Der richtige Weg…

fahrradfahrerAuf dem Weg von Weil über Frankreich in die Schweiz nach Basel überquert man eine grosse „Passerelle“, die dort seit einigen Jahren in einem stolzen, geschwungenen Bogen majestätisch den Rhein überquert und Deutschland mit Frankreich verbindet. Sie wird deshalb nicht zu unrecht „Europabrücke“ genannt.

Da mich seit geraumer Zeit mein Arbeitsweg über diese Brücke zur Wirkstatt nach Basel führt, kenne ich mittlerweile die kürzesten Wege dorthin schon ziemlich gut. Etabliert hat sich der eine („Chemie-) Weg“ via BASF und Novartis am Spielcasino und der psychiatrischen Klinik vorbei in Richtung Wasgenring und schliesslich ans Endziel Largitzenstrasse. Vor einigen Tagen sah ich kurz vor der Grenze ein Paar mit ihren Fahrrädern auf mich zukommen. Genau dort, wo sich der Radweg – nach der Schweizergrenze ins Elsass – von der besagten Abkürzung scheidet, kreuzten sich nun die Wege jener zwei Radfahrer und mir. Auf dem sportlichen „Herrenrad“ sass ein ebenso sportlich gekleideter Mittfünziger, der aussah wie Didi Thurau höchstpersönlich. Er entpuppte sich indessen als holländischer Tourist mit vorn auf dem Lenker aufmontierter grosser Radkarte. Die weniger sportliche und etwas einfacher bestückte Frau war unterdessen bereits auf dem abgekürzten Weg in der Ferne entschwunden, als „Didi“ mich nach dem Weg fragte: „Entschuldigen sie, wie komme ich denn zur Europabrücke“. Mit der Gewissheit eines Routiniers antwortete ich zielsicher und bestimmt. „Ja, da gehen sie am besten hier entlang“ und ich zeigte auf die Strasse, wo man gerade noch seine Frau in der Ferne entschwinden sah. „Aber der Radweg ist doch hier aufgezeichnet“, erwiderte der Holländer und zeigte mit grosser Handgeste auf den am Boden eingezeichneten weissen Streifen mit dem aufgedruckten Fahrrad. Dieser Weg führe bestimmt auch irgendwann zur Europabrücke, erklärte ich ihm ruhig, jedoch mit einem erheblichen Umweg via Stadtzentrum des französischen Städtchens Huningue. Inzwischen war seine Frau bereits „um die Ecke gebogen“ und würde in etwa 3 Minuten und in gemächlichem Tempo den Rhein erreicht haben. Didi aber gab sich noch immer nicht zufrieden. Wieder hackte er, auf seine Karte zeigend, jetzt allerdings schon etwas ungehaltener, nach.  „Aber hier, sehen sie denn nicht, da ist der Weg doch eingezeichnet! Und auf dem Boden ist ebenfalls ein Radweg markiert! Es MUSS doch hier entlang gehen!?!“ „Ja, gewiss, gewiss, Sie können den Weg hier auch nehmen“, beruhigte ich den inzwischen aufgebrachten Radler schliesslich und lenkte zustimmend ein. Nur still sagte ich zu mir…: „Sturkopf“. Der Mann büschelte entnervt seine Karte auf dem Lenker zurecht, trat heftig ins Pedal und fuhr den besagten Umweg, während dem seine Frau wohl bereits seit einigen Minuten an der Europabrücke angelangt war.

Noch lange habe ich mir Gedanken über diese Begegnung gemacht. Man kann lange darüber grübeln, weshalb er mich denn überhaupt gefragt hat, wenn er doch schon zum Vorherein sicher war, wo der Weg, SEIN Weg durchführen würde. Wohl nur, um von mir die bereits von ihm vorgefasste Meinung bestätigt zu bekommen, nachdem er deswegen mit seiner Frau Streit bekam – mit ihr, die doch NICHT RECHT HABEN konnte, weil sie NICHT NACH DER KARTE, sondern intuitiv (richtig) gefahren war…

Und die Moral von der Geschichte. Rechthaben ist auch eine Sportart aber eine, die je nach dem erst auf Umwegen zum Ziel führt…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Die 7 Abhängigkeiten (2. Teil)

Hampelmann2. Teil | Die 7 Abhängigkeiten
Psychologische Abhängigkeiten

Natürlich gibt es neben den im vorigen Artikel genannten Abhängigkeiten, die doch vorwiegend materieller Natur sind, auch noch andere, psychische Bereiche, die unser Leben beeinflussen. Damit soll nicht gesagt sein, dass auch diese psychische Probleme verursachen können. Zunächst sei da die Abhängigkeit von anderen Menschen erwähnt. Selbstverständlich müssen sie nicht immer negativ erscheinen. Man kann sich z.B. die berechtigte Frage stellen, ob die Liebe zwischen zwei Menschen so frei ist wie man zunächst meint. Durch unsere Einbindung in die gesellschaftlichen Strukturen, entstehen viele Kontakte und Beziehungen, ein ganzes Geflecht von Menschen, die mit uns für kürzere oder längere Zeit im Leben verbunden sind. Dabei stehen vielfältige Beziehungsmuster bereit, die je nach dem, schwierigere oder weniger schwierigere – oder gewiss auch sehr schöne „Abhängigkeiten“ erzeugen. In vielen Fällen jedoch bilden sich grössere oder kleinere zwischenmenschliche Ungleichgewichte. Oft bemerkt man das Heranbilden solcher Schieflagen gar nicht oder nur unbewusst. Die Verstrickungen ergeben sich durch die unterschiedlichen Rollen, die wir in unserem Beziehungs-Umfeld einnehmen. Wir treten als Sohn, Vater, Mutter, Tochter, Lehrer, Partner, Kläger, Schuldner, Arbeitgeber, Angestellter oder wie auch immer auf und stehen dadurch meist gleichzeitig auf unterschiedlichen Bühnen. Authentizität wird zwar von vielen Menschen gross geschrieben, sie jedoch durch diese Rollen hindurch immer aufrecht zu erhalten, erweist sich als sehr schwierig. Viele solche Rollen meistern wir problemlos, andere bereiten uns mehr oder weniger Mühe. In manchen Fällen werden wir sogar zu erpressbaren Opfern, in anderen zu Antreibern oder „Verfolgern“ von anderen Menschen (Mobbing), oder auch zu „Helfern“, Begleitern, Ratgebern usw. Jegliche Form bietet unzählige Möglichkeiten von Interaktionen. Schwierige Beziehungen kennen wir wohl alle, sei es mit Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen, sei es in der Ehe, als Mitglied eines Vorstandes, einer Geschäftsleitung, in einem Verein usw. Immer stehen sich in diesem Kontext zwei Menschen (-bilder) gegenüber. Beide haben verschiedene Vorgeschichten, unterschiedliche Vorstellungen, Gefühle und Ideen. Das Feld der Beeinflussung ist reichhaltig. Oftmals bleiben die Meinungen ohne annehmbaren Konsens, hart und abgegrenzt. Gegenseitiges Verständnis, wo nicht nur akzeptiert (im Sinne von „ok, weil du es bist, tu ich dies und das…“…usw.) sondern im tieferen Sinne mit dem Herzen verstanden und mitgefühlt wird: all dies bleibt ein kostbares Gut mit Seltenheitswert.

Abhängigkeit von Gruppen und Gesellschaft. Hier finden wir über den zwischenmenschlichen Bereich hinaus ein weiteres Feld vor, welches viel mit Gruppendynamik und Gruppendruck, sowie Massenbeeinflussung zu tun hat. Es versteht sich von selbst, wie gross die Möglichkeiten hier sind! Zum letzteren gehören natürlich auch die Medien und die Werbung. Die meisten Menschen machen sich keinen Begriff davon, wie viele Abhängigkeiten hier geschaffen werden! Die Werber wissen es und haben monetären Erfolg damit! Man glaubt oft leichtfertig, dass es nur die Anderen, nicht aber mich selbst betrifft. Ein weiterer Bereich, der in Abhängigkeit mündet ist die Dynamik, die in unzähligen Gruppensituationen geschaffen werden. Man denke z.B. an die Situationen in Klassen, bei grossen Anlässen, aber auch meinetwegen in einem der vielen in den letzten Jahrzehnten in Mode gekommenen „Retreats“. Mediationspraktiken in Gruppen können zuweilen extrem beklemmend wirken, ohne dass sich ein Mitglied der Gruppe dahingehend „outen“ würde. Schliesslich will man nicht als der oder diejenige gelten, die keine „höheren“ oder „geistigen“ Erlebnisse dabei haben! Ob man einlenkt in der Situation, hängt von vielen Faktoren ab; gewiss nicht unbedingt vom „Niveau“ des Teilnehmers, der oder die sich in solcher Weise nicht „versenken“ kann. Oft braucht es die individuell angemessene Zeit oder den individuell richtigen Raum, im besten Fall einen wirklichen FREI-Raum! Der Druck, der in vielen solchen Situationen entsteht, wird durch Erwartungen gezeugt: Erwartungen an sich selbst oder an andere. So geschieht es andernorts ebenso in Schulen, an Arbeitsstätten, in Vereinen, ja selbst in Ehen und im engen Freundeskreis oder meinetwegen als Vegetarier in einer Versammlung des Metzgermeisterverbandes.

Ein dritter und letzter Aspekt bildet schliesslich auf der psychischen Ebene die sogenannte Abhängigkeit von „ethnischen Faktoren“. Dabei verstehe ich Beeinflussungen die weniger persönlicher oder gesellschaftlicher Art sind, sondern durch die Entwicklung von ganzen Völkern, aber auch Landschaften (Berge, Stadt etc.) und auch von Sippschaften und letztlich Familien zum Vornherein und ohne unser Zutun gegeben sind. Einfach durch die Einbettung unserer Geburtssituation. Sie entstehen durch die vielen Sitten und Gebräuche, die sich in die gesellschaftlichen Strukturen förmlich einbrennen und diese mitformen. Solchem Branding kann ein Neugeborenes sich kaum entziehen. Schon von Geburt an (oder bereits vorher), wird er/sie mit diesen Traditionen und Verhaltensformen konfrontiert. Sie bilden sogar physisch am Gehirn des aufwachsenden Menschen mit, prägen und formen es. Diese Dinge wirken an unserem Denken, Fühlen und Handeln wohl ein Leben lang und beeinflussen so manche Entscheide, die wir treffen.

Geistige Abhängigkeiten

Nachdem ich versucht habe im physischen und seelischen Bereich persönliche Abhängigkeiten und Verstrickungen mit der Welt aufzuzählen, gelange ich nun an eine Art Wendepunkt. Denn selbst die grösste Beeinflussung solcher Art, bedingt immer etwas in uns, was sich diesem Aussen entgegenstellt! Eine Art Echo oder Spiegel, den wir erst dann erkennen, wenn wir aus dem „Traumleben des Alltags“ erwachen. Eine Art „inneres Wort“ spricht sich in jedem äusseren Gegenstande in uns aus, ein Nachklang dieses Erlebten, Gesehenen und Wahrgenommenen. Was aussen erfahren und erlebt wird, klingt in uns gewissermaßen nach, schwingt im Hintergrund, in einer Art „zweiten Festplatte“ die wir jedoch nicht bewusst verarbeiten, mit. – Etwa so, wie der Computer sämtliche Handlungen, Tastendrücke und Aktionen die wir tätigen, in den Tiefen der Registrierung aufzeichnet, so können wir, etwas technisch ausgedrückt, sämtliche eigenen „Registrierungen“ aus Taten und Gefühlen, Gedanken und Erlebnissen erkennen. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn wir im Akt einer Selbst-Beobachtung oder „Selbst-Reflexion“ darauf hinschauen. Dies bedingt gewissermaßen eine „Entäußerung“ des Bewusstseins. Nun gehören ja durchaus auch Gedanken, Gefühle und Taten in die äußere Welt unserer Persönlichkeit! Das heißt, wir erleben uns als Denkende und Fühlende nicht auf der besagten beobachtenden Bewusstseinsstufe, sondern darunter. Wir sind damit nicht bei unserem eigentlichen Wesenskern angelangt, sondern erleben uns durch die vorgeprägte und „eingebrannte“ Optik der Aussenwelt, dem „persönlichen Branding“ sozusagen, welches sich eben in der oben angedeuteten Abhängigkeit befindet. Das heißt, dass sich auch unsere Persönlichkeit im erwähnten Zustand des höheren Bewusstseins, wie ein Spiegelbild im Aussen befindet. Das ist der Grund, weshalb wir so schnell Urteile gegen andere Menschen oder Situationen fassen, die eigentlich zu uns selbst gehören! Dieses sich selbst beobachtende und geistesgegenwärtige Bewusstsein erst, steht in einer Position der (nun wirklichen) Freiheit gegenüber der in Abhängigkeit sich befindenden Aussenwelt! Es ist eine Art Echo des Aussen in uns, was wir erleben. Die besagte zweite Festplatte in uns liefert diese Bilder und Wahrnehmungen. Sie können aber erst dann erkannt und verarbeitet werden, wenn eine Loslösung davon stattgefunden hat. Das heisst, wenn wir nicht mehr in einer Situation der Verhaftung mit den eigenen Gedanken und Gefühlen stehen. So wird das Gehirn und das Nervensystem als leibliches Werkzeug eines höheren, leibfreien Bewusstseins erkannt. Diese Form der Innenschau ermöglicht erst die Selbsterkenntnis und damit auch die Unterscheidung geistiger Wirklichkeiten! In diesem Sinne ist die Abhängigkeit von sich selbst die größte und wirkungsvollste von allen dargestellten…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Die 7 Abhängigkeiten

OLYMPUS DIGITAL CAMERA1. Teil | Einleitende Gedanken

Wir reden gern und oft von Freiheit und Unabhängigkeit. Jeder Mensch stellt diese Dinge meist zu oberst auf die Prioritätenliste, wenn es darum geht, die wichtigsten Eigenschaften im Leben aufzuzählen. Dabei vergessen oder verdrängen wir oft, wie komplex und verstrickt ein Menschenleben in der heutigen Zeit geworden ist. Kaum ist man auf dieser Welt angekommen, geht es los…

Wie viele Formulare, Einträge, Bestätigungen, Hinweise, Empfehlungen, Ratschläge, Vorschriften usw. sind zu beachten, damit man sich korrekt in die Gesellschaft einbindet! Galten vor 100 Jahren noch verhältnismäßig harmlose Bedingungen, so herrschen heutzutage schon fast bedrückende Verhältnisse. Die Freiheit, die wir meinen, findet auf einem kleinen Feld von Illusionen statt. Es ist die Freiheit, sich vermeintlich hinbewegen zu können, wo man will (wären da nicht die vielen vorgegebenen Termine und Verpflichtungen und sonstige Hürden). Oder es ist die Freiheit, zu kaufen, was man will (ohne in Betracht zu ziehen, wer einem die Wünsche diesbezüglich einflösst: Stichwort Werbung). Weitere (wohl illusionsbeladene) Freiheiten sind die freie Wahl des Wohnortes, des Partners, des Berufs usw. Dabei beachtet man zu wenig, wie viele entscheidungsrelevante Faktoren Einfluss nehmen.

In den folgenden zwei bis drei Beiträgen möchte ich vertieft auf diese Thematik eingehen. Die Gliederung der „7 Abhängigkeiten“ folgt der Logik physisch – psychologisch und geistig, also sozusagen „von unten“ betrachtet. Das Ende mag etwas überraschend sein. Lassen Sie sich überraschen!

Aus dieser Perspektive heraus, sollen hier vorerst einige Merkmale von physichen Abhängigkeiten betrachtet werden. Wir integrieren sie fast automatisch in unser Leben. Es sind Eigenschaften und Bereiche, die wesentlichen Einfluss darauf nehmen, wie wir Entscheidungen treffen, Wünsche erfüllen und Situationen meistern.

Physische Abhängigkeiten

Zunächst sind wir natürlich eingebunden in einen Reigen von Abhängigkeiten wirtschaftlicher Natur. Als vor vielen Hunderten von Jahren nach und nach immer komplexere Systeme des Umgangs mit Geld und Werten geschaffen wurden, begannen damit auch Regelwerke zu wachsen, die diese Abhängigkeit anschwellen ließen. Der Tausch von Waren zeigte sich nicht als das probate Mittel für einen reibungslosen Verkehr zwischen Gütern, die ja einen Gegenwert einforderten. So begann man mit kreativen Ideen den Umgang für diese Gegenwerte zu erforschen. Der Schuldschein entstand. Eine Art Deckung für die gekaufte Ware, die man weiter verwenden konnte. Leider war es ein übles Geschäft mit vielen betrügerischen Absichten geworden (…und ist es auch heute noch). So wurde der Egoismus des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, der zuweilen in kriminellen Energien ausartete, wohl zum grössten Feind für die Funktionstüchtigkeit solcher Gegenwerte. Klar, der Schuldschein konnte relativ leicht gefälscht werden. Die Schaffung neuer Formen der Deckung entstanden immer aus dem Umstand heraus, dass irgend jemand nicht vertrauensvoll mit den gegebenen Mitteln umging. Die Münzprägung war eine weitere Möglichkeit, der Fälschbarkeit entgegen zu wirken. Zudem behielten die Metalle, vornehmlich Gold und Silber, einen Eigenwert, der schon deshalb als sicherer Wert galt. Und noch bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts war unser Papiergeld mit Gold gedeckt gewesen. Danach verschwand auch dieser Anker einer vermeintlichen Sicherheit. Die Münzen jedoch waren schwer und die Angst vor dem Raub schreckte die Menschen zurück, grössere Mengen davon bei sich zu tragen. Letztlich gab es auch clevere Goldschmiede, die fortan statt Schmuck Münzen herstellen konnten und diese gegen Zinsen dem Volk verkauften. Es begannen, jetzt sehr vereinfacht dargestellt, Kreisläufe der Geldvermehrung, weil sich allein das Verwalten plötzlich lohnte. Die „Goldschmiedeateliers“ wurden zu Münzbanken und das System wurde komplexer und komplexer. Wir kennen das alle. Die Märkte erstarrten immer mehr in engen Korsetts von Gesetzen und Vorschriften, die es zu beachten galt. Und darin eingebettet die gesellschaftlichen Strukturen der Konsumenten. In diese sind wir heute so stark eingebunden, dass fast jede Bemühung um mehr Freiheit zum Vornherein scheitern muss. Dazu kam eine starke Zentralisierung der Verwaltung und Macht solcher Strukturen, die den Fesseln den Rest gaben…

Neben der wirtschaftlichen Abhängigkeit steht, vom materiellen Standpunkt aus betrachtet, wohl diejenige vom Gesetzesgeber (Abhängigkeit von staatlichen Faktoren), an zweiter Stelle. Die Einbindung in ein verzwicktes Geflecht von Vorschriften und Geboten steht dem künftigen Staatsbürger schon nach, oder sogar vor seinem ersten Atemzug zur Verfügung. Alles wird erfasst und verortet, registriert und beurkundet. Eigentlich könnte es dem Staat ja egal sein wann und wo – und wie viele – Bürger in seinem Territorium geboren werden und wie viele sterben. Eigentlich… Wäre da nicht diese Steuer. Das Geld, welches jeder Bewohner seiner Regierung abzuliefern hat. Dieses Geld steht allen Dingen und Einrichtungen zur Verfügung, die der Staat im Dienste seiner Bürger tätigt. Dies erfordert Arbeitsplätze, Immobilien und Werkzeuge aller Art, die bezahlt werden müssen. Damit nun niemand dieser Pflicht der Teilnahme zum „gemeinsamen Wohl“ entkommt, muss er /sie erfasst werden. Und nicht nur dies. Es müssen klare Kenntnisse der Einnahmen und Ausgaben jedes Bürgers bekannt sein, und dies wiederum nur um zu verhindern, dass Betrug möglich ist. Auch hier also wieder die bekannte Vertrauensfrage. Auch scheinbar „verdeckte“ Beurkundungen wie die Erfassung bei der Heirat, beim Wohnort Wechsel, neuen Arbeitsplätzen, Geburten und Todesurkunden etc., haben letztlich keinen anderen Zweck, als die monetären Verhältnisse des Einwohners klar zu legen. Sämtliche Handlungen haben auch hier in erster Linie mit Geld zu tun. So steht hier ebenfalls die Freiheit des Bürgers nur allzu dünn hinter einem dicken Vorhang von Gesetzen (oder auf dünnem Eis, wie man lieber will…) , denen er sich nicht entziehen kann. Man hätte sich im Verlauf der Jahrhunderte doch sicher auch eine andere Entwicklung vorstellen können. So hätte jeder Erdenbürger (Weltenbürger) selbstbestimmend das Recht erhalten können, sich sein Leben so einzurichten, dass es auf seine persönlichen Bedürfnisse angepasst ist. Es gäbe dann keine sogenannten „öffentlichen“ Dienste, Bauten, Strassen, Bahnen, Plätze etc. Wie anders würde das Leben ausgesehen haben, wenn sich die Menschen, ähnlich den meisten Tierarten, so organisiert hätte. Selbstverständlich würden damit öffentliche Bedürfnisse dennoch auftreten. Sie könnten aber schon von Anfang an anders geregelt worden sein. Mit privatem Geld, privater Initiative oder durch Zuzahlung für deren Benutzung. Das System der Besteuerung jedes Einzelnen kennt kaum private, persönliche Interessen. Ob eine Strasse gebaut werden soll oder nicht, wird vielerorts nicht einmal vom Bürger entschieden. Nutzen oder Unnutzen von sogenannten öffentlichen Bedürfnissen könnten unterschiedlicher nicht sein. Was manche für lebensnotwendig halten, brauchen andere gar nicht (Fernseher, Internet, Auto, Einfamilienhaus, Handy usw.). Das Ganze ist sicher ein interessanter Gedanke, der schon deshalb alleine ein Buch füllen würde, weil er die Entwicklung der Menschheit nachhaltig beeinflusst und verändert hätte. Das alles hier auszubreiten macht jetzt keinen Sinn. Auf jeden Fall kann man sich fragen, was besser oder schlechter gewesen wäre… einmal eingebunden in ein System ist eine Wende aus Trägheitsgründen nur schwer zu bewerkstelligen. Die Dinge fahren sich halt immer fest und schaffen sich selbst immer neue Barrieren.

Abhängigkeit vom Gesundheitssystem: Auch hier fand in den letzten 100 bis 200 Jahren ein großer Wandel statt. Vor allem die Pharmaindustrie gewann im Bereich der Medizin an Boden. Auch diese Entwicklung könnte bestimmt hinterfragt werden. Immer wieder tauchen „neue“ Krankheiten auf, weil die diagnostischen Methoden so differenziert worden sind, dass bislang unter einem Oberbegriff gehandelte Erscheinungen, wieder unterteilt und in neue Krankheitsbilder modifiziert werden. Wir erleben dies immer häufiger mit sogenannten „neuen“ Krankheitserregern, die wohl nicht neu sind, aber deren Entdeckung und Ortung neue medizinische Eingriffe erfordern usw. Für die Produzenten von Medikamenten ist dies ein durchaus lukratives Geschäft, vor allem dann, wenn sie als Erste auf solche Neuentdeckungen im Markt reagieren. Im neuesten Fall von „Ebola“ sind bereits wieder alle Medien darauf fokussiert, die chemischen Heilbringer in Position zu bringen. Entsprechende Preise können für solche Pillchen dann auch verlangt werden. Dies ist die eine Schiene welche unser Gesundheitssystem sehr stark beeinflusst. Eine andere ist die technologische Entwicklung, die Medizinaltechnologie. Wie bereits erwähnt, bringen sie viel höhere Qualität in der Diagnostik, aber auch bei operativen Eingriffen und anderen therapeutischen Verfahren. Allerdings gilt auch hier wie bei allen anderen Abhängigkeiten: Die Bindung an die Strukturen ist enorm und der Preis für diese Medizin ebenfalls. Die Kosten dafür steigern sich von Jahr zu Jahr in Milliardenhöhe, immer mehr wird möglich, aber auch immer mehr wird gemacht! Und dennoch scheint die Menschheit nicht gesünder zu werden! Oder gibt es eine Statistik dafür? Denn wo kann nicht irgendetwas gefunden werden? Diese präzisen Gerätschaften entdecken und registrieren alles; ob es gefährlich wird oder nicht, ist ein oftmals heikler und schwieriger Entscheid, und in der Not tut man natürlich immer lieber etwas zuviel als etwas etwas zuwenig! Auch hier kann man sich fragen, was wäre, wenn diese Entwicklung nicht so stattgefunden hätte. Wenn die Weichen vor einigen Jahrhunderten in spirituellere Bahnen gelenkt worden wären? Immerhin hatten die Chinesen vor 3000 Jahren schon, und haben es noch, mit ihren uralten (und günstigen) Heilmethoden durchaus großen Erfolg. Wer heutzutage krank wird, kommt kaum mehr umhin, das „Gesamtpaket moderne Medizin“ in Anspruch zu nehmen. Allein schon deswegen, weil sogenannte „nicht evidenzbasierte Therapieformen“ immer mehr aus der Grundversicherung und sogar aus den Zusatzversicherungen der Krankenkassen hinauskatapultiert werden. Angeblich um Kosten zu sparen! Indessen machen diese Therapieformen nur einen winzig kleinen Teil der Gesamtkosten (Grössnordnung 0,5 – 1 %) aus. Also könnte es, ketzerisch gefragt, sein, dass da gewisse Leute Angst davor haben, dass die „alten Methoden“ wieder (zu) populär werden?

Fortsetzung: Die drei psychologischen Abhängigkeiten demnächst auf diesem Blog!

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Rudolf Steiner und die Kunst

RSRudolf Steiner (1861-1925), der Begründer einer anthroposophischen Bewegung, hat in seinem Lebenswerk der Kunst einen außerordentlich großen Wert beigemessen. Er gab in allen Bereichen des künstlerischen Schaffens sehr starke Impulse, die sich aus der Optik der anthroposophischen Weltanschauung heraus ergeben.

So initiierte er eine neue „Bewegungskunst“, die er „Eurhythmie“ nannte, oder er gab wesentliche Impulse für die Malerei, die Skulptur oder in der Architektur. Ähnlich auch in der darstellenden Kunst oder in der Sprachkunst. Auch in den Waldorfschulen wird auf die künstlerischen Fächer grosses Gewicht gelegt. Im Bau des ersten Goetheanums, welcher in Dornach bei Basel im Jahre 1913 begonnen wurde, verwirklichte Steiner eine Art Gesamtkunstwerk, das weit über die Grenzen hinaus viel Beachtung und viel Erstaunen, aber auch viele Neider fand. Es fiel in der Nacht vom 31. Dezember 1922 auf den 1. Januar 1923 – noch unvollendet – einem Brand zum Opfer und wurde in der Folge als einer der ersten Betonbauten der Schweiz wieder neu aufgebaut und erst Ende der 1920er Jahre vollendet.

In seiner Schrift „Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung“, die er bereits 1886 (im Alter von 25 Jahren!) verfasste, zeichnete er ein sehr klares und grundlegendes Bild eines Kunstbegriffs auf, wie er aus der goetheschen Anschauung heraus erfasst werden müsste. Er beschrieb die unterschiedlichen Erkenntnismethoden von Wissenschaft und Kunst, die sich aber beide um ein und dieselbe, umfassende Kraft bewegen.

So stelle die wissenschaftliche Erkenntnis ihre Forschung auf die Ideenwelt, welche die verschiedenen Ebenen eines Umfassenden beschreibe und zu entdecken suche. Die Kunst ihrerseits suche dieses Umfassende nicht in der Idee, sondern in der unmittelbaren Darstellung zu verwirklichen. Die Idee, welche sich in der Wissenschaft als rein geistiges Medium äußere, werde in der Kunst zu einem realen, wahrnehmbaren, sichtbaren, der sinnlichen Welt zugänglichen Objekte. In der genannten Schrift heißt es dazu:
„Jeder Gegenstand der Wirklichkeit stellt uns eine von den unendlichen Möglichkeiten dar, die im Schoße der schaffenden Natur verborgen liegen. Unser Geist erhebt sich zur Anschauung jenes Quells, in dem alle diese Möglichkeiten enthalten sind. Wissenschaft und Kunst sind nun die Objekte, denen der Mensch einprägt, was ihm diese Anschauung bietet. In der Wissenschaft geschieht es nur in der Form der Idee, das heißt in dem unmittelbar geistigen Medium; in der Kunst in einem sinnenfälligen oder geistig wahrnehmbaren Objekte. In der Wissenschaft erscheint die Natur als «das alles Einzelne Umfassende» rein ideell; in der Kunst erscheint ein Objekt der Außenwelt dieses Umfassende darstellend. Das Unendliche, das die Wissenschaft im Endlichen sucht und es in der Idee darzustellen sucht, prägt die Kunst einem aus der Seinswelt genommenen Stoffe ein. Was in der Wissenschaft als Idee erscheint, ist in der Kunst Bild. Es ist dasselbe Unendliche, das Gegenstand der Wissenschaft wie der Kunst ist, nur daß es dort anders als hier erscheint. Die Art der Darstellung ist eine verschiedene.“

Die Kunst ist nun aber nicht einfach eine Übersetzerin der Idee, wie sich dies in einer Symbolhaftigkeit darstellen kann, sondern eine Vermittlerin einer umfassenden Kraft, in die sich der Schaffende selbst hineinzustellen vermag. Es ist also nicht die Idee (als wissenschaftliches Ergebnis) die sich nun bildhaft Ausdruck zu verschaffen sucht, sondern etwas viel Substantielleres gemeint:
„Hier zeigt sich, wie der wahre Künstler unmittelbar aus dem Urquell alles Seins schöpfen muss, wie er seinen Werken das Notwendige einprägt, das wir ideell in Natur und Geist in der Wissenschaft suchen. Die Wissenschaft lauscht der Natur ihre Gesetzlichkeit ab; die Kunst nicht minder, nur dass sie die letztere noch dem rohen Stoffe einpflanzt. Ein Kunstprodukt ist nicht minder Natur als ein Naturprodukt, nur dass ihm die Naturgesetzlichkeit schon so eingegossen wurde, wie sie dem Menschengeist erschienen ist.“

Die Verwechslung dieser zwei Grundhaltungen ist sehr groß und muss deshalb klarer dargestellt werden. Wenn uns in einer wissenschaftlichen Forschung, die wir z.B. in der Pflanzenwelt getätigt haben, aus der Beobachtung heraus, eine Kraft entgegenkommt, welche sozusagen die Einzelteile der Pflanze – also angefangen mit den Zellen, den Wurzelelementen, den Stängeln, den Blättern und den Blüten usw. – umfasst und zusammenfasst in einer Gattung, einer Gruppe usw., dann haben wir ideell (also rein mental, nicht stofflich!) sondern ganz substanzlos etwas Übergeordnetes entdeckt. Dieses Übergeordnete können wir nun benennen, ihm einen Namen geben, wir können Gesetzmäßigkeiten aufstellen wie jenes Ganze alle Pflanzengattungen zu umfassen vermag.

So können wir in allen Pflanzen Wurzeln, Stängel, Blüten und Blätter finden. Sie werden sich zwar nicht immer sofort zu erkennen geben und – wie im Falle der Kakteen – vielleicht sogar ganz anders ausgestalten, als wir es gewohnt sind. Dennoch können wir die Idee der Pflanze in allen Pflanzenarten und Gattungen wieder finden. Wir könnten dieses Umfassende mit Goethe die Urpflanze nennen, aber wir würden keine solche ideelle Urpflanze irgendwo auf der Welt physisch vorfinden, weil sie nicht physisch vorfindbar ist. Sie bleibt immer und ewig ein rein geistiges „Gebilde“. Dieses ist von jedem Menschen im Geist, als Idee, zwar „auffindbar“ und nachvollziehbar, aber niemals physisch-sinnlich anwesend.

Die Wissenschaft könnte eine solche Urpflanze, wie sie sich ideell auffinden lässt, ebenso aber auch viele andere Entdeckungen in der mineralischen Welt, der Tierwelt oder beim Menschen, immer bildhaft zu Papier bringen, sie symbolisch, zeichnerisch oder sogar als Modell darstellen. Aber dennoch ist das noch nicht derselbe Vorgang, wie er von Steiner als der künstlerische bezeichnet wird.

Der Künstler erlebt, nach Steiner, sozusagen die umfassende Kraft (gemäss unserem Beispiel die Urpflanze) in sich selbst: wesenhaft sozusagen. Dieser Vorgang geht aber über die reine Idee hinaus! Währenddem die Idee sozusagen aus den Einzelteilen der sinnlichen Welt und aus der Wahrnehmung von Zusammenhängen etwas Verbindendes „erblickt“, „entdeckt“ und dieses in Begriffe giesst, geschieht im künstlerischen Prozess etwas anderes. Der Künstler vertieft sich in das Pflanzenwesen, z. B. einer Rose, und erlebt dort gewissermaßen das Rosenhafte selbst. Er bildet in sich das rosenhafte Erlebnis um – und gestaltet es neu als Bild! Dieses Bild nun enthält vielleicht äußerlich keinerlei Übereinstimmungen mit der physischen Rose, aber dennoch kann man das Rosenhafte darin wieder finden.
„Die großen Kunstwerke, die Goethe in Italien sah, erschienen ihm als der unmittelbare Abdruck des Notwendigen, das der Mensch in der Natur gewahr wird. Ihm ist daher auch die Kunst eine Manifestation geheimer Naturgesetze.“

Dies geschieht durch einen freien Umgang mit Farben, Formen und anderen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Auch wenn ein gemaltes Bild nun nicht eine Rose darstellt, so wird der geschulte (künstlerische) Blick darin dennoch etwas von dieser Rose wieder finden können. So könnten wir ebenso in den Bewegungen unseres Körpers, mit den Armen, den Beinen, der Gestik und Mimik, dieses rosenhafte zum Ausdruck bringen, wie der Maler es mit Farben und Formen macht. Was hier, mit der Rose als Beispiel, erklärt wurde, kann selbstverständlich in alle Bereiche des Lebens übersetzt und eingegliedert werden. Dies gilt ebenso für die ganze sinnlich-sichtbare Welt, wie auch durchaus für nicht sinnlich-sichtbare Wahrnehmungs-„objekte“ wie sie bei Emotionen und Gefühlen auftreten. Der Inhalt eines Kunstobjektes kann ebenso die Traurigkeit, wie auch Freude, Wut, das Glück oder die Liebe sein…

So können sich Kunst und Wissenschaft durchaus gegenseitig befruchten und ergänzen. Dies geschieht aber nicht dadurch, dass die Ideen der Wissenschaft lediglich in ein symbolhaftes oder erklärendes Bild hinein gegossen oder abstrahiert würde, sondern dadurch, dass sich das Wesenhafte der Idee in neuer Art und Weise versinnlichen kann. Damit wird der Idee eine neue, belebte und wesenhafte Gestalt gegeben, die dem Wissenschaftler nicht zugänglich ist.„Überwindung der Sinnlichkeit durch den Geist ist das Ziel von Kunst und Wissenschaft. Diese überwindet die Sinnlichkeit, indem sie sie ganz in Geist auflöst; jene, indem sie ihr den Geist einpflanzt. Die Wissenschaft blickt durch die Sinnlichkeit auf die Idee, die Kunst erblickt die Idee in der Sinnlichkeit.“

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

RSS
Follow by Email
LinkedIn
Share
%d Bloggern gefällt das: