Besitz- Freude und Schenk- Freude

FreudeLetzthin sah ich in der Stadt einen älteren, sportlichen Mann auf seinem Fahrrad. Warum er mir auffiel, weiss ich nicht. Er hatte nichts Besonderes an sich, nichts, was herausstach oder sich vom Normalalltäglichen abhob. Vielleicht war gerade dies so charakteristisch spezifisch und augenfällig: das Normale. Auf seinem Gesicht, welches ich nur flüchtig erheischte, lag eine gewisse Fröhlichkeit.
Sein Lachen hatte in mir jedoch irgendwie seltsam nachgeklungen. Es fiel mir in der Folge auf – weitere lachende, scheinbar frohe Gesichter beobachtend – wie unterschiedlich die Qualität der Freude ausgedrückt werden kann!

Das Lachen jenes Mannes liess eine Freude durchscheinen, die sich auf etwas Bestimmtes bezog; eine freudige Erwartung im Sinne von: Jetzt kann ich mir endlich den neuesten iMac leisten, nachdem ich meine Frau davon überzeugen konnte. Wie geil ist es, jetzt das Ding zu kaufen! Die Freude des zum Mediashop fahrenden Mannes bezog sich auf eine Art äusserer Befriedigung, die jeder kennt, wenn er oder sie sich in irgend einer Art und Weise materiell befriedigt. Es mag so oder anders gewesen sein; Mediashop oder Geliebte, jedenfalls stimmte das Gefühl in diesem Sinne betrachtet…

Die meisten lachenden Gesichter, die ich in der Folge beobachtete, boten mir einen ähnlichen Ausdruck: sie bezogen sich auf irgendwelche materiellen Dinge oder Erwartungen. Es war aus ihnen zu lesen: jetzt bekomme ich etwas! Achten Sie einmal, wenn Sie durch eine Stadt spazieren, auf dieses Lachen! Versuchen Sie herauszufinden, welches der Antrieb für das Lachen auf den Gesichtern – wenn sich denn ein solches zeigt – ist! Meine persönliche Erfahrung war ernüchternd! Das meiste schien diesen Haben-Charakter zu tragen.

Wie anders ist es doch, wenn jemand nicht lacht, weil er oder sie etwas bekommt, etwas erwartet, was ihm oder ihr zusteht – was also infolgedessen auf Besitz ausgerichtet ist! Wenn sich ein Lachen in einem Gesicht zeigt, welches nicht etwas von anderen für sich selbst haben will, sondern etwas geschenkt hat, anderen etwas gegeben hat! Die Qualität einer solchen Freude, zeigt mehr als blosse Selbstlosigkeit, blosse Demut oder asketisches Gehabe.

Ein Lachen dieser Art schenkt selbst, aus sich heraus, etwas viel Kostbareres, lässt etwas spürbar machen, was sich im Hintergrund von einer Art „permanenter Persönlichkeit“, einer Art „geistigem Ich“, oder wie man es nennen will, kund tut! Es tritt hervor aus dem Schleier der egoverhafteten Persönlichkeit, durchbricht diesen (wenigstens für Momente) und wirkt heilend auf die Umgebung! So, wie die Sonne, die hinter den Nebelschwaden hervorbricht alles in ein vollkommen neues Licht verwandelt! Solche Schenk-Freude berührt jeden von uns. Sie kommt aus einer tieferen Ebene, als die Besitz-Freude und hat eine enorme Wandlungskraft! Das „Haben“ verblasst im Schein des „Seins“.

…ähnliches habe ich letzte Woche auf dem Gesicht meiner verstorbenen Mutter auf ihrem Totenbett gesehen… dies sei ihr zum Gedenken!

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Besitz und Freiheit

Vor einigen Tagen erzählte mir ein guter Freund, er möchte all seine Besitztümer bis an sein Lebensende weggeben, um vollkommen frei und unabhängig zu werden. Natürlich meinte er es nicht so absolut und vielleicht auch nicht ganz so ernst, wie er es sagte. Dennoch sinniere ich seither über diesen Gedanken nach und frage mich, wie viel Freiheit nimmt uns der Besitz, den wir haben, wirklich?

Gewiss hatte ich diesen Gedanken in mir schon oft selber bewegt. Und der Wunsch, mit zunehmendem Alter, mein Hab und Gut eher abzubauen als aufzustocken, wird mir immer mehr zu einem inneren Wunsch. Dies umso mehr, als ich in den letzten 60 Jahren um die 30 Mal meinen Wohnort gewechselt hatte; allein seit meinem 18. Lebensjahr etwa 25 Mal. Da hieß es dann auch, die ständig wachsenden Berge von Kisten und das stets zunehmende Mobiliar anzupacken und am neuen Ort jeweils wieder zusammenzustellen.

Dies alles wurde mir zu einer Last. Bei meinem letzten Umzug, nach meiner Trennung, reduzierte sich der Stapel erstmals wieder. Und zwar beträchtlich. Und ich wünsche mir, sollte ich jemals wieder umziehen, dann sollte ein einziger Lieferwagen und eine Fahrt genügen. Andere können mit einem einzigen Koffer leben! So weit bin ich noch nicht. Aber es ist eine durchaus schöne Vorstellung für mich. Und wenn dies einst Tatsache werden sollte, bin ich damit wirklich freier geworden?

Freiheit, wie ich sie verstehe und wie ich sie zum Inhalt meines Selbst-Reflexion-Buches gemacht hatte, wird uns vor allem im Kopf entzogen. Es ist gewiss nicht möglich, sie alleine durch äußere Maßnahmen, durch Wechsel der aktuellen Verhältnisse usw., oder eben durch Aufgabe des Besitztums, einzufordern. Sonst hätten es reiche Menschen extrem schwer, frei zu werden. Da ändert auch dieses Bibelzitat wohl nichts daran: „Eher wird ein Reicher durch ein Nadelöhr kommen, als ins Himmelreich!“ Und mit „Himmelreich“ kann doch nur die absolute, innere Freiheit gemeint sein!

Viele bestreiten schon dies: die absolute Freiheit. Aber dieselben bestreiten wohl auch das Himmelreich… Dass wir in solcher Art, also auch mit „Besitz“, die Freiheit, wirkliches inneres Freisein, dennoch erleben können, das bezweifle ich indessen nicht mehr. Was ich nicht glaube ist, dass es möglich sei durch solche rein äußerliche Maßnahmen wie die Aufgabe seines Besitzes im Nachleben eines Franziskus von Assisi, nicht ohne weiteres zur Freiheit kommt. Und dass auch reiche Menschen, diese Freiheit erleben können, auch wenn ihnen viel Besitz „anlastet“. Und da liegt wohl der Schlüssel verborgen; in diesem „Anlasten“. Ein Etwas lastet nur im Kopf an, sonst nirgends! Wenn mir der Besitz zur Last wird, heißt dies nichts anderes, als dies: Meine Vorstellungen, diesen Besitz zu haben, lastet mir an. Und daran hängt die Vorstellung des „Mein“ an diesem Gut und Geld. „Mein“ ist keine Tatsache, sondern eine Vorstellung! Natürlich, ich habe dieses oder jenes gekauft und bezahlt. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass dieses Ding nun in meinen Besitz gekommen ist.

Das gilt selbstverständlich absolut, wenn man die Sache rein rechtlich und wirtschaftstechnisch betrachtet. Moralisch könnte die Vorstellung aber auch anders aussehen! Denn an diesem Ding, was ich erstanden habe, hängt viel! Es hängt daran viel Arbeit und andere Ressourcen. Sie wurden irgendwo geschöpft. In irgendeiner Grube wurde das Silber, welches in meinem Fotoapparat eingebaut ist, geschöpft. Das Silber liegt irgendwo im Boden vergraben und irgendeiner hat es einmal entdeckt. Dafür brauchte er bis vor einigen Jahrhunderten nichts zu bezahlen. Er investierte schlicht und ergreifend Arbeit. Heute müsste er natürlich wiederum irgendeinem Staat oder sonst wem Gebühren zur Nutzung bezahlen und so weiter. Letztlich ist dann der Staat oder diese Staatsstelle wieder das letzte Glied des Kreislaufs der Macht. Dieses verfügt über die Werte, ohne Kostenaufwand, einfach, weil zum Beispiel die Miene innerhalb der eigenen Grenzen liegt. Dass dann schon mal, wie im Falle des Öls, mit Schrägbohrungen angezapft wird, ist auch bekannt. Alles, was kostenrelevant ist, um irgendein Produkt herzustellen, sind letztlich Arbeitsaufwendungen. Das Produkt, liegt irgendwo vergraben…

Gut so weit. Was will ich damit sagen und was hat dies nun mit den Vorstellungen des „Mein“ zu tun? Was gehört mir nun also? Die Materie? Oder doch nur Arbeitsleistung? Bezahlt habe ich immer nur für die Arbeitsleistung. Und sie gehört definitiv nicht mir. Denn jemand hat sie für mich gemacht, damit ich dieses Produkt, das iPhone oder was auch immer in den Händen halten kann. Und so erstehe ich mir, wenn ich reich bin, sehr viele solche Leistungen von Arbeit. Sie wird bezahlt, oft sehr schlecht bezahlt. So schlecht nämlich, dass einer, der mein iPhone herstellt, der Arbeiter/die Arbeiterin, der/die es zusammenbaut usw., sich selbst niemals so ein Ding leisten könnte.

Der Besitz, den ich habe, und der mich umgibt, besteht also in erster Linie aus Zeit, die dafür investiert wird. Das Rohmaterial gehört grundsätzlich (vom Standpunkt der Natur aus betrachtet), niemandem! Ich könnte ihn (den Besitz) vernichten, die Leistung, die investiert wurde wird sich dadurch in keiner Weise verringern. Sie wird nur noch grösser! Weil ich nun wiederum Zeit investieren muss für die Vernichtung. Und selbst wenn ich meinen Besitz verschenke, so wird die Zeit nicht verschwinden, die an diesem Produkt hängt. Dieses geht in andere Hände über, das ist alles. So gesehen, gibt es gar keinen Besitz! Denn die Zeit, die investiert wurde, um ein Produkt herzustellen und wofür ich Geld bezahlt habe, diese Zeit kann ich nicht vernichten. Ich kann sie auch nicht besitzen. Es ist lediglich eine Leistung, die ich bezahlt habe. Also kann mich Besitz auch nicht unfrei machen, weil es ihn gar nicht gibt!

Das Gefühl, etwas zu besitzen, ist ein Agreement der Gesellschaft, welches so konstruiert und geregelt wurde. Wir sind alle besitzlos! Und gleichzeitig besitzen wir alles! Es gibt manchmal nur ein paar Hürden, die den offenen Zugang verhindern. Auch dies sind Vorstellungen. Es sind die Gesetze, die uns rechtlich einbinden und unter Drohung von „Freiheitsstrafe“ behindern, Rohstoffe aus dem Boden zu holen, um etwas daraus zu machen. Natürlich geht dies bis zu einem gewissen Grad noch relativ leicht, etwa, wenn ich in den Bergen einen Bergkristall finde, oder in „meinem“ Garten etwas pflanze oder Lehm schürfe. Dann werde ich mich als Besitzer desselben fühlen. Dennoch bleibt dies alles Bestandteil der Natur und ich werde es ihr irgendwann wieder zurückgeben (müssen…). Im Fall der Pflanze ist es noch eindeutiger. Sie stirbt irgendwann von alleine, vermutlich vor mir, wenn es nicht gerade ein Baum ist.

Wenn sich also das „Mein“ als Vorstellung verkappt, dann verändert sich damit auch das Bild der äußeren Freiheit. Freiheit von was kann man fragen. Freiheit kann nur immer eine innere Qualität haben. Indem ich die Vorstellung des „Meins“ erkenne und durchschaue, mache ich mich letztlich erst frei von ihr. Sie ist es, die mich im Bann gehalten hat und die in mir ein schlechtes Gewissen verursachte.

Nichts desto trotz, zurück zu meinem Freund und dessen Absichten. Ich kenne das Gefühl sehr wohl, wie reinigend es sein kann, wenn man äußeren „Besitz“, wenn ich ihn nun einmal weiterhin so nennen will, reduziert. Solches Gut kann sicherlich zu einer Last werden und in uns eine große Menge anderer Vorstellungen verursachen, die uns viel Leid (aber halt auch viel Freude, auch wenn sie kurzfristig sein mag) bringen können! Das Anhängen an den äußeren Besitz verkompliziert das Leben zumindest, weil mit ihm immer wieder eine große Menge Fragen verbunden sind. Letztlich ist es das Geld, was uns in erster Linie einengt, weil wir von ihm vollkommen abhängig sind. Dies geschieht durch die Einbindung in ein weltweites System. Ein Leben in der zivilisierten, westlichen Welt ohne Geld ist schlicht nicht realisierbar, auch wenn ich entsprechende Versuche kenne. Alle diese Menschen, die dies versuchen, sind ganz einfach von anderen Menschen abhängig, die Geld haben. Sie sind davon abhängig, dass sie von anderer Seite ernährt und unterstützt werden. Ich bin gerne bereit, mich belehren zu lassen und gespannt auf positive Versuche diesbezüglich… letztlich bleiben auch solche Ideale zunächst lediglich Vorstellungen…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

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