Des Menschen Engel ist die Zeit

Was mag der deutsche Dichter Friedrich Schiller sich wohl dabei gedacht haben, als er im Wallenstein diesen Satz aussprechen liess. Immerhin ist es heutzutage in Mode gekommen, die Zeit als eine abstrakte, illusionäre Erfahrung des Denkens abzutun. „Erleuchtete“ Menschen stimmen uns ein in das Wunder einer zeitlosen Erfahrung im Jetzt, einem Raum der Zeitlosigkeit und der All- Einheit des Geistes jenseits des Denkens.

Auch wenn diese Erfahrung schön und erstrebenswert klingen mag, so kann man doch etwas wunderbares abgewinnen am Phänomen der Zeit. Was ist Zeit? Zeit ist Bewegung, Entwicklung, Fortschritt oder auch Rückschritt. In der Zeit erleben wir eine Art Kontinuum der Handlungen, der Gefühle und der Gedanken. Es passiert Veränderung. Die Zeit lässt reifen. Zeit ist aber auch Heilung! In diesem Ablauf der Ereignisse verwandelt sich unser Bewusstsein allmählich. Es durchschreitet Hürden, Tore, Gipfel, Räume, aber auch Höllen, Dunkelheit, Abgründe. Und gerade dies kann auch positiv gesehen werden. Jede Schule, jeder Lernprozess, ja der Prozess überhaupt, sind Kinder der Zeit. Sie ist der unsichtbare Träger all dieser Erfahrungen, seien sie für uns positiv oder (zunächst) negativ.

Nun ist aber diese Zeit auch nichts anderes als eine Aneinanderreihung von gegenwärtigen Momenten, von lauter Jetzt-Erfahrungen. Unser Geist alleine vermag die Brücke zu bilden über diese Momente hinaus. Er kann sich von der fernen Vergangenheit erstrecken bis in die weite Zukunft hinein. Er haftet sich an bereits gelebte Erfahrungen, grübelt darüber nach, klebt an ihnen fest und klammert sich gleichermassen an Hoffnungen, wie an Enttäuschungen. Er schürt Ängste aus dem Versagen oder Ausfallen dieser Hoffnungen. Seine „Wohnstatt“ ist aber stets die Gleiche. Es ist die Geistes-Gegenwart. Allein hier ist Zeitlosigkeit.

So bringt der Geist, unser Bewusstsein, die Illusion der Zeit zustande, indem er auf Reisen geht. Der Körper bleibt immer am gleichen Ort, nämlich im Jetzt. Aber er nimmt die Verwandlungen wahr, er reagiert auf die daraus entstehenden Erfahrungen des schweifenden Bewusttseins. Andererseits braucht er diese Reisen, um sich zu entwickeln, um sich zu erneuern. Zeit ist also der Geist der Verwandlung aus der Bewegung. Sie ist der Schutzwall, hinter dem wir uns verbergen können. Sie ist aber auch der Impuls, der zur Tat anregt, zur Sühne, zur Wiedergutmachung, zur Hilfe – und die damit letztlich zur Heilung beiträgt.
Was anderes ist der Engel, der uns begleitet und beschützt?

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Besitz- Freude und Schenk- Freude

FreudeLetzthin sah ich in der Stadt einen älteren, sportlichen Mann auf seinem Fahrrad. Warum er mir auffiel, weiss ich nicht. Er hatte nichts Besonderes an sich, nichts, was herausstach oder sich vom Normalalltäglichen abhob. Vielleicht war gerade dies so charakteristisch spezifisch und augenfällig: das Normale. Auf seinem Gesicht, welches ich nur flüchtig erheischte, lag eine gewisse Fröhlichkeit.
Sein Lachen hatte in mir jedoch irgendwie seltsam nachgeklungen. Es fiel mir in der Folge auf – weitere lachende, scheinbar frohe Gesichter beobachtend – wie unterschiedlich die Qualität der Freude ausgedrückt werden kann!

Das Lachen jenes Mannes liess eine Freude durchscheinen, die sich auf etwas Bestimmtes bezog; eine freudige Erwartung im Sinne von: Jetzt kann ich mir endlich den neuesten iMac leisten, nachdem ich meine Frau davon überzeugen konnte. Wie geil ist es, jetzt das Ding zu kaufen! Die Freude des zum Mediashop fahrenden Mannes bezog sich auf eine Art äusserer Befriedigung, die jeder kennt, wenn er oder sie sich in irgend einer Art und Weise materiell befriedigt. Es mag so oder anders gewesen sein; Mediashop oder Geliebte, jedenfalls stimmte das Gefühl in diesem Sinne betrachtet…

Die meisten lachenden Gesichter, die ich in der Folge beobachtete, boten mir einen ähnlichen Ausdruck: sie bezogen sich auf irgendwelche materiellen Dinge oder Erwartungen. Es war aus ihnen zu lesen: jetzt bekomme ich etwas! Achten Sie einmal, wenn Sie durch eine Stadt spazieren, auf dieses Lachen! Versuchen Sie herauszufinden, welches der Antrieb für das Lachen auf den Gesichtern – wenn sich denn ein solches zeigt – ist! Meine persönliche Erfahrung war ernüchternd! Das meiste schien diesen Haben-Charakter zu tragen.

Wie anders ist es doch, wenn jemand nicht lacht, weil er oder sie etwas bekommt, etwas erwartet, was ihm oder ihr zusteht – was also infolgedessen auf Besitz ausgerichtet ist! Wenn sich ein Lachen in einem Gesicht zeigt, welches nicht etwas von anderen für sich selbst haben will, sondern etwas geschenkt hat, anderen etwas gegeben hat! Die Qualität einer solchen Freude, zeigt mehr als blosse Selbstlosigkeit, blosse Demut oder asketisches Gehabe.

Ein Lachen dieser Art schenkt selbst, aus sich heraus, etwas viel Kostbareres, lässt etwas spürbar machen, was sich im Hintergrund von einer Art „permanenter Persönlichkeit“, einer Art „geistigem Ich“, oder wie man es nennen will, kund tut! Es tritt hervor aus dem Schleier der egoverhafteten Persönlichkeit, durchbricht diesen (wenigstens für Momente) und wirkt heilend auf die Umgebung! So, wie die Sonne, die hinter den Nebelschwaden hervorbricht alles in ein vollkommen neues Licht verwandelt! Solche Schenk-Freude berührt jeden von uns. Sie kommt aus einer tieferen Ebene, als die Besitz-Freude und hat eine enorme Wandlungskraft! Das „Haben“ verblasst im Schein des „Seins“.

…ähnliches habe ich letzte Woche auf dem Gesicht meiner verstorbenen Mutter auf ihrem Totenbett gesehen… dies sei ihr zum Gedenken!

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Von Engeln, die vergessen haben, Engel zu sein

EngelAlles was ich über die letzten Jahre in diesem Blog und in anderen Schriften zu verkünden versuchte, zielte im Grunde nur auf eines hin, dem bewusst werden eines Verbindenden, der Trennung und dem Dualismus entgegen wirkenden in den Menschen.

Daran kann man glauben oder nicht. Dennoch liegen meinem Bemühen genügend Erfahrungen zugrunde, um in dem hohen Anspruch nicht müde zu werden, es immer wieder von Neuem und mit anderen Worten zu versuchen. Dieses Trennende in uns muss jedoch entlarvt werden. Ihm muss hinter die Kulissen geschaut werden, damit der Glanz dieses All-Einen, Alles-Umfassenden in uns erlebt werden kann. Dahinter lauern tausende von Fallen, die uns in alte Muster zurück bringen, die all das verdecken, was dieses Verbindende, stets erneut und ohne Unterlass, in uns aufbauen will. Etwas einfacher ausgedrückt: Es geht darum, uns wieder daran zu erinnern, dass wir alle Engel sind…

Wohin fließen die Energien?

Der wohl wichtigste spirituelle Grundsatz aller Zeiten lautet: Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Man kann sich ja einmal fragen: Wohin fließen denn die Energien (sprich die Aufmerksamkeit) in unserem persönlichen Leben, am allermeisten? An sehr viele Orte, in andere Dinge schlüpfen sie hinein, in Taten, in Bildschirme und in die Touchscreens unserer Handys, hin zu Erinnerungen, in die Ängste um unsere Zukunft und so weiter, kurz: überallhin, aber am allerwenigsten in den eigenen Körper! Als mir dies vor kurzem erst so richtig klar wurde, erschrak ich zunächst. Denn das hatte ich am allerwenigsten erwartet!
Wenn Sie es nicht glauben, dann machen Sie einmal den Versuch. Probieren Sie Ihre Aufmerksamkeit für fünf lumpige Minuten radikal auf Ihren Körper zu richten! Es wird Ihnen schwer fallen, weil ständig wieder der Gedankenfluss unseres Kopfkinos die Aufmerksamkeit zurück fordert und durchbricht. Im Gefolge dessen werden die Emotionen und das persönliche Wollen an die Handlungen gebunden. Sie bringen stete Unruhe und Stress in unser Leben, weil die Taten nur wenig demjenigen folgen, was wir „die Wahrheit“ nennen. Nur durch ein stetes probieren und irren (try and error), nähern wir uns schließlich wenn überhaupt, so etwas ähnlichem wie dem Optimum (nicht etwa Opium…, auch das ist möglich, aber soweit möchte ich jetzt nicht gehen). Dieses Optimale fokussiert sich allerdings weniger auf eine innere, spirituelle Entwicklung, als einem rationalen oder materiellen Aspekt. Die Energien werden also dauernd aus dem Körperbewusstsein heraus gezogen und an Ihre Vorstellungen einer „optimalen“ persönlichen (optimierten) Lösung gebunden.

Zuhause ankommen und Engel werden

Das ist der Grund, weshalb wir so gut wie nie wirklich anwesend sind, bei uns selbst sind. Denn alles, was wir in unseren Vorstellungen erleben, zieht uns weg von uns selbst, an einen anderen Ort, eine Lebenssituation, an ein Erlebnis in der Vergangenheit oder an etwas, was uns bevorsteht, vielleicht sogar an ein spirituelles Konzept, welches sich verhärtet hat, eingefroren ist.
So einfach wäre es doch, Engel zu werden:. Wir müssen nur dorthin zurückkehren mit unserer ungeteilten Aufmerksamkeit, wo wir eigentlich zuhause sind, wo wir wohnen, zurück in unseren eigenen Körper.
So könn(t)en wir viel Leid, viel Schmerz und viele unnötige Probleme verhindern. Alleine dadurch, dass wir bei uns selbst einziehen! Bei uns selbst ist aber kein persönlicher Ort mehr, kein Ort, wo das Ego wohnt. Dieses wohnt eben dort, in diesen gefilterten Gedanken und fixen Vorstellungen; vielmehr nämlich als in unserem Körper! Dieselbe Energie, die meinen Körper belebt und unterhält, aufrecht erhält, ist die Energie, die auch bei meinen Freunden, den Nächsten und Fernsten und in allen anderen Menschenwesen wohnt! Der Weg zu sich selbst ist also gleichzeitig ein Weg zum All-Einen: Und er beginnt im Körper!
In den Körper hineingehen hat aber leidlich wenig zu tun mit Krafttraining, Joggen, Skifahren oder anderen körperlichen Betätigungen, sondern einzig und allein damit, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Richten wir sie auf den eigenen Körper, spüren wir das fließen und atmen in ihm, in uns, dann verbinden wir uns mit der Energie, die diesen Körper aufgebaut hat und in jedem Augenblick neu aufbaut!

Das heisst natürlich nicht, dass Sie kein Krafttraining mehr machen dürfen oder nicht mehr joggen sollen, oder sonst irgend was. Die Möglichkeit meine Aufmerksamkeit auf den Körper zu lenken, mich in die Anwesenheit meiner Lebenskraft, die in ihm wohnt, einzufühlen, ist grundsätzlich überall und jederzeit möglich, natürlich auch beim joggen, Fussball spielen und Hanteln stemmen. Egal, was wir tun, ob wir gehen, sitzen, liegen, lachen, weinen, denken, fühlen, lieben; er ist immer da, dieser Körper und wartet auf uns. Es gibt natürlich viele Möglichkeiten diese Achtsamkeit zu wecken. Über den Atem, über die bewusste Anwesenheit, visuelle (bewusst gebildete) Vorstellungen, Chakren usw. Darüber möchte ich jetzt nicht weiteres ausführen, denn es ist der Beginn einer großen Reise durch ihn hindurch, durch viele verschiedene und unterschiedliche Energieflüsse, Strahlen und Kräfte. Sie verlangen vor allem eines: die eigene Erfahrung. Was mir zunächst am Herzen liegt ist vielmehr, aufzuzeigen, wo die Schatten dessen liegen, was uns voneinander trennt. Insofern wir lebendige Wesen sind, empfinden wir, wie der Schleier der Trennung verschwindet. Das ist ein erstes und grundlegendes Erlebnis! Insofern wir denkende Wesen sind, treten trennende Strukturen auf. Aber nicht etwa, weil das Denken selbst uns verhindert, sondern weil wir es gemäß unserer Lebensgeschichte filtern. Dazu habe ich wohl schon genug geschrieben…

Die Frage lautet also nicht: Gibt es Engel? – Sondern, sie lautet: Wie können wir uns unserem Engel-Bewusstsein wieder annähern? Denn es gibt nur eine dünne Wand, einen dünnen Schleier, der uns davon trennt. Er heißt Zeit. Erinnern wir uns daran und machen wir uns auf die innere Reise zu unserem Ursprung…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

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