Buddhismus oder Christentum?

Christus„Was soll der Streit zwischen Buddhisten und Christen? Machen Sie sich doch einfach „leer“ und sehen Sie, ob was übrig bleibt…“

Als mir der Gedanke kam, lachte ich zunächst schallend! Es trifft einen Nerv, den ich nie bedacht hatte, obwohl er ein wenig salopp daher kam. Aber er hat dennoch eine ungeahnte Tiefe, die ich nicht vermutet hätte, als ich ihn jemandem lachend an den Kopf geworfen hatte…
„Der Satz beruht auf der alles verbindenden Kraft des Erlebens selbst. Alles andere sind Streitereien, die ins Abseits führen, sprich weg von der Erfahrung der Einheit…“ ergänzte ich noch und erntete nur Kopfschütteln…

Hier der Nachklang dieser Erfahrung | Gerade die Erfahrung ist es aber, die viele Diskussionen zunichte machen könnte. Doch wenige wollen sich wirklich darauf einlassen. Besonders in spirituellen Fragen scheint es wenig Bereitschaft zu geben, die Erfahrung dem blossen Wissen, oder dem Glauben, vorzuziehen.
Warum eigentlich?
Weil es mühsam ist und eine Fähigkeit verlangt, die uns nicht zum Vornherein gegeben ist, eine gewisse Konzentration und Ausdauer. Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit z.B. lange auf einen Gegenstand zu lenken, ein Bild, einen Menschen, einen Gedanken, eine Pflanze und vieles andere. Dabei stößt man bald an Grenzen. Es kommt immer „etwas“ dazwischen. Ein Gedanke wie dieser: „Was bringt das denn“, oder: „Ich habe doch wichtigeres zu tun, als mich mit solchen Dingen herumzuschlagen“, oder „Es warten so viele wirkliche Probleme auf mich zu Hause, lieber sollte ich mich denen widmen…“ usw.

Erfahrung ist Arbeit | Manchmal Schwerstarbeit! Wissen, welches schnell verfügbar gemacht werden kann, ist oft schon vorhanden, zu allen möglichen Themen. Es ist schnell recherchierbar, jederzeit online abrufbar. Wir hatten vielleicht schon das Vergnügen, einmal einen Buddhisten zu treffen und haben uns mit ihm über Religion unterhalten, dasselbe mit einem Christen, einem Hindu, einem Moslem, Juden usw. Wir waren vielleicht geteilter Meinung. Uns widerstrebte manches, was geäussert wurde und wir zimmerten uns eine entsprechende Antwort zurecht. Diese Antwort taucht nun jedesmal aus dem Untergrund unserer Persönlichkeit auf und ist präsent, wenn das entsprechende Stichwort fällt. Es ist uns zuwider und wir gehen auf Konfrontationskurs. Dasselbe geschieht mit der uns wenig sympathischen Partei, mit Fragen des Alltags usw.

Das ist der Automat in uns | Und der ist ziemlich resistent. Er ist immer präsent und verteidigt SEIN oder „UNSER“ (wessen?) Weltbild, oft vehement, starrköpfig und unnachgiebig.
Sämtliche Unterteilung in Konfessionen, Religionen, politische Parteien usw. ist eine persönliche Abstraktion von einem Ganzen, eine Abtrennung von einer Einheit, die alles umfasst und verbindet. Es sind Standpunkte, Weltanschauungen, die immer aus persönlichen Geschichten heraus konstruiert (und, je nachdem vermarktet) werden. Selbst Religionen, Sekten, werden vermarktet (Stichwort Scientology). Nicht, dass die Erfahrungen der Begründer aller dieser abstrakten Konstrukte zum vornherein falsch sein müssen. Oft sind sie absolut echt und wahrhaftig (Buddha, Christus u.v.a.). Der Bruch passiert nachher, bei denen, die die Erfahrung nicht mehr nacherleben können. Das Wesentliche geht verloren und ein Rinnsal dieser Weisheiten ergiesst sich in den Schriften der Nachfolger (Apostel, Päpste, Priester usw.). Jeder neue Abdruck (und deren mannigfaltige Interpretation) verwässert die reale Erfahrung des Urhebers über Jahrtausende hinweg solange, bis nur noch dürres, brüchiges Geäst übrig bleibt, welches bestenfalls noch als Grundlage für ein Feuer dient…
Ein religiöser Zugang muss immer wieder neu gewonnen werden. Er kann nur durch die persönliche Anbindung an das Ganze gefunden werden. Und das ist das Erlebnis… Vielleicht treffen wir sie dann alle bald wieder: den Buddha, den Christus und alle anderen?

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Illusion der Leere

LeereIn vielen asiatischen Religionen oder Weltanschauungen, die ja auch hierzulande immer populärer werden, ist sie ein ideal, sozusagen das Ende, der Gipfel jeder spirituellen Entwicklung: die innere Leere. Damit ist vor allem gemeint, ein leer sein von Gedanken und Vorstellungen, die den Adepten durchziehen und ihm die Erfahrung des ewigen Seins verbauen. Diese finale Erfahrung, die allerorten als „friedvolle Glücksmomente“ oder als „tiefe innere Stille“ beschrieben und erlebt werden, sind in diesem Kontext das oberste Ziel jeder menschlichen Entwicklung.

Dabei werden oft die Gedanken als der böse Belzebub in den Fokus jeglicher Hemmnis gerückt und deren zerstörerische Wirkung in die Verantwortung mangelnder Tiefenerfahrung geschoben. Das ist der erste zentrale Punkt, an dem sich die Gemüter streiten. Der zweite ist die Verhaftung mit dem „ich“, welcher, als Konsequenz dieser unaufhörlichen Denktätigkeit, die Schuld zugeschoben wird.
Das Denken und diese dauernde Identifikation scheinen demnach Urheber und Hemmschuh jeder spirituellen Entwicklung zu sein und müssen „gelöscht“ werden.

Auch ich habe im Buch über „Selbstreflexion“ viel über diese Themen geschrieben. Dennoch grenze ich mich deutlich von den so dargestellten Vorstellungen ab und halte die Erreichung dieser Art von Leere für eine große Illusion. Folgende Gründe möchte ich dazu anfügen.

Das doppelte Denken

Zum ersten Punkt, dem Ideal innerer Leere näher zu kommen, könnte folgender Gedanke behilflich sein. Zwei Erfahrungsebenen menschlichen Erlebens werden mit einem einzigen Begriff belegt. Das erste ist die Erfahrungsebene der „Vorstellungen“. Das zweite jene des „Denkens“. Die erste ist passiv, die zweite aktiv. Diese beiden unterscheiden sich im Kern durch Qualitäten, die unterschiedlicher nicht sein könnten und müssen unterschieden werden. auch wenn sie sich für den naiven Realisten gleich anfühlen.

Wenn ich sage: „die Farbe blau gefällt mir am besten“, dann drücke ich damit ein Verhältnis aus, welches mein inneres Seelenleben in Bezug setzt zu einer inneren, persönlichen Welt und damit zur zur Bildung meiner Vorstellung. Das tue ich, indem ich mein Denken in Bezug setze zu meinen Gefühlen, zum Körper, zu den persönlichen Emotionen, die sich aus meiner eigenen Geschichte ergeben. Das ist schön und selbstverständlich legitim! Aufgepasst: Es geht um die Unterscheidung, nicht um die Wertung!
Wenn ich hingegen sage: „die Farbe Blau unterscheidet sich von der Farbe Rot“, dann habe ich kein persönliches Verhältnis damit ausgedrückt, sondern eine universell gültige Tatsache, die sich aus der Wahrnehmung beider Farben und einem Vergleich zusammen mit einem aktiven Denkprozess ergibt. Dazu muss ich den Standpunkt nach außen verlegen. Beide male benutzte ich meine Denkfähigkeit, setzte sie aber unterschiedlich ein.

Wenn ich nun den Gedanken ausspreche: „die innere Leere ist das Ziel jeder spirituellen Entwicklung“, dann könnte man sich darüber streiten, ob es eine universelle oder nur eine persönliche Wahrheit darstellt. In solchen Fällen kann es durchaus ebenso auf einem aktiven Denkprozess beruhen, der sich aber auf einer persönliche Erfahrung stützt. Gesetzt der Fall, dass ich sie tatsächlich erreiche, als Übender dieses Gedankenkonzeptes, diese innere Leere erreiche, dann bin ich in dem Moment  zugleich „frei von jeglichen Gedanken“. Da ich diese selbst aber dazu benutzte, um später gegenüber anderen, von den erreichten Erlebnissen zu berichten, bin ich entweder der Illusion verfallen, wirklich leer zu sein (denn scheinbar war ein erinnerndes Bewusstsein gleichwohl noch vorhanden, sonst hätte ich nachher keine Kenntnisse darüber), oder ich war wirklich leer, dann könnte ich dieses Erlebnis aber niemanden mehr mitteilen, da ich es selber vergessen hätte. Die Erfahrung dieser Glücksmomente müssen irgendwo (außerhalb der Leere, quasi in einem Erinnerungspool) gespeichert worden sein. Wovon ich leer geworden bin, mögen meine Vorstellungen sein, die passiven Gedanken, die ständig durch meinen Kopf ziehen, unaufhaltsam und ohne mein Zutun. Aber „etwas“ ist geblieben und hat sich in diesem Erinnerungspool erhalten. Nenne es Bewusstsein oder Gedanke, jedenfalls lassen sie sich im Nachhinein wahrnehmen und wieder zu Gedanken zusammensetzen. Sie verhindern sozusagen das Selbstvergessen und damit auch die Möglichkeit des Nachempfindens irgendwelcher Gefühle!

Das doppelte Ich

Zwingend mit dieser Tatsache verbunden, ist aber genauso der Begriff des „ich“. Auch hier muss man ihn in zweierlei Richtungen einsetzen! Das erste ist das Erleben der Verhaftung mit den Gedanken, das zweite die Erinnerung daran („Erinnerungspool“). Bin ich nämlich wirklich und endgültig verhaftet, und gäbe es nur ein einziges ich, nämlich das kleine, dann könnte ich nicht gleichzeitig ein Bewusstsein darüber haben, dass ich (Ich?) es bin. So gesehen würde ich mich quasi in einem Tunnel befinden (im „Ego Tunnel“ des Thomas Metzinger), wüsste aber nichts davon!

Fazit ist: Das Wissen um solche Identifikationen kann nur ein Bewusstsein mit einem Aussenblick haben! Der „feste Punkt“ oder ein Gefäss, welches nun auf diese Weise entsteht, ist nicht auf derselben Ebene wie das identifizierte kleine ich, wenngleich es mit ihm verbunden ist! Auf Begriffe kommt es in diesem Falle nicht an, ich kann das kleine X nennen und das andere Y, oder Ego und Ich usw. Wichtig ist die Unterscheidung von zwei unterschiedlichen Bewusstseinsebenen! Nur auf diese Weise kann der Damm der Erkenntnisgrenze gebrochen werden und die Verwurzelung zum geistigen Ursprung wiederhergestellt werden, beziehungsweise die unmittelbare Erfahrung desselben. Dies zweite ist auch die Ebene, von welcher aus ich „Selbst-Reflexion“ meine! Auch wenn der Begriff „Reflexion“ vielleicht ungünstig ist und besser von „Selbst- Beobachtung“ gesprochen werden müsste. Eine Reflexion, die quasi kontrollierend und urteilend gegenübersteht, findet immer nur auf der unteren Ebene statt. Sie geschieht dadurch, dass wir uns aus dem einen Teilselbst lösen und von einem anderen auf dieses Eine blicken. Zum Beispiel aus der „Vaterrolle“ auf unser kindliches Verhalten in einer bestimmten Situation usw. Das kann durchaus psychologisch interessant und gut sein, bleibt aber für die angesprochene Erfahrung irrelevant.

Aus diesem Grund ist die Phrase zur Erreichung der inneren Leere (vielleicht besser „Stille“), bestenfalls eine Krücke, die quasi an ein Erlebnis heranführen will, nämlich an jenes unserer eigenen Doppelnatur. Die Verbindung mit dem universellen Keim unseres Bewusstseins darf dabei nicht übersehen werden. Der „Fall“ ins „Nichts“ ist aber nicht nur eine Illusion, sondern zudem auch gefährlich für unsere psychische Struktur. Die Abkoppelung von dem universellen Erleben und die Einbindung in ein wunderschön ausgeschmücktes „Gefängnis“ kann die Folge sein, eines unüberprüfbaren Wolkenkuckucksheim des schönen Scheins. Deshalb betonen viele grosse spirituelle Lehrer die Wichtigkeit der Charakterschulung, bevor man die ersten konkreten spirituellen Schritte unternimmt. Rudolf Steiner z.B. mahnt in seiner Schrift „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten“ eindringlich und unmissverständlich,  immer erst drei Schritte in der Charakterbildung und einen in der konkreten Schulung der Hellsichtigkeit zu tun…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Anthroposophie ist ein Begriff

rudolf-steinerEine Würdigung der Impulse Rudolf Steiners und – gleichzeitig – eine kritische Betrachtung der Bewegung.
Ein Begriff (z.B. „Anthroposophie“) deckt in erster Linie die persönliche, individuelle Vorstellung jedes Fragenden ab, wenn er dich fragt, ob du ein „Anthroposoph“ bist. Dem zuzustimmen ist sehr gefährlich, denn wir kennen die Vorstellungen, die das Gegenüber mit diesem Begriff verbindet, nicht! Und schon sind wir mitten drin…

Die Würdigung gilt dem Menschen Rudolf Steiner und hat durchaus eine persönliche Färbung. Es ist meine Beziehung zu ihm und das Verhältnis, welches sich vor mehr als 33 Jahren zu seinem Werk gebildet hat. Im Frühling 1981 (mit 25), kam mir der Name Steiners zum ersten Mal zu Ohren. Die Annäherung führte über sehr unterschiedliche Stationen schliesslich ins Heute.

Als ich damals mit der Anthroposophie in Kontakt kam, hatte ich einen naiv-kindlichen Zugang und betrachtete alles in einem rosafarbenen Schleier. „Esoterische“ und spirituelle Themen beschäftigen mich schon seit meiner Kindheit. Psychologische Fragen über Mensch, Gott und die Welt, die damit zusammenhängen ebenso wie Fussball und Lesen.

Damals war ich intensiv mit Büchern eines gewissen Carlos Castagneda`s und jenen lebensvollen Romanen von Hermann Hesse beschäftigt. Es prägte sich eine sehr idealisierende Haltung in mein (Unter)-Bewusstsein ein. Von bewusstem Sein kann nicht im Geringsten die Rede sein, weil ich aufgesogen war mit Inhalten aller Art und schnell alles für bare Münze nahm, was mir diesbezüglich in die Hände, oder in den Sinn, kam. Als ich zum ersten Mal Bücher Steiners las, gab es keinen Unterschied zwischen einem Castagneda, Hesse und ihm. Sie sprachen selbstverständlich alle vom gleichen und liessen meinen Interpretationen und Phantasien viel Spielraum.

Was ich gelesen hatte, und das war am Anfang sehr viel, integrierte ich in mein Denken. Ich färbte mein Tun und Handeln danach. Ich sah, dass es anderen auch so erging und es entstanden ähnliche, oft symbiotische Beziehungen im Umfeld von Steiners Anhängern. Man war sich in grundlegenden Fragen wie Reinkarnation und Karma in internen Kreisen meistens einig. Ein Zitat des Meisters galt als unanfechtbares Glaubensgut, was es nach aussen zu verteidigen galt. Differenzierte Fragen wurden hingegen deutlich weniger gleichmütig diskutiert. Ich habe niemals so viele Idealisten an einem Ort erlebt, wie damals.

Dann geschah etwas, was meinem innersten Wesen vollkommen widersprochen hatte: Eine persönliche Absonderung gegen anders Denkende und ein Entwicklungsstillstand wurde spürbar. Das erlebte ich spätestens, als ich die Ausbildung als Werklehrer und Kunsttherapeut am Goetheanum abgeschlossen hatte und wieder in „die Welt da draussen“ eintauchen musste/durfte. Es wurde mir zum innersten Bedürfnis, diese Re-Integration von neuem zu suchen und mich zu öffnen. So kam ich auf kleinen Umwegen schliesslich an die Psychiatrische Universitätsklinik in Basel, wo ich drei Jahre tätig war, bevor ich eine eigene kunsttherapeutische Praxis eröffnete.

Diese Beschreibungen sollen die Beziehung zu Rudolf Steiner und zur Anthroposophie als Entwicklungsprozess, auf einem individuellen Weg, darstellen. Am ersteren blieb alles, an der letzteren wenig, insofern es sich um den Begriff und einer vorgefertigten Vorstellung darüber handelt! Aus dem Verhältnis als Guru und Lehrer, erwachte allmählich eine innere Bruderschaft zu Rudolf Steiner. In den vergangenen 30 Jahren kam es nie zu einem grundsätzlichen Bruch, trotz meines individuellen und unkonventionellen Weges.

Das erwähnte Stehenbleiben bei den vorgefertigten Interpretationen der anthroposophischen Inhalte war mir zunehmend ein Dorn (-ach) im Auge. Davon (von den Interpretationen,nicht von den Inhalten) habe ich mich gelöst. Das ständig neue überdenken und neue formulieren von Erlebnissen und Erfahrungen brachten mich dazu, auch bei anderen Weltbildern wieder den Zugang zu Antworten über das, was die Welt im Innersten zusammenhält, zu suchen.

Die Synergien zwischen den verschiedenen Weltbildern und Religionen standen im Mittelpunkt und keine abgeschlossene Glaubensdoktrin. Es wurde mir klar: Begriffe können eine Sache benennen, und ihnen einen Anker geben, an dem man sich festhalten kann. Die Rückaufschlüsselung dieses Ankers ist viel schwieriger, weil derselbe Begriff unterschiedliche Bedeutungen haben kann und somit nicht objektiv ist.

Das Bewusstsein der Begrenztheit unserer Vorstellungen (wir nennen es landläufig „denken“) wurde mir immer klarer. So begann ich nach bewusstem Sein zu suchen, welches sich über die reine gedankliche Ebene erhebt. Ich war davon überzeugt, dass wir grundsätzlich keine Begrenzung in der Erkenntnis haben, wie uns dies Immanuel Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ nahegebracht hatte. Was ich aber im Denken suchte, offenbarte sich nun bald in der selbstreflektiven, bedingungslosen Schau desselben.

Dieses Erlebnis bedeutete für mich eine neue Wende in meinem persönlichen Entwicklungsweg. Wenn ich, so sagte ich mir, das Bewusstsein des Wahrnehmens der Gedanken erlebe, dann enthebe ich mich gleichzeitig der Identifikation mit diesen Gedanken. Das Erleben im Zustand der Selbstbeobachtung und der „Achtsamkeit“, wie ihn die buddhistische Tradition kennt, war ein Schlüssel zur Freiheit, ohne deswegen dem Buddhismus oder einem anderen „Ismus“ beitreten zu müssen…

Die Dinge widersprechen sich nicht. Man muss nicht Buddhist werden, um dies zu begreifen. Es gibt immer nur ein zu sich selbst finden.

Ich fühle mich heute näher verbunden mit Rudolf Steiner! Näher denn je! Das Beobachten des Denkens in seinem wichtigsten Werk: Der „Philosophie der Freiheit“ zeugt davon und entschlüsselte mir neue Erkenntnisse. Steiner wollte den Begriff „Anthroposophie“ jeden Tag neu definieren!

Was wäre wohl aus der Gesellschaft geworden, wenn die Menschen heute keinen Begriff mehr hätten, an welchen sie sich klammern könnten? Wenn die vermeintliche „Wahrheit“ nicht mehr aus unendlichen Diskussionen herausgepresst werden müsste, sondern bewusstseinsmässig im Jetzt erfahrbar würde. Wenn wir in jeder Situation aus uns selbst die Wahrheit finden müssten, ohne Bezugnahme oder Rezitation von irgendwelchen klugen Sprüchen! Wenn nur noch diese Erfahrungen und Erlebnisse relevant würden auf einer internationalen, vollkommen unabhängigen Plattform, die keinen Namen hat und aus dem Herzen jedes Einzelnen entspringen würde…

Steiners Anthroposophie ist diesem Gedanken sehr nahe gekommen. Nur, wohin steuert dieses zunehmend träge werdende Schiff, welches den Namen heute trägt und verantwortet und welches sich im riesigen Ozean der Ideologien zu verirren droht, sich mehr und mehr spaltet in Untergruppen, Nebengruppen und in feindliche Lager. Wie unabhängig und frei ist die Gesellschaft (…und die damit zusammengeschlossenen Verbände) heute noch?

Solche Fragen bewegen mich unaufhörlich. Ich bin nicht am Ende meiner Weisheit angekommen und werde dies auch nie schaffen. Ich stelle lediglich ehrlich und offen meine persönliche Sicht der Dinge dar. Offenheit im Rucksack tragend, allen ernsthaften Bemühungen gegenüber, seien sie mir ideologisch näher oder ferner… so lautet mein Lebensmotiv.

Die einzige Abhängigkeit, oder besser Verantwortung, habe ich meinem eigenen, inneren geistigen Führer gegenüber. Er aber hat keinen Namen und bleibt für immer unaussprechlich.

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und ein KinderbuchUrsli und der Traum vom Schiff

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