Wahrheit in der Politik

PolitikIn keinem anderen Gebiet ist das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit von so zentraler Bedeutung, wie in der Politik. Die Meinung des Volkes wird in der Demokratie von den gewählten Politikerinnen und Politikern in den Parlamenten vertreten. Dies wäre zumindest der Idealzustand der meisten westlich orientierten Staatsformen. Deswegen heissen sie ja auch Demo (Volk) -kratie (Herrschaft).

Der Prozess der Wahrheitsfindung in der Demokratie der vielfältiger Vorgang eines aktiven Volkes. Aus dem daraus entstehenden gemeinsamen Volkswillen werden jene Menschen gewählt, welche – im Idealfall – diesen bekundeten Willen am besten unterstützen. Dabei sind die diesem Prozess vorausgehenden Bekenntnisse der aufgestellten Personen und nicht etwa deren Taten von entscheidender Bedeutung. Je nach hierarchischer Stufe, wo sich diese Menschen befinden in ihrer politischen Laufbahn, hat man immerhin gewisse Anhaltspunkte über ihre, im Laufe der Amtsperiode umgesetzten Handlungen. Man kennt mit der Zeit deren Motive. Vorher aber ist man auf die Worte und Gedanken angewiesen, welche nach aussen vertreten werden.

Das Entscheidende sind aber, gerade in der Politik, die Taten und nicht die Worte!

Wegweisende Ideologen sind in diesem Gebiet allenfalls die Politikwissenschaftler und Experten. Sie liefern vielfach die Grundlagen für die Entscheidungen in den Schaltstellen der Macht. Diese Grundlagen sind für die allgemeine Masse eher undurchdringbar und undurchschaubar. Die Ergebnisse solcher Forschungen (oder Fachkommissionen) werden in die Tat umgesetzt: Seien es die Finanzexperten, die Geschichtsprofessoren oder andere wissenschaftlich, kulturell oder soziologisch tätige Experten. Entscheidungen von der Basis werden so grössten Teils umgangen.

Das alles hat eine gewisse Berechtigung, um die Qualität der Entscheidungen zu garantieren. Aber wie so oft gibt es auch eine problematische Seite dieser Umstände. Wie in allen vorher angesprochenen Bereichen wird auch hier die Autorität, das Vertrauen, auf wenige Personen reduziert und damit ein Machtpotential geschaffen. Ob dieses Machtpotential ausgenutzt wird oder nicht, liegt dann an der Vertrauenswürdigkeit dieser Menschen.

Wir können so die eine Seite der Problematik erkennen: Die beschriebenen Konstellationen sind sozusagen nur Diagnose der gegenwärtigen Sozialstrukturen. Die Frage steht im Raum: Was ist die Therapie? Welche Wege müssten wir beschreiten, damit auf lange Sicht hin das Dilemma von Glauben und Erkennen/Wissen gelöst werden kann?

Im Allgemeinen wird das Problem der vermeintlichen Unwahrheiten und Missverständnisse nicht beim eigenen Erkenntnisvorgang gesucht, sondern alleine am Inhalt . Anstelle von vorhandenen Dogmen werden dann neue herangeholt, von denen Mann/Frau noch grösseres Heil erwarten. Mit anderen Worten: Es wird oft erkannt, dass man bisher nur noch nicht zum „rechten Glaubensinhalt“ gestoßen sei und man deshalb nur weitersuchen müsse. So stützt man sich also nicht auf die eigene Erkenntnisfähigkeit, sondern auf ein in der Zukunft gerichtetes Ereignis, welches von aussen den entscheidenden, „richtigen Inhalt“ an uns herantragen soll.

So löst ein Glaubensbekenntnis jeweils ein anderes ab. Und das gilt genauso in der Politik. Das System der Parteien mag viel Positives gebracht haben in den vergangenen Jahrhunderten. Ebenso gewiss kann man sagen, dass sich die Fronten der verschiedenen Meinungen hinter den Bollwerken der Parteien zunehmend verhärtet haben. Jeder Parteiangehörige erachtet sein Parteiprogramm als die Lösung aller Probleme. Er identifiziert sich mit seinen Inhalten. Könnte er sich nicht identifizieren, würde er nicht beitreten.

Wir haben also den etwas merkwürdigen Fall, dass viele Menschen sich an eine einheitliche Partei- oder Religionsmeinung anklammern und diese nach aussen vertreten, obwohl sie damit ihre individuellen Möglichkeiten einschränken müssen. Dies tun verschiedene Menschengruppen in verschiedenen Parteien mit den jeweils gleichen, unverrückbaren Überzeugung. Die vorgegebenen Inhalte lassen nur wenig Spielraum für die eigenen individuellen Taten zu.
Das so konditionierte Gehirn passt sich allmählich den Inhalten an. Die Hirnwindungen falten sich sozusagen nach dem Parteiprogramm um und entfremden den inneren Wesenskern seines Trägers vom äußeren Vorzeige-menschen. In Konfessionen, Parteien, Gruppierungen aller Art besteht diese Gefahr gleichermaßen solange, bis sie erkannt wird.

Man kann die Sache auch umgekehrt anschauen und es so ausdrücken: Gerade der Umstand, dass dieses oder jenes Programm so oder so geartet ist, hat angezogen, weil es dem eigenen Denken vermeintlich nahe liegt. Man überschätzt indessen die Kraft von Partei- und anderen Programmen gewaltig. Bedenkt man, wie flexibel unser Gedankenleben sein kann/könnte und wie sehr sich die Gedanken entwickeln können im Laufe eines Lebens, dann müssen uns solche vorgefertigten Muster eher behindern als fördern! Das gebunden sein an äußere Inhalte reduziert jede Entwicklungsmöglichkeit. Dort ist Veränderung träge oder gar nicht möglich, weil die so geformten Inhalte verständlicherweise viel weniger beweglich sind. Es gibt Grundmaximen, die uns ein Leben lang begleiten wie z.B. jene nach sozialer Entfaltung, kulturellem Bestreben oder Gemeinschaftsbildung. Es ist sicher so, dass gerade Parteiprogramme viele solche grundlegende Maximen beinhalten und dabei viel Spielraum für die eigene Entfaltung belassen (könnten). Das Grundproblem, die Grundfrage bleibt jedoch bestehen: Wie kann man Brücken bauen zwischen den verschiedenen Ideologien, Religionen, Parteien, Weltanschauungen! Und an diesem Punkt ist man wieder bei der Frage nach der Wahrheit angelangt. Gibt es einen Ort, einen Standpunkt, von dem aus sich die verschiedenen Meinungen verbindend betrachten lassen? Ein immerwährendes Thema in diesem Blog… und einer Frage, der auch mein Buch ¨über Selbstreflexion nachgeht…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Freiheit und Beziehung

frei seinWie frei sind unsere Lebensentscheidungen?

Im Laufe unseres Lebens lernen wir viele Menschen kennen. Was macht es aus, dass manche Beziehungen länger halten als andere? Warum ersticken einige schon im Keim und andere reifen über lange Zeit, ja dauern, manchmal über ein ganzes Leben, nach? Welche Kräfte spielen da mit?

Die ersten Menschen die uns begrüssen sind unsere Eltern, unsere Mutter allen voran! Es ist das erste Gesicht, welches wir sehen und das uns auf der Welt empfängt. Was uns in den folgenden Jahren des Heranwachsens umgibt, sind Menschen, die uns, wie wir sagen „vom Schicksal“ gegeben sind. Meistens sind es die Blutsverwandten, jene Menschen, mit denen wir über den „genetischen Strom“ verbunden sind.

Wir lernen aber im Laufe unseres späteren Lebens noch viele andere Menschen kennen. Die meisten wählen wir selbst aus. Es sind Menschen, die uns, so glauben wir, mehr innerlich nahe stehen. Wahlverwandtschaften. Sei es durch ähnliche Interessen, durch einen ähnlichen Charakter, manchmal vielleicht auch nur durch rein ästhetische Gesichtspunkte. Manche vertragen wir gut, andere weniger gut. Gegen Letztere grenzen wir uns ab oder weichen ihnen aus.

Begegnungen kommen oft ohne unser bewusstes Zutun zustande. Was wir danach damit machen, liegt hingegen in unseren eigenen Händen. So empfinden wir vielleicht auch unsere erste Liebe als ein „vom Schicksal gegebenes“ Ereignis. Wir erwidern dieses Gefühl. Ein Gefühl der Verbundenheit mit einem anderen Menschen entsteht. Was nährt dieses Gefühl? Warum hält es manchmal nur kurz an? Und wenn es anhält, wie „frei“ bleibt es dann? Passen wir nicht einfach unsere Gefühle im Laufe der Zeit den äusseren Gegebenheiten und Bedingungen an? Anders herum gefragt: muss alles ausgetragen und ausgehalten werden, für was wir uns einmal entschieden haben? Wie verhält es sich mit dieser ominösen Aussage: „Bis dass der Tod euch scheidet?“ Woher stammt sie und auf welchem Urteil steht sie? Wie viel Verantwortung können wir uns selbst  mit solchen Aussagen überhaupt zugestehen? Superlative wie diese stammen doch eher aus dem Mittelalter und aus einer noch alten, verkrusteten katholischen Vorstellung heraus, nicht aus einem inneren, freien Entscheid. Basieren sie nicht eher auf einem laschen, wenig tragbaren Gefühl, welches man landläufig „Verliebtheit“ nennt. Wo sind die Grenzen des Durchhalten-Müssens und wo/wie sind die „Abzweiger“ für andere Entscheidungen zu finden?

Fakt ist: Alles Leben ist Entwicklung (Hegel, Goethe, Paracelus uvm. bestätigen dies). Jeder Mensch entwickelt sich individuell. Je mehr wir wach bleiben, uns selbst beobachten lernen und persönliche Entwicklung in uns zulassen, umso mehr können wir in unserem Leben erreichen, beziehungsweise lernen und erfahren. Nur, ebenso gut können wir Entwicklungen durch unsere Gedanken auch hemmen. Das geschieht dann, wenn wir unsere innere Mitte, den inneren Ruhepol verlieren.

Ein Beispiel: Sie müssen schmerzvoll den Tod eines Ihnen nahe stehenden Menschen beklagen. Die Klage, das Leid ist notwendig, um die Gefühle des Abschiednehmens verarbeiten zu können. Die Trauer ist wichtig, um sich innerlich von dem Menschen zu verabschieden, ihn „gehen zu lassen“. Die Phase der Trauer dauert einige Zeit. Dann verlieren sich normalerweise die damit verbundenen Gefühle durch den Abstand. Wenn es uns nicht gelingt, die Gedanken loszulassen, bilden sich immer wieder dieselben starken Gefühle. Diese Gefühle sind schmerzhaft und verursachen viel Leid in uns. Aber wir gewinnen mit der Zeit auch so etwas wie Lust am Schmerz! Der Schmerz kann uns dann ein Gefühl der Verbundenheit mit dem verstorbenen Menschen geben. Aber es ist nur eine scheinbare, keine reale Verbundenheit. Wir ziehen in dieser Weise die Vergangenheit stets von neuem in unser Bewusstsein herein.

Wir tendieren dazu, uns mit den Erlebnissen zu identifizieren und erhalten immer wieder „schmerzvolle Nahrung“. Ohne sie können wir bald nicht mehr leben. Der Prozess kehrt sich jetzt um. Wir sind nun an die Peripherie, dort wo die Gedanken kreisen, gedrängt und haben unsere innere Stabilität, den inneren Ruhepol, verloren. Aus der Stille wird Lärm. Der „Lärm in unserem Kopf“ (wie Eckardt Tolle sagt). Wir ernähren uns von diesen Gedanken, brauchen sie, ziehen sie an und züchten sie so lange in unserem Gehirn, bis sie dort physiologisch, irreversibel und nachweisbar, neurologisch feststellbar, verankert sind.

Doch zurück zur Frage des Schicksals und unseren Begegnungen. Es wird immer die Frage nach der inneren Freiheit bleiben. Manche bestreiten, dass es möglich ist, frei zu sein. Da gibt es verschiedene Begründungen. Andere kämpfen vehement für diese innere Freiheit des Menschen. Wo ist sie denn zu finden, wenn es denn eine solche gibt? Doch nur in uns selbst. Sie ist und bleibt ein individuelles Erlebnis, deren Wirklichkeit sich jeder selbst erarbeiten muss …und kann. Die „Frage der Freiheit“ kann deshalb jeder nur in sich selbst finden…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Wer spricht, wenn Sie Ich sagen?

Bin ich wirklich der, von dem ich meine, ich sei es?

Was meinst du denn, wer du bist? Manche Leute sagen, ich sei ein Christ oder ein Grüner? Bin ich es nun? Was bringt es mir und den anderen, wenn sie wissen, ob ich es bin oder nicht? Sie können sich dann besser ein „Bild“ von mir machen. Viele Leute werden sicherer, wenn sie „es“ wissen, weil sie mich schubladisieren können. Andere Schubladen sind vielleicht: ein Buddhist? Ein Katholik? Sagt man Ja, dann kommt: Aha, jetzt weiss ich, wer du bist! Jetzt kann ich dich „einordnen“! Jetzt bist du für mich einfacher zu fassen, einfacher erklärbar und ich weiss, ich muss mich dir gegenüber so oder so verhalten! Ist doch praktisch! Dann braucht man sich nicht mehr auf die vielen paradoxen Verhaltensweisen des Anderen einzulassen. Sie irritieren uns höchstens.

Aus der Schublade wird meist gleichzeitig ein Vergleich konstruiert mit der eigenen Kiste, in der man steckt. Und dann entsteht das Gut oder Schlecht, die Be-ur-teilung. Und weil man sich meist selbst recht eng einordnet, verfallen mögliche Spielräume einer Begegnung. Nicht umsonst ist man Sozialist oder Konservativ usw. Also findet man dies auch „Gut“. Und alles andere ist demgemäss natürlich „Schlecht“. Alle diese Attribute und Kästchen, worin man Menschen am liebsten stecken möchte sind ausserordentlich bequem, aber auch peinlich. Sie erleichtern einerseits den Umgang, aber andererseits auch den Widerstand, die Auseinandersetzung mit einem menschlichen Wesen. Als solches bin ich in erster Linie ein individualisiertes geistiges Wesen, welches auf der Welt Erfahrungen sammeln möchte, sich entwickeln möchte, reifer werden möchte, die Welt verstehen möchte, fühlen lernen möchte, lieben lernen möchte. Und dazu ergreife ich verschiedene Mittel.

Dazu mögen spirituelle Mittel gehören und Inhalte verschiedener Menschen und Lehrer, denen ich in meinem Leben begegne(te). Es gehören ebenso Bewegungen, „Hand“-lungen dazu, das „Begreifen“ mit den Händen und mit den Sinnen, das Erfahren wollen, das Stürzen, das Traurig sein, das Herantasten an andere menschliche Wesen. Alles ist immer nichts anderes als ein Prozess, ein  lebendiger Prozess. Er heisst Leben! Wir werden ihm nicht gerecht durch unsere festgefahrenen Bekenntnisse. Ich bin. Nicht etwa: „Ich bin Sozialist, ich bin Buddhist“… sondern: „Ich bin“ das ist die einzige Haltung, die dem Menschen gerecht wird. Das Erkennen hört nie auf, es schreitet immerzu fort. Heute bin ich der, morgen ein anderer. Und übermorgen wieder ein anderer. Wie soll es anders sein.

Blockiere ich mein eigenes Sein in einer Schublade, dann nehme ich mir die Möglichkeit des Fortschreitens. Ich erstarre in der Zeit, friere sie ein, blockiere sie. Trete hinaus aus dem einzigen wirklichen und realen Leben: Dem Jetzt, in die Vergangenheit …oder auch in die Zukunft in Form von Illusionen… Vielleicht bin ich heute ein Katholik und morgen ein Buddhist. Dennoch: „Ich bin“ noch immer dasselbe geistige Wesen. Nur eben ein Wesen, was sich verwandelt. Das alles nennt man Leben. Sich diesem Wandeln hinzugeben: ist Liebe. Mein Bekenntnis ist: „Ich bin“ ein Mensch im Prozess, der sich stets verwandelt, stets neue Erfahrungen macht und stets neue Erkenntnisse sucht, um die Welt zu Begreifen. Dieser Mensch ist jetzt auf dieser Erde mit einem Namen, einer bestimmten Statur, einer unverkennbaren Stimme, einem festgelegten Geschlecht. All dies ist „vorgegeben“. Ich verstehe vielleicht nicht warum. Es gibt Theorien dazu, die besagen, dass ich früher schon einmal da war, vielleicht mit einer ganz anderen Statur, einem ganz anderen Geschlecht, einer anderer Stimme und anderen Erlebnissen. Das mag sein. Es kann eine These sein, die vieles verständlich macht. Eine These, die verständlich macht, warum wir doch oft so ungleich und ungerecht auf dieser Welt in Erscheinung treten, mit so unterschiedlichen Bedingungen und Verhältnissen. Theorien haben einen Haken.

Es sind zwar Erkenntnismodelle, die mir helfen, mich zu orientieren in der Welt, aber sie können auch zu Hindernissen werden. Dann, wenn ich nicht immer wieder liebend in den Prozess des Lebens (und das wirkliche Leben findet nur in diesem Augenblick statt) eintauche, immer wieder das Andere zu verstehen versuche. Modelle bleiben Modelle, solange, bis sie Erfahrung werden. Aber auch dafür muss ich offen bleiben: Dass sie zu Erfahrungen werden können! Und dass es Wege gibt, die dahin führen, dass sie Erfahrung werden können, darauf muss ich vertrauen! Möge der innere Führer jeder Individualität ihn dahin führen, solche Erfahrungen machen zu können. Dazu bleibt mir eins zu tun: stets offen zu bleiben für alles, was auf mich zukommt…

Die Leiden des jungen Webdesigners

Bitte stehend deklamieren (…statt sitzend reklamieren)

Nach trister, langer dunkler Nacht
Ist nun das ew`ge Werk vollbracht!
So ziehen letzte Schleier westwärts hin.
Was hier entstand ist uns Gewinn!

Kleine, grüne Elfenmännchen
Singen uns ihr Beifallsständchen.
Es scheint, als ob das Werk gelungen.
Obwohl damit viel Leid verbunden…

Geklärt sind all die vielen Fragen,
Durch Müh und Not und manche Plagen
Sind wir vereint zum Ziel gekommen,
Vom steten Suchen noch benommen.

Und weil`s denn heut so üblich ist,
Dass Kretis, Pletis online ist,
So haben wir uns auch entschlossen!
Als Zeitgenossen unverdrossen…
Das Abenteuer einzugehn:

Wir fanden, ach, so manche Tücken.
Das Web, sagt man, sei voller Lücken.
Und kaum ging`s mal dem Ende zu,
Bracht neues Leid uns aus der Ruh.

So ging es lange hin und her.
Das Ende sah man nimmermehr.
Und wenn ein neues Fünkchen brannte,
Man endlich fern das Ziel erkannte…

– Schon war es, flugs, verloren!
So mancher hat sich da geschworen:
Das tu er sich jetzt nicht mehr an!
Gebrochen werden muss der Bann!

Ein jeder wuchs zu neuer Reife.
Und weiter ging`s im selben Tritt.
Und wenn ich`s heut auch kaum begreife:
Zu Ende ging der lange Ritt!

So lasst uns jetzt gemeinsam feiern!
Mit Pauken, Zimbeln, Flöten, Leiern,
Und gebt dem Auftritt gut`s Geleit:
Dann sind auch wir vom Stress befreit!

Urs Weth

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie

Die Kunst der Kunst

Gross, laut, grell, spektakulär, gigantisch. Alles Attribute, die gegenwärtig zum Renommee eines Künstlers von Rang und Namen gehören. Nix von leise, still, bescheiden, klein oder intim. Die Beschaulichkeit des Berührtseins, das geheimnisvolle Etwas stehen hinter dem Effektvollen, Sensationslüsternen, gigantischen. Die leisen Töne fehlen. Wenn sie da sind, verschwinden sie hinter dem grossen scheppernden Klang der Kunstwelt. Sie geben sich bescheiden, fast schon anmassend bescheiden, die kleinen Künstler, die „nur“ aus Begeisterung und der reinen Freude am Tun arbeiten. Sie können nicht leben von dem was sie schaffen. Sie verbringen unendliche Stunden in ihrem stillen Kämmerlein, am Feierabend, in freien Stunden.

Mona Lisa hätte heute kaum mehr eine Chance in die Ränge zu kommen. Leonardo arbeitete fast ein ganzes Leben an ihr, immer wieder, nahm sie überall mit, wohin er auch ging. Strich mal da, mal dort sanft über die Wangen und ließ es auf sich beruhen. Dies tat er bis fast an sein Lebensende. Kurz vor seinem Tode zeigte er sie erstmals hohen Kirchenvätern und bezauberte diese. Sie war noch nicht vollendet und würde es auch nie sein…

So etwas heute? Die lauten Töne brauchen zu viel Rauch und haben wenig Feuer. Dafür umso mehr Klugheit, Intelligenz, oder besser Schlauheit. Es ist die Schlauheit des Händlers, der genau weiß, was für die Masse taugt. Bescheiden geben sie sich jedenfalls schon lange nicht mehr. Das stille Kämmerlein wird mit grossen Fabrikhallen getauscht. Der Pinsel mit Schweissapparaten und Baumfällerwerkzeug. Wer die anderen übertönt, hat schon gewonnen. Wer die beste Werbekampagne macht, geht als Sieger davon. Eine gute Idee genügt. Was geht über die Idee hinaus? Was schafft den Mehrwert – in uns?

Darüber streiten sich seit Jahrzehnten die Kunstkritiker. Sie raufen sich die Haare und jeder findet ebenso gute Argumente dafür, wie dagegen. Alles kann unter diesem Aspekt ebenso gut Kunst sein, wie es Nichtkunst sein kann… es kommt auf die Argumente an…

Lob der Mundart

hochdeutschGunnar Decker schreibt in seiner Hesse Biografie: „Es entspricht Hesses Selbstverständnis zu Beginn der dreißiger Jahre, zu sagen, er habe den ästhetischen Ehrgeiz, Literatur zu machen, gänzlich verloren.“ Dazu schrieb dieser am 14. November 1926 an Heinrich Wiegand, er schreibe keine Dichtung, „sondern eben Bekenntnis, so wie ein Ertrinkender oder Vergifteter sich nicht mit seiner Frisur beschäftigt oder aber mit der Modulation der Stimme, sondern eben hinausschreit.“

Wie schreibt man „richtig“?
Akademisch, gelehrt… sodass die Literaturkritiker sich lobend erheben und Beifall klatschen… oder gerade nicht, weil sie der anderen Gattung angehören?

Oder anders herum gefragt, was nennt Mann/Frau „richtig“ oder „falsch“? Sind die Sätze umständlich aufgebaut? Schreiben ist eine Kunst, gewiss. Aber was für eine? Welche Normen gelten, welche Kriterien kennzeichnen den „guten“ Schreibstil? Wiederholungen vermeiden? Satzbau akribisch kontrollieren? Dialektwörter tunlichst vermeiden? Länge des Satzes kontrollieren? Füllwörter so wenig wie möglich verwenden und natürlich die Grammatik penetrant überarbeiten! Der Leser, die Leserin müssen es nicht nur lesen und verstehen können, sondern wieder zurückübersetzen in seine/ihre eigene Gedankenwelt!
Nicht wenige Schriftsteller wurden zu ihrer Zeit mit dem Prädikat untauglich abgestempelt, um später als große Autoren entdeckt zu werden!

Ein Text-Beispiel:

„Drinnen in der weiten, reinen Küche knisterte ein mächtiges Feuer von Tannenholz, in weiter Pfanne knallten Kaffeebohnen, die eine stattliche Frau mit hölzerner Kelle durcheinanderrührte, nebenbei knarrte die Kaffeemühle zwischen den Knien einer frischgewaschenen Magd; unter der offenen Stubentüre aber stund, den offenen Kaffeesack noch in der Hand, eine schöne, etwas blasse Frau und sagte: »Du, Hebamme, röste mir den Kaffee heute nicht so schwarz, sie könnten sonst meinen, ich hätte das Pulver sparen mögen. Des Göttis Frau ist gar grausam mißtreu und legt einem alles zuungunsten aus. Es kömmt heute auf ein halb Pfund mehr oder weniger nicht an. Vergiß auch ja nicht, das Weinwarm zu rechter Zeit bereitzuhalten! Der Großvater würde meinen, es wäre nicht Kindstaufe, wenn man den Gevatterleuten nicht ein Weinwarm aufstellen würde, ehe sie zur Kirche gehen. Spare nichts daran, hörst du! Dort in der Schüssel auf der Kachelbank ist Safran und Zimmet, der Zucker ist hier auf dem Tische, und nimm Wein, daß es dich dünkt, es sei wenigstens halb zuviel; an einer Kindstaufe braucht man nie Kummer zu haben, daß sich die Sache nicht brauche…“

Haben Sie erraten, von wem das ist? Richtig, von Jeremias Gotthelf mit einer der bekanntesten Erzählungen des deutschsprachigen Raumes: „Die schwarze Spinne“. Der Text hat Herzblut und Seele. Und das ist das Wesentlichste! Klar kann man an die Gedanken, die man fürs Erste fliessend hinschmeisst, um ihnen eine angemessene Form zu geben, gehörig nachmodulieren, nachformen, kann ihnen die Länge nehmen (wie diesem hier z.B.), sie stutzen, komprimieren, deren Aussagen raffen und gemäss allen Regeln des Schreibens zurechtbiegen. Und dann die Dialektbegriffe entfernen, weil sie dem preussischen Ohr nicht gut tun könnten. Die Frage bleibt offen: Warum ist des Preussen Deutsch eigentlich das „Richtige“? Könnte doch auch bayrisch sein, oder Kölsch…

Wenn wir aufmerksam sind, bemerken wir, dass es Konventionen sind, die uns an den Regeln des Schreibens (und des Lebens) festklammern lassen. Sprache ist individuell, die Begriffswahl ebenso. Sie sind an das Denken und an die Wahrnehmung gebunden und insbesondere an die Vorstellungen, mit welchen wir durchs Leben ziehen. Gelernt ist gelernt. Wozu denn Germanistik studieren, wenn der Kaminfeger es besser könnte. Schreiben ist aber vor allem auch an die Seele des Schreibenden gebunden. Man schreibt während dem man fühlt und bringt das Gefühlte wieder in die Form der Begriffe hinein. Wie schwer ist das! Sprache ist umfassender als das, was die Begrifflichkeit abzudecken vermag. Sprache ist alles, ist Kommunion, sich dem anderen verständlich machen, so dass er begreift, was ich fühle und im Herzen angesprochen wird. Das ist sie doch: die eigentliche „Kunst des Schreibens“. Ein stetes Ringen um Bewusstsein in der Auseinandersetzung mit Worten. Letztlich sind es immer die Worte, die Begriffe, die klären, erklären, was wir fühlen. Selbst ein Bild, eine Form, ein Musikstück, Bewegung wird erst erkennbar und begreifbar, wenn es im Mantel des Begriffs „erscheint“. Nenne man es einen Roman, eine Novelle, eine Geschichte, ein Märchen, ein Traktat, eine Rezension oder was auch immer… es ist, was es ist, der Aussage entsprechend.

Die Reflexion an den Gegenständen der Welt, zu denen auch Gefühle gehören, zu denen die Kunst gehört, alles, was unsere sieben oder meinetwegen zwölf Sinne erfahren und erleben, wird gemessen an der Begrifflichkeit unserer Gedanken… Sprache, Schreibkunst ist in diesem Sinne in erster Linie das authentische Erleben, Einleben und übersetzen dieser Wahrnehmungen in Worte, Sätze… Oft ist der „schön“ gebildete Satz einer „ästhetischen Literatur“ ein Blendwerk, welches an den Tatsachen der Welt vorbeidichtet ohne dies zu bemerken. Das Sprechen und das Schreiben ist sehr individuell und an jene Sprache gebunden, die uns im Herzen berühren kann und das ist in der Regel die Muttersprache, die „Mundart“… sie ist das unmittelbarste, ehrlichste und authentischste Ausdrucksmittel… Das Beschönigen kommt oft einem Bruch gleich, der Ästhetik und Gesetz vor Sinn und Herz stellt.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

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