Die Kunst des Heilens

HändeEin Grundsatz jeder therapeutischen Handlung ist das Handeln aus reinem Herzen. Daraus erfolgende Handlungen bewirken Heilung. Sind die Handlungen unreinen Herzens bewirken sie Leid. Unreine Handlungen erfolgen aus Begierde, Hass, Zwang, Angst, Rechthaberei, Ungeduld, Eifersucht, Missgunst, Verleumdung, Anhaftung usw.

Dies sind zunächst schlicht im Raum stehend bleibende Fakten, ohne jeden Erkenntnishintergrund. Über Inhalte dieser Art lässt sich immer streiten. Jedoch stehen seit Jahren genügend Annäherungsversuche für den analytischen Verstand auf diesem Blog bereit; Inhalte und Hintergründe mit denen ich mich seit Jahrzehnten über Wahrheit, Erfahrung und Unsinn auseinandergesetzt habe. Deshalb soll davon hier nicht die Rede sein, sondern schlicht vom Resultat, der Erfahrung aus dem ERLEBEN jahrzehntelanger Arbeit als Kunsttherapeut.

Diese Resultate gelten im Grunde für jeden Menschen, jedes Lebewesen auf dieser Erde. Insbesondere gilt dies natürlich für den Beruf des Therapeuten. Er sollte Spezialist dafür sein, reine Handlungen zu erleben und auszuführen. Hindernis auf diesem Weg sind die persönlichen Verblendungen. Jeder Mensch muss diese Verblendungen im eigenen Kopf erkennen und sie beseitigen. Der Weg dazu ist die Meditation. Sie erst bringt den Zugang zum Quell jeder heilenden Handlung ans Licht. In welcher Weise die Handlungen umgeformt oder eingegossen werden, spielt dabei keine Rolle. Die Mittel, die angewendet werden, haben mit den Menschen persönlich, sowohl auf Geberseite wie auf Empfängerseite, zu tun. Das Resultat bleibt dasselbe. So wird die Kunsttherapie zu diesem Zweck ihre spezifischen Mittel einsetzen, genauso wie es der Psychotherapeut auf seine Weise tut. Wer sich von diesen Mitteln angesprochen fühlt, also der Empfänger, kann unter den gegebenen Voraussetzungen der reinen Handlung auf diesem Weg Heilung erwarten. Dies gilt insbesondere für die Ursachen der Krankheit.
Die Symptombehandlung, Schmerzbehandlung braucht keine reine Handlung. Sie bleibt deshalb kurzfristig. Hier genügt das technische Wissen und die blosse Handhabung der Anwendungen, unabhängig von jeden Gewissen, jeder Moral. Die Behebung dieses Teils alleine wird nur die Oberfläche des Problems lösen können.

Eine Kunsttherapie wird lediglich dadurch legitimiert, dass sich der Therapeut oder die Therapeutin mit seinen/ihren eigenen Mitteln tief verbunden fühlt und sie beherrscht. Der Weg über die Kunst bringt die eigenen Verblendungen und Anhaftungen an die Oberfläche. Dies befähigt sie, in der Selbstreflexion und Selbstbeobachtung dieses Prozesses, reine Handlungen zu erzeugen, die heilsam wirken. Die Therapieform hat in erster Linie mit dem Therapeuten und der inneren Verbundenheit mit seinen eigenen Mitteln zu tun. Es gibt keine guten oder schlechten Methoden, solange sie auf den erwähnten Grundsatz ausgerichtet sind.

Die Feindschaften innerhalb therapeutischer Verbände und Methoden beruhen auf falschen Gefühlen und Emotionen, die mit den eigenen Verblendungen und Vorstellungen zu tun haben. Auf der Ebene solcher Anhaftungen gibt es keine Synergien. Jeder bleibt im Kampf gegen jeden befangen. Dies wird solange der Fall sein, bis in jedem die eigene Quelle erkannt und erlebt wird.

Jetzt sagen zum Beispiel die anthroposophischen Kollegen und Kolleginnen: „aber wir müssen doch die spirituellen Grundlagen des Menschen in seiner Viergliedrigkeit, wie sie von Rudolf Steiner geschildert wurden: physischer Leib, ätherischer Leib, astralischer Leib und Ich, miteinbeziehen! Wir müssen die Ätherarten und Wesensglieder erkennen und nach diesen Erkenntnissen Handeln!“

In den meisten Schulen wird die „Säule des Wissens“ vorrangig behandelt. Die Bereitschaft für die wirklich heilsame Vertiefung beruht jedoch nicht nur auf sozialen Kompetenzen und psychologischen Lehrmeinungen oder Methoden. Auch sie gehören lediglich zur Wissenssäule. Sie ist die zweite Säule von Fähigkeiten, die erlernt werden müssen. Die erste Säule sind die technischen und manuellen Fähigkeiten. Nennen wir sie die „Säule des Handwerks„. Es sind die beiden Fundamente jeder Bildung. Die dritte Säule kann einzig und alleine durch Meditation gebildet werden. Deshalb nenne ich sie die „Säule der Selbsterkenntnis„. Meditation bedeutet vor allem: Beruhigung des Geistes. Der Geist muss still werden können. Für viele Schüler und Schülerinnen jenseits jeglicher Methode, ist dieser Schritt gefährlich oder sogar bedrohlich. Wird die Säule des Wissens losgelassen – ohne die Erfahrung einer dahinterstehenden tragenden dritten Säule zu haben, so fällt der Probant ins Nichts. Das Aushalten dieses Zustandes ist äusserst schwierig. Aus diesem Grund wird die Säule des Wissens gerne aufrecht erhalten und bis aufs Blut verteidigt.

Es kann sehr hilfreich sein, die Erlebnisse aus der meditativen Selbsterkenntnis in Begriffe zu fassen und sie so mit einfliessen zu lassen. Dies sollte jedoch stets aus der unmittelbaren Erfahrung geschehen. Die Begriffe spielen dabei keine Rolle! Sie sind nur ein Hilfsmittel der gegenseitigen Verständigung. Für das Wirken selbst sind sie vollkommen irrelevant.
Wer die Begriffe nicht mit eigener Erfahrung durchdringen kann, muss sehr vorsichtig mit ihnen umgehen. Kein Buch, kein Lehrer der Welt und kein Erklärungstext führen zur Handlung aus reinem Herzen: und das ist Liebe, Geduld und ein befreiter Geist! In den meisten Fällen behindert das Wissen diese Erfahrung sogar.
Der Grund für unüberwindbare Hürden liegt in den Vorstellungen und Begriffen.
An ihre Stelle müssen die tieferen Erfahrungen treten.
Der einzige Weg dahin ist die Meditation.

Vielleicht könnte man die Ausbildungen um ein „Modul“ „Kunst des Heilens“ in diesem Sinne erweitern…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Nun kommt der Heiden Heiland

Christian Steyer und der Solistenchor Berlin mit einer wunderbaren Version von „Nun kommt der Heiden Heiland“

Ist alles Kunst?

PapierknäuelZur Zeit (Dezember 2015) findet in der Basler Messe eine Ausstellung von Ben Vautier statt. Der Performer und Künstler stellt die provokative, jedoch mittlerweile gesellschaftsfähig gewordene Frage: “Ist alles Kunst?“
Bereits Joseph Beuys, der sich sehr mit der Anthroposophie Rudolf Steiners verbunden fühlte, implizierte in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Diskussion um die künstlerischen Intentionen und argumentierte in diese Richtung.

Glaubenssätze

Die Frage kann existenziell sein. Sie ist es jedenfalls für mich. Sie rechtfertigt oder vernichtet meine künstlerischen Ausbildungen, meine ganze Erfahrung, meine Talente (und Schwächen?), meine Präferenzen. Damit hängen viele Dogmen und Glaubenssätze, aber auch viel Leid und Freud zusammen, die in den letzten 5000 Jahren Kunstgeschichte kaum jemals so deutlich hinterfragt wurden wie heute. Jetzt ist die Zeit scheinbar gekommen, alles zu zertrümmern, was uns prägte, stärkte, schwächte, kurz unsere ganzen Ziele und Vorstellungen, denen wir unser bisheriges Leben zu „verdanken“ haben, nach denen wir uns richteten, über Bord zu werfen. Müssen wir deshalb gleich das Kind mit dem Bade ausschütten? Ist das “Alles ist Kunst“-Dogma nicht auch wieder ein neues Gefängnis unserer Vorstellungen in das wir hineintrampeln ohne es zu bemerken und welches uns den letzten Todesstoss gibt?

Tod der Kunst

Dass die Bejahung der so gestellten Frage gleichzeitig den Tod der Kunst bedeutet, wird den meisten Normaldenkern nicht klar sein. Zu jovial, zu locker, zu wenig gewichtig betrachten die meisten Menschen grundsätzlich die Tragweite und den Wert der Kunst. In vielen Fällen wird sie bestenfalls als wichtige Nebenbeschäftigung, als (oft brotloser) Sonntagsjob, angesehen. Jedoch, sie ist es gewiss nicht, behaupte ich jedenfalls; sie ist sogar das Wichtigste was es gibt für die Entwicklung der Menschheit und der Menschen! Die Tatsache, dass alles Kunst sei, entwertet die Gewichtigkeit derselben in Ihren Grundfesten und erschüttert überhaupt jede künstlerische Bemühung. So werden gerade diejenigen, die sich heute Kunstschaffende, Künstler nennen und die mit der Flagge des banalen, alltäglichen oder gar unterschwelligen, rein subjektiven „Sauglattismus“ oder einem blossen „Provokatismus“ auftreten, zu den grössten Feinden der Kunst (…viele tun es aus dem Verständnis dieser Paradoxie heraus unbewusst schon gar nicht mehr…). Ein Begriff der ALLES ist, ist generell absurd. Darin besteht ja gerade der Sinn und Zweck eines Begriffs, dass er sich von anderen Begriffen abhebt, unterscheidet. Wenn ALLES Kunst ist, dann ist Kunst ALLES und es gibt nichts mehr ausser Kunst. Aber es gibt auch sie selber nicht mehr! Schon aus diesem Grund ist die Frage sinnlos, denn sie schliesst ALLES mit ein. Sie wäre, philosophisch gesehen, der letzte Satz der menschlichen Geschichte vor ihrem Untergang, wenn sie ernst genommen würde. Ist es demnach nicht nur absurd, sondern sogar blosse Zeitverschwendung, sich überhaupt damit zu beschäftigen?

Kunstrealität

Und dennoch scheint es heute so etwas wie eine geschichtliche Bestätigung im Sinne einer Bejahung dieser Frage zu geben! Man wird das Gefühl nicht los, dass Jahr für Jahr immer mehr Argumente für die Beurteilung des im echten Sinne Künstlerischen bachab gehen. Nicht diese oder jene Argumente und Kriterien, sondern Kriterien generell. Argumente oder Aspekte wie Schönheit, Wahrheit, Echtheit, Können usw. verkümmern mittlerweile immer mehr, verwässern sich, werden unklarer denn je oder sie werden gar belächelt, wenn nicht sogar bekämpft und verpönt. Im Grunde gibt es gar keine solchen Kriterien mehr. Jeder ist sein eigenes Zentrum mit den ihm oder ihr eigenen Sichtweise und verteidigt diese aufs Blut gegenüber den “Mitstreitern“. So gewinnt der stärkere und der Darwinismus, den man doch vielerorts überwunden haben will, ist neu auferstanden. Ästhetische Aspekte sind sowieso verpönt oder werden in ein ALLES umgepolt. Unsinnigerweise werden gerade sie vom “Alles-ist-Kunst“-Dogmatiker ausgeschlossen! Der Subjektivismus beherrscht kein anderes Gebiet so sehr, wie die Kunst. Gerade deshalb ist sie zum Gradmesser, zum Thermometer unserer Gesellschaft geworden! Ein tragisches emotionales Zeugnis, wie ich meine und zugleich paradox zu einer Alles-ist-Kunst-Doktrin

Kunst als Königsdisziplin

Die Kunst war einstmals eine Königsdisziplin. Der Künstler gehörte zu den angesehensten Bürgern des Landes. Sein Können wurde bewundert oder gar verklärt. Die Kompetenzen und Fähigkeiten und das handwerkliche Geschick, wurden beispielsweise in der Renaissance sehr hoch bewertet. Diese Hochachtung hatte noch lange Bestand, im Grunde bis in das letzte Jahrhundert hinein, wenngleich ein Zerfall, ein Auseinanderbrechen einer tragenden zentralen Kraft, schon damals spürbar wurde. Trotzdem: Kunstschulen waren hochwertige Akademien, auch wenn Sie zuweilen antiquiert daher kamen. Ihre Lehrer waren selbst angesehene Künstler im Sinne von Könnern. Die Kriterien der Professionalität wurden hoch bewertet. Sie beinhalteten lange Zeit objektivierbare Maßstäbe. Auch wenn dabei die Gefahr einer Konservierung und Verkrustung, sowie einer Dogmatisierung der künstlerischen Anschauung durchaus bestand.

Kriterien der Kunst

Dennoch kann man die Frage einmal laut stellen: Welche künstlerischen Kriterien kann denn eine moderne Kunstschule überhaupt noch haben, wenn deren Philosophie in die oben gestellte Richtung zielt? Was soll an den heutigen Fachhochschulen für Kunst überhaupt noch gelehrt werden, wenn doch alles Kunst ist und grundsätzlich schon Kleinkinder kompetent sind? Es gibt dereinst keine angemessene, objektivierbare oder messbare Professionalität mehr! Die Kunst disqualifiziert sich selbst. Die geringste menschliche Handlung, sogar die tierische; jede Tätigkeit überhaupt, genügen dem so gearteten künstlerischen Anspruch, wenn man ihn konsequent nimmt.

Fachkompetenzen in der Kunst

Kein anderer Bereich als die Kunst, verlangt weniger fachliche Kompetenzen. Handwerker, Kaufleute, Wissenschaftler, Forscher, Lehrer, Köche, Bundeskanzler… innen immer mit eingeschlossen… erfordern höchste Ansprüche, um ihrem Fach gerecht zu werden. Ihnen allen wird akribisch auf die Finger geschaut. Und wehe, sie begehen Fehler! Ein Künstlertum dieser ART kennt keine Fehler, zumindest wird man dieses Gefühl in den bildenden Künsten nicht los. Alles ist gut, richtig – (nur unterschiedlich teuer).
Braucht es noch mehr Argumente um die gestellte Frage endgültig abzuhaken?
Wenn nein, so muss die nächste und entscheidende Frage lauten: Welche Kriterien hat ein Werk zu erfüllen, um dem Anspruch Kunst in professioneller Art und Weise zu genügen?
Problematisch wird es, wenn die Freiheit in der Kunst im Grundgesetz verankert ist, wie es in Deutschland zum Beispiel der Fall ist. Abgesehen vom “Alles ist Kunst“-Dogma, weiss ja keiner mehr, wo die Grenzen zu ziehen sind zwischen Kunst und Nicht-Kunst. Das wäre aber durchaus empfehlenswert und notwendig. Ansonsten wird es gefährlich. Denn allein die Definition “Kunst“ vermag den bis zur absoluten Dekadenz neigenden sogenannten “künstlerischen Akt“, was immer dies sein mag, in jeder Handlung zu decken. Wer entscheidet dann, ob es gegebenenfalls wirklich Kunst ist und somit der Freiraum gewährleistet werden muss, oder ob das nicht der Fall ist? Ein Richter?

Und was soll denn Kunst nun sein?

Sicher werden Sie vermuten, dass ich nun derjenige bin, der mit der weltumfassenden Lösung des Problems kommt und Ihnen die hyperkompetente Definition der Kunst gebe? Ich werde mich hüten. Dennoch beschreibe ich Ihnen gerne, wie meine Sicht und meine Erfahrung aussieht. Dazu braucht man ein wenig Bauchpinselei, denn sonst glaubt einem ja niemand mehr. Dass ich bereits seit 30 Jahren aktiver Kunstschaffender bin usw., dass ich künstlerische Prozesse intus kenne durch jahrelange Arbeit mit Kindern und Erwachsenen, denen ich ebensolche Kriterien nahebringen will, weil sie mit Fragen und Erwartungen an mich herantreten, weil sie sogar Heilung aus der Kunstbetätigung erhoffen, dies alles soll nur am Rande erwähnt werden. Am eindringlichsten sind meine eigenen Intentionen in Malerei und Plastik, im eigenen künstlerischen Versuch, entstanden. Dort zeigen sich immer quasi die Reflexionen meiner Selbst als Abbild ausser mir! Wer sich damit zufrieden gibt, eine tote Idee, z.B. eines Papierknäuels, die in seiner konditionierten Vorstellung wurzelt, als Kunstprodukt anzuerkennen und damit leben kann, dem seis gegönnt! Mir genügt es nicht. Mich langweilt es. Meine konditionierten Vorstellungen langweilen mich, weil ich mich in ihnen nicht wirklich als Mensch erkenne. Weil sie im Erkenntnisakt lediglich die vielen, unsagbar vielen, Teilaspekte meiner Selbst spiegeln und mir eine Freiheit vorgaukeln, die irrsinnig und absurd ist. Allein, durch diese (Selbst-) Erkenntnis setzen andere Maßstäbe, andere Ansprüche ein, die den Kunstgenuss erfüllen möchten. Es sind Intentionen, die immer mit dem innersten Wesenskern zu tun haben, der durch vielerlei Schichten verdeckt ist. Darin also besteht in erster Linie meine eigene Bemühung: Das Abdecken/Aufdecken dieser eigenen Schichten durch die Kunst, durch die künstlerische Betätigung. Aus diesem Wunsch heraus leiten sich alle Schritte und Kompetenzen ab, die Kunst für mich zur Kunst machen. Und dadurch ist auch Heilung im künstlerischen Prozess mit eingeschlossen! Der wahre, tiefere Kern einer Kunsttherapie! Leider ist an den gegenwärtigen Kunstschulen wenig davon zu finden. Und auch in den meisten Kreisen der gegenwärtigen Kunst Szene. Es ist zu hoffen, dass sich die Abgründe des Subjektivismus allmählich wieder zu schliessen beginnen und eine Selbsterkenntnis in diesem erweiterten Sinn wieder Fuss fast, um die Kunst wieder dorthin zu bringen, wo sie hingehört, zu einer, im umfassendsten Sinn, spirituellen Tätigkeit.

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und ein KinderbuchUrsli und der Traum vom Schiff

Der Beitrag als Audio-Datei: Ist alles Kunst?

Intuition und Selbstbeobachtung

BildnisIm Alltagsdenken erfahre ich mich als an den sinnlich wahrnehmbaren Objekten der Welt sich orientierendes Wesen. Ich erlebe dieses Denken als getrennt von der Aussenwelt, im Inneren sich vollziehende Tätigkeit. Solange ich mein orientiert sein nur danach ausrichte, entsteht alles, was aus einer solchen Trennung geschehen muss: Zweifel, Zwist und Schmerz. Das subjektive Erleben schliesst mich von meiner Aussenwelt ab und lässt nur noch Hoffnung auf ein adäquates Erleben mit dieser Aussenwelt zu. Die Realität wird aber mehrheitlich das Trennende bleiben, weil sich meine eigenen Vorstellungen dieser Aussenwelt entgegenstellen.

Das Bemühen jeder inneren Entwicklung muss sich danach ausrichten, den Schmerz und damit alles Trennende zu überwinden. Solange sich das Denken immer wieder selbstzweifelnd an der blossen Wahrnehmung orientiert, werden sich keine Einheitserfahrungen einstellen und ich werde eine solche Einheit mit Vehemenz bestreiten!

Die Brücke zu einer neuen Erkenntnis liegt in der Überwindung des subjektgebundenen Denkens. Das ist auch jene Ebene, die von den meisten spirituell orientierten Menschen immer wieder (und wohl zu Recht) kritisiert wird. Das Erleben der Denktätigkeit in einem abgeschlossenen persönlichen Innenraum behindert die Erfahrung anderer Erkenntnisräume. Ein solcher Raum wird dann erschlossen, wenn wir uns den Wahrnehmungen und Erlebnissen gegenüber aufschliessen können. Dafür brauchen wir aber einen „neuen Blick“, welcher sich aus der Anschauung heraus den Rätseln der Welt gegenüberstellt. Was heisst das? Dies kann man besonders in künstlerischen Prozessen erleben.

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Wenn ich eine Skulptur betrachte kommen mir bestimmte Wahrnehmungen entgegen. Ich sehe – als profaner Mensch – zunächst alles, was mit dem Material zusammenhängt. Ich sehe, dass es sich z.B. um einen Granit handelt, und ich sehe z.B. solche Dinge wie die rau behauene Oberfläche. Ich entdecke Verästelungen und Maserungen im Stein und finde sie vielleicht noch „schön“. Ich sehe die Farbe und sonst noch einige Attribute, deren Begriffe mir aus meinem Alltag bekannt sind und ich bin froh darüber „alles wieder zu erkennen“! Damit habe ich mir einen Sinn für das Kunstwerk erschaffen,  der mich erfüllt.

Das sind alles Wahrnehmungen, die diesen Charakter haben: Ein Objekt stellt sich mir gegenüber (im aussen) und ich habe einen entsprechenden Begriff dafür, den ich ihm entgegenstelle (im inneren). Damit geben sich die meisten Menschen leider zufrieden. Und am Schluss, wenn sie die Kunst-Ausstellung verlassen haben und man sie fragt, wie ihnen die Skulpturen gefallen haben, mühen sie sich mit ein paar belanglosen, oberflächlichen Floskeln ab. Dies widerspiegelt ein trennendes, materiell gebundenes Denken und Beobachten, welches sich stark an den bekannten Begriffen festhält. Die Begriffe aber sind Produkte der eigenen Biografie und einer Erlebniswelt, die ich mir in vielen Jahren oder Jahrzehnten gebildet habe.

Ein anderes ist es, wenn wir auf die Skulpturen eingehen. Dazu müssen wir zunächst alle Begriffe die wir kennen hinter uns lassen und ihnen eine offene Haltung entgegenbringen. Die Formen der Welt stellen sich uns aus dieser inneren Haltung heraus bald wesenhaft gegenüber. Hier liegt der Schlüssel einer neuen Erfahrung, die erkannt werden muss. Wir erkennen z.B die Gesten in den Formen. Wir erkennen vielleicht eine aufrichtende Kraft oder entdecken etwas Schwerfälliges in ihr.

Die Form beginnt „mit uns zu sprechen“, sie wird lebendig und bekommt einen wesenhaften Charakter. Daraus ergeben sich vielleicht Aufschlüsse eines Typus, welcher sich auch in anderen Formen wieder finden lässt und welcher eine neue Qualität erschliesst. Diese lässt sich physisch-sinnlich nicht mehr festmachen. Die Begrifflichkeit verwandelt sich in etwas organisch-bewegliches und entfernt sich vom persönlich-subjektiven Standpunkt. Diese Art der Anschauung eröffnet erst einen „neuen Blick“ und neue Erkenntnisfelder. Subjekt und Objekt verschmelzen in unserer „anschauenden Urteilskraft“, die auch als Intuition bezeichnet wird.

Die Form der Anschauung bestimmt den Inhalt der Erfahrung. Es gibt für die Intuition kein innen und aussen mehr, so, wie es für das profane intellektuelle Denken gilt. In der intuitiven Urteilskraft, die zugleich eine „anschauende“  ist, fliessen Innenwelt und Aussenwelt in eins zusammen. Und hier befinde ich mich erst auf einer Ebene, die mir das Erlebnis nahe bringt, dass ich einen Gedankenraum erfahre, der sozusagen als Substanz um mich herum lebt. Sie ist für mich in der Kunst sehr real erfahrbar.

Sobald nun aber der „Gegenstand“ der Betrachtung wir selbst sind, wir also diese anschauende Urteilskraft auf uns selbst richten, fällt das Objekt und das Subjekt zusammen! Diese Form der Intuition könnten wir auch Selbstbeobachtung nennen oder eben Selbst-Reflexion. Dabei lösen wir aber das persönliche Individuum aus seiner Umgebung und erkennen in Geste, Haltung, Tätigkeit oder jeglicher Form des Ausdrucks die spezifische Individualität. Sie ist nun aber nicht wieder einem übergeordneten Typus zuzuordnen, sondern ist Typus an sich, eine Gattung für sich.

In der kleinen Schrift: „Grundlinien einer Erkenntnistheorie der goetheschen Weltanschauung“ schreibt R. Steiner folgendes zum psychologischen Erkennen, beziehungsweise zu einer wissenschaftlichen Methode der psychologischen Erkenntnis: „Was Intuition ist wird hier (in der psychologischen Methode) Selbstbetrachtung. Das ist bei der höchsten Form des Daseins sachlich auch notwendig. Das, was der Geist aus den Erscheinungen herauslesen kann, ist die höchste Form des Inhaltes, den er überhaupt gewinnen kann. Reflektiert er dann auf sich selbst, so muss er sich als die unmittelbare Manifestation dieser höchsten Form, als den Träger derselben selbst erkennen. Was der Geist als Einheit in der vielgestaltigen Wirklichkeit findet (im Betrachten der organischen Natur) das muss er in seiner Einzelheit als unmittelbares Dasein finden. Was er der Besonderheit als Allgemeines gegenüberstellt, das muss er seinem Individuum als dessen Wesen selbst zuerkennen. Man sieht, dass man eine wahrhafte Psychologie nur gewinnen kann, wenn man auf die Beschaffenheit des Geistes als eines Tätigen eingeht…“ Und weiter: „…man hat in unserer Zeit (er schreibt dies 1885!) an die Stelle dieser Methode eine andere setzen wollen, welche die Erscheinungen, in denen sich der Geist darlebt, nicht diesen selbst, zum Gegenstande der Psychologie macht. Man glaubt, die einzelnen Äusserungen desselben ebenso in einen äusserlichen Zusammenhang bringen zu können, wie das bei den unorganischen Naturtatsachen geschieht. So will man eine „Seelenlehre ohne Seele“ begründen. Aus unseren Betrachtungen ergibt sich, dass man bei dieser Methode gerade das aus den Augen verliert, auf das es ankommt. Man sollte den Geist von seinen Äusserungen loslösen und auf ihn als Produzenten derselben zurückgehen. Man beschränkt sich auf die ersteren (die Äusserungen) und vergisst den letzteren (Produzenten). Man hat sich eben auch hier zu jenem… Standpunkte verleiten lassen, der die Methoden der Mechanik, Physik usw. auf alle Wissenschaften anwenden will.“

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und ein Kinderbuch „Ursli und der Traum vom Schiff

Der Beitrag als Audiodatei: Intuition und Selbstbeobachtung

Die Wahrheit in der Presse

journalismusMasken sind das Thema der ersten Ausgabe unserer eigenen Zeitschrift, dem „Wirkstatt Schaufenster„. In Basel spricht man allerdings von Larven, wenn man dieses Ding meint, womit man sich für kurze Zeit, genau gesagt für die “drey scheenschte Dääg“ in eine andere Person verwandeln möchte. Masken im Sinn der Thematik haben aber noch eine andere Bedeutung. Sie umschreiben einen Zustand, der bei den meisten von uns auch ausserhalb der Fasnacht eine nicht unwichtige Bedeutung haben.

Nur fragen wir selten danach, weil wir jene Masken gerne verdrängen. Sehen wir sie nicht überall in unserem Alltag, automatisiert und leer? Ein Beispiel ist der blinde Glaube an das Gedruckte.
Warum neigt der durchschnittliche Leser/Leserin dazu, das Meiste zu glauben, was in der Boulevardpresse, oder überhaupt in Zeitungen, steht? Warum ziehen generell Buchstaben, die schwarz auf weiss gedruckt sind, einen mystischen Mantel der Seriosität und Allmacht mit sich herum, ähnlich dem Status der Herren (und Damen?) im weissen Kittel?

Die Frage ist berechtigt, schaut man sich die Motive der unaufhörlichen Gier nach Inhalten der Pressejäger etwas genauer an. Denn diese sind durchaus nicht immer so wahrheitsfreundlich, wie sie daherkommen, sondern vor allem mehrheitstauglich. Da wird, gelinde gesagt, schon mal kräftig gemogelt.

Die Wahrheit ist kein einfaches Geschäft. Lügen will gelernt sein. Sie stellt sich in verschiedenen Masken und Facetten dar. Und da wären wir schon beim Thema. Lügen bedeutet nicht nur das Verschweigen von Tatsachen, sondern auch das Verzerren, das Über- oder Redimensionieren von entscheidenden Details. Diese können so in einem völlig anderen Licht erscheinen. Werbe-Psychologie spielt da unter anderem eine sehr grosse Rolle. Wahrheit und Lüge steckt da nicht nur in Worte verkleidet, sondern vor allem in Bilder, in Betonungen, Gewichtungen, Darstellungen im Scheinwerferlicht des Bewusstseins oder besser, des Unbewussten.

Das richtige Bild, der richtige Titel macht die Made im Speck aus, beziehungsweise den Umsatz im Portefeuille der Verlage; der Inhalt mag wichtig sein, bleibt aber oft hinter einer Fassade zurück.
Das Ganze macht die Sache schwieriger als erwartet. Die Lüge ist oft versteckt und undurchsichtig, undurchschaubar hinter den Gedanken verpackt. Dies gerade ist die Kunst eines so (aus-) gearteten Journalismus: die Wahrheit bis an ihre Grenzen auszuloten, zu modifizieren und anzupassen, womöglich zu verbiegen, so dass sie sich dennoch in einem relativ glaubwürdigen Gleichgewicht zwischen noch zu ertragendem, unanfechtbarem Tatbestand einerseits, und in oben erwähnter Massentauglichkeit andererseits, zu behaupten (oder zu verkaufen) vermag. Das ist die Maxime hoher Verkaufszahlen.

Das Fatale ist, dass in solcher Art durchaus bewusst verdrehter Berichterstattung die Kerntatsachen oft nicht nur verwischt, sondern wissentlich umgelenkt werden. Es ist durchaus möglich, in gewissem Sinne „wahrheitsgetreu“ den einen Blickwinkel in aller Deutlichkeit festzuhalten, um dabei die im Schatten stehenden (oder liegenden), vielleicht wesentlicheren Ereignisse mit demselben Akt professioneller Halbwahrheiten auszuschalten. Glauben, Lüge und Wissen – schafft sich im Schlachtfeld der eigenen Persönlichkeit ein Schattendasein, genannt Maske. Dennoch können solche Schlachten mit klugen Mitteln sehr erschwert werden. Aber die meisten Menschen zeigen sich, was die Wahrheitsfindung anbelangt, zu wenig Kampfeslust bereit.

„Wirkstatt Schaufenster“ geht den Weg des Idealismus und der Unabhängigkeit. Es wird mit Themenschwerpunkten für Kinder und Erwachsene erscheinen und bleibt kostenlos…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und ein KinderbuchUrsli und der Traum vom Schiff“ 

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