Alles Vergängliche ist ein Gleichnis

„Alles Vergängliche ist ein Gleichnis“. Dieser Satz Goethes lässt so manches Rätsel offen. Wir können vom Standpunkt der Symbolik aus versuchen, uns Klarheit darüber zu verschaffen, was Goethe damit gemeint haben könnte.

Im „Faust“, Goethes großartigem Lebenswerk, treten die Darsteller und Figuren oft in symbolischen Bildern auf. Man versteht das Drama nicht im richtigen Sinn, wenn man sich kein klares Bild über diese Tatsache zu machen versteht. Jedoch darf man den Begriff des Symbols nicht falsch verstehen. Für Goethe war es klar, dass die Bildersprache immer nur im Sinne eines Urbildes in symbolischer Form auftreten kann. Alle Dinge der Welt, alles Dingliche (oder eben Vergängliche) hat ein Urbild, dem es angehört. In diesem Urbild, welches geistiger Natur ist, fassen sich gewisse Dinge der Welt in „andersartiger Gleichheit“ zusammen. Damit ist der geistige Kern materieller Dinge gemeint, die untereinander wesensverwandt sind. Im „Faust“ kann man erkennen, dass alle Figuren, die hier auftreten, andersartige Wesenheiten ein und derselben Persönlichkeit sind, nämlich jener des Faust. Auch Mephistopheles muss in diesem Sinne aufgefasst werden. Er ist gewissermaßen die Zusammenfassung aller Aspekte dieser Persönlichkeit, die man schlechthin das Böse nennen kann. Dieses Böse ist aber nicht destruktiv zu verstehen, sondern letztlich eine konstruktive Kraft, die es der Persönlichkeit Fausts erlaubt, sich zu weiter zu entwickeln!

Die Symbole oder symbolischen Bilder, die sich im Vergänglichen befinden, haben also immer ihr Urbild im geistigen Welt-Ganzen! Dies war für Goethe klar! Für uns ist dieser Zusammenhang leider nach und nach verloren gegangen. Wenn wir von Symbolen sprechen, haben wir diesen Zusammenhang meistens vergessen. Es entstehen „stroherne Allegorien“, die keine Verbindung zu einem Urbild mehr erkennen lassen. „Alles Vergängliche ist ein Gleichnis“ muss also immer im Zusammenhang mit einem geistigen Urbild verstanden werden, so wie ich es oben für den Faust dargestellt habe. Das Urbild nicht mehr erkennen heißt „Materialismus“. In ihm ist jeglicher Zusammenhang mit einem geistigen Kern jeder materiellen Erscheinung verloren gegangen, selbst jener des Menschen, der Tiere, der Pflanzen. Mit ihm wird jede Möglichkeit einer höheren (geistigen) Entwicklung der Arten und Individualitäten in Frage gestellt. Hier tritt der Begriff der Entelechie in Erscheinung.

In einer materiellen Gesinnung kann man alles zusammenwürfeln, zusammenreimen, mischen und probieren. Manches beißt sich, manches ergänzt sich. Durch „try and error“ findet man das heraus. Die ganze materialistische Wissenschaft beruht auf diesem Prinzip. Selbst akrobatische Bezüge und Zusammenhänge lassen sich oft intellektuell teuflisch gut und vermeintlich logisch erklären. Auch dies ist ein mephistophelischer Aspekt!

Goethe forschte ganz anders! Er nennt die Erscheinungen des Vergänglichen „offenbare Geheimnisse“. Geheimnisse deshalb, weil die Welt der Dinge mehr offenbart, als sich in Worten ausdrücken lässt. Sie sind nur für den erkennbar, der es versteht, diese „innere Sprache“ zu sprechen. Diese innere Sprache beruht auf einer Erkenntnis, die mehr mit Intuition als mit Intellekt zu tun hat. Am besten verstehen wir dies, wenn wir Menschengesichter betrachten. Jeder halbwegs gesunde Mensch versteht es einigermaßen, den seelischen Zustand seines Gegenübers aus dem Gesicht abzulesen; Zumindest in groben Zügen. Beschreiben lassen sich diese Empfindungen schon weniger gut. In gleicher Weise verstecken sich aber ähnliche Wahrnehmungen in allen materiellen Dingen. Deren Erkennen ist aber schon schwieriger. Goethe nennt sie sinnlich-sittliche Erkenntnis. Sowohl die Pflanzenmetamorphose, wie auch die Farbenlehre und auch andere naturwissenschaftliche Forschungen Goethes beruhen auf solcher Erkenntnisart!

Jede Entwicklung beruht also auf einer mehr intuitiven Erkenntnis, die über das „try and error“ hinausgeht. Im Grunde stehen wir hier an einer Schwelle! Wir stehen vor dem Nichts! Denn jede bisherige, auf Wissens-Basis errungene Erkenntnis kann uns eher hinderlich sein als förderlich! Wissen kann uns stufenweise auf einer Treppe höher bringen. Die „Fülle“ des Wissens gibt uns Sicherheit in der materiellen Welt, Sicherheit in der Argumentation. Aber Fliegen (aus eigenem Antrieb) werden wir nie lernen! Hier soll das Fliegen eine Metapher sein für die „andere Seite“, die Entwicklung einer geistigen Erkenntnis. Sie ist das „offenbare Geheimnis“, welches sich Isis-gleich, erst entschleiert, wenn wir gelernt haben zu fliegen. Es ist eine Erkenntnisart, einer Schöpfung gleich, aus dem Nichts heraus. Hedwig Greiner Vogel schreibt in ihrem Buch „Das Menschen-Drama der Gegenwart“, welches sich mit Goethes Faust beschäftigt folgendes zu der Ariel-Szene: „Goethe verfährt hier, wie die Natur selber, die kein Geheimnis kennt, das sie nicht einmal dem aufmerksamen Blick an einer Stelle unmittelbar offenbart. Es handelt sich um das Geheimnis der Entelechie, deren Wiederherstellung ein sich selbst hervorbringender, schöpferischer Akt ist: die Schöpfung aus dem Nichts.“

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

Sind Illuminaten Erleuchtete oder Verschwörer?

BabelViele Dinge in der Weltgeschichte sollen unter dem Deckmantel eines mysteriösen Ordens, der von Adam Weishaupt im 18. Jahrhundert gegründet wurde, zu einflussreichen geschichtlichen Taten und Macht-Manipulationen geführt haben. Es gibt Begriffe, die einen ominösen (Ver-) Ruf haben. Zu ihnen gehört auch der Begriff der „Illuminaten“. Eigentlich bedeutet er „Erleuchtete“! Der Wolf versteckt sich bekanntlich gerne im Schafspelz. Man nennt sich humanistisch, sozial, menschenfreundlich usw., versteckt und vertuscht damit aber die eigentlichen hintergründigen Absichten, nämlich deren Gegenteil!

Natürlich kann man wahren Erleuchteten mit Bestimmtheit keine solchen Absichten unterstellen. Verdreht man geistige Tatsachen, so münden sie oft in eine Falle. Ob Weishaupt, Goethe, Herder und wie sie alle hiessen, die dem „Orden“ angehört haben sollen, nun „erleuchtet“ waren oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Ob sie böse Absichten gehabt haben sollen im Sinne einer „teuflischen“ Manipulation der Weltgeschichte? Ich bezweifle es. Meines Wissens waren es redliche, ehrliche und durchaus aufrichtige Menschen mit hohen und hehren humanistischen Zielen.

Wie würden denn wirkliche Erleuchtete die Welt verändern wollen?

Natürlich hätte dies hohe Ziel, möchte man es mit anderen Menschen ehrlich teilen, zur Folge, einen Weg aufzuzeigen, der selbst zur Erleuchtung jedes weiblichen wie männlichen „Schülers“ führen müsste. Wer wirklich erleuchtet ist, der diese Gedanken hier liest, der weiss, dass durch die „neue Perspektive“ der Weltbetrachtung im erleuchteten Zustand sich sämtliche moralischen Werte und Vorstellungen in Luft auflösen! Es würde daraus niemals böse Absicht erwachsen können. Gerade nicht. Es gibt aber auch keine „gute“ Moral im Sinne eines festgefahrenen, konfessionellen oder sonstwie gearteten Konzeptes. Es gibt gar keine Moral! Wenn Sie den Mitmenschen und überhaupt die ganze Natur, jede Blume, jeden Stein, jedes Tier so wahrnehmen und fühlen, wie Sie Ihren eigenen Finger wahrnehmen und fühlen, dann werden Sie ihm nichts mehr antun wollen!

Die Erfahrung des All-Seins

Die Erfahrung genau dessen, einer Art All-Eins-Seins, die den erleuchteten Zustand ausmacht, durchzieht ein „neues Sehen“. Daraus gebiert keine Moral, kein gutes oder schlechtes Gewissen, sondern die einzige und wirkliche Freiheit eines Menschen. Eine Schule, die dahin führen soll, dass Menschen den Zustand der Erleuchtung erfahren sollen/können, hat bestimmte geistige Gesetzmässigkeiten zur Folge, die verhindern, dass der spirituelle Weg entweder in eine Verirrung oder in krankhafte Erscheinungen führen. Das wissen alle wahrhaftigen Einweihungs-Schulen. Es versteht sich von selbst, wer auf dem Weg dahin der eigentliche „Feind“ ist. Es ist das eigene Ego jedes Menschen! Die eigene Unzulänglichkeit des Verstandes, die Konditionierung der Vorstellungen in unserer eigenen Biografie, verhindert jede erfolgreiche Erweiterung der Sicht. Das mögen auch Weishaupt, Goethe und co. gewusst haben. Deshalb legten alle Lehrer, die etwas davon verstanden haben und hatten, einen so grossen Wert auf die Charakterschulung eines Menschen, der diesen Weg gehen wollte. Die Regeln waren zuweilen streng.

Der Schalk treibts an die Oberfläche

Wenn die Ziele einer (Verschwörer-) Macht, welche auch immer es sein soll, darin bestehen soll, sich selber zu erhöhen und den Fluss des Geldes – und damit auch die allgemeine Macht – auf sich zu ziehen, dann kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass dies nichts mit wirklicher „Illumination“ zu tun hat! Im Gegenteil! Dann hätten wir eben den Schafspelz, hinter dem sich der Wolf versteckt, indem er vordergründig hohe Ziele anpreist, die das Wasser letztlich auf seine eigene Mühle bringen. Das persönliche Ego jedes Menschen wird durch Massenbeeinflussung angetrieben, die kleine Welt des persönlichen Besitztums so geregelt und beeinflusst, dass er kontrollierbar bleibt, im Glauben des vermeintlichen Eigners, es sei dessen Besitz.

Gold wird mit Blei geschürft. Und dem kleinen Volk reicht das Blei durchaus, weil es meint, dass es Gold sei. Auch wenn es als Abgas aus den Motoren ihrer kleinen pseudoautonomen Fahrzeuge (genannt Auto) verpufft. Spirituell gesehen, nützen da auch jegliche „Filter“ nichts. Sie meinen, sie hätten das Gold und sterben schliesslich an ihrer (inneren) Bleivergiftung. Den Mächtigen solls recht sein, denn es gibt sowieso zu viele Nichtsnutze aus ihrer Sicht, die letztlich nur Geld kosten. In diesem Sinne gibt es wohl tatsächlich eine Art „Verschwörung“. Es ist die Verschwörung unseres Egos, die sich im Inneren jedes Einzelnen vollzieht. Die „Machthaber“ sind lediglich die Nutzniesser davon, eine Art „Super-Ego“, denn sie tun dies auch nur um ihrer selbst willen. Das ist im höchsten Zustand der grösste Reichtum durch alle weltlichen Güter. Diese Intention ist zugleich der grösste Feind wahrer Erleuchtung und am weitesten von dieser entfernt. Deren Seele ist im höchsten Mass verdunkelt, nicht erhellt. Kein Grund, ihnen nacheifern zu wollen.

Mein Fazit: Es gibt also mit Sicherheit keine wahren Illuminaten, die die Welt beherrschen wollen…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Dämonen im Mantel des Heiligen

DämonEs ist wieder Faschingszeit. Da passt das Thema doch bestens. Dämonen sind wohl ein althergebrachter Begriff. Meine Definition dafür lautet: Dämonen sind Energien, die uns von unserem wahren Selbst abziehen wollen. Das können Gedanken sein, aber auch Gefühle und Vorstellungen, Wünsche. Goethe sah die Ideen. Er hat es aufs Wunderbarste geschafft, die Dinge in ihrem Wesen zu erfassen.

Dadurch löst sich das eigene, hinein interpretierte Denken vom eigentlichen Beobachtungsgegenstand. Das Denken fließt sozusagen in die Gegenstände und erfasst sie aus deren Art und Gesetzmäßigkeit heraus. Man hat Goethes wissenschaftliche Bemühungen nie gewürdigt und begriffen – und man begreift sie wohl auch heute nicht. Als Dichter wurde und wird er nach wie vor geehrt. Doch wieviel könnte gewonnen werden, wenn seine Art zu schauen Schule machen würde. Das so geartete Bewusstsein löst sich vom passiven Vorstellungsinhalt quasi ab, entsubjektiviert es. Oder noch besser: es verbindet Subjekt und Objekt in geheimnisvoller Art und Weise. Das ist gerade die größte Schwierigkeit im Begreifen des Denkens selber. Dadurch wird oft das Kind (Vorstellungsinhalt) mit dem Bade (Denkakt) ausgeschüttet.

Entdogmatisierung

Der Mensch neigt dazu, alles zu dogmatisieren. Das (gesunde) Leben ist eine andauernde „Entdogmatisierung“. Denn das Dogma bildet sich ohne aktive Gegenleistung von alleine. Automatismus und Verhärtung passieren ständig und ohne unser Zutun. Verhärtung ist Formkraft. Formale Kraft. Formulierung. Begriffe und Wissen werden durch unsere Gehirne gespeichert und wiederverwertet. Das Lernen (im Sinne von Auswendiglernen) ist zuweilen mühsam. Wenn wir uns die Inhalte eingetrichtert haben, werden wir uns fortan gerne an das einmal erlernte halten. Denn das macht weniger Mühe, als stete Erneuerung. Je mehr ein Begriff eingehämmert wird, umso stärker wird er wieder erinnert, aufgerufen. Das gilt für alle Inhalte. Auch für Spirituelle! Selbst Begriffe wie „Achtsamkeit“, „Erleuchtung“, „Jetzt“ usw., die hoch in Mode gekommen sind, bilden da keine Ausnahme. Was einmal Zauber eines Erlebnisses war oder ist, wird bald zerstampft, zerpflückt, zergliedert, zertrümmert durch die ewige Wiederholung. So verliert es den Zauber des Reinen allmählich.

Man erlebt es oft, wenn man Satsangs verfolgt. Auf YouTube gibt es ja massenhafte Selbstdarsteller dieser Art, wenn auch manch Gutes darunter sein mag. Die immergleichen Inhalte verwässern mit der Zeit, werden zu Phrasen zerdroschen, zu einem sinnlosen, egozentrischen Gehabe, und sie veröden das Erlebnis. Dämonisches zeigt sich häufig im Mantel des Heiligen. Solch Wiedergekäutes wird ausgelaugt, bleibt irgendwo zwischen Verstand und Traum hängen. Es ist weder die „Achtsamkeit“, noch das „Jetzt“, welches es zu erreichen gilt. Nichts ist zu erreichen, als ein vollbewusstes Erleben! Egal welche Begriffe dafür verwendet werden. Zunächst sind wir nur im Denken vollbewusst.

Aber gerade dieses Denken ist es auch, welches den Teufel in sich trägt. Wo am meisten Licht, da ist auch der größte Schatten. Und der Schatten, die Schattenwelten sind die Dogmen. Sie bilden den Schleier, den wir nur schlecht wahrnehmen. Es sind die Trugbilder, die sich vor das Erlebnis stellen, bevor es sich noch wirklich einstellt. Dadurch wird die Beobachtung des Dinges getrübt. Es wird durch unser vorgestelltes Hinzufügen verzerrt. Ein Zerrbild entsteht, welches nicht dem Wesen des Dinges an sich entspricht! Man sieht es oft an Erzählungen oder auch an Zeichnungen dessen, was „wahr“ genommen wird. Zeichnen zehn Menschen dasselbe, so könnte der Unterschied zwischen den Werken oft nicht grösser sein. Wenn man bedenkt, wieviel Mist, leider oft gerade in spirituellen Kreisen, (notabene gedanklich) über das Denken gesprochen wird, wird man sehr nachdenklich!

Geist der Zerstörung

Im Denken (vor allem im Inhalt) wohnt auch der Geist der Zerstörung. Darin verbirgt sich eine Wirklichkeit, die man nicht bestreiten darf. „Gehirnwäsche“ ist die Folge. Die Werbung tut es vorzüglich. Sie kennt die Mittel, direkt in unser Unbewusstes einzuwirken besonders gut! Werbung ist aber auch dort, wo wir sie vielleicht nicht so sehr vermuten. Das Missionieren für oder gegen irgendetwas ist da nur die Spitze vom Eisberg. Dazu gehören auch jegliche Formen von Sektiererei, Parolen von Parteien, blinder Glaube und jede Form von kritiklose Anhängerschaft. Dabei spielen die Gebiete, wo dies auftritt keine Rolle. Dasselbe kann, wie bereits erwähnt, im Spirituellen ebenso der Fall sein, wie auch in der Wissenschaft, in der Wirtschaft, in Kultur, Kunst, Religion usw. Lernen bringt eine gewisse Routine. Im Alltag oder Berufsalltag macht das Sinn. Beim Autofahren, am Computer, beim Handwerk usw. Keine Frage. Dort werden Abläufe vereinfacht und strukturiert.

Das immerwährende beweglich bleiben, das stete Eintauchen in die Erlebnisse und dessen Verarbeitung durch das Denken sollte stets neue Begriffe schaffen, kreieren, die aus dem herausgeholt sind, was unmittelbar erlebt wurde und in welchen dieses Erlebte noch enthalten ist, sichtbar ist, sodass die Ideen sichtbar werden! Und damit sind wir natürlich wieder an diesem vielzitierten Begriff des „Jetzt“ angelangt. Denn das reale Erleben passiert selbstverständlich nur im Jetzt. Alles andere sind passive Vorstellungen, die uns in der Zeitskala hin und her bewegen. Man kann natürlich auch „aktiv“ Vorstellungen schaffen, Bilder schaffen und sie durch Selbstbeobachtung mit Erleben füllen. Damit überwinden wir den passiven Fluss in jeder Handlung, in jedem Gedanken, jedem Gefühl.

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Ist Goethes Urpflanze nur eine Idee?

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Mein letzter Aufsatz über Kunst wird dem Begriff der „Idee“ nicht gerecht, wenn ich schreibe, dass viele Kunstprodukte doch „nur“ Ideen und deshalb Kopfsache seien. Deshalb möchte ich hier näher darauf eingehen.
Auf die Bemerkung Schillers, dass die „Methamorphosenlehre“ doch nur eine Idee sei, antwortete Goethe: „Es soll mir recht sein, wenn ich Ideen habe und sie mit eigenen Augen sehe!“

„Man muss sich der Idee erlebend gegenüberstellen können, sonst gerät man in ihre Knechtschaft.“ (Rudolf Steiner, Philosophie der Freiheit). Sich der Idee erlebend gegenüberstellen, genau das tat Goethe und deshalb gerät er nicht in ihre Knechtschaft. In der Lehre von der „Metamorphose der Pflanze“, findet er sozusagen als Quintessenz seiner umfassenden Studien die „Urpflanze“. Diese Urpflanze kann Schiller natürlich nicht physisch sehen, niemand kann das, aber er kann sie auch nicht nacherleben. Und deshalb spricht er in geringschätziger Form von einer bloßen Idee. Wenn Goethe aber von der Urpflanze spricht, so hat er dem nicht nur eine „bloße Idee“ zugrunde gelegt, sondern ein Erlebnis! Denn diese Urpflanze ist sozusagen ein begrifflich „sichtbar“ gemachter Prozess. Es ist der Prozess des Wachstums, welcher sich in „andersartiger Gleichheit“ in jeder Pflanze wiederholt. So ist der Begriff der Urpflanze die Zusammenfassung des Wachstumsprozesses, der dem Pflanzenreich innewohnt!  Ist Goethes Urpflanze nur eine Idee? weiterlesen

Osterglocken im Faust

mephistoDu gleichst dem Geist, den Du begreifst…!
(…und diesen nur wirst Du anbeten!)

Kennen Sie den Faust, Goethes „Faust“? Er ist ein wahres Wunderwerk inneren Lebens. Man stelle sich dieses Bild vor: Faust sitzt in seiner „staubigen Wissenswelt“, in seinem Keller, der ihm als Arbeitsraum dient. Er ist gefüllt mit all den Dingen, die er  in seinem bisherigen Leben gelernt und gelebt hat, eine trockene Welt! Und er beginnt daran zu zweifeln…

Er habe, so sagt er mit einem stöhnenden „Ach!“, Philosophie, Juristerei, Medizin und sogar Theologie studiert! Und er bekennt konsterniert: „Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug, als wie zuvor!“ Faust spürt, daß alles Wissen dieser Welt für seine innere Entwicklung keinerlei Bedeutung mehr hat. Er spürt eine vollkommene Leere, ein ausgetrocknetes Herz. Das ist der Punkt, an dem wir heute bewusst stehen! Manche sind taub dafür und rennen weiterhin dem äußeren Anhäufen von Wissen, dem Schein nach Glück nach, in der Hoffnung, dort „die große Erkenntnis“, die „unumstößliche Wahrheit“ zu finden. Goethes Faust drückt dieses innere Erlebnis so aus:

„Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel – dafür ist mir auch alle Freud entrissen, bilde mir nicht ein, was rechts zu wissen, bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren, die Menschen zu bessern und zu bekehren.“

Faust beginnt, an allem zu zweifeln, was ihn umgibt. Er zweifelt an der Welt und er zweifelt an sich selbst. Er ist an dem Punkt angelangt, an welchem er im Grunde nur noch sterben möchte – oder – sich der Selbsterkenntnis zu widmen. Das erste ist ihm nah, das zweite fern. Er schreit es hinaus:

„Weh, steck ich in dem Kerker noch? Verfluchtes, dumpfes Mauerloch, wo selbst das liebe Himmelslicht trüb durch gemalte Scheiben bricht! Beschränkt von diesem Bücherhauf, den Würmer nagen, Staub bedeckt, den, bis ans hohe Gewölb hinauf, ein angeraucht Papier umsteckt; mit Gläsern, Büchsen, rings umstellt, mit Instrumenten vollgepfropft, Urväter Hausrat dreingestopft – das ist deine Welt! Das heißt deine Welt?“

Das Menschenbild, welches Goethe hier am Faust entwickelt, ist der innere Zustand, der, mehr als früher noch, innigst nachempfunden werden kann; es ist der Abgrund, an dem so mancher heute steht. Die Wende, die kommen muß, ist eine Wende nach innen, in die eigene Seele, zur Freiheit. Auch Faust versucht dies. Er ist immerhin Wissenschaftler von hohem Rang und Namen, ein gebildeter Mensch also, der viel Erfahrung hat und viel weiß, doch dies Eine nicht: „Was die Welt im Innersten zusammenhält“!

Deshalb ergibt er sich, wie er so schön sagt… der Magie! Aber er bemerkt nicht, daß er versucht, den Geist in der gleichen Weise zu erfassen, wie er früher all sein Wissen erfasst hat. Er liest in den heiligen Schriften, der Bibel und in anderen Büchern der Magie und versucht deren Zeichen zu deuten! Aus diesem Erlebnis heraus findet er schließlich Zugang zu einem „geistigen Wesen“ (in sich), mit welchem er in einen Dialog kommt: Dieser Geist spricht nun zu ihm: „Du hast mich mächtig angezogen, an meiner Sphäre lang gesogen, und nun – „ Faust erträgt seine Stimme nicht…er verabscheut sein Antlitz…

Und der Geist spricht weiter: “Du flehst eratmend, mich zu schauen, meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehen; mich neigt dein mächtig Seelenflehen. Da bin ich! – Welch erbärmlich Grauen fasst Übermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf? Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf und trug und hegte, die mit Freudebeben erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben? Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang? Bist DU es, der von meinem Hauch umwittert, in allen Lebenstiefen zittert, ein furchtsam weggekrümmter Wurm?“

Faust ergibt sich nicht, er (sein Ego) wähnt sich seinesgleichen! Er meint – noch selbstbewusst – er habe Anteil an diesem Geistwesen und sei ihm ebenbürdig! Und er meint, er sei ihm in seinem Kern nah! Doch der innere Geist widerspricht: “Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!“
Faust hatte versucht, sich mit seinem Verstandesbewusstsein an etwas anzunähern, was er „geistig“ nannte. Er konnte noch nicht begreifen, daß die Vorstellungen, die er sich aus diesem Bewußtsein heraus gebildet hatte, seine Erkenntnis leitete und gleichzeitig vernebelte und verfälschte. Das ist der Grund, weshalb ihm dieses Wesen begegnete und ihm als Fremder gegenüberstand. Es war ein verzerrtes Abbild seiner Selbst! Er konnte es nicht ertragen in sein Antlitz zu schauen. Die Begegnung gleicht dem Erlebnis mit dem „Hüter der Schwelle“, welcher ihn zurückweist in seine eigene Welt: Der Welt des Verstandes, der alles nur intellektuell begreifen will.

Das trifft Faust hart. Er bricht zusammen und spricht als Antwort auf dieses Geistwesen (in ihm): „Nicht dir (gleich ich…)? Wem denn? Ich! Ebenbild der Gottheit! Und nicht einmal dir!?“
In diesem Augenblick steht sein Diener Wagner schon an der Tür und reißt ihn wieder in den Alltag zurück! Dieser hörte ihn „proklamieren“ und möchte vom Wissen des Herrn Doktor profitieren!
Nebenbei gesagt: Wie viele möchten vom Wissen der Herren Doktoren profitieren!
Wie viele Zweifel stehen an dieser „Schwelle“, übertragen wir die Geschichte nun auf unser eigenes Leben. Sie reißen uns hinweg, aus dem Leben… oder besser gesagt: in die psychopathischen Kompensationen!
Auch uns steht dieses freudsche „Es“ des Verstandes immer wieder im Wege. Es nimmt Besitz von uns und führt uns von einer Lebenssituation zur anderen, agierend und reagierend.

Faust erlebt seine Innenwelt nun stärker, verweilt darin und erkennt deren verschiedene Aspekte (die „Teilselbste“) in ihm, und er spricht:

„Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen, dort wirket sie geheime Schmerzen, unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh; sie deckt sich stets mit neuen Masken zu, sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen, als Feuer, Wasser, Dolch und Gift; du bebst vor allem, was du nie verlierst, das musst du stets beweinen.“

Und in tiefstem Gram, am Ende seines „Lateins“, als nur noch der Tod als Lösung vor ihm steht…
Da erklingen die Osterglocken des Dorfes und der Gesang erhebt sich:

„Christ ist erstanden Freude am Sterblichen Den die Verderblichen Schleichenden, erblichen Mängel umwanden.
Christ ist erstanden Selig der Liebende, Der die betrübende, Heilsam und übende Prüfung bestanden“
(…aus Goethe Faust 1. Teil)

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

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