Müssen wir wirklich „umdenken“?

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Der Spruch ist in aller Munde und weitet sich in der Politszene epidemisch aus: die Menschheit müsse „umdenken“! „Umdenken“ ist im Grunde ein Unwort! Der Literatur Professor Peter von Matt sagte vor kurzem in einem Interview in der basellandschaftlichen Zeitung: „…und hoffnungslos ist nur die Erwartung, dass die ganze Menschheit umdenken soll!“ Es war ein Gespräch über „Das Buch gegen den Tod“ von Elias Canetti. Die Aussage bringt mich dazu, nicht, „um“, aber nachzudenken.

Aus der Perspektive Canettis kann ich es nicht beurteilen, aber mit Sicherheit aus meiner – insofern ich ein freier Mensch bin… Nur, bin ich frei? Bin ich frei, wenn ich mich entschließe, den Kapitalismus durch den Sozialismus zu ersetzen? Gut, ich kann „einsichtig“ werden und plötzlich kapieren (durch umdenken), dass der Kapitalismus einige Schwierigkeiten mit sich bringt. Kann durch irgendwelche Lebensumstände, die in mir eine soziale Ader weckten zum Sozialisten werden. Insofern beginne ich vielleicht schleichend damit, „umzudenken“…

Der Aufruf des Umdenkens alleine bringt aber noch absolut keine Veränderung mit sich! Denn das „Umdenken“ ist immer Folge einer inneren Umwandlung; meist einer rein persönlichen Umwandlung. Der Ansatz muss also immer in dieser Kraft der Umwandlung liegen. Nur, wie wandelt man Massen um?! Allein durch Argumente, durch Überzeugung?

Meist geschieht dies so: Entweder durch (Massen-) Beeinflussung mit genialen Werbemethoden. Und sonst? Durch Überzeugung? Das ist deshalb so schwierig, weil fast jeder Mensch eine andere, nämlich seine eigene, persönlich zusammengezimmerte Überzeugung mit sich herum trägt. Und weil er diese vehement zu verteidigen sucht, um sein Gesicht nicht zu verlieren, wird dies ein äußerst schwieriges Unterfangen.

Man kann davon überzeugt sein, dass soziales Denken etwas positives ist! Schon auf der nächsttieferen Stufe der Diskussion, wenn es um die reale Umsetzung dieser Ideen geht, werden sich vielfältige Meinungsverschiedenheiten zeigen. Wir werden es ohne dezente oder penetrante Werbemethoden nie schaffen, Massen von etwas zu überzeugen. Es braucht immer eine gewisse Konzentration der Gedanken oder besser Vorstellungen. Bilder müssen geschaffen werden, die sich einbrennen, die uns emotional berühren; eine Art „Schlag-Zeile“ oder ein „Königsargument“, welches viele mit „ins Boot“ holt und entsprechend positiv vermarktet wird. Das ist es, was es braucht. Wenn jemand eine sogenannte  „gute Idee“ hat, dann muss er zur Umsetzung sehr viele Menschen finden, die diese Idee auch gut finden! Aber schon in der Anfangsphase seiner Initiative wird er schnell merken, wie schwierig das ist! Wie viel Arbeit des Überzeugens steckt dahinter!

Viele sind sich einig, die Welt, so wie sie jetzt „funktioniert“, ist nicht gerade ein Musterbeispiel von Gerechtigkeit und Edelmut. Gewiss, manche bestreiten sogar dies. Diejenigen nun, die diese Einsicht aber haben, sind sich nicht einig, wenn es darum geht, etwas daran zu ändern. Das ist die Krux des ganzen „Umdenken“- Problems. Die Heilslösung sieht jeder aus einem anderen, oft ebenfalls nur persönlich erfahrenen, Blickwinkel. Und so bleibt sie, die Welt, halt weiterhin so, wie sie ist, wie sich die Sache nun einmal „eingespielt“ hat.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

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