Machen Gesetze bessere Menschen?

Mann drückt Paragraph-SymbolIndividualismus wird oft mit Egoismus verwechselt. Letzterer verlangt nach einschränkenden Maßregeln, der erste die bedingungslose Freiheit, wenn es sie denn gibt. Die große Frage lautet: Führen Gesetze näher an die individuelle Freiheit des Menschen heran oder von ihnen weg? Und: Was bezwecken Gesetze eigentlich?

Ist der „ethische Individualismus“, wie Rudolf Steiner jene Geisteshaltung nennt, die den Menschen zur Freiheit führen soll, geeignet, sich über Gesetze und Richtlinien zu verwirklichen? Das heißt, anders gefragt: wird der sittliche Mensch durch die Gesetze besser – oder gar schlechter? Lässt sich die Frage vom Standpunkt eines „naiven Realismus“ überhaupt beantworten? Welch Drama steckt in der Beurteilung dieser Frage! Und wie existentiell ist sie, heute mehr denn je, geworden!

Der (fortgeschrittene) „naive Realist“ sagt: ich glaube nur an das, was ich sehe! Und ich sehe, wie sich die Menschen verhalten! Sie sind, leider, moralisch so labile Geschöpfe, dass sie ohne äußere Einschränkungen (Gesetze, Sittengebräuche, Normen usw.) masslos werden und ihrem Zerfall entgegen steuern würden. Wir können durch die Gesetze diesen Zerfall ein Stück weit aufhalten. Deshalb müssen wir besorgt sein, dass wir die Lücken immer dichter schließen und das System durch Kontrolle und einem “gesunden“ Misstrauen gegenüber diesen Kriminellen, „Freidenkern“ und Anarchisten, aufrecht erhalten. Dies dient dem Wohle aller! Ansonsten werden wir gnadenlos ausgenutzt. Es braucht dafür wohl keine Beweise! Du findest das Übel an jeder Strassenecke und auf den Titelseiten jeder Tageszeitung. Im besten Fall werden die Gesetze von einer demokratischen Mehrheit des Volkes bestimmt (dafür gibt es leider nur wenige Beispiele auf der Welt). Im schlechteren Falle durch ein paar hundert Parlamentarier (was der Norm eines “westlichen“ Staates entspricht). Und im allerschlechtesten Fall von einem Monarchen oder, vielleicht noch schlimmer, von einem Diktator (was faktisch leider noch die meist praktizierte Staatsform auf dieser zivilisierten Welt ist). In dieser Bandbreite bestehen die Entwicklungspotenziale. Mehr liegt nicht drin!

Da kann man nur sagen: ja, sicherlich, deine Analyse ist klar, sachlich und verständlich und, von deinem Standpunkt aus betrachtet, unausweichlich! Aber dann müssen wir auch nicht weiter über die Freiheit reden. Eine höhere Form der Freiheit als die des tun und lassen Könnens, was jeder und jede will zur Erlangung egoistischer Ziele, kann und wird es nicht geben – und letzteres ist ja wohl kaum erstrebenswert. Was übrig bleibt, ist das oben erwähnte „System“. Es garantiert einen relativen Frieden auf Erden. Wenngleich im besten Fall (dem der Volksdemokratie) immerhin ein Quäntchen Individualismus hängen bleibt, so kann er zumindest kaum ethisch genannt werden, sondern unterliegt der steten Gefahr einer riesigen Maschinerie von professioneller Gehirnwäsche durch Werbung, Marketing und Machtdemonstrationen der Regierenden und jenen, die es werden wollen.

Dann kommt der „metaphysische Realist“ auf die Bühne und sagt: hört mir zu! Die Gesetze sind doch niemals alles! So kann man keine „sittlichen Menschen erziehen“! Es gibt doch eine innere Stimme in uns, in jedem von euch allen, nenne sie die „Stimme des Gewissens“, „Gottes Stimme“ oder anders! Sie sagt uns, was richtig oder falsch, gut oder böse ist. Wir müssen nur lernen, auf sie zu hören, dann werden wir auch in rechter Weise handeln können!

Ja!
…aber die Stimme des Gewissens ist an deine persönliche Moral gebunden. Sie ist das Produkt, die Essenz deiner Glaubenssätze und Ideale, die du dir aus deiner Lebensgeschichte zusammen geschustert hast! Die Freiheit bleibt also auch hier auf der Strecke. Sie ist keine wirkliche Freiheit, sondern resultiert aus einem ewigen, reibungsvollen Kampf: dem Gewissenskampf mit dir selbst. Du bist ihm ausgeliefert bis ans Ende deiner Tage. Es bleibt dir keine Wahl, du kannst bestenfalls als kleines, elendes Würmchen des Kosmos in der Erde herumwühlen und so elendiglich krepieren.
Auch hier müssen wir kaum weiter über Freiheit diskutieren. Die egoistische Variante wäre, dass Du glaubst, du seist alleinig Gott selbst und somit das Zentrum der Welt! Dein Gewissen sei die objektive Wahrheit, nach der sich alle anderen Menschen zu richten haben!

Freiheit, die auf Kosten anderer erkämpft wird, nennt man Egoismus | Und damit sind wir wieder bei den Gesetzen angelangt. Anders ist keiner dieser Varianten beizukommen, als durch Gesetze, will man sich nicht in äußere Knechtschaft einzelner „Autonomen“ begeben. Zwar sind die Gesetze auch nicht zwingend objektiv und allgemein gültig, aber sie resultieren, wie wir gesehen haben, im besten Fall nicht nur aus wenigen oder aus einer Stimme (Monarchie, Diktatur), sondern aus der (vermeintlichen) Mehrheit. Zwar ist auch diese „Mehrheit“ oftmals ein Trugschluss, aber es genügt vorläufig, bei diesem Gedanken zu bleiben, denn auch aus ihr wird die Frage der Freiheit nicht befriedigend beantwortet werden können. Der Fokus wird nur immer wieder auf die äußeren Verhältnisse hingelenkt. Man bedenke die oftmals als „Gegenbeweis“ der Freiheitsphilosophie aufgeführten Beispiele eines Verbrechens als Ausdruck einer solchen “freien individuellen Handlung“. Es sei hier nochmals deutlich ausgesprochen: sie haben allesamt nichts mit der Individualität im genannten Sinn zu tun, sondern entspringen immer einem egoistischen Trieb und der ist das objektivste im Menschen!

Zu einer inneren, wirklichen Freiheit kommen wir auf diesem Weg nie. Eingeleitet wird dieser Schritt nur immer durch die ehrliche und konsequente Selbstbeobachtung. Im Akt der Selbsterkenntnis erst, durchschaut der Mensch die Motive seines eigenen Handelns. Dazu reicht die rein analytisch reflektierte Rückschau nicht aus, weil wir dadurch auf der Gedankenebene bleiben. Wir beurteilen (und verurteilten) dabei die eigene oder fremde Sachlage lediglich aus einem anderen Blickwinkel heraus – und umgehen dabei elegant das eigentliche Zentrum unseres Seins. Erst im gegenwärtigen Augenblicke vermögen wir sie anschauend zu verlassen.

Darauf kommt es an und nur darauf! Im Jetzt “erwischen“ wir die wahren Motive und zwar nicht nur die äußeren, sondern auch die inneren! Erstere bestimmen den naiven Realismus, letztere den metaphysischen. In diesem Selbst beobachten haben wir den Standpunkt „erhöht“. Wir sind aus uns selbst herausgetreten. Heraus aus dem verhafteten, automatisierten Schablonenmenschen. An diesem haftet unser Ego. Der neu gewonnene Standpunkt vermag uns aus diesem zu befreien. Wir erleben jetzt eine neue Bewusstseinsqualität, die Intuition genannt werden kann! Die wahren, menschenfreundlichen Gesetze und Erfindungen sind allesamt aus solchen Intuitionen heraus entstanden! Durch die „Erhebung“ des Bewusstseins auf diesen Punkt, verbinden wir uns sozusagen mit der einheitlichen Welt, mit dem All-Einen, aus dem heraus solche bewusstseinsübergreifende Intuitionen entstehen, an denen alle Menschen mitwirken. Die Erfahrung bringt es zutage! Wir haben Anteil an einer gemeinsamen Welt eines großen geistigen Ganzen. Hier, und nur hier, wohnt die wahre Natur der Freiheit! Sie ist bedingungslos und ein im höchsten Grade sittlicher Zustand. Wäre der ganzen Menschheit diese Erfahrung präsent, oder besser: gegenwärtig, dann würden sämtliche Gesetze und Vorschriften hinfällig. Die Motive der Handlungen jedes Menschen entsprächen einem ethischen Individualismus (siehe „Philosophie der Freiheit“, Rudolf Steiner) und würden von jedes Menschen spezifischer Form, durch seine individuelle moralische “Technik“ verwirklicht und realisiert. So verwandeln wir den zweckbestimmten Naturmenschen zum freien Geistmenschen.

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Der Schablonenmensch

SchablonenmenschWir sind als Naturwesen und als Gesellschaftsmitglied in feste Strukturen eingebettet. Im Kindheitsalter sind diese Strukturen noch relativ wandelbar. Beim Verlassen der Kindheit sammeln wir unzählige Erfahrungen und Erlebnisse und bündeln sie in unserem Gehirn zu neuronalen Schablonen und festen „Datenbahnen“.

Dadurch schaffen wir ein abgeschlossenes Gefäß, gefüllt mit einschlägigen Erlebnissen, die wir durch Prinzipien geformt und eingepresst haben. Dieses Konstrukt tragen wir fortan durch unser ganzes Leben. Wir richten unsere Wahrnehmungen darauf aus. Der Verlauf dieses Lebens bleibt zwar potenziell wandelbar, unsere Erkenntnisse tendieren jedoch zur Verhärtung. Diese abgeschlossene Form nähren wir ab und zu mit Bestätigungen von außen oder begründen sie, rechtfertigen sie durch Provokationen anderer. So befestigen wir sie in ihrer Grundstruktur andauernd. Dadurch verdicken wir unsichtbare Mauern gegen außen und schließen uns immer mehr in diesem virtuellen Kerker ein.

Unser Handeln wirkt mit zunehmendem Alter normiert. Die Natur entlässt uns irgendwann mit zwanzig, dreißig Jahren und beendet ihre Wirksamkeit an unserer körperlichen Entwicklung. Die Gesellschaft und das soziale Leben wirken unentwegt weiter. Die Interaktionen befestigen sich somit nachhaltig. Das Agieren wirkt automatisiert, angepasst, etikettiert. Verständnis gegenüber Fremden, Andersdenkenden in tieferem Sinne bleibt aus, weil die geistige Beweglichkeit verloren geht. Etikette trifft auf Etikette. Maske auf Maske. Handlungsnormen, Sitten und Gebräuche, Traditionen und Gewohnheiten prägen den Routinealltag unseres Lebens.

Ein düsteres Bild von fertigen Automaten, schattenhaften Robotern zeichnet sich ab. Ist es überzeichnet dargestellt? Wie war das in den Dreissigern, Vierzigern? Und leider nicht nur damals. Nach außen wirkt alles oft relativ lebendig und es funktioniert in gewissem Rahmen auch ganz gut. Nach innen entstehen Frustration und Täuschungen, die entlarvt (ent – täuscht) werden müssen, Misstrauen und Verständnislosigkeit. Das gesellschaftliche Leben korrigiert sich in diesem Kontext weniger durch wahrhaftige Einsicht, als vielmehr durch Anpassung. Größere Korrekturen geschehen leider nur durch Katastrophen. Die Tatsache, dass es in dieser Abgeschlossenheit funktionieren kann, täuscht über die desolate Situation hinweg. Wahrhaftige Begegnungen und wirkliche Freundschaften werden immer rarer, „freundliche“ Feindschaften immer grösser.

Der Schablonenmensch isoliert sich in seinem eigenen, festgefahrenen Käfig der Meinungen, Dogmen und Prinzipien. Er sieht das letzte Stadium der Entwicklung der Menschheit darin, das Beste daraus zu machen und durch immer detailliertere, eindringlichere, pointiertere und raffiniertere Gesetze und Richtlinien, der Gesellschaft einen scheinheiligen und „gesicherten“ Überbau einzupflanzen. So soll der Kitt geschaffen werden, der zusammenhält, was sonst zerfallen müsste. Doch der Schein trügt. Diese Entwicklung hat ihre Grenzen. Die notwendige Folge sind immer mehr „Lücken im System“. Dadurch werden Kriege geschürt und Krisen provoziert. Das Ende ist ein notwendiger Kampf aller Egos gegeneinander.

Zum Glück ist dieses düstere Menschenbild nicht definitiv und abschließend vorgezeichnet! Es bleibt immer der berühmte Funken der Hoffnung aufrecht! Jeder Schatten wird von einem Licht geworfen. Ein stilles Licht, welches in uns aufleuchtet und einen kleinen freien Raum offen lässt, eine kleine Tür, die wir jederzeit öffnen können…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Vom Sinn des Lebens

Sinn des Lebens Irgendwann in ihrer weltlichen Karriere stellen sich viele Menschen die Frage nach dem „Sinn ihres Lebens“. Nur wenige sind fraglos zufrieden und glücklich mit dem, was sie haben, auch (oder gerade?) wenn sie viel besitzen.
In meiner Tätigkeit als Therapeut wurde ich in den letzten zwei, drei Jahrzehnten häufig mit Sinnfragen aller Art konfrontiert, die im Grunde immer auf ein „zu sich kommen“ hinzielen. Nur, was heißt „zu sich kommen“?

Begegnet man Menschen, die sich intensiv mit spirituellen Fragen beschäftigen, hört man oft unterschiedliche „Weisheiten“ zu dem Thema, die manchmal sehr unbefriedigend sein können. So hört man dort auch oft den Einwand, dass man nicht zuviel darüber nachdenken sollte, was der „Sinn des Lebens“ sei, sondern lernen müsse, mehr „in sich hinein zu fühlen“. Die Frage allein schon, so heißt es dann, zeige auf, dass man zu sehr „im Kopfe“ sei, was ein Hindernis in der spirituellen Entwicklung bedeute. Die „Suche“ nach dem Sinn des Lebens, heißt es dann oft, höre dann ganz auf, wenn man im „Jetzt“ angekommen und gegenwärtig „geworden“ sei, sich quasi „gefunden“ habe. Hm, schön erklärt, dann nichts wie los, fangen wir gleich damit an! Hören Sie also auf zu denken!

Da diesen Anspruch (des im „Jetzt“ lebens) die meisten Menschen (noch) nicht erfüllen können und man in der Gegenwart auch nicht „geworden ist“ (sondern zeitlos „ist“), stellt sich die Frage halt weiterhin und von neuem – und man kommt zunächst nur mit Denken weiter. Mit dieser Antwort ist also nicht viel gewonnen. Verkürzt hieße die Lösung des Problems für mich vielleicht etwa so: Der Sinn des Lebens besteht darin, Erfahrungen zu sammeln, um sich weiter zu entwickeln. Was damit aber nicht beantwortet ist und zuweilen einen fahlen Geschmack hinterlässt ist die Frage, für wen oder wozu man dies denn tun solle, was bringts, wem hilfts? Für sich selbst? Sozusagen, als Ego-Trip? Hm, unbefriedigend. Für die „Verbesserung der Welt“ oder der Schaffung „kultureller Vielfalt“ usw? Doch was ist „besser“? Und warum soll man das Denken dabei ausschalten? Stehen die Gefühle tatsächlich höher als die Gedanken? Oder ist dies ein Trugschluss?

Immerhin haben Sie jetzt schon kräftig mitgedacht und womöglich den Kopf hin und wieder in die eine oder andere Richtung bewegt. Bis hierher haben Sie übrigens schon die durchschnittliche Seitenbesuchsdauer auf diesem Blog erreicht! Sie können jetzt also getrost wegklicken…

Sollten Sie aber dennoch unbedingt weiter lesen wollen, so fragen Sie sich, warum Sie dies tun und warum Sie den Kopf geschüttelt haben. Weil Sie vermutlich eine eigene Meinung dazu gebildet haben? Möglich, sonst hätten Sie sich kaum für den Artikel interessiert oder schon gar nicht weitergelesen. Das Bewegen Ihres Kopfes bestätigte – oder tadelte – die von mir angeführten Gedanken. Das heißt, dass Sie sich bereits im Laufe der Jahre ein persönliches, nämlich Ihr (Lebens-) Konzept erarbeitet haben. Aus dessen Erfahrungsschatz beziehen Sie nun Ihre Urteile. Und davon möchten Sie sich jetzt womöglich nicht so leicht umstimmen lassen! Ein solches Konzept ist zum Beispiel jenes einer Gefühlsmystik? Wie auch immer Ihres aussehen mag, es beruhte und beruht jedenfalls auf intensivster gedanklicher Arbeit Ihrerseits. Wenn Sie jetzt damit auf die Welt blicken, können Sie relativ schnell eine Einschätzung diverser Situationen zu verschiedenen Themen abgeben. Ihre Gefühle richten sich indessen ganz an das von Ihnen geschaffene Weltbild. Sie empfinden Missmut, wenn Ihnen etwas widerfährt, was sich in der Abgleichung mit Ihren eigenen Konzepten wenig oder gar nicht decken lässt. Und das Gegenteil passiert Ihnen im Fall der teilweisen oder totalen Übereinstimmung. Dann nämlich sind Sie vermutlich glücklich mit dem vorgebrachten oder gelesenen.

Mag sein, sagen Sie, aber was hat das Ganze nun mit dem Sinn des Lebens zu tun? Scheinbar wenig – und doch sehr viel! Will heißen, Ihre persönliche Situation und das Leid, die Freude im Leben, hat immer mit einer dieser inneren „Abstimmungen“ oder „Abgleichungen“ der anderen Inhalte zu tun. Glück oder Unglück fühlen sich an wie gestimmte oder ungestimmte Saiten auf dem Instrument Ihrer Seele. Dies lässt Sie hoffen oder zweifeln, lieben oder hassen. Das ist alles?
Sind wir also, so kann man sich jetzt fragen, hoffnungslose Automaten, nur immer dem Wind, den Wellen oder dem Sturm eines inneren Seelenmeeres ausgeliefert? Heißt die Losung des Übels bestenfalls „positiv denken“ um einigermaßen über die Runden zu kommen? Und was ist der Sinn dahinter?

Allein das Gewahr werden dieser Tatsache enthüllt so manches Leid. Und insofern Sie dies immer näher an der Gegenwart tun (und nicht erst im nachdenken oder reflektieren!), enthüllt sich Ihnen auf einmal etwas Neues. Dieses „dahinter erleben„, deckt eine Schicht ab, unter der Sie zuvor eingehüllt, sozusagen eingenebelt waren. Nur aus dieser neuen Perspektive heraus, in der Selbstbeobachtung (neudeutsch Selbst-Reflexion), können Sie auf sich selbst blicken oder eben zu sich selbst kommen. Damit treten Sie heraus aus der „Gefangenschaft“ Ihrer Seele. Die Wellen können Ihnen nichts mehr anhaben, denn Sie wandeln jetzt auf ihnen (wie Jesus dies getan hat, ein sehr schönes Sinnbild!!). Aus dieser neuen Perspektive heraus begreifen Sie erst ihr wahres Leben, ihr Schicksal und Ihr Verhalten!
Dies geht selten von heute auf morgen, sondern ist mit steter Übung verbunden. Immer wieder werden wir dabei fallen (oder absaufen)! Wir sehen aber dieses „Licht am Ende des Tunnels“ stets deutlicher und richten unser Leben mehr und mehr darauf hin aus.

Der Eintritt in das Innerste hat begonnen. Das ist der primäre Sinn des Lebens…

Nur ist dies kein Ego-Trip. Denn dieses Ego haben Sie soeben verlassen. Und Sie werden erst jetzt die wirkliche Verbundenheit mit der Welt erfahren können. Damit aber hat sich wohl auch die zweite Frage erledigt, jene nach dem wozu und für wen. Alles ist immer für alle, aber immer aus Ihrer intuitiv erfassten, individuellen, situationsangepassten (moralisch abgestimmten) und somit freienTat heraus, will heißen aus dem JETZT.
Das klingt zunächst unverständlich und schmeckt sehr nach bloßem daran glauben und diesem viel beschworenen Wir-Gefühl der Eso-Szene. Und dennoch kennen die meisten Menschen dieses Erlebnis wenigstens ansatzweise. Nur vergisst man es (oder besser: sich selbst) ständig wieder. Kaum hat uns die Nebeldecke der Vorstellungen und Glaubenssätzen wieder erfasst und eingelullt, ist es schwer, an eine Sonne darüber zu glauben. Da hilft nur dranbleiben…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Endlose Jagd nach Inhalten

JagdDie Hauptaufgabe der Bewusstseinsentwicklung kann nicht primär darin bestehen, immer neue Inhalte (informative Seite) zu schaffen und einzuverleiben. Der Blick und die Jagd nach Inhalt verdeckt den dahinterliegenden Vorgang der (Selbst-) Erkenntnis. Ich erachte diesen als das entscheidende Bewusstseins-Werkzeug unserer Zeit.

Dieses Aushalten des Inhaltslosen ist für die stets nach Sensation und Action ringende Seelenverfassung unserer modernen Gesellschaft ein unhaltbarer Zustand. Die Welt soll die Nahrung liefern, der es uns aus uns selbst heraus ermangelt.
„Erkenntnis-Dramatik“ vollzieht sich an einem Punkt, nicht an der Breitseite des Lebens und ebenso wenig am Panorama der sichtbaren Welt. Und um diesen einen Punkt geht es. Er ist das Nadelöhr jeglicher spiritueller Entwicklung. Gewiss, man kann das bestreiten, wie man alles bestreiten kann. Man kann die Wahrnehmung und die sogenannten „realen Verhältnisse“ überbewerten und ins Zentrum rücken. Dort wird man endlos und vergeblich nach Geist suchen. Deshalb wird von vielen auch bestritten, dass es ihn gibt (naiver Atheismus und Realismus usw.). Der eigene (geistige) Denkakt wird dabei übersehen.

Nur wer versteht, dass im Ineinandergreifen von Begriff und Wahrnehmung das innere Licht im Subjekt des Denkenden erscheint, hat das Werkzeug zu unmittelbarer geistiger Erkenntnis in der Hand. Wer die Inhalte selbstvergessend alleine auf der Wahrnehmungsseite sucht, wird nichts dergleichen finden. Die materiellen Erscheinungen der Welt erschließen sich im Erkenntnisakt jedes einzelnen. Das Erleben tritt, geistesgegenwärtig, am Schnittpunkt von Welt und Ich auf.

Das ist der Punkt, um den sich ALLES dreht…

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Darauf bezieht sich auch der Fokus des Inhaltlichen dieses Blogs. Es ist sozusagen der (letzte) Inhalt vor dem Inhaltslosen. Indem wir unser Augenmerk auf die Außenwelt lenken, versinken wir wahrnehmend und vorstellend in ihr. Wir tauchen ab in unsere Gedankeninhalte und sehen mit diesen in die Welt hinaus. Das tue ich auch in diesem Augenblick. Nur mache ich selbst beobachtend auf eben diesen Tatbestand aufmerksam! Wir können diese Gedanken auch auf uns selber richten, denn wir sind ein Teil dieser Außenwelt, insofern wir einen Körper haben. Ja selbst unsere Gefühle und Taten orientieren sich meistens daran. Bleibt noch das Denken übrig. Aber genau dieses vergessen wir normalerweise im tätigen Akt. Wir können nicht denkend das Denken denken! Aber wir können einen neuen Standpunkt „erobern“, der außerhalb des Denkens steht, und den Fluss der Gedanken beobachten. Dies geschieht im Jetzt. Wer das bestreitet, dem steht eine Erfahrung bevor. (Dazu empfehle ich die Videos von Eckhard Tolle, für mich einer der zündenden Faktoren geistigen Erwachens)

Erst an diesem Punkt wird die „Schwelle“ zur geistigen Welt überschritten. Dies zeigt schon der Tatbestand, dass der Punkt selbst nur gedanklich gefasst werden kann und nichts real materielles darstellt. An dieser Schwelle befinden wir uns schon lange. Deren dumpfes Erleben erzeugt Leid und Schmerz! Leiden heißt Angst haben, Angst vor der Absonderung, der Abspaltung zu unserem geistigen Kern. Wir sind Doppelwesen. Mit einem Teil verankert in der physischen Welt, der andere lebt jenseits dieser Schwelle und möchte sich mit dem materiellen Teil vereinigen. Das verhaftet sein mit diesem spaltet unser Bewusstsein ab von jenem. Es erlebt sich als Teilselbst, beziehungsweise in vielen Teilselbsten! (Konzept Voice Dialogue)

Und weil die Erfahrung des vom Inhalt unabhängigen „Punktes“, zentral, im wahrsten Sinne des Wortes ent-scheidend für die Bewusstseinsentwicklung des Menschen und der Menschheit ist, spreche ich ausschließlich über sie. Jedes Festhalten an „interessanten Inhalten“, könnte von diesem einen, realen Erlebnis ablenken. Neue (geistige) Inhalte (Intuition genannt) werden später daraus entstehen können und erneut ins volle Leben eingreifen. Sie bilden sich aus der in dieser Weise neu geschaffenen Verbindung von (Selbst-)Beobachtung, Intuition und Begriff. Wohlan, sie können auch ohne dieses Schwellenerlebnis, von jenen die es erfahren haben, vermittelt werden und sie zeigen möglicherweise sogar nachhaltige Wirkung. Genau so gut können sie aber auch eine Art Genügsamkeit, blosse Neugier und blinden Glauben erwecken. – „Hat der Doktor nicht schön gesprochen?!„, hallt es dann nach oder: – „Hoch interessant, diese geistigen Zusammenhänge!“ Solche und ähnliche Begründungen brennen sich schnell in die Gehirne spiritueller Anhänger ein. Sie kennen keinen Stachel mehr, der sie auf den eigenen Weg führt. Der Glaube daran, dass es keine Erkenntnisgrenze gibt und die Tatsache allein, dass unser geliebter Lehrer dies auch so denkt, vermag diese noch nicht wegzuschaffen! Das gelingt nur in jedem einzelnen Menschen, der sich auf den Weg zur Selbsterkenntnis macht!

„Eigentlich ist der Grundgedanke meiner „Philosophie der Freiheit“ gewesen, dass ich aufmerksam darauf gemacht habe: In das Denken, dass sich der moderne Mensch erworben hat, kann er sein Ich-Wesen wirklich hineinschieben… Und so wird der Mensch seines Ich-Wesens sich wirklich bewusst im reinen Denken, wenn er so die Gedanken fasst, dass er aktiv, tätig in ihnen lebt.“ Rudolf Steiner (aus einem Vortrag vom 03. Februar 1923)

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Warum dieser Blog kein Renner wird

DatenkosmosEine selbstkritische Betrachtung…
Es gibt sehr viele Blogs, ich gebe es zu, und unendlich viele Informationen und Milliarden von Meinungen und Ansichten im virtuellen Datenkosmos des Internets. So manches ist massentauglich, anderes weniger, dieser Blog ist es sicher nicht! Und warum? Weil die Leute immer genau dort gepickst werden, wo es ihnen am meisten weh tut: bei sich selbst.

Nicht etwa, dass ich auf sie zeigen und ihnen meine Meinung ins Gesicht schleudern möchte, wie es viele andere tun; nein eben nicht! Ich stupse sie immer dort, wo es am meisten weh tut und stelle die ewig gleiche Frage nach den wirklichen inneren Motiven, die jeden/jede von Ihnen antreibt. Diese innersten Motive, die Beweggründe und die Triebfedern zu unserem Tun, denken und fühlen, sind die tiefsten und scheinbar unzugänglichsten und doch „offenbaren Geheimnisse“ unserer Persönlichkeit. Die Frage danach bringt immer das eigene Gewissen auf den Plan. Das ist sehr, sehr unangenehm. Lieber weicht man aus, als dass man sich mit sich selbst anlegen will. Es könnten ja Dinge aufgedeckt werden, die wir lieber gar nie wissen wollen, weil sie an unserer Selbstsicherheit und unserer Selbstgewissheit nagen und das Ego zerstören möchten.

Meine Aufgabe in diesem Blog ist es, penetrant auf diesen Lebens-Hintergrund jedes einzelnen Menschen, mit teilweise unangenehmen Folgen, hinzuweisen. Und warum tu ich das? Warum erzähle ich nicht Gechichten aus meinem eigenen Leben? Unrecht was mir geschehen ist, Unrecht, das auf der Welt passiert; von Kriegen und von den Bösen, die unsere Gesellschaft vernichten wollen, von dem großen Kapital und von den skrupellosen Finanzhaien, die über Leichen gehen, um ihre nie enden wollenden Gewinne einzufahren und damit ihre Macht ausweiten? Warum beklage ich mich nicht über die unseligen Pharma-Riesen, die immer wieder alte (und neue?) Krankheiten neu erfinden – um jeden Preis – weil sie davon (und nur davon) ihre satten Gewinne einfahren. Nebenbei gesagt: Warum sollten sie uns gesund machen wollen, wenn „gesund sein“ heißt, weniger Umsatz zu generieren? Oder ich könnte mich über all die dumpfen Gemüter ärgern, die einfach nicht checken wollen, was auf dieser Welt alles schief läuft und ich könnte sie bekehren wollen, um ihnen mein Rezept (eines von Millionen) zur Verbesserung der Welt zu predigen!

Oder warum schreibe ich nicht von der blöden Kuh am Postschalter, die mich wegen lumpiger 20 Gramm Mehrgewicht des Pakets wieder nach Hause schickte und die bereits bezahlte Frankierung zunichte machte. Oder ich könnte auch von den ätzenden Computererlebnissen erzählen, von dieser elendiglichen, unleidigen Kiste, die mich jeden Tag auf die Palme treibt, weil deren Innereien (die Chips) nicht das tun, was ich gerne möchte, oder zumindest nicht in der Zeit, die ich gerne hätte, um effizienter zu arbeiten und – eben – Zeit zu gewinnen. Zeit, die ich einst glaubte gewinnen zu können dank der hochheiligen digitalen Technikkuh, was aber einem radikalen Selbstbetrug und Denkfehler gleichkam. Verrat! Überall Verrat und Elend! Und dann diese endlose, Tinte saufenden Billigdrucker-Monster mit hochauflösender Technik, die das Schnäppchen zum Horror machen, weil man für das Verbrauchsmaterial bald einen Kredit aufnehmen muss! Nicht zu schweigen von all den Pennern, die mir tagtäglich den Vortritt im Verkehr abschneiden oder dumme Kommentare abgeben…

Sie sehen, es gäbe genug zu jammern. Dies alles wäre zudem ein gefundenes Fressen für die Seele der meisten Leserinnen und Leser, weil sie sich damit identifizieren könnten, weil ihnen vielleicht jeden Tag dasselbe oder ähnliches zustößt und weil die Klage etwas Entlastendes an sich hat. Weil sie dann selbst ihre unerhörten Geschichten weitergeben könnten, um damit so etwas wie Rechtfertigungs-Glücksgefühle aufzubauen. Wie geil ist das, wenn man „verstanden“ wird, wenn ein anderer Mensch das eigene Leid bestätigt und möglicherweise noch anheizt! Oder Sie könnten ihre Vernichtungsalven herunter leiern, um zu zeigen, wie falsch man mit diesen Aussagen doch liegt, wie wenig man doch begriffen habe und wie es „richtig“ zu sein hat. Das Gefecht wäre somit eröffnet. Und das kann große Befriedigung bringen.

Solche Gefühle bediene ich mit diesem Blog in der Tat nicht. Sie wären es, die erst Geld und Aufmerksamkeit bringen würden. Fragen Sie einen Journalisten. Das Gegenteil wird hier angeregt. Das Selbst-Betrachten. Es erfordert kompromisslose Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Das Motiv hat nie mit Rechtfertigung zu tun: „Aber der oder die sind doch die Schuldigen!?“, sondern mit dem anderen Teil der Geschichte, jenem, der mit mir selbst zu tun hat. Wer dies nicht begreift, der findet das alles möglicherweise bestenfalls laues Zeug. Man kann sich fragen, wozu das Ganze?

Ich bin mir sicher, dass diese Botschaft und die persönliche Arbeit jedes Einzelnen an sich selbst, die Welt massiv verbessern würde! Dass es keine Kriege, keinen Betrug und keine Missgunst, keine Eifersucht und keinen Hochmut mehr geben würde. Dass Aufrichtigkeit, Toleranz und Verständnis diese ewigen Schuldzuweisungen nach und nach ersetzen würden. Dass die sture Beharrlichkeit von religiösen Fanatiker und extremen Gruppierungen, die sich allmählich wieder den mittelalterlichen Praktiken annähert, durch Selbstreflexion ausgemerzt würde, vernichtet würde, in Staub und Asche zerfallen müsste.

Nicht viele wollen dies hören, nicht nur die religiösen Fanatiker nicht, die natürlich zuallerletzt. Aber wie steht es mit Ihnen? Sind Sie bereit? Wie viel Dogmatismus, Tradition, Konvention, wie viele Automatismen und Glaubenssätze (religiöse und materielle) leben noch in Ihnen? Die Fragen sind unangenehm und ich bezweifle, dass sich durch meine bescheidenen Beiträge damit etwas nachhaltig verändern wird, aber ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie bis hierher gelesen haben… und vielleicht ein kleines Licht aufgegangen ist…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

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