lernen würden, konstruktiv mit ihnen umzugehen und unsere Erfahrungen damit anzureichern. Das bedingt die Einsicht in die Entwicklungs-möglichkeiten von konstruktiv genutzten „Fehlentscheiden“ oder Missgeschicken. Und diese Einsicht hat mit Vertrauen zu tun.

Entwicklung läuft immer in Wellenform. Es gibt keine geradlinige Entwicklung. Der kürzeste Weg in einem lebendigen Prozess  ist nicht die Gerade, sondern die gebogene Linie! Egal, was wir im Leben tun, ob bei der Arbeit oder im Privatleben, unsere Bemühungen werden nie fehler-los bleiben. Wieder einmal muss ein Begriff anders definiert werden. Wir neigen dazu, das Wort «Fehler» negativ zu belasten. Oft sind wir von Kindsbeinen an darauf hin getrimmt worden, nur ja keine Fehler zu begehen. Manche entwickelten dabei ihren Skript-bedingten Perfektionismus, der in einen manischen Kontrollzwang ausmündet.

Das hemmt ihr Tun und behindert die Spontanität und die Intuitionsfähigkeit. Und genau dies sind entscheidende Faktoren für eine kreative und flexible Lösungsfindung. Zuviel Hemmung verhindert zwar Fehler, bringt aber keine innovativen, überraschenden Ideen zustande. Andere beginnen, durch eine überbetonte Kontrollhaltung, nachlässig zu werden. Sie können mit Kritik nicht positiv umgehen, ziehen sich zurück und verlieren eine gesunde Tatbereitschaft. Die «negative Aufladung» hemmt ihre Tatbereitschaft, weil sie Angst vor dem Versagen haben. Daraus kann sich eine gewisse Nachlässigkeit entwickeln, eine Art «ist mir alles egal“ -Stimmung.

Eine moderne Gesellschaft müsste dem (positiven) „Irrtum“ mehr Gewicht geben und ihn als Chance werten. Auch kreative Prozesse verlaufen in dieser Wellenform. Das heißt, jedes Tun wird durch die Selbstbeobachtung ständig korrigiert und neu bewertet. Das Hin und Her zwischen Tätigkeit und Selbstbeobachtung schafft lebendige Formen und neue Ideen. Die analytische Form, die bis ins letzte Detail schon (da-) vorgestellt wird, also bevor sie in die Tat kommt, ist das Gegenstück dazu. Dieser Prozess eliminiert möglicherweise gewisse zum Voraus «berechnete» Fehler, die an dieser oder jener Stelle auftreten könnten, aber er lässt keinen Freiraum mehr für das Besondere, Außergewöhnliche, Überraschende zu. Und davon leben alle geniale Lösungen. Es sind nicht die Kinder des Intellekts, sondern der Intuition. Fehler im Vorfeld zu eliminieren bedeutet, dem Prozess den freien Atem zu nehmen und damit «Spiel»-räume zu schaffen.

Fehler nicht mehr negativ zu sehen, sondern als Antrieb für neue Impulse, fördert und stärkt den kreativen Prozess. Dazu gehört auch hier, zum wiederholten Male, die Selbstreflexion. Denn im selben Moment, wo ich den Fehler begehe, muss ein neues, inneres Wahrnehmungsorgan den Vorgang allmählich erkennen und umwandeln lernen, damit wir nicht ständig in dieselbe Falle tappen. Fehler sind nur dann destruktiv, wenn wir sie nicht als Entwicklungsmöglichkeit sehen und aus einer pathologischen Ignoranz davon keinen persönlichen, und letztlich positiven, Nutzen ziehen können…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Müssen wir wirklich „umdenken“?

mato | bild
mato | bild

Der Spruch ist in aller Munde und weitet sich in der Politszene epidemisch aus: die Menschheit müsse „umdenken“! „Umdenken“ ist im Grunde ein Unwort! Der Literatur Professor Peter von Matt sagte vor kurzem in einem Interview in der basellandschaftlichen Zeitung: „…und hoffnungslos ist nur die Erwartung, dass die ganze Menschheit umdenken soll!“ Es war ein Gespräch über „Das Buch gegen den Tod“ von Elias Canetti. Die Aussage bringt mich dazu, nicht, „um“, aber nachzudenken.

Aus der Perspektive Canettis kann ich es nicht beurteilen, aber mit Sicherheit aus meiner – insofern ich ein freier Mensch bin… Nur, bin ich frei? Bin ich frei, wenn ich mich entschließe, den Kapitalismus durch den Sozialismus zu ersetzen? Gut, ich kann „einsichtig“ werden und plötzlich kapieren (durch umdenken), dass der Kapitalismus einige Schwierigkeiten mit sich bringt. Kann durch irgendwelche Lebensumstände, die in mir eine soziale Ader weckten zum Sozialisten werden. Insofern beginne ich vielleicht schleichend damit, „umzudenken“…

Der Aufruf des Umdenkens alleine bringt aber noch absolut keine Veränderung mit sich! Denn das „Umdenken“ ist immer Folge einer inneren Umwandlung; meist einer rein persönlichen Umwandlung. Der Ansatz muss also immer in dieser Kraft der Umwandlung liegen. Nur, wie wandelt man Massen um?! Allein durch Argumente, durch Überzeugung?

Meist geschieht dies so: Entweder durch (Massen-) Beeinflussung mit genialen Werbemethoden. Und sonst? Durch Überzeugung? Das ist deshalb so schwierig, weil fast jeder Mensch eine andere, nämlich seine eigene, persönlich zusammengezimmerte Überzeugung mit sich herum trägt. Und weil er diese vehement zu verteidigen sucht, um sein Gesicht nicht zu verlieren, wird dies ein äußerst schwieriges Unterfangen.

Man kann davon überzeugt sein, dass soziales Denken etwas positives ist! Schon auf der nächsttieferen Stufe der Diskussion, wenn es um die reale Umsetzung dieser Ideen geht, werden sich vielfältige Meinungsverschiedenheiten zeigen. Wir werden es ohne dezente oder penetrante Werbemethoden nie schaffen, Massen von etwas zu überzeugen. Es braucht immer eine gewisse Konzentration der Gedanken oder besser Vorstellungen. Bilder müssen geschaffen werden, die sich einbrennen, die uns emotional berühren; eine Art „Schlag-Zeile“ oder ein „Königsargument“, welches viele mit „ins Boot“ holt und entsprechend positiv vermarktet wird. Das ist es, was es braucht. Wenn jemand eine sogenannte  „gute Idee“ hat, dann muss er zur Umsetzung sehr viele Menschen finden, die diese Idee auch gut finden! Aber schon in der Anfangsphase seiner Initiative wird er schnell merken, wie schwierig das ist! Wie viel Arbeit des Überzeugens steckt dahinter!

Viele sind sich einig, die Welt, so wie sie jetzt „funktioniert“, ist nicht gerade ein Musterbeispiel von Gerechtigkeit und Edelmut. Gewiss, manche bestreiten sogar dies. Diejenigen nun, die diese Einsicht aber haben, sind sich nicht einig, wenn es darum geht, etwas daran zu ändern. Das ist die Krux des ganzen „Umdenken“- Problems. Die Heilslösung sieht jeder aus einem anderen, oft ebenfalls nur persönlich erfahrenen, Blickwinkel. Und so bleibt sie, die Welt, halt weiterhin so, wie sie ist, wie sich die Sache nun einmal „eingespielt“ hat.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Wesensverwandt…

Wer mit seinen Überzeugungen an die Öffentlichkeit treten will, sollte den Dunstkreis seiner Wesensverwandten verlassen um nicht Inzucht zu betreiben… es macht ja wenig Sinn, den Mathematik-Professor vom pythagoreischen Lehrsatz zu überzeugen… leider nehmen Dir die Wesensverwandten diesen Exkurs oft übel…

image

Steppenwölfe

WolfrudelSchon Hermann Hesse hat es in seinem „Steppenwolf“ beschrieben und erkannt: In unserem Inneren leben viele Aspekte der Persönlichkeit. Sie zu durchschauen ist eine wichtige Aufgabe unserer Zeit. Dies ist umso schwieriger, als wir meistens so stark verwoben sind mit diesen „Teilselbsten“, dass wir sie, im Identifikationszustand, nicht wahrnehmen können. Oft erkennen wir einzelne, schwierige in der Begegnung mit anderen Menschen.

Die meisten Menschen setzen jedoch einem problematischen Teilselbst lediglich ein etwas weniger problematisches, oft polares, entgegen. Das ist die gängige, und eigentlich logische, Konsequenz eines rein gegenständlichen Weltbildes. Warum? Weil es für ein solches Weltbild keine einheitliche, zusammenfassende Persönlichkeit gibt.

Auf einer alltäglicheren Stufe stellt sich dies so dar. Ich erzähle z.B. dauernd allen Menschen stolz und eifrig von den „großen Taten“, die ich begangen habe und bluffe ständig damit, was für ein toller Kerl ich doch bin. Das Bild von mir ist vielleicht geprägt von einer totalen Selbstüberschätzung. Der Hochmut, in dem ich möglicherweise, (das Urteil darüber fällen vor allem die Anderen…), gefangen bin, wird mir plötzlich, schlagartig bewusst. Ich schäme mich in Grund und Boden und möchte mich nur noch verkriechen. Die „Lehre“, die ich, vielleicht auf Druck der anderen, daraus ziehe ist, bescheiden zu bleiben. Ich ziehe mich vollkommen zurück. Die Konsequenz ist eine andere Fixation, die mich nun im gegenteiligen Gedanken gefangen hält: „Ich bin schlecht, ich tauge nichts“ oder ähnliches.

Das Teilchen-Bild der materialistischen Denkweise setzt diese Teile zusammen, analysiert und kombiniert sie. Und meint, das Ganze in der Summe der Teile zu finden. Diese Anschauung beruht auf der Mechanik. Deshalb können wir selbst in der modernen Medizin keine Ansätze mehr finden, die mehr als die Teile beinhalten. Der Mensch wird auf das mechanisch-funktionelle reduziert. Und dies wiederum legt das ganze Gewicht auf eben diese Teile. Teilchen beschleunigen ist das höchste, was man damit erreichen kann. Leben wird man auch so nicht schaffen können.

„Wie auch immer, was du erzählst ist dein persönlicher Glaube“. Es soll niemand von etwas anderem überzeugt werden. „Das ist Dein persönlicher Glaube…“, sagen viele und unterlassen es, weiter darüber nachzudenken; zum Beispiel darüber, was ihr persönlicher Glaube ist. Worüber soll man denn auch nachdenken? Das mechanische Denken kombiniert nur immer wieder die Teile! Daraus leite ich obige Aussage ab. Und wie sieht es in der Praxis damit aus? Möglicherweise kommt ein Mensch mit einem extremen Verhalten zum Psychiater. Er entwickelt zum Beispiel starke Aggressionen, die so mächtig sind, dass sie für sein Umfeld gefährlich werden können. Was setzen wir nun diesen Aggressionen entgegen? Man kann Medikamente geben, die jene Bereiche des Gehirns zum Stoppen bringen, welche das aggressive Verhalten blockieren. Das ist ein (zu) häufig praktizierter, und für die Medizin relativ einfacher und lukrativer, Weg. Dadurch wird das Bewusstsein des Klienten nicht nur gehemmt, sondern es treten in den meisten Fällen starke Nebenwirkungen auf.

Der andere, etwas schwierigere Weg wird es sein, das Verhalten über eine Psychoanalyse zu steuern. Maßnahmen, die im Gespräch gefunden werden, können eine Linderung sehr wohl unterstützen. Bei diesem Verfahren wird es sinnvoll sein, behutsam vorzugehen. Herauszufinden, was diese Aggressionen auslöst, wird die zentrale Fragestellung sein. Es können aber durchaus auch sinnvolle Begleitmaßnahmen ergriffen werden, welche in ähnlicher Weise dazu beitragen, „das Gemüt zu beruhigen“. Kunsttherapien zum Beispiel sind hier oft sehr sinnvoll. Malen, Plastizieren, Musik, oder andere Mittel, können helfen, das Verhalten in andere Bahnen zu lenken. Immer vorausgesetzt, der Klient erkennt sein Problem selber und ist bereit, aktiv mitzuarbeiten. Das Beispiel ist natürlich für die Anschaulichkeit völlig vereinfacht dargestellt, weil sich Aggressionen oft oder meistens aus einer übergeordneten Belastung ergeben. Hier geht es mir nur darum, das Prinzipielle darzustellen.

All diese Mittel schaffen jedoch noch immer keine Einsicht im Sinne einer Selbst-Erkenntnis. Das Teilselbstkonzept „Aggression“ wird lediglich durch ein anderes ersetzt. Es kann durchaus vernünftig sein, es „austauschen“ und in vielen Fällen wird es sogar unumgänglich sein, das Verhalten so von außen zu steuern. Im Sinne einer akuten Unterstützung, oder wenn Gefährdung der Umwelt damit verbunden ist, muss zuerst einmal Ruhe in die Emotionen hinein gebracht werden. Diese Ruhe kann durch verschiedene Hilfsmittel erfolgreich gestützt werden. Sie wurden jetzt aufgezählt: Medikamente, begleitende künstlerische Therapien, Gespräche und Verhaltenstherapien usw. So kann es, je nach Situation des Klienten, auch Hilfe verschaffen, wenn er sich z.B. einen Hund anschafft, oder beginnt, zu joggen, oder dies oder jenes in seinen Lebensalltag einbaut, was diese Wirkung unterstützt.

Alle diese Formen der Therapie schaffen etwas Neues, einen neuen Lebensaspekt, eine neue Lebensweise oder wie man dies auch nennen mag. In besonders hartnäckigen Fällen wird es nie mit „weichen Mitteln“ gelingen und eine lebenslange medikamentöse „Ruhigstellung“ wird unumgänglich sein. Gegen alle diese Konzepte ist im Grunde nichts einzuwenden und sie müssen wohl immer wieder akut gehandhabt werden. Dennoch haben sie alle eines gemeinsam: Sie bringen den betroffenen Menschen nicht an sein eigenes Zentrum heran, sondern weiter davon weg. Denn zur wirklichen Selbsterkenntnis gehört die Beobachtungsfähigkeit und Wachsamkeit sich selbst gegenüber. Die Fähigkeit, Distanz zu schaffen zu diesen Emotionen und Gedanken, sie zu erkennen und ihnen damit ihre Schärfe zu nehmen. Meines Erachtens müsste die Unterstützung in diese Richtung wesentlich stärker ins Auge gefasst werden. Das Heraustreten aus den mächtigen Gewohnheiten und Steuerungsmechanismen, die wir im Laufe eines Lebens geschaffen haben und immer wieder neu erschaffen, bedeutet, einen neuen, übergeordneten Standpunkt zu finden. Die Erfahrung, dass wir mehr sind als nur sich immer wiederholende, unbelehrbare Automaten ist der erste Schritt dazu. Er kann sich allein schon darin zeigen, dass wir innerhalb der Teil-Selbste den Standpunkt wechseln. Hier bleiben wir jedoch auf einer Ebene stehen. Gleichzeitig wird ein neuer Bewusstseins-Schritt gefordert, der es erst ermöglicht, innere, angelernte Kreisläufe in der Selbstreflexion zu durchbrechen…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Selbst-Reflexion, was ist das eigentlich?

SelbstreflexionWenn man den Begriff Selbstreflexion hört, kann man sich berechtigterweise die Frage stellen, was das eigentlich bedeutet. Im Kontext der Psychologie meint es in der Regel dies: Zu beobachten, wie man reagiert, wie man handelt, wie man fühlt und denkt. Sich selbstkritisch in manchen Situationen in Frage stellen und die Gedanken, die man äußert, auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Es geht in erster Linie um Wahrheit, um richtiges, wahrheitsgetreues Denken und Wahrnehmen. Selbstreflexion in diesem Sinn, findet auf der Ebene der Gedanken statt. „Ist es wirklich richtig, dass ich dieses oder jenes gesagt, getan habe?“ –  „Habe ich diese Mitarbeiterin richtig behandelt, oder war ich zu streng mit ihr?“ – „War es falsch, dass ich mich aus der Gruppe zurückgezogen habe?“ usw.

Solche und ähnliche Fragen bilden den Inhalt der Reflexion auf sich selbst im psychologischen Zusammenhang. Es macht durchaus Sinn, die eigenen Taten und Gedanken, Emotionen und Gefühle immer wieder zu überprüfen und selbstkritisch zu hinterfragen. Wer dies tut, gewinnt im Laufe der Zeit Abstand zu gewissen Emotionen und bereichert damit gewiss sein Leben.  Die Gedanken, die ich mir dazu gemacht habe, gehen jedoch tiefer und sie berühren eine neue Schicht der Erfahrung.

Die Beurteilung und, je nach dem, Verurteilung, die Kritik an die selbst gebildeten Gedanken, ändern zwar den Standpunkt des Betrachters in mir, wenn ich die Selbstreflexion im psychologischen Kontext betrachte. Ich schreite sozusagen von meinem „Kind-Ich“ zum „Eltern-Ich“ in mir. Das Kind in mir hat etwas Unrealistisches oder Dummes gesagt oder getan. Nun kommt der strenge Vater in mir und verurteilt, oder bestraft sogar diese Tat, diese Gedanken. „So geht das aber nicht, mein Sohn! Bist du nicht ganz bei Trost…!“ Durch diesen Akt der Selbstbeurteilung fühle ich mich vielleicht wohler und bemühe mich, fortan, „vernünftiger“ zu sein. Mein „Vater-Ich“ geht nun erhaben, stolz und kontrolliert durch die Welt und verurteilt vielleicht alle, die sich so kindisch zeigen!

Das kann eine Weile gehen, aber das „Kind-Ich“, der kleine Ursli, regt sich halt von Zeit zu Zeit wieder in mir, bäumt sich auf und treibt schon bald wieder seinen Schabernack.  Es ist ein stetes Spiel in verschiedenen Rollen. Es sind kaum nur zwei solche Rollen. Die beiden erwähnten, und in der Transaktionsanalyse bekannten Rollen, sind aber dennoch beispielhaft und stellvertretend für viele vergleichbare Verhaltensmuster. Es können sich auch andere Teilselbste in uns aufbäumen und sich gegen wieder andere auflehnen oder sich gegenseitig bekämpfen. Was ich nie sehen werde auf der Gedankenebene ist die Herkunft und der Charakter dieser verschiedenen, in mir stattfindenden Auseinandersetzungen und Schlachten.

Da kommt meinetwegen das Eifersuchts-Ich plötzlich auf die Bühne. Meine Gedanken sind voll von Eifersucht. Sie werden gepackt und „übermannt“ von einer unsichtbaren und unbekannten Kraft, die mich plötzlich in Beschlag nimmt. Es gibt zwei Dinge, die im „Autopiloten“ meines Selbstes dann auftreten. Entweder ich werde mit Haut und Haaren von diesem „Gespenst“ der Eifersucht aufgesogen und vereinnahmt. Dann bin ich komplett verwoben und verhaftet mit diesen Gedanken und den Gefühlen, den Emotionen, die sich daraus bilden. Ich identifiziere mich als Selbst, als „Ich“ (oder besser als Ego), vollkommen mit diesem „Wesen der Eifersucht“. Oder es könnte sein, dass meine Entwicklung, meine Lebensschule so weit fortgeschritten ist, dass ich dieses „Wesen Eifersucht“ schon im Stadium der Entstehung erkenne und ihm gegenübertrete. Jetzt komm vielleicht wieder eine Art „Vernunft-Ich“ auf den Plan. Es flüstert mir ins Ohr: „Schau, jetzt bist du doch schon ein alter Mann, hast schon so viel Tragisches erlebt, da wird dich dieses Gefühl doch nicht so schnell erschüttern! Sei stark! Sei ein Mann und stelle dich ihm, du bist doch kein Warmduscher…!“

Aber wie schon vorher, stellt sich nun dem einen Gefühl, der einen Emotion, lediglich eine andere entgegen. Dies kann ganz verschiedene Facetten haben. Schlimmer wäre es, wenn es kein solch „vernünftiges“ Ich wäre, sondern vielleicht ein „Rache-Ich“, welches auf den Plan tritt und mich von neuem vereinnahmt. Nur eben von einer anderen Seite! Mag sein, dass es mich sogar soweit treibt, dass ich eine kriminelle Handlung begehe. Statt Eifersucht, Rache, Neid, Hass, Missgunst, Trauer usw. ließen sich hunderte von anderen Emotionen, Gefühlen aufführen, die so interagieren. Alle fordern zur gegebenen Stunde ihren Tribut. Beim einen Menschen sind diese stärker und jene Reaktionen folgen darauf. Beim anderen Menschen wiederum sind andere stärker usw.

Diese ganzen Kämpfe finden in uns selber statt. Und je nachdem, welche Erlebnisse und Erfahrungen wir im Leben durchgemacht haben, konstituieren wir unterschiedliche Teilselbste in uns. Bei der „normalen“ Selbstreflexion, wie ich sie oben kurz skizziert habe, kommen wir lediglich immer wieder „vom Regen in die Traufe“, wie man so schön sagt. Aus der emotionalen Dynamik aber kommen wir nicht heraus! Dazu braucht es nochmal einen anderen, inneren Standpunkt. Und dieser Standpunkt muss außerhalb des Denkens sein! Es ist die wache Präsenz, die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit im Menschen, die, nun ohne Beurteilung, ohne Vorurteile und ohne Kritik (denn dies sind alles nur immer wieder NEUE GEDANKEN!) auf einer anderen, tieferen  Ebene lebt.

Das ist der Grundansatz meiner Gedanken im gleichnamigen Buch. In diesem Sinn ist die Selbst-Reflexion gemeint. Deshalb habe ich diese zwei Wörter auch auseinander genommen, weil mit Selbst, ein identifiziertes, verhaftetes Ich gemeint ist, welches reflektiert wird. Im Grunde genommen wird es beobachtet, nicht reflektiert. Aber der Begriff Selbstreflexion ist heute in der anderen Art und Weise so bekannt und „eingebürgert“, dass es wenig Sinn macht, schon von einem höheren Standpunkt auszugehen… Es bedeutet letztlich, diese Anteile in sich nicht zu bekämpfen und zu verdrängen, sondern es geht um deren Integration. Denn im Akt des Erkennens verlieren sie ihre Wirkung. Sie haben den „Herrn im Haus“ ekannt…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

RSS
Follow by Email
LinkedIn
Share
%d Bloggern gefällt das: