Heimatgefühle

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Heimatgefühle kennt wohl jede und jeder von uns. Das Gefühl, mit einer Landschaft, mit Menschen, mit Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen verbunden zu sein, gehört zu unseren wichtigsten Grundemotionen. Sie können unser ganzes Leben nachhaltig beeinflussen, uns prägen und formen, bis in die Physiognomie hinein.

Doch was ist Heimat? Was passiert,wenn wir entwurzelt werden, wenn wir Land und Leute verlassen (müssen) und uns an einem fremden Ort dieser Welt ansiedeln? Was bleibt von diesem Gefühl übrig und wie sehr verändert es uns, wenn wir es nicht mehr befriedigen können?

Bausinger z. B. beschreibt den Begriff „Heimat“ (gemäß Wikipedia) folgendermaßen: „Eine einheitliche Definition existiert nicht. So ist für Bausinger Heimat eine räumlich-soziale Einheit mittlerer Reichweite, in welcher der Mensch Sicherheit und Verlässlichkeit seines Daseins erfahren kann, sowie ein Ort tieferen Vertrauens: „Heimat als Nahwelt, die verständlich und durchschaubar ist, als Rahmen, in dem sich Verhaltenserwartungen stabilisieren, in dem sinnvolles, abschätzbares Handeln möglich ist – Heimat also als Gegensatz zu Fremdheit und Entfremdung, als Bereich der Aneignung, der aktiven Durchdringung, der Verlässlichkeit“ (Bausinger 1980: 20)

Es gibt aber noch ganz andere, offenere Konzepte, die einen festen Standort relativieren. So steht es ebenfalls auf Wikipedia: „Heimat ist im Gehirn jedes Menschen präsent. Heimat besteht aus einer Unmenge von Engrammen. Je länger er an einem Ort verweilt, desto stärker sind die Engramme synaptisch bei ihm verfestigt, sofern sie emotional positiv korrelieren. Heimatgefühle manifestieren sich durch wiederholte Prägung. Diesen Gedankengang hat bereits der römische Philosoph Cicero entwickelt:.[3] – Wenn emotional bejaht, können mehrere Orte für ein bestimmtes Individuum Heimat werden. Auf ähnliche Weise entstehen nicht-ortgebundene Heimatgefühle (wie das Sich-Heimisch-Fühlen in einer Sprache). Umgekehrt ergibt sich aus einer Auflösung neuronaler Strukturen im Zuge einer Demenzerkrankung oft ein Gefühl der Heimatlosigkeit, und zwar auch dann, wenn sich in der Umgebung des Erkrankten objektiv nichts Wesentliches verändert hat.[4]

Der Begriff ist, wie so viele andere auch, also nicht einheitlich definiert. Der letzte Gedanke, welcher offenbar sogar auf Cicero zurückgeht, scheint mir hingegen sehr wichtig zu sein! Er lässt den Schluss zu: Es gibt, neben der räumlichen, auch eine geistige Heimat, und diese ist durchaus recht flexibel, zumindest potenziell. Die Fähigkeit der Flexibilität ist individuell bedingt und bei jedem Menschen unterschiedlich stark. Manche können durchaus oft und ohne Probleme ihre räumliche Umgebung wechseln, sich bestens an die neue Umgebung anpassen, sich integrieren. Andere sind dazu weniger in der Lage.

Woran liegt es denn, woran liegt diese Fähigkeit? Kann man sie schulen, oder ist sie, wie meistens im normalmedizinischen Kontext, schlicht „genetisch bedingt“. Die Zigeuner z.B. tragen, gemäß solchen Vorstellungen, diese Fähigkeit sozusagen als „Wander-Gen“ schon in sich. Die Bayern vielleicht weniger… Nein, Spaß beiseite, die Frage der Wandelbarkeit unserer geistigen Veranlagung ist, vor allem in der Neurologie, ein vieldiskutiertes Thema der letzten Jahrzehnte. Und der Schluss, der aus vielen Forschungen gezogen wurde, ist eindeutig: Unser Gehirn ist extrem wandelbar! Der Begriff Neuroplastizität besagt, – und ich lasse auch dieses Mal Wikipedia sprechen: „…unter neuronaler Plastizität versteht man die Eigenschaft von SynapsenNervenzellen oder auch ganzen Hirnarealen, sich in Abhängigkeit von der Verwendung in ihren Eigenschaften zu verändern (anzupassen)“.

In der Kindheit, Jugendzeit passt sich das Gehirn und diese neuronalen Strukturen zwar seiner Umgebung an und prägen unser Denken und Fühlen, unsere Vorstellungen und damit auch unser Handeln. Gleichzeitig hat es aber auch die Fähigkeit, sich jeder neuen Situation und neuen Gedankenmustern anzupassen. Das bedeutet, dass unser Denken nicht per se abhängig bleibt von sogenannten psychologischen und sozialen „Altlasten“. Die Bedingungen für eine Veränderung liegen also in uns selbst. Wir selbst können es beeinflussen, ob uns unsere Automatismen durchs Leben begleiten bis dass der Tod uns von ihnen scheidet, ganz im Sinne von: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nicht mehr“, oder ob wir jederzeit neue Wege gehen können…

Heimat ist also in uns. Es ist ein innerer Zustand, der weder vom Raum, noch von der Umgebung, und auch nicht von Menschen oder Verhältnissen abhängig ist, sondern einzig und alleine von dem, „was wir daraus machen“. Wir können also in jedem Augenblick die Zukunft verändern… und Heimatgefühle entwickeln…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Was bringt die Neurologie für den psychologisch orientierten Therapeuten

Psychotherapeutische Ansätze und Neurologie: Normalerweise werden die modernen Wissenschaften aus der Ecke der Schulmedizin von psychologisch orientierten Therapeuten verpönt oder zumindest nicht ernst genommen. Ähnlich verhält es sich natürlich auch in umgekehrter Richtung. Dabei hätten die beiden vollkommen polar ausgerichteten Ansätze soviel Potential in sich, um fruchtbar in beide Bereiche hinein zu wirken. Darüber wird in diesem kleinen Hörbeitrag gesprochen.

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