Sommermärchen

Kätzchen* So manches Sommermärchen wird im Winter zum eisigen Melodrama. Liebe, Licht und Leben sind grosse Worte hinter denen oft nur ein seichtes Tümpelchen von Illusionen und leeren Phrasen steckt. Allein die Begriffe lassen so manchen Esotümpler abheben. Doch Name ist, wie es so schön heisst, “Schall und Rauch“. Die Verwicklung in Schwelgerei und Phantastik, dörrt wohl jeden gesunden Menschenverstand aus, verführt ihn in die Abhängigkeit obskurer Geister, (…die er selber rief). 

So erlebe ich oft die Grundstimmung gleichnamiger oder ähnlich betitelter Social-Gruppen. Das rein gedanklich-philosophische gilt oftmals als DIE Entwertung jeder spirituellen Ausrichtung. “Mit dem Herzen denken“ und ähnliche Gleichungen verhärten sich als kopfige Denkmuster im Eigner derselben: Das Kind wird mit dem Bade ausgeschüttet. Ebenso gut können wir “Meditation“ mit “Dösen“ gleichsetzen. So hallte es in diesen Gruppen zu Hauf nach, wie in diesem Beispiel: “Ich bin heute traurig. Wer kann mir eine Umarmung schenken“. Dergleichen tiefsinnige Bemerkungen brachten es mal locker auf über 600 Likes und fast ebenso vieler Kommentare in wenigen Stunden. Darunter fehlten auch Dutzende von den “herzigen“ Kätzchen nicht, deren Aura wohl zur Grundausrüstung solcher Spiritualität gehören*. Artikel mit tieferem Inhalt bringen nur selten auch nur ein einziges “Like“ zustande, weil deren lesen zuviel Anstrengung kostet und zuweilen auch Unverständnis ernten. Das klingt nach Rache und maßloser Eifersucht. Fehlinterpretation. Solche Gefühle spielen allerdings kaum eine Rolle. Vielmehr ist es Trauer und ein bisschen Wut wohl auch, insofern ein spirituell orientierter Mensch sich eine solche überhaupt erlauben darf; ja Wut über so viel Dumpfheit und Stumpfsinn! Darüber hinaus stellt sich zugegebenermaßen eine permanente Resignation bei mir ein. Denn wie wenig sind viele scheinbar, gerade in solch seichtem Gefilde, bereit, die vorrangigste menschliche Fähigkeit, das Denken, auszuschalten und sich mangels gesundem Menschenverstand und Unkenntnis ihrer Psyche und Bereitschaft zu deren Erkenntnis in äußerst schwierige Lebenssituation manövrieren…

Ich will keineswegs behaupten, dass wir den blossen Intellekt überbewerten und loben und die kalte Abstraktion auf ein hohes Podest stellen sollten. Ein „verlebendigtes“ Denken befreit uns indessen gerade davon: von Abstraktionen und allegorischem Gesäusel! Lebendig oder nicht, die Frage danach wird nirgendwo richtig klar und deutlich gestellt. Ich versuche genau diesem Aspekt gerecht zu werden. Vieles wird in solchen Kreisen in denselben schwammigen Topf geworfen, in die kleinkarierten Kisten unserer Vorurteile und Gewohnheiten gestopft und verpackt, wie jene konservativen, traditionellen, die sie gerade verurteilen. Dabei wird begreiflicherweise das Image der Esoterik nicht gerade verbessert. Das ist sehr, sehr schade! Denn die Überwindung des materialistischen Tuns, Fühlens und Denkens wird meines Erachtens in unserer Zeit dringender als je gefordert. Aber gewonnen wird durch die Gefühlsmystik rein gar nichts. Das Erwachen in die lebendige, reale Welt könnte in der Tat zu einem Sommermärchen werden…

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*Achtung, das Kätzchen als Titelbild ist nur ein Lockvogel…;-)

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und „Ursli und der Traum vom Schiff“, ein Kinderbuch auch für Erwachsene…

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