Unsere „Vorstellungskonserven“

Ein Blick in die Tiefen unserer Seele

Abgeleitet von den obigen Gedanken, möchte ich ein wenig tiefer in diese Vorstellungswelten eintauchen. Ich stelle die Frage: In welchen Situationen stösst du in der Kommunikation auf Widerstand? Es wird immer dann der Fall sein, wenn sich die eigenen Vorstellungen denen des Gesprächspartners widersprechen. Gibt es eine andere Situation des Widerstandes? Ja, jener mit dir selbst! Und wie oft am Tag ist «Kommunikationswiderstand» bei dir der Fall? Zähle einmal die Situationen auf! Wir haben Mühe damit, dies zu erkennen, weil wir das immer wieder vergessen? Ich habe es versucht. Und das erste Mal hat es auch geklappt. Aber im Laufe des Tages nimmt die Wachheit ab und ich vergesse mich im Gespräch mit anderen. Wenn du dich nicht vergessen würdest, dann könntest du so Vieles entdecken! Erstens würdest du erfahren, dass es sehr viele solche Situationen geben wird in deinem Alltag! Da steht etwas in der Zeitung, was dir nicht gefällt: Widerstand, innere Ablehnung oder sogar Empörung sind die Folge. Ein Freund trifft auf dich. Was er erzählt kannst du nicht teilen, etwas bäumt sich in dir auf dabei: Widerstand, Ablehnung. Am Abend mit deiner Partnerin. Eine, zwei, drei … viele Situationen? Kein Konsens, sondern Widerstand und Ablehnung. Vielleicht bist du beleidigt, Streit, Aggressionen werden entstehen? Dann Fernsehabend: Politiker treten auf, erzählen dir von diesem und jenem: Du teilst die Meinung nicht: Widerstand, Ablehnung, Empörung. Deine Mannschaft verliert im Fussball. Das ist nur deswegen schlimm, weil du die Vorstellung hast, sie müssen gewinnen. Alles «Kopfsache», wie man so schön sagt.

Viele solche Erlebnisse prägen unsere Tage. Wer könnte nicht davon berichten! Nur achten wir nicht darauf. Wir reagieren nur. Und mit zunehmendem Alter wird es oft noch schlimmer. Immer mehr Dinge ärgern dich, weil deine Vorstellungen in der Aussenwelt anstossen. Sicher, es gibt auch Konsens, Einigkeit. Es gibt immer Gesinnungsgenossen in unserem Leben! Mit denen trifft man sich, tauscht sich gerne aus, weil man weiss, dass man nicht so oft auf Widerstand stösst: Friede, Freude, Eierkuchen … oder ein Gläschen Wein. Also tun wir uns nur noch mit unseren engsten Freunden zusammen, mit denen, die uns ähnlich gesonnen sind, die die gleiche Sprache sprechen, die gleichen, oder zumindest ähnliche Gedanken haben, jedenfalls in den entscheidenden Fragen unseres Lebenskonzeptes. Ein bisschen gefährlich ist das allerdings schon. Stell dir vor, du bewegst keine neuen Gedanken mehr. Du konservierst alles, was du bisher gelernt hast und wovon du dir eine Meinung gebildet hast: du bist «konservativ» gewissermassen. Jetzt wird alles Fremde zunehmend noch Fremder, andere Vorstellungen noch unzugänglicher. Die Jahre vergehen unbedacht. Die Gehirnstrukturen befestigen ihre vorgegebenen, vorprogrammierten Bahnen und fixieren das Gedankengut per Absolutum.

Was bleibt dir nun? Nur noch die Gleichgesinnten! Aber auch die werden immer weniger, weil in irgendeinem Punkt auch bei ihnen langsam die Einigkeit zu schrumpfen beginnt, oder sie dir wegsterben. Einer nach dem anderen passt dir nicht mehr, oder er verlässt dich. Bald hast du nur noch ganz wenige, die dir die Treue halten. Ein kleiner, «verschworener Haufen» wird das sein. Und bald bist du alleine, einsam, gefangen in einem Gefängnis deiner «Privatvorstellung». Du bist Gefangener in einer Glocke, die du dir selber erschaffen hast. Ein Leben lang hast du sie geschaffen, nach und nach, immer ein bisschen mehr. Niemand wird dich mehr verstehen, nicht einmal deine Parteigenossen und Genossinnen, deine Freunde und Bekannten oder sogar deine Frau, Freundin, dein Mann, dein Freund, deine Kinder. Du bist alleine mit dir und all deinen konservierten Vorstellungen, die doch die richtigen sein müssen! Aber die ganze Welt versteht dich nicht mehr! Warum sieht die Welt nicht, dass ich doch recht habe?! So denken alle im Laufe der Zeit, wenn nicht … ja wenn nicht etwas entscheidendes in unserem Leben passiert!

Und alle meinen, recht zu haben. Jeder schafft seine eigene moralische Welt, die aus den Vorstellungen seines bisherigen Lebens erzeugt wurde. Bis – ja, bis man endlich sich selbst entdeckt! Der Weltenlauf beginnt von vorne. Zunächst beginnst du zu zweifeln. Wer oder Was in mir stellt etwas vor, hat «Vorstellungen» spricht nach, hört, liest, sieht? Bin ich es selbst, oder ein Anderer in mir? Man entwickelt die Empfindung dafür, dass ein Anderer in uns spricht, liest, hört. Man erwacht und denkt: Was, das habe ich gedacht, ich gefühlt oder ich getan? Ich kann es nicht glauben! Es sind die ersten Gehversuche in einer anderen Hülle. Und die Frage wird fühlbar: wer ist dieser Jemand, der das beobachten kann? Wer bin Ich? Das ist das erste Erwachen in einer anderen Welt, auch wenn man ständig wieder in die andere hineinschläft und weiterhin ein Gefangener bleibt. Etwas wird sich ändern. Es ist ein kleiner Tod. Ein Aussersichstehen. Man erblickt ein Wesen, mit dem man sich vollkommen identifiziert hat. Es ist der erste Blick auf einen Lichtspalt in seinem Gefängnis. In Platos Höhle …

Was sind „Ideen“?

Ideen sind immer gut! Wer würde was anderes behaupten? Aber Ideen haben nur dann einen Sinn, wenn sie Realität werden und nicht dort hängen bleiben, wo sie entstanden sind: im Kopf … Aber wann ist denn nun eine Idee gut? Jede Idee, auch die «beste» (aus Sicht ihres Eigners), wird mit Sicherheit ihre Gegnerschaft finden, wird Gegenargumente provozieren, die auch gewiss ihre Berechtigung haben können. Viele Menschen neigen dazu, die eigene Idee als objektiv und allgemeingültig hinzustellen! Sie stellen sich ins Zentrum der Wahrheit und verkünden der Welt, was gut und was böse sei. Manchmal beschleicht mich dieses Gefühl in der aktuellen Politik. Es gibt nur noch eine Meinung, eine Idee, sozusagen eine Einheitsidee, der jeder zu folgen hat. Kritik ist unerwünscht oder sogar untersagt. Nehmen wir die Klimapolitik. Es gibt die Idee des «Hockeyschlägers» von Al Gore. Der Hockeyschläger ist unantastbar, sakrosankt und darf nicht kritisiert werden. Dabei handelt es sich ja um den Ausschnitt einer Temperaturkurve über etwas mehr als hundert Jahre, die sich eben genau wie ein Hockeyschläger nach oben entwickelt hat. Zieht man die Zeitlinie dieser Temperaturschwankungen in die Länge, sodass ein Fenster von tausend Jahren entsteht, dann ist der kleine Haken etwas unterhalb des Durchschnitts in dieser Darstellung vollkommen irrelevant! Diesen Vorgang nennt man «Framing». Aber darum soll es jetzt nicht gehen. Es geht darum, dass Ideen wie diese immer in einen bestimmten Kontext gestellt werden müssen. Und je grösser der Kontext, umso grösser der Zusammenhang, desto integraler der Wahrheitsanspruch.

Ideen werden oft situationsangepasst vermittelt. Was meine ich damit? Framing ist eine Methode, den Menschen eine bestimmte Blickrichtung vorzugeben. Das sind nicht die wirklich grossen Ideen, welche die Menschheit vorwärts bringen. Sie stellen sich hinter gewisse Interessen und forcieren den Machtanspruch einseitiger Bedürfnisse. Somit können Ideen nicht generell als gut oder böse bezeichnet werden.
Auf der Skala stehen einige Themen immer zuoberst, andere sind weniger hoch einzustufen. Frieden oder Freiheit sind solche Themenbereiche, die unbedingt an oberster Stelle zu stehen haben, weil sie nicht Einzelinteressen vertreten, sondern allgemeinmenschliche! Wir haben für viele Dinge unzulängliche Begriffe. Und eine solcher Begriff ist jener der «Idee». Man kann die Idee haben, einen anderen Menschen umzubringen. Ob das gut oder böse ist, überlasse ich Ihrem Urteil. Man kann aber auch die Idee in sich tragen, dass alle Menschen gleiche Rechte haben sollten und frei sein sollten, ihre Meinung zu äussern, unabhängig von Moden und Machtansprüchen. Beides wird «Idee» genannt. In Wikipedia wird er folgendermassen definiert: Der Ausdruck Idee (von altgriechisch ἰδέα idéa „Gestalt“, „Erscheinung“, „Aussehen“, „Urbild“) hat allgemeinsprachlich und im philosophischen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen. Allgemeinsprachlich versteht man darunter einen Gedanken, nach dem man handeln kann, oder ein Leitbild, an dem man sich orientiert. Die philosophische Bedeutung wurde zunächst in der Antike von Platon und dem Platonismus geprägt. In der platonischen Ideenlehre sind Ideen unwandelbare, nur geistig erfassbare Urbilder, die den sinnlich wahrnehmbaren Phänomenen zugrunde liegen.

Was also in der Antike als «Urbild» verstanden wurde, wird heute degradiert zum einfachen «Gedanken», vielleicht sogar nur zur «Vorstellung». Diese Gleichsetzung verhindert den Zugang zu einer grösseren, umfassenderen Betrachtungsweise und impliziert dem Urheber eine Verwässerung hin zur absoluten Subjektivität. Dabei wird aber oft der Machtanspruch eigener «Ideen» über andere gestellt, die dem inhaltlich nicht entsprechen. Die «Idee» wird als Machtinstrument über andere «Ideen» gestellt. Sie wird als Pseudoidee vermittelt, die jedoch nur den Rang einer gewöhnlichen Vorstellung hat. Einer Vorstellung, die herausgewachsen ist aus dem konditionierten Bewusstsein seines Vermittlers. Würde sich jeder Mensch darüber bewusst, woher seine Vorstellungen stammen, welche Wurzeln sie haben, dann würde der Menschheit viel Leid erspart. Auf politischer Ebene kann das Nichterkennen dieser Tatsache zu einer tödlichen Waffe werden!
Die Definition eines Urbildes, wie interessanterweise sogar in Wikipedia dargestellt, umfasst mehr als die persönliche, subjektive Meinung Einzelner. Ein Urbild besitzt die Kraft des Wesentlichen. Es umfasst übergeordnete Prinzipien und Gesetze. Wenn Goethe oder Schiller von Ideen sprechen, dann meinen sie immer diese Ebene des Bewusstseins. Die Tragik unserer Zeit ist, dass ihr die wahren, urbildhaften Ideen verloren gegangen sind! Wollte man sich wieder auf die Ebene der wirklichen Ideenwelt schwingen, dann müsste man wieder lernen, unser Denken besser zu verstehen!

Die Welt ist meine Vorstellung

Schopenhauer„Die Welt ist meine Vorstellung“. Das ist im Grunde das Credo des Ego im Menschen. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, hatte der Philosoph Schopenhauer wohl recht.

Gerade in diesen Tagen, um Weihnachten und Silvester/Neujahr, treffen sich, wie alle Jahre wieder, die Familienmitglieder, Bekannten und Anverwandten zum grossen Fest, zum gemeinsamen Essen und zum geselligem Zusammensein. Nicht selten sitzen die engsten Vertrauten – denen wir dem Blute nach doch so nahe stehen – mit einem Gläschen Wein und Knabbernüsschen um einen grossen Tisch und geben ihre Standpunkte zu allen möglichen Themen zum Besten. In diesen Tagen erfahren wir ausserordentlich viel von der Art, dem Charakter und der Denkweise unserer Nächsten und stellen oft erschreckt fest, wie fern sie uns doch eigentlich sind.

Wahrnehmung und Denken

Sie sehen irgendein Objekt in der Welt, eine Situation, Menschen, Erlebnisse, irgend etwas halt. In der unten stehenden Skizze ist dies als Kreis im Zentrum dargestellt, wenn der Gegenstand real und ungefiltert betrachtet werden könnte. Durch die innere Verarbeitung verändert sich dieses „Objekt“ zu einem „Subjekt“: Es entstehen veränderte, modifizierte Bilder, Vorstellungen, Anschauungen, die mit dem wahrgenommenen Objekte nicht mehr viel zu tun haben, symbolisch dargestellt als Quadrat, Dreieck, Rhombus etc. (…in Vertretung dieser Modifikationen, die im Grunde fast bei jedem Menschen etwas anders auftreten – siehe Skizze unten).

Wir nehmen die Welt durch unsere Augen, Ohren, Hände, Füße, durch die Nase und womöglich andere weitere, für uns versteckte, Sinne wahr. Auf der einen Seite der Wahrnehmung stehen die realen Objekte da draussen. Es können aber ebenso gut Erlebnisse oder Inhalte sein, die wir durch die Sinne „in unser Inneres transportieren“. Hier aber geht danach die Post ab. Was in der Außenwelt unanfechtbar und unverrückbar, eingebettet in Raum und Zeit, vorhanden war (oder ist), verändert sich durch den Filter dieser Sinne in unserem Gehirn schlagartig. Aus (metaphorischen) „Kreisen“ werden (metaphorische) „Quadrate“, Dreiecke, Rhomben oder andere Schlingschlangformen*. Der eine sieht die Welterscheinungen so und der andere anders, thats it. So ist es halt. Nun treffen all die Vierecke und Schlingschlangformen, die eigentlich ein Kreis sind, aufeinander. Was passiert? Sie werden verteidigt bis aufs Blut, weil wir aus diesem Blickwinkel heraus bezüglich Unanfechtbarkeit und Richtigkeit unserer Wahrnehmungen keine Zweifel haben. Wir neigen kaum dazu, die eigenen Schlussfolgerungen anzuzweifeln. Zumindest oft erst gegen extreme Widerstände oder einschneidende Erlebnisse, die uns etwas – „verrücken“. Dann konvertieren wir vielleicht bestenfalls vom Quadrat zum Dreieck, oder vom Rhombus zur Schlingschlangform… was schon einem riesigen Fortschritt gleichkommt…

Anyway, in jedem von uns steckt ein Quäntchen dieser Art von Egoismus, auch wenn wir glauben hoch spirituelle Menschen zu sein. Was wir erfahren haben und was uns zugefallen ist, halten wir nur zu gerne für die objektive Tatsache der Welterscheinungen.
Das ist diesen Tatsachen recht egal. Problematisch wird es erst, wenn „Subjekte“, sprich Egos aufeinander treffen. Nicht selten führen Diskussionen dieser Art eher zu noch mehr Distanz als zuvor. Unverständnis für die Sichtweise des anderen tritt ein – und es wird fortan eher geschwiegen, als dass man sich darauf wirklich einlässt. Die Zweifel ob es so etwas wie Konsens, Einklang, Eins-Sein überhaupt gibt aus dieser Warte heraus betrachtet – die ja oft der Haltung unseres unreflektierten Autopiloten entspricht – sind mehr als berechtigt. Das Potenzial dazu liegt wenn überhaupt irgendwo, einzig und allein in unserem Denken. Nur auf dieser Ebene vermögen wir uns überhaupt erst zu verbinden mit dem Inneren eines anderen Menschen! Da jedoch unsere Wahrnehmungen sozusagen an der Peripherie eines alles durchdringenden Gefäßes sind, vermögen wir dieses Werkzeug nicht ungefiltert anzuwenden. Würden diese Filter wegfallen, so gäbe es keine Schranken mehr, das Resultat wäre uneingeschränkter Einklang!

Zwei Ebenen der Wahrnehmung

In der unten stehenden Skizze versuchte ich darzustellen, was oben ausgeführt wurde. Vielleicht wird mein Gedankengang so deutlicher und anschaulicher. Ich gehe davon aus, dass es zwei Ebenen der Wahrnehmung gibt. Die eine ist die sogenannte „Wirklichkeit“, das Reale, die Tatsachen, die uns in der Welt, objektiv (als Objekt) gegenüberstehen. Das können physische, seelische oder durchaus auch geistige „Objekte“ sein: Erlebnisse, Eindrücke, Situationen, denen wir begegnen und die wir durch unsere Sinne erfahren. Wir erfassen und erleben sie (bewusst oder weniger bewusst), aber erst in unserem Inneren! Erst wenn die „Gegenstände“ der Wahrnehmung visuell, durch die Augen, akustisch, durch die Ohren, haptisch, durch die Hände, die Füsse und so weiter, unseren Körper, das Sinnessystem, das Nervensystem und die Verarbeitung im Gehirn, erreicht haben; erst dann verwandeln sich die äusseren Objekte zu inneren (subjektiv wahrgenommenen) Vorstellungsbildern.

Daraus resultieren unsere Urteile, Werte und Sympathien, wie auch alle Antipathien den Dingen der äusseren Welt gegenüber. Dabei ist es nicht notwendig, dass diese äussere Welt nur physisch sei. Es können auch Träume in dieser Weise wahrgenommen werden und natürlich auch Gedanken, alles Gesagte, Mitgeteilte von anderen Menschen, welche wir denkend oder emotional nachverarbeiten. Mit dieser sogenannten „realen Welt“ – im Zentrum der unten stehenden Skizze – kann aber auch das All-Eine, das Wirkliche und das Wahre bezeichnet werden. In gewissem Sinne könnten wir sie gleichfalls „Gott“ nennen, je nach dem, was wir für Vorstellungen und Begriffe damit verbinden sind sie Natur und Geist gleichermassen.

Um dieses Zentrum herum ensteht eine Art „Wirklichkeitsfeld“, etwas, was uns sozusagen insgesamt „objektiv“ gegenübersteht, etwas, was ohne unser Zutun existiert und nicht durch den Filter unserer Wahrnehmungen getrübt ist. Alles, was durch diesen Filter hindurchgeht, quasi verarbeitet worden ist von unserer Persönlichkeit, von dem, was wir gemeinhin das „Ego“ nennen (wenn wir es reflektieren können!), verwandelt sich in der Weise dieses Filters und wird subjektiv. Es wird individualisiert von einem mit ganz bestimmten Erlebnissen und Umständen durchsetzten „Ich“.

Unser Denken steht an der Peripherie der objektiven All-Einen Wirklichkeit und kann sich nach zwei Richtungen hin öffnen (violette Punkte). Die meiste Zeit bleibt es jedoch durchsetzt vom individualisierten Filter der eigenen Persönlichkeit und vermag das Objektive nicht in Reinform zu schauen. Könnten wir mit diesem Denken in das Zentrum jener Wirklichkeit, mit der wir verbunden sind, eintauchen, würden wir ein gewaltiges geistiges Panorama vor uns haben! Wir würden jede Art von Färbung in der Wahrnehmung verlieren. Dieser Zustand wurde von verschiedenen geistigen Lehrern erreicht und unterschiedlich bezeichnet. Sei es die „clair voyance“, die „Erleuchtung“, „Einweihung“, „Intuition“ im höheren Sinne, oder andere Begriffe. Im Grunde geht es immer nur um dieses eine: Um die reine und ungefilterte Wahrnehmung. Leider entsteht durch die Interaktion mit dem Realen, Wirklichen, kaum, selten oder gar nie, ein reines Abbild dieser Wirklichkeit. Was in unser Inneres fließt und vom Verstand, vom Intellekt (gedanklich „einseitig“) – verarbeitet wird, sind deshalb meistens gefärbte, veränderte Vorstellungen dieser Wirklichkeit. Das ist der Grund, weshalb die Kommunikation erschwert wird. Weshalb wir uns vom Anderen und von Anderem getrennt fühlen!

Welt Vorstellung
Die verschiedenen Charaktere, die wir auch in den oben beschriebenen engsten Kreisen wiederfinden, sind natürlich unendlich breit gefächert. Und dennoch gibt es Gemeinsamkeiten, Charakterzüge, die sich gleichen, eine Art Archetypus nach C.G. Jungs Definition. Sie bilden Hauptgruppierungen, die wir durch bestimmte Grundveranlagungen in jedem von uns wiederfinden können. In früheren Zeiten wurden sie in den Temperamenten des Cholerikers, Melancholikers, Sanguinikers und Phlegmatikers zusammengefasst umschrieben.

Der Sinn des Lebens

Ungeachtet dieser Temperamente muss jedoch die Tatsache dieser zwei verschiedenen Wahrnehmungsebenen unterschieden werden. Die grosse Frage bleibt bestehen: Wie kommt man darüber hinaus, wie schafft man es, sich die Wahrnemungen rein und ungefiltert einzuverleiben? Und damit verbunden die andere Frage, die sich immer wieder um den Sinn unseres Lebens und um unsere Bestimmung in der eigenen Biografie dreht: Wo kommen wir her, wo gehen wir hin und was ist die wahre Bestimmung unseres Lebens?

Viele Menschen hocken auf ihren Standpunkten fest. Sie erkennen natürlich den Umstand dieser Trennung nicht und binden sich existentiell an ihre eigene Erfahrungswelt. Dadurch aber verketten sie Leib, Seele und Geist in einer „unheiligen Allianz“. Der Verlust gewisser alter und verkrusteter Meinungen und Gedanken, bedeutet für sie soviel wie der Tod. Das ist auch der Grund, weshalb sie sich so fest an ihren Grundsätzen klammern. Die Idee: Es könnte doch auch einmal anders gedacht, aus einem anderen Gesichtswinkel beobachtet werden, kommt ihnen nicht nur nicht in den Sinn, sondern sie wird, wenn sie von aussen herantritt zu einer grossen Gefahr! Sie bedeuten den Verlust ihrer eigenen Identität! Das Betrachten ihrer selbst wird zu einem Schritt in den Abgrund, zu einer existentiellen Gefährdung ihrer Persönlichkeit. Deshalb wird es vorgezogen, solche Fragen zu verdrängen, sie von sich zu weisen oder zu ignorieren.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

*Die oben angeführten Formen müssen selbstverständlich nur als Synonyme oder Platzhalter für sämtliche Wahrnehmungsinhalte verstanden werden…

Ich bin: also gibt es keine Freiheit?

Die meiste Zeit meines Lebens verbringe ich damit, irgendwelchen Gedanken und Vorstellungen nachzujagen, die mir „etwas“ bringen sollen. Es sind Ideen, die mich befeuern oder auch nicht, aus denen ich Nahrung für meine Handlungen erhalte – oder auch nicht. Auch in der Kunst schöpfen wir doch die allermeisten Motive und Taten aus der Ideenwelt. Woraus sollen wir sie denn sonst schaffen?

So wie Goldmund, der Gegenpol des Narziss in Hermann Hesses Roman, fast sein ganzes Leben damit verbringt, den Inbegriff der Schönheit, des Schönen, zu finden und ihn in einem Kunstwerk zu verewigen. Oder Leonardo da Vinci, der Jahrzehnte seines Lebens damit beschäftigt war, seiner Mona Lisa den Hauch des Lebens einzuimpfen, so versuchen wir unseren Idealen nachzugehen und auf irgendeinem Gebiet das „Allerhöchste“, den Gipfel zu erreichen. Sei es in der Kunst oder im alltäglichen Leben: die Taten sind Produkte unserer Vorstellungen. Was ist denn daran falsch, mag man fragen? Nichts natürlich, es ist der Normalzustand unseres Bewusstseins. Nicht falsch, aber problematisch wird es dann, wenn wir den Ursprung unserer Vorstellungen nicht kennen. Wir fühlen uns mit ihnen aufs Innigste verbunden und schöpfen daraus ebenso Freude und Begeisterung, wie auch Leid und Missmut. Solche Vorstellungen können eine große Macht auf uns ausüben und auch tiefste Gefühle hervorlocken, im Sinne beider emotionalen Lagen, der nach „oben“ (in den Himmel) wie nach „unten“ (in die Hölle).

Wenn wir zum Beispiel 500 Euro gewonnen haben und uns dann vornehmen, am Nachmittag in das beste Kleidergeschäft zu gehen, um uns „etwas zu gönnen“, was wir uns sonst nicht leisten würden, dann kann diese Vorstellung ein großes Freude-, ja sogar Glücksgefühl auslösen, welches uns den ganzen Tag beflügelt! Danach, wenn der Kauf getätigt ist, entschwindet diese Freude wieder recht schnell. Der nächste „Kick“ dieser Art wird bald gesucht. In dieser Weise kompensieren wir viele Dinge in unserem Leben, die eigentlich zerstörerisch wären und die uns vielleicht nachdenklich stimmen müssten. Genauso gut kann es nämlich sein, dass uns einen Tag später, wenn wir mit dem neu erstandenen Kleid durch die Stadt gehen, ein unangenehmes Erlebnis begegnet, welches uns den Rest dieses Tages, oder länger, traurig sein lässt.

Unsere Wahrnehmungen und die damit verbundenen Gedanken sind dafür verantwortlich, ob es uns sehr gut, mittelmäßig oder eben schlecht geht. Ein Ausbrechen aus diesem Kreislauf scheint auch gänzlich unmöglich zu sein. Das Verwoben sein mit dem Alltäglichen ist derart groß, dass es für die meisten Menschen undenkbar ist, sich dem zu entziehen. Es ist für die meisten „normal“. Und dennoch muss man konstatieren, dass es so etwas wie Freiheit auf dieser Ebene gar nicht geben kann. Denn frei sein würde bedeuten, dass wir Kontrolle oder vielleicht besser die Beherrschung darüber haben, was uns bedrängt, führt oder leitet. Gefühle und Gedanken, die stets kommen und gehen, müssten uns bewusst sein und wir müssten die Fähigkeit haben, darüber zu entscheiden, ob wir sie annehmen wollen oder nicht, also im positiven Sinne reflektieren.

Das ist aber leider nicht der Fall. Also gibt es keine Freiheit? Wie steht es denn mit Gesetzen, mit Rechten und Pflichten, die wir als Bürger haben? Wenn wir einen Verbrecher verurteilen, gehen wir doch davon aus, dass er „frei“ und vollbewusst gehandelt habe. Das heißt, wir gehen davon aus, dass er wusste, was er tat. Wusste er das? Hat er wirklich in „Freiheit“ darüber entschieden, sein Opfer zu vergewaltigen, zu töten, zu berauben – oder was auch immer? Die Frage ist natürlich sehr heikel und dennoch klar. Denn das Gesetz geht davon aus, dass jeder und jede „zurechnungsfähig“ sei, das heißt, im Bewusstsein der Folgen für alle Beteiligten eine strafbare Handlung begangen habe. Es kann natürlich auch Unzurechnungsfähigkeit attestiert werden, was jedoch eher ein Sonderfall ist. Im Falle der sogenanntem „Zurechnungsfähigkeit“ müsste man davon ausgehen, dass es bei solchen Verbrechen so etwas wie Freiheit tatsächlich gibt!

Wenn es sie gibt, dann liegt sie außerhalb der Verstrickungen unseres alltäglichen Denkens. Und ob jemand aus dieser Ebene heraus handelt, kann nicht so eindeutig beurteilt werden. Wenn meine Freude davon abhängig ist, ob ich im Lotto gewinne oder mir „etwas Gutes“ tue, um glücklich zu sein, dann sind wir in der Abhängigkeit der Vorstellung „Geld“, „Reichtum“, „Ansehen“. Die Frage wäre demnach, ob die Vorstellung eine freie sei? Das können wir (als Betroffene) nur herausfinden, wenn wir versuchen, uns ihr entgegenzustellen. Wenn ich mir sagen kann, ok, heute habe ich 500 Euro gewonnen, aber ich lass das jetzt mit den Kleidern und spare mir das Geld lieber an für schlechtere Zeiten; dann haben wir die eine Vorstellung mit der anderen, vernünftigeren, ersetzt. Ist nun die „Vernünftigere“ frei?

Positive Vorstellungen können uns nicht nur Stunden, sondern Tage, Wochen oder gar Monate lang auf einem bestimmten Level der Freude halten, uns in ein „Hoch“ versetzen, oder uns gar euphorisieren. Das kann der Gedanke an die bevorstehende Rente sein, oder die Vorfreude auf ein Ereignis, welcher Art auch immer. Oder es kann die Erwartung des Urlaubs mit der Familie sein usw.

Im gleichen Maß sind aber auch negative Vorstellungen beherrschend auf unser Gemütsleben. Der Tod eines geliebten Menschen kann dazu führen, oder eine desolate Lebenslage, oder andere, schwierige Umstände und Ereignisse, die anstehen. Die Abhängigkeit unserer Freuden und Leiden von den Gedanken, die uns permanent durchziehen, ist sicherlich unbestritten. Die Frage bleibt bestehen: wie groß ist unsere Einflussnahme darauf?

Im Falle schwerer Depressionen wird man erkennen, wie schwierig es ist, solche destruktiven Vorstellungen nicht nur zu meiden, sondern vor allem, sie überhaupt zu erkennen und damit zu entschärfen! Im Fall der Manie oder von großer Freude will man sich die positiven Vorstellungen hingegen bestimmt nicht nehmen lassen. Wer will da die Stimmung vermiesen durch Infragestellung dieser Gefühle! Auch die Frage, ob man in diesem Moment frei sein, ist uns in solchen Momenten so ziemlich egal. Sie wird bestenfalls erst dann wieder gestellt, wenn das Gegenteil überwiegt, oder wenn die Gefühle nachlassen.

So schwanken wir mit dem Schiffchen unserer Persönlichkeit auf dem Ozean der Emotionen dahin. Auf und ab. Einmal ist es still und friedlich, dann soll niemand kommen und uns stören, und manchmal, oft ganz unverhofft, brausen wilde Stürme und bringen uns in Todesangst.

So wie das kleine Schiffchen auf diesen Wogen, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns den Launen des Meeres zu überlassen und das Beste daraus zu machen. Thats it.

Das Leben scheint also insofern etwas unplanbares und unberechenbares zu sein. Da bleibt für die Freiheit des Schiffchens nicht mehr viel Platz übrig. Wo also steckt sie, diese Freiheit und wer sind wir, wenn wir ich sagen?

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Gedankenfetzen: Vorstellung und Geist?

vorstellungDas persönlichkeitsverhaftete Denken nenne ich Vorstellung. Nicht aber jenes befreite, aktive Denken, welches sich von jeglichem Egoismus gelöst hat und, sich selbst erkennend – also den Akt des Vorstellens beobachtend – erfährt. Frei von Konventionen, frei von Dogmatismen, frei von Traditionen und frei von jeglicher mit der Persönlichkeit verhafteten Verhaltensweise.

Insofern ist Vorstellung zwar Geist. Aber sie ist ungereinigter, vom Schlamm persönlicher Sympathie und Antipathie beladener, verdeckter Geist. Geist, der sich eingehüllt, hinter der Fassade der Persönlichkeit, hinter dicken Mauern, versteckt.

Das ist zwar nur eine Definition. Eine von mir persönlich gefärbte Definition. Anyway… nicht der Begriff machts aus, sondern der Geist, welcher hinter dem Begriff steckt. Wir können die Vorstellung auch „Praximodufikantus“ nennen oder mit anderen, ähnlich phantasievollen Worten belegen. Das einzige wichtige ist für die Verständigung die Übereinkunft der Formulierung, also die gemeinsame Begriffsdefinition. Vielleicht haben Sie eine andere Vorstellung davon, was Vorstellung sei. Voilà! Das genau meine ich…

Gibt es eine Legitimation für Begriffe? Ein Patentrecht sozusagen? Sind die Worte, die wir gegenseitig austauschen, objektiv? Ist der Duden oder Wikipaedia rechtsgültig? Zweiterer definiert den Begriff, im psychologischen Sinne, folgendermassen:

[1] Psychologie: die gedankliche, vergeistigte, innere Abbildung (Projektion) der (äußeren) Realität, Wirklichkeit, im inneren (Gedächtnis, Gefühl, Bewusstsein), die real erlebte Projektion der (äußeren) Realität/ Wirklichkeit | also: vorgestellt vor die Realität/.., darum Vorstellung – aber eigentlich zwischen äußerer Realität/.. und (durch Wahrnehmung dieser Realität/..) im inneren Gedächtnis,.. abgebildeter, wahrgenommener, innerer Realität/ Wirklichkeit

Die Frage bleibt, selbst bei einer „inneren Abbildung der Realität“ bestehen: Wie wirklich ist diese Realität durch unsere individuellen, persönlichen Sinne betrachtet. Wodurch wird die reine Wahrnehmung, das Abbild gefiltert oder gestört? Wie entstehen Urteile? Und warum gibt es so krasse Wahrnehmungsunterschiede, bei aller Liebe zur „Wahr“- nehmung? Jede Projektion hat einen Bezug zur individuellen Entwicklung jedes einzelnen Menschen und ist in diesem Sinne immer nur als „persönliche, subjektive Wahrnehmung“ aufzufassen. Die Hauptfrage bleibt, ob es eine Möglichkeit gibt, diese Mauern, die Hüllen innerhalb der eigenen Persönlichkeit zu durchbrechen?! Und wer, ausser wir selbst, können diesen Schleier lüften…?
Diese Fragen versuche ich in meinem Buch über Selbst-Reflexion zu beantworten…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

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