Der Schablonenmensch

SchablonenmenschWir sind als Naturwesen und als Gesellschaftsmitglied in feste Strukturen eingebettet. Im Kindheitsalter sind diese Strukturen noch relativ wandelbar. Beim Verlassen der Kindheit sammeln wir unzählige Erfahrungen und Erlebnisse und bündeln sie in unserem Gehirn zu neuronalen Schablonen und festen „Datenbahnen“.

Dadurch schaffen wir ein abgeschlossenes Gefäß, gefüllt mit einschlägigen Erlebnissen, die wir durch Prinzipien geformt und eingepresst haben. Dieses Konstrukt tragen wir fortan durch unser ganzes Leben. Wir richten unsere Wahrnehmungen darauf aus. Der Verlauf dieses Lebens bleibt zwar potenziell wandelbar, unsere Erkenntnisse tendieren jedoch zur Verhärtung. Diese abgeschlossene Form nähren wir ab und zu mit Bestätigungen von außen oder begründen sie, rechtfertigen sie durch Provokationen anderer. So befestigen wir sie in ihrer Grundstruktur andauernd. Dadurch verdicken wir unsichtbare Mauern gegen außen und schließen uns immer mehr in diesem virtuellen Kerker ein.

Unser Handeln wirkt mit zunehmendem Alter normiert. Die Natur entlässt uns irgendwann mit zwanzig, dreißig Jahren und beendet ihre Wirksamkeit an unserer körperlichen Entwicklung. Die Gesellschaft und das soziale Leben wirken unentwegt weiter. Die Interaktionen befestigen sich somit nachhaltig. Das Agieren wirkt automatisiert, angepasst, etikettiert. Verständnis gegenüber Fremden, Andersdenkenden in tieferem Sinne bleibt aus, weil die geistige Beweglichkeit verloren geht. Etikette trifft auf Etikette. Maske auf Maske. Handlungsnormen, Sitten und Gebräuche, Traditionen und Gewohnheiten prägen den Routinealltag unseres Lebens.

Ein düsteres Bild von fertigen Automaten, schattenhaften Robotern zeichnet sich ab. Ist es überzeichnet dargestellt? Wie war das in den Dreissigern, Vierzigern? Und leider nicht nur damals. Nach außen wirkt alles oft relativ lebendig und es funktioniert in gewissem Rahmen auch ganz gut. Nach innen entstehen Frustration und Täuschungen, die entlarvt (ent – täuscht) werden müssen, Misstrauen und Verständnislosigkeit. Das gesellschaftliche Leben korrigiert sich in diesem Kontext weniger durch wahrhaftige Einsicht, als vielmehr durch Anpassung. Größere Korrekturen geschehen leider nur durch Katastrophen. Die Tatsache, dass es in dieser Abgeschlossenheit funktionieren kann, täuscht über die desolate Situation hinweg. Wahrhaftige Begegnungen und wirkliche Freundschaften werden immer rarer, „freundliche“ Feindschaften immer grösser.

Der Schablonenmensch isoliert sich in seinem eigenen, festgefahrenen Käfig der Meinungen, Dogmen und Prinzipien. Er sieht das letzte Stadium der Entwicklung der Menschheit darin, das Beste daraus zu machen und durch immer detailliertere, eindringlichere, pointiertere und raffiniertere Gesetze und Richtlinien, der Gesellschaft einen scheinheiligen und „gesicherten“ Überbau einzupflanzen. So soll der Kitt geschaffen werden, der zusammenhält, was sonst zerfallen müsste. Doch der Schein trügt. Diese Entwicklung hat ihre Grenzen. Die notwendige Folge sind immer mehr „Lücken im System“. Dadurch werden Kriege geschürt und Krisen provoziert. Das Ende ist ein notwendiger Kampf aller Egos gegeneinander.

Zum Glück ist dieses düstere Menschenbild nicht definitiv und abschließend vorgezeichnet! Es bleibt immer der berühmte Funken der Hoffnung aufrecht! Jeder Schatten wird von einem Licht geworfen. Ein stilles Licht, welches in uns aufleuchtet und einen kleinen freien Raum offen lässt, eine kleine Tür, die wir jederzeit öffnen können…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Vom Sinn des Lebens

Sinn des Lebens Irgendwann in ihrer weltlichen Karriere stellen sich viele Menschen die Frage nach dem „Sinn ihres Lebens“. Nur wenige sind fraglos zufrieden und glücklich mit dem, was sie haben, auch (oder gerade?) wenn sie viel besitzen.
In meiner Tätigkeit als Therapeut wurde ich in den letzten zwei, drei Jahrzehnten häufig mit Sinnfragen aller Art konfrontiert, die im Grunde immer auf ein „zu sich kommen“ hinzielen. Nur, was heißt „zu sich kommen“?

Begegnet man Menschen, die sich intensiv mit spirituellen Fragen beschäftigen, hört man oft unterschiedliche „Weisheiten“ zu dem Thema, die manchmal sehr unbefriedigend sein können. So hört man dort auch oft den Einwand, dass man nicht zuviel darüber nachdenken sollte, was der „Sinn des Lebens“ sei, sondern lernen müsse, mehr „in sich hinein zu fühlen“. Die Frage allein schon, so heißt es dann, zeige auf, dass man zu sehr „im Kopfe“ sei, was ein Hindernis in der spirituellen Entwicklung bedeute. Die „Suche“ nach dem Sinn des Lebens, heißt es dann oft, höre dann ganz auf, wenn man im „Jetzt“ angekommen und gegenwärtig „geworden“ sei, sich quasi „gefunden“ habe. Hm, schön erklärt, dann nichts wie los, fangen wir gleich damit an! Hören Sie also auf zu denken!

Da diesen Anspruch (des im „Jetzt“ lebens) die meisten Menschen (noch) nicht erfüllen können und man in der Gegenwart auch nicht „geworden ist“ (sondern zeitlos „ist“), stellt sich die Frage halt weiterhin und von neuem – und man kommt zunächst nur mit Denken weiter. Mit dieser Antwort ist also nicht viel gewonnen. Verkürzt hieße die Lösung des Problems für mich vielleicht etwa so: Der Sinn des Lebens besteht darin, Erfahrungen zu sammeln, um sich weiter zu entwickeln. Was damit aber nicht beantwortet ist und zuweilen einen fahlen Geschmack hinterlässt ist die Frage, für wen oder wozu man dies denn tun solle, was bringts, wem hilfts? Für sich selbst? Sozusagen, als Ego-Trip? Hm, unbefriedigend. Für die „Verbesserung der Welt“ oder der Schaffung „kultureller Vielfalt“ usw? Doch was ist „besser“? Und warum soll man das Denken dabei ausschalten? Stehen die Gefühle tatsächlich höher als die Gedanken? Oder ist dies ein Trugschluss?

Immerhin haben Sie jetzt schon kräftig mitgedacht und womöglich den Kopf hin und wieder in die eine oder andere Richtung bewegt. Bis hierher haben Sie übrigens schon die durchschnittliche Seitenbesuchsdauer auf diesem Blog erreicht! Sie können jetzt also getrost wegklicken…

Sollten Sie aber dennoch unbedingt weiter lesen wollen, so fragen Sie sich, warum Sie dies tun und warum Sie den Kopf geschüttelt haben. Weil Sie vermutlich eine eigene Meinung dazu gebildet haben? Möglich, sonst hätten Sie sich kaum für den Artikel interessiert oder schon gar nicht weitergelesen. Das Bewegen Ihres Kopfes bestätigte – oder tadelte – die von mir angeführten Gedanken. Das heißt, dass Sie sich bereits im Laufe der Jahre ein persönliches, nämlich Ihr (Lebens-) Konzept erarbeitet haben. Aus dessen Erfahrungsschatz beziehen Sie nun Ihre Urteile. Und davon möchten Sie sich jetzt womöglich nicht so leicht umstimmen lassen! Ein solches Konzept ist zum Beispiel jenes einer Gefühlsmystik? Wie auch immer Ihres aussehen mag, es beruhte und beruht jedenfalls auf intensivster gedanklicher Arbeit Ihrerseits. Wenn Sie jetzt damit auf die Welt blicken, können Sie relativ schnell eine Einschätzung diverser Situationen zu verschiedenen Themen abgeben. Ihre Gefühle richten sich indessen ganz an das von Ihnen geschaffene Weltbild. Sie empfinden Missmut, wenn Ihnen etwas widerfährt, was sich in der Abgleichung mit Ihren eigenen Konzepten wenig oder gar nicht decken lässt. Und das Gegenteil passiert Ihnen im Fall der teilweisen oder totalen Übereinstimmung. Dann nämlich sind Sie vermutlich glücklich mit dem vorgebrachten oder gelesenen.

Mag sein, sagen Sie, aber was hat das Ganze nun mit dem Sinn des Lebens zu tun? Scheinbar wenig – und doch sehr viel! Will heißen, Ihre persönliche Situation und das Leid, die Freude im Leben, hat immer mit einer dieser inneren „Abstimmungen“ oder „Abgleichungen“ der anderen Inhalte zu tun. Glück oder Unglück fühlen sich an wie gestimmte oder ungestimmte Saiten auf dem Instrument Ihrer Seele. Dies lässt Sie hoffen oder zweifeln, lieben oder hassen. Das ist alles?
Sind wir also, so kann man sich jetzt fragen, hoffnungslose Automaten, nur immer dem Wind, den Wellen oder dem Sturm eines inneren Seelenmeeres ausgeliefert? Heißt die Losung des Übels bestenfalls „positiv denken“ um einigermaßen über die Runden zu kommen? Und was ist der Sinn dahinter?

Allein das Gewahr werden dieser Tatsache enthüllt so manches Leid. Und insofern Sie dies immer näher an der Gegenwart tun (und nicht erst im nachdenken oder reflektieren!), enthüllt sich Ihnen auf einmal etwas Neues. Dieses „dahinter erleben„, deckt eine Schicht ab, unter der Sie zuvor eingehüllt, sozusagen eingenebelt waren. Nur aus dieser neuen Perspektive heraus, in der Selbstbeobachtung (neudeutsch Selbst-Reflexion), können Sie auf sich selbst blicken oder eben zu sich selbst kommen. Damit treten Sie heraus aus der „Gefangenschaft“ Ihrer Seele. Die Wellen können Ihnen nichts mehr anhaben, denn Sie wandeln jetzt auf ihnen (wie Jesus dies getan hat, ein sehr schönes Sinnbild!!). Aus dieser neuen Perspektive heraus begreifen Sie erst ihr wahres Leben, ihr Schicksal und Ihr Verhalten!
Dies geht selten von heute auf morgen, sondern ist mit steter Übung verbunden. Immer wieder werden wir dabei fallen (oder absaufen)! Wir sehen aber dieses „Licht am Ende des Tunnels“ stets deutlicher und richten unser Leben mehr und mehr darauf hin aus.

Der Eintritt in das Innerste hat begonnen. Das ist der primäre Sinn des Lebens…

Nur ist dies kein Ego-Trip. Denn dieses Ego haben Sie soeben verlassen. Und Sie werden erst jetzt die wirkliche Verbundenheit mit der Welt erfahren können. Damit aber hat sich wohl auch die zweite Frage erledigt, jene nach dem wozu und für wen. Alles ist immer für alle, aber immer aus Ihrer intuitiv erfassten, individuellen, situationsangepassten (moralisch abgestimmten) und somit freienTat heraus, will heißen aus dem JETZT.
Das klingt zunächst unverständlich und schmeckt sehr nach bloßem daran glauben und diesem viel beschworenen Wir-Gefühl der Eso-Szene. Und dennoch kennen die meisten Menschen dieses Erlebnis wenigstens ansatzweise. Nur vergisst man es (oder besser: sich selbst) ständig wieder. Kaum hat uns die Nebeldecke der Vorstellungen und Glaubenssätzen wieder erfasst und eingelullt, ist es schwer, an eine Sonne darüber zu glauben. Da hilft nur dranbleiben…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Zusammenbruch des Systems…

ZusammenbruchDas klingt bombastisch: Der Zusammenbruch des Systems! Zunächst ist hier aber „nur“ das „persönliche System“ eines Einzelnen gemeint. Und das kann durchaus dramatisch sein. Dennoch stellt sich mit jeglichem „System“, was geschaffen wird, auch die Frage nach der Freiheit und die ist immer auch überpersönlich aufzufassen!

Alban W. hat alles verloren, oder fast alles. Da war die Trennung von seiner Frau im letzten Jahr, dann die Abwendung der eigenen Kinder von ihm und – als ob das allein noch nicht genug war – verlor er beinahe alle seine engsten Freunde, weil diese sich mit der Frau „loyalisierten“. Dazu kamen situationsbedingte Alkoholprobleme. Und es kam noch schlimmer. Seine selbständige Erwerbstätigkeit kam ebenfalls bald ins Wanken und er erlag schließlich dem Druck. Die Zeiten hatten sich eben geändert und er spürte den Einbruch der Konjunkturlage in den letzten Jahren so schmerzlich und hart, dass er seine Tätigkeit, die er übrigens immer mit großer Begeisterung und Freude über 20 Jahre lang ausgeführt hatte, aufgeben musste. Bisher brachte seine Ex-Frau den besseren Teil des gemeinsamen Einkommens auf und schuf damit eine sehr stabile, finanziell unabhängige Situation.

Eine Stelle bekam er mit seinen 59 Jahren nicht mehr. Es war in diesem Alter nicht daran zu denken, noch irgendwo unterzukommen. Überall werden „junge, dynamische“ Leute bevorzugt, solche die zwar noch wenig Lebenserfahrung hatten, aber auch weniger kosteten (und besser lenkbar waren). Nicht dass Alban etwa stur gewesen wäre, was man umgekehrt den Alten, oft berechtigt, vorwerfen kann; im Gegenteil, er war das sanfteste Lamm, das man sich vorstellen konnte und dabei war er immer äußerst flexibel und sensibel gewesen. Selbst enge Freunde, die er noch zu haben glaubte, kümmerten sich nicht um ihn, sahen seine aussichtslose Situation nicht oder wollten sie nicht wahr haben. Es wäre für manch einen von ihnen ein leichtes gewesen, dem „Freund“ irgendeinen Billig-Job anzubieten und sei es als Chauffeur oder Laufbursche in einer Bank, was er selbst dankend angenommen hätte. Stattdessen entfernten sie sich stillschweigend aus dessen Gesichtskreis, da seine Anwesenheit ihnen meistens unpassend oder sogar peinlich erschien.

Er selbst hatte längst gelernt mit 1500.- CHF im Monat auszukommen, was für Schweizer Verhältnisse mit einem durchschnittlichen Einkommen von 4000.- CHF und einer „Existenzuntergrenze“ von 3000.- CHF schon eine sehr akrobatische Leistung war. Ihm machte es nichts aus. Er verwendete sein letztes „Erspartes“, um so wenigsten noch ein paar Monate überleben zu können – bis alles aufgebraucht war. Da gab es noch einige Minijobs, die ihm immer wieder ein paar Franken einbrachten. So lebte er „von der Hand in den Mund“, wie man so schön sagt.

Er musste auf seine vielen und hochkarätigen Talente, die er unter anderem in leitender Funktion und in zahlreichen Jobs genügend bestätigt hatte, und die er über einige Jahrzehnte im Dienste der Öffentlichkeit und mit hohem Idealismus und sozialem Engagement erbracht hatte, fortan verzichten. Sie wurden nicht mehr gebraucht. Aus, fertig, Schluss. Seine „erste Karriere“ als führende Kraft in der Baubranche, hatte er vor bald 30 Jahren hinter sich gelassen, um fortan diesen im Laufe der Jahre gewachsenen Idealen nachzukommen. Er pflegte sie immer behutsam. Nun war er am Nullpunkt angelangt. Sein persönliches „System“ war zusammengebrochen.

Nun galt es, sich in solcher Weise am Leben zu erhalten, um wenigstens nicht in die bürokratischen Räder des „Sozialstaates“ zu gelangen; in die Fänge der Sozialwölfe, die ihm die letzte Achtung rauben würden und ihm das Gefühl gäben, für nichts mehr nütze zu sein. Er wollte unter allen Umständen wenigstens diese letzte Ehre seiner selbst aufrechterhalten und sich nicht untertänigst in finanzielle Abhängigkeit eines solchen Molochs begeben. Das würde nichts anderes heißen als, Sozialgeld zu beziehen und in einen Teufelskreis, den er bisher niemandem gewünscht hatte, zu gelangen. Das würde aber auch heissen, an irgendwelchen Arbeitsprogrammen teilnehmen zu müssen, die in ihm jede Möglichkeit aushöhlten, sich selbst wieder auf die Beine zu stellen, weil sie ihm die Energie und die Zeit raubten, die er dafür benötigen würde, um etwas Neues aufbauen zu können. Und all diese sinnlosen „Arbeitsbeschäftigungsprogramme“, die nur im Dienste der knapp bemessenen und gut kontrollierten „Almosen des Staates“ geschaffen wurden, und aus deren Spinnennetz sich zu befreien jede noch verbleibende Motivation untergraben würde.

Item: Sein persönliches System war also zerbrochen. Das System, in dem er eingebettet war, in dem er seine Vorstellungen verwirklichte, in dem er sein (dem Stand entsprechendes) soziales Umfeld schuf, seinen Status pflegte. War es sein Traum gewesen? Sein Traum? Er begann zu zweifeln. War es nicht richtig, daraus auszubrechen, als er fühlte, dass es ihn nicht mehr wirklich innerlich weiterbrachte? Hätte er das Spiel der ewigen Maskeraden weitertreiben sollen, die ihm auferlegt wurden, oder denen er sich mehr oder weniger unfrei stellte, nur um nicht in diese Situation zu kommen? War es so erstrebenswert, diesem (äußerlichen) aufgeputzten und geschminkten Weltbild nachzujagen, um ständig nur den erreichten Status aufrecht zu halten und weiterzutreiben?

Der Zusammenbruch des persönlichen Systems blieb ihm, bei aller Dramatik, die damit verbunden war, kein persönlicher Verlust. Im Gegenteil, er (der Verlust) konnte ihm dazu verhelfen, den persönlichen, inneren Durchbruch zu schaffen! Nicht im äußeren Sinne, aber in seiner inneren Entwicklung wurde er dadurch reifer und authentischer! Er schuf sich einen neuen, erstaunlich freien Raum, in dem er, unabhängig vom materiellen Reichtum und unabhängig vom Spiel des persönlichen Ansehens, er selbst bleiben konnte. Es ist nicht das Materielle, was seine innere Entwicklung trug und stützte, dessen wurde er sich jetzt voll bewusst. Je stärker die Verkettung mit dieser äußeren Welt blieb, umso schwieriger schien es ihm, das Wesentliche in ihm selbst zu finden, um das es ihm immer ging.

Andere schaufelten sich in ähnlichen Situationen ihr eigenes Grab. Alban W. schuf (und schaufelte) sich den inneren Freiraum, den er als begüterter Mann niemals hatte, erst in Armut. Man kann sich fragen, ob ein Zusammenbruch jeden Systems, auch eines weltweit geschaffenen (Finanz- und Gesellschafts) Systems, nicht heilende Wirkung auf die Gesamtsituation in der Welt haben würde.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Freuen Sie sich über Ihre Ausraster!

Borussia Dortmund coach Klopp celebrates his team's victory over Eintracht Frankfurt after their soccer match in FrankfurtWir erleben tagtäglich Situationen, die uns zuwider sind und uns zu Handlungen oder Aussagen verleiten, die wir nicht mehr im Griff haben, wo wir „die Beherrschung verlieren“. Manche sind „berechtigt“, wie wir meinen, andere bereuen wir vielleicht, weil wir im Nachhinein erkennen, dass es Überreaktionen waren, die wir besser unterlassen hätten.

Bereuen oder nicht, freuen Sie sich auf jede solche Situation, denn sie bringt Sie immer ein Stück näher zu sich selbst! Ob „bekloppt“ oder nicht: Jeder Ausraster, jeder Ärger, jede Emotion oder Überreaktion, ist ein Rest einer verborgenen Energie im Unterbewusstsein, eine unbeleuchtete Ecke Ihrer selbst, die Sie noch nicht verwandelt haben. Sie deckt etwas von uns auf, legt es quasi frei. Der Grund, warum wir das meistens nicht so wahnsinnig toll finden, ist Mangel an Distanz zu unserem kleinen ichlein!

Jede verborgene Ecke zeigt einen noch unbearbeiteten Acker oder Fleck in Ihnen. Das wollen wir in der Regel nicht wahrhaben und deswegen distanzieren wir uns lieber von ihm, als dass wir ihn anschauen. Dabei wäre es jedes mal eine Riesenchance, die sich gerade in solchen Situationen auftut. Entweder sind alle anderen schuld, blöd, schlecht oder was auch immer, oder wir verdrängen die Emotionen, die sich uns zeigen. Dass sie dadurch immer wieder von Neuem auftauchen, ist nicht weiter verwunderlich.

Wenn wir es schaffen, den Blick nach innen zu kehren und diese Emotionen anzuschauen, dann haben wir viel gewonnen! Das ist ungewohnt und es schmerzt, es tut weh! Niemand schaut sich gerne selber an! Wir haben gelernt, recht zu haben und dieses Recht auch unter allen Umständen zu verteidigen, auf Teufel komm raus! Passiere was will, erst zuallerletzt fällt der Blick auf sich selbst.

Es ist dieser verdammte Stolz, diese verdammte Arroganz, diese verdammte Sturheit, diese verdammte Engstirnigkeit, diese verdammte Rechthaberei, diese verdammte Aggression die uns zurück ziehen lässt in den engen Raum des kleinen Egos! Es schmerzt und wir leiden im Grunde ohne Ende in diesem persönlichen Kerker. Dennoch ziehen wir es vor uns zu verteidigen, um ja nichts aufzudecken, was uns vor der Welt in ein schlechtes Licht bringen könnte…

Dabei ist es nur ein klizekleiner Schritt, der zu tun wäre!
Die Umkehrung des Blickes nach innen!
Versuchen Sie es: beim nächsten Mal…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Ich gestalte, also bin ich…

„Meditationen eines Bildhauers…“ im Spiegel der Gesellschaft…

wasseroberflächeDies gleich vorab: Nicht die Form trägt die Kraft meiner Skulpturen in sich, sondern die Fläche. Diese „bahnbrechende“ Entdeckung machte ich heute für mich – oder besser und einfacher gesagt, es wurde mir plötzlich klar… und dies sind ganz überraschende, daraus folgende Gedanken dazu.

Die Form des Wassers zum Beispiel, sie ändert sich in jedem Moment. Sie ist niemals gleich. Würde man einen Ausschnitt dieser Oberfläche 100 mal nacheinander im Sekundentakt einfrieren und heraus schneiden können und diese so entstandenen Formen danach miteinander vergleichen, dann hätte man 100 komplett verschiedene Formen neben einander liegen, so eine Art „Relief- Reigen“ von eingefrorenen Wasseroberflächen.

Und obwohl diese Formen sehr unterschiedlich aussehen würden, hätten sie doch denselben ihnen zugrunde liegenden einprägsamen Charakter, die gleiche Grund- Energie in sich. Man sähe die Verwandtschaft all diesen Formen an, weil sie aus derselben Kraft geschaffen wurden. Ähnlich ist es, wenn ich zum Beispiel mit dem Ton arbeite. Ich habe vielleicht auch irgendwann 100 verschiedene Formen gemacht. Und obwohl ich mir sehr viel Mühe damit machte, mein eigentliches Selbst durch konditionierte Vorstellungen (…und eingefleischte Technik), daraus hinaus zu verbannen, würde man doch stets erkennen, dass diese Formen vom gleichen Menschen geschaffen wurden! Die Ähnlichkeit ist nicht mehr so rein wie jene des Wassers, denn das Wasser kennt nur eine Energie, nämlich die seine. Aber es würde etwas wesentliches von mir sichtbar. Mein „Stil“, oder meine Wesensart oder wie man es nennen mag würden dennoch irgendwie sichtbar. Typisch „Mato“ halt…

Der Mensch hat nebst dieser einen und eigentlichen – zentralen, möchte ich jetzt mal sagen – Kraft, noch tausend andere Persönlichkeitsfacetten, „Kräftchen“, in sich geschaffen, mit denen er sein eigentliches Selbst verdeckt (und auch vergisst). Deshalb werden diese inkongruenten Gestaltungen erst sichtbar. Oft betonen die Gestalter ihre Form mehr als die in ihnen liegenden Flächen, weil der Ton (als Beispiel) dies zulässt, weil er nicht „reklamiert“, wenn ich ihn beeinflusse, „beeindrucke“. Würde ich dasselbe mit dem Wasser tun, so hätte ich Probleme, weil die Energie des Wassers immer sogleich seine Rechte einfordert und mich an seine Gesetzmäßigkeiten bindet. Und das ist die Flüssigkeitsstruktur, die Bewegungsstruktur, die Kraftströme und alles, was dazugehört.

Kanten, Bögen und Mulden, was auch immer ein Gestalter der Materie einverleiben und einprägen will und kann, es bleibt immer und unzertrennlich ein Teil von uns selbst, ein von unserer eigenen verwandelten oder unverwandelten Energie geschaffenes. Die Hände sind die Werkzeuge, die sich an die Intentionen und Impulse seines Eigners halten, sich an ihm orientieren. Wir können selbstverständlich immer den Kopf einschalten und die Koordination lediglich aus dem Intellekt und aus der blossen Idee heraus steuern. Wir sagen „Würfel“ – und die Hand führt den Befehl „Würfel“ aus. Was sie daran hindert, dies mit einem gewissen Unvermögen zu tun, ist lediglich ihre Ungeschicklichkeit. Die Steuerung der Hände folgt zwar den „Befehlen“ der Vorstellung, aber sie vermag es meist nicht ganz adäquat umzusetzen. Das ist dann die Schnittstelle zur Maschine (…oder wir lassen es von geschickteren Menschen gestalten). Wir sehen dies vielleicht auch schnell ein und fühlen uns ohnmächtig dieser Tatsache gegenüber. Eine konsequente Schulung vieler Faktoren vermag dieses Manko zu verbessern: Eine Art Kunstförderung mittels Wahrnehmungsschulung an vorderster Front, dann aber auch die rein physische Beweglichkeit der Finger. Weiterhin die genaue Kenntnis des Materials, deren Konsistenz und Formverhalten usw. stehen nun plötzlich der Idee voran.

Dies alles reicht aber immer nur dazu, die technische Seite einer Form, unser Können (Kunst kommt ja scheints von können…) voranzubringen. Damit haben wir aber den entscheidenden Schritt noch nicht getan. Die Verbindung zu unserem Wesenskern, der „Zentrale“ unseres Geistes, können wir mit der besten Technik (und auch nicht mittels blossem Wissen) nicht herstellen. Viel eher vermögen wir dies zu verdecken! Der schöne Schein trügt nur zu oft. Für die Kraft, für den Ausdruck der Form brauchen wir mehr! Wir brauchen zwar AUCH die Technik, zweifellos. Dies wird in der gegenwärtigen Kunstszene manchmal unterschätzt! Aber Technik ist nur Grundlage, noch nicht AUSDRUCK. Um diesen Schritt zu erreichen, benötigen wir eine direkte Verbindung von Herz und Hand, was nicht etwa Kopflosigkeit heisst. Bewusstsein ist aber mehr als Gedanke. Und das Bewusstsein muss erweitert werden auf den ganzen Körper! Nur aus dieser Haltung heraus schaffen wir den Schritt in die eigentlich wesentliche Kraft, die dem Werk erst Leben verleiht! Das wäre ein Quantensprung in der Kunst und im Leben!

Und was hat dies für Konsequenzen? Nicht nur in der Kunst, (aber dort wohl unmittelbarer als anderswo), begreifen wir die Welt ganzheitlich. Die Verbindung des eigenen Tuns mit dem dahinterliegenden Tat-Impuls und einem gleichzeitigen Anwesend-Sein mit der Handlung schafft erst diese Tiefe!

Demgegenüber ist vieles in unserer Welt Form-betont. Der Fokus (in der Kunst, wie auch im Alltag), liegt meistens in der Form. Die Kraft, die sich in der Fläche (der Welt, der Erscheinungen) ausdrückt, ist uns mehr oder weniger egal oder unbewusst. Wir nutzen die „Fläche“ bestenfalls als Strukturgeber, jetzt im übertragenen Sinn (als „Make-up“), machen die Oberfläche glatt oder rauh, bunt oder sonstwie. Wir bedienen uns dieser Oberfläche, dem „schönen Schein“ (smartphone, Computer, Play-Station). Aber das Wellen und Wölben, das Buchten, Stauen Pressen und Stoßen etc. – es findet nie auf der Oberfläche statt; es ist IN DEN DINGEN!

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Überdruss eines Materialisten

gustavAus Gustavs Tagebuch, nach seinem Tod entdeckt: „Normalerweise werden wir unser Bewusstsein nur auf die Aktivitäten und Tätigkeiten ausrichten, welche sich zwischen Geburt und Tod befinden. Es ist nicht anzunehmen, dass wir im Laufe des Lebens viele Gedanken über anderweitige Realitäten auskundschaften.“

Und weiter steht da: „Der normale Bürger gibt sich mit der sichtbaren, wägbaren und hörbaren, vielleicht noch spürbaren Welt zufrieden. Der Gedanke, dass es weiter gehen könnte nach dem Tod macht ihm eher Angst. Damit beschäftigt er sich nicht gerne. Und noch viel weniger wird man an einen ähnlichen Prozess denken, welcher sich vor der Geburt zugetragen haben soll. So gesehen ist die Normalperspektive unseres Lebens in der Regel zwischen 50 bis maximal 100 Jahre lang (nehmen wir Johannes Hesters einmal aus). Daraus ergibt sich eine entsprechende Lebensoptik, Lebensperspektive und Lebenslogik, welche dem Zeitzustand und der Vergänglichkeit die grösste Aufmerksamkeit und damit auch jede verfügbare Energie zuwendet. „Schliesslich leben wir nur einmal…“ heisst es dann etwa „…und das müssen wir in vollen Zügen geniessen!“ Eine solche Lebensoptik erwägt keine Gedanken darüber, dass man in irgendeiner Form auf seine Gesundheit oder auf den Lebensstil achten müsse. Höchstens insofern man in mittlerem Alter vielleicht die ersten Bresten zu verspüren beginnt. Schliesslich will man die Lebensqualität der verbleibenden 20-30 Jahre noch „optimieren“ und pflegt seinen Körper mit den üblichen biochemischen Créme’chen und Pülverchen oder durch entsprechende körperliche Ertüchtigung, die sich nur am Faktor „Verjüngung“ ausrichtet. Er, dieser Körper, ist ja nicht viel mehr, als ein abgewandelter Motor, der einfach alle paar Monate seinen normalen Check-Up braucht. So wie beim Auto: da wird geschmiert und geölt und wenn es Winter wird, werden neue Reifen montiert und der Frostschutz nachgefüllt. In ähnlicher Weise füllt man den „medizinischen Frostschutz“ in Form von teuren, vorbeugenden Präparaten in die Bindegewebe, in die Blut- und zu den Nervenbahnen und meint so dem Ungeheuer Grippe, dem Cholesterin, prämenstruellen Syndromen oder anderen ähnlichen Übeln entkommen zu können, um sich dann wieder seinem eigentlichen Kerngeschäft widmen zu können. Das ist schliesslich alles notwendig, damit man sich all die teuren und ausgelassenen Abenteuer leisten kann, die man noch hegt: Angefangen vom tollen BMW-Motorrad bis zur großen Party. Damit kann man(n) sich dann in seiner zweiten Pubertät genüsslich ausleben und weiterhin jeden unnützen Gedanken an den Tod erfolgreich verdrängen. Frau kuriert dieselbe Not mit teuren Wellness- und Schönheitskuren und hält sich so das „Übel Tod“ möglichst lange vom Leibe. Böse Zungen behaupten… aber lassen wir das…“ Gustav war nie ein Kind der Traurigkeit, genoss sein Leben in großen Zügen und ließ auch mal die Fünfe grade sein. Sein Tod kam unerwartet in jungen Jahren, unverhofft verschwand er aus diesem Leben…

Hermann las die Tagebuchzeilen seines Freundes und lobte die eigenen Weleda-Produkte… „Ganz schön deftig, diese „Lebensoptik“ und ganz schön provokativ, diese Gedanken, die ich mir aufzuschreiben erlaube. Dennoch sehe ich das Ganze selber nicht so negativ, wie ich es hier aus dem Tagebuch meines Freundes gelesen habe. Es gibt durchaus sinnvolle Erklärungen für eine materialistische Weltanschauung. Vielleicht ist es der Überdruss und das genug haben, welches die nötigen Impulse für neue Gedanken bringt, die, wer weiß, über diese beiden Tore des Lebens hinausgehen.“
Er versuchte, sich eine Erklärung für die Ambivalenz in Gustavs Verhalten zurechtzulegen: „Das volle Abtauchen in rein materialistisches Gedankengut ist eine Form des Protestes und Kampfes für die Unabhängigkeit und die persönliche Autonomie. Zwar gleitet sie sehr schnell ab in puren Egoismus, aber dennoch braucht es diese Energie, um wach zu werden. Das, so meine ich, ist der „westliche Stil“ der Entwicklung. Sollen wir also die „Flucht nach vorne“ antreiben oder uns in eine abgehobene Spiritualität versenken, die alles Körperliche vermeidet. Ich sehe es nicht so eng, verbrüdere mich mit dem Teufelchen in Gustavs Seele und schaue künftig, dass ich den Dreck vor der eigenen Haustür erst mal wegschaffe…“

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Zweites Leben…

secondliveDas Gegenteil von dem, was ich auf diesem Blog und in meinen Büchern Woche für Woche verkündige, findet auf den Plattformen von second life (z.B. Linden Lab) statt. Eine Versklavung durch Illusionen. Vorstellungen, in die wir förmlich mit Leib und Seele, mindestens 3-4D-mässig abtauchen, hineinkriechen und mit denen wir uns vollkommen identifizieren.

Sie erzeugen in uns nicht nur ein „zweites Leben“, sondern auch einen „zweiten Menschen“. Dieser Mensch isoliert sich zunehmend und koppelt sich schliesslich von seinem grossen Bruder ab. Dass es bald nicht mehr nur die visuellen Sinne sind die dabei angesprochen werden, sondern auch haptische Sinne, Gerüche, Geräusche etc. ist nichts neues, sondern längst Realität geworden… Was ist es denn, was in uns dieses „zweite Leben“ erschaffen will? Sind es neue Geister, die wir selbst rufen? Was ist deren Absicht? Zerstreuung? Ablenkung? Und wozu das Ganze?

In Wikipedia heisst es zum Thema: „Second Life (deutsch: zweites Leben, abgekürzt „SL“) ist eine Online-3D-Infrastruktur für von Benutzern gestaltete virtuelle Welten, in der Menschen durch Avatare interagieren, spielen, Handel betreiben und anderweitig kommunizieren können. Das seit 2003 verfügbare System hat rund 36 Millionen registrierte Benutzerkonten, rund um die Uhr sind meist 30.000 bis 65.000 Nutzer gleichzeitig in das System eingeloggt“. (und das war vor 10 Jahren…)

Das Volumen dieser Kraft ist gewaltig! Es ist eine Art Dauer-Bestrahlung auf unser Seelenleben. Da ist der Elektrosmog womöglich noch harmlos dagegen. Es lässt uns die Aufforderung vergessen, weshalb wir uns auf dieses Leben auf dem Planeten Erde überhaupt einlassen.
Wozu? Kann man sicher berechtigt fragen…

In Zeiten so vieler Kriege, wie sie derzeit (real!) auf der Welt stattfinden, tauchen immer mehr Menschen in eine total illusionäre Unterwelt ab, in der sie sich sprichwörtlich selbst vergessen, der sie sich mit Leib und Seele ausliefern. Es mag sein, dass dieses Selbstvergessen eine gewisse Berechtigung hat. Werden doch die Belastungen auf unsere Sinne, unsere Leiden (-schaften) immer grösser, angefangen von den alltäglich wachsenden Pflichten, den Arbeitsmöglichkeiten, zerbröckelnder Freundschaften hin zu kompensierten Handlungen usw. Da wird der Ruf nach ein bisschen „Hirnauslüften“ immer lauter. Früher bedeutete dies, Waldspaziergänge zu tätigen, frische Luft zu schnappen usw. Heute setzt man sich viel lieber virtuell in phantasievolle, teilweise skurrile und oft kalte, spröde Landschaften – und scheint sich darin pudelwohl zu fühlen.

Ich weiss, der Begriff „Vorstellung“ ist ein stetes Hauptwort in meinen Aufsätzen. Spricht man zu oft von etwas, erlahmen die Kräfte, die mit so einem Wort, so einem Gedanken verbunden sind. Das passiert auch in den Nachrichten jeden Tag. Was bedeutet schon der Begriff Krieg, Schlacht, Flucht, Tod, wenn er sich stündlich, minütlich wiederholt! Haben wir noch starke Gefühle dabei? Aber das nur am Rande; zurück zu den Vorstellungen. Es gibt selbstverständlich nicht nur schlechte, sondern auch viele gute Vorstellungen! Ich wettere nicht gegen second life und co.! Solange wir wissen, woher wir sie schaffen und wer sie in uns pflanzt, diese Vorstellungen, haben wir gewiss auch keine Probleme damit.

Der dauernde Aufruf, die eigenen Vorstellungen zu erkennen (und nicht etwa zu verdrängen!), schafft in uns erst eine Art von Freiraum, der unabhängig von der virtuell verkoppelten Persönlichkeit existiert. Und erst dieser Freiraum schafft die Möglichkeit des inneren Gleichgewichts. Damit verbunden ist JEDE spirituelle Entwicklung, egal auf welche Weltbilder oder Lehren sie sich stützt oder bezieht. Der Vorgang ist sozusagen Grundmaxime jeder persönlichen Entwicklung. Und spirituell heißt letztlich nichts anderes, als eine innere Entwicklung die über die 70, 80, 90 Jahre unseres Erdenlebens hinaus zu reichen vermag, die eine Art „Restguthaben“ schafft, welches auch nach unserem Tod weiter wirken kann!

Man kann das Wollen oder nicht. Man kann daran glauben oder nicht. Man kann es bestreiten, verdammen, zertreten (mit unreflektierten Vorstellungen dagegen ankämpfen bekämpfen…). Wer sein Leben nur auf diese Zeitspanne ausrichtet, verpasst das Wesentlichste: Sich selbst. Die Erfahrung dessen kann man aber nur dann machen, wenn man das Erlebnis dieses „zweiten Menschen“ in sich aufrecht erhält. Immer wieder und nachhaltig daran arbeitet. Und das ist umso notwendiger, als unser Verstand in die Vorstellungswelten seiner (Teil-) Persönlichkeit(en) absackt. Das Erkennen dieses „Absackens“ ist unmöglich, wenn man sich nicht dauernd bemüht und anstrengt. Und anstrengen heißt hier, wach bleiben.

Das fühlt sich dann so an, als ob du in einer Kugel sitzend unter Wasser (dem eigentlichen Leben) treibst. Mag diese Kugel noch so gut eingerichtet sein, dir Unterhaltung à la second life im Minutentakt auf die Bildschirme deiner Laptops, smart- und iPhone`s zaubern, damit du ja nie merkst, in welch engem Raum du gefangen bist – egal, du wirst es nie erkennen, wenn du zu bequem bist. Und bequem ist es, im Traum zu bleiben, im Traum des Lebens, den wir alle träumen, der einen unglaublich starken Sog hat. Die Frage, woher diese kontraproduktive Kraft kommt, darüber kann man nur spekulieren. Man spürt sie, jeder spürt sie. Es ist die Kraft, die uns Dinge tun lässt, die wir eigentlich nicht tun wollen. Es ist die Kraft, die uns ermüdet, lähmt, blockiert.

Und dennoch lassen wir uns von ihr leiten. Vermutlich, weil sie uns hilft… wach zu werden…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Blicke hinter die Kulissen der Persönlichkeit

KettenWie eng Wahrnehmung und Denken miteinander verknüpft sind, wird üblicherweise nicht bemerkt. Denn das Bewusstsein ist in der Regel außer Stande, den Ablauf eines Erkenntnisprozesses mitzuverfolgen.

Heute sah ich auf der Fahrt zur Arbeit, die ich jeden Morgen mit dem Fahrrad unternehme, am Himmel einen kleinen dunklen Fleck. Innerhalb des kleinsten Zeitraums schaltete sich für mein Empfinden, zeitgleich mit der Wahrnehmung, der Gedanke an ein Flugzeug ein und verband sich mit dem Objekt. Was objektiv nichts anderes war als ein dunkler Fleck, wurde von mir sofort mit einem Begriff belegt. Ebenfalls praktisch zeitgleich stellte sich in mir das Gefühl „groß“ ein. Das heißt, ich empfand dieses Objekt am Himmel sehr groß, weil es von meinem Bewusstsein mit dem Gedanken „Flugzeug“ gekoppelt wurde und ich im Nu die entsprechenden proportionalen Verhältnisse konstruiert und interpretiert hatte. Ein Flugzeug am Basler Himmel ist sicher keine Seltenheit. Deshalb ist dieser Gedanke zunächst auch nicht abwegig. Schnell stellte sich durch die Art der Bewegung des Objektes heraus, dass es ein Vogel war und kein Flugzeug. Unmittelbar veränderte sich die Empfindung „groß“ um in „klein“.

Dies alles passierte in kürzester Zeit, das heißt im Bruchteil einer Sekunde. Alle diese Vorgänge in meinem Kopf geschahen zudem automatisch und ohne die Kontrolle meiner Selbst. Das Geschehen wäre völlig uninteressant in die Anti-Annalen meiner persönlichen Geschichte eingegangen, zusammen mit tausenden von ähnlichen Erlebnissen, die sich durch den Tag hindurch daran angeschlossen hätten, wenn nicht… ja was? Wenn dieser kleine Einblick nicht durch ein anderes, wacheres Bewusstsein erfolgen konnte, welches sich ganz unverhofft im Hintergrund einschaltete.

Die Abläufe von Wahrnehmung und Denken finden in der Regel im Dunkel des Unbewussten statt. Dabei schalten sich Vorgänge in das (Un-) Bewusstsein ein, die sich aus unserer Vergangenheit und aus den Gewohnheiten und Vorstellungen, welche wir, bis in die neuronalen Strukturen des Gehirns hinein, daraus gebildet haben. Dies zu bemerken ist für die meisten Gedanken dieser Art nicht möglich. Deshalb werden sehr oft auch Handlungen eingeleitet, die aufgrund solcher Wahrnehmung-Gedanken-Empfindungsketten erfolgen und dadurch nicht vollbewusst sein können.

Gewiss, nicht jeder hätte mit dem Objekt den Gedanken „Flugzeug“ verbunden. Manche hätten auch gleich den Vogel „gesehen“. Andere hätten schon gar nicht an den Himmel geschaut, oder wiederum andere hätten vielleicht an ein UFO gedacht. Je nachdem wie herum diese Ketten verbunden sind und welche Erfahrungen damit zusammenhängen, würde jeder und jede für sich etwas anderes darin sehen. Dies, obwohl es bestimmt Grenzen gibt, die das normale Verhalten überschreiten, zum Beispiel, wenn jemand mit dem dunklen Fleck den Begriff „Schwein“ verbunden hätte. Die aus den Erlebnissen gebildeten Interpretationen spielen eine ebenso wichtige Rolle und diese können durchaus bis ins Pathologische gehen. Der berühmte „Rorschach Test“ in der Psychiatrie und viele andere Wahrnehmungsphänomene, dokumentieren diesen Vorgang  deutlich.

Die meisten von uns würden jedoch kaum davon berichten können, was sich unbewusst ununterbrochen abspielt, weil sich solche Wahrnehmungen sofort wieder im Dunkel des Purgatoriums verlieren. Sie schaffen es meist gar nicht bis an die Oberfläche des Wachzustands.

Wie gesagt, allein auf der halbstündigen Fahrt von Weil nach Basel werden es vermutlich hunderte von solchen kleinen „Erlebnissen“ gewesen sein, die mir begegneten, ohne dass ich jetzt noch davon Kenntnis hätte. Einiges bleibt hängen. Meistens sind es Dinge oder Ereignisse, die eine kleine Schockwirkung hervorrufen, ein Auto, was von links auf uns zu fährt, oder sonst irgendwelche besonders auffälligen Dinge.

Unser waches Bewusstsein ist auf „Sensation“ und weniger auf „Intuition“ ausgerichtet. Alles andere als Sensation ist so langweilig oder mühsam, dass es nur schlafend oder träumend, wenn überhaupt, von uns wahrgenommen wird. Es wird nicht einmal bemerkt während dem das Auge darauf gerichtet ist. In den meisten Fällen hängen wir so „schauend“ irgendwelchen Gedanken nach, die für uns „wichtiger“ sind. Sie bilden eine Art Schleier, der sich vor das Auge schiebt und uns das Aufnehmen der Sinneseindrücke verbaut.

Was hat dies für Folgen? Es hat die Folge, dass wir uns, aus diesem Kontext heraus betrachtet, schwer vorstellen können, freie Menschen zu sein. Diese „Bewusstseinsketten“ haben einen unmittelbaren Bezug zu all den Dingen und Ereignissen, die uns jahrzehntelang als Persönlichkeit „gebildet“ haben. Aus solchen Erfahrungen wurden uns, nicht ohne Schmerzen, Urteile, Vorurteile, Meinungen, Ansichten förmlich „eingetrichtert“. Heute ist es ja ein Leichtes, dies auch mit wissenschaftlichen Methoden zu beweisen. Die Neurologie hat in den letzten Jahren viele Dinge bestätigt, die noch vor einigen Jahrzehnten als Hirngespinste irgendwelcher abgefahrener Esoteriker gegolten haben.

Es wäre fatal, wenn wir diesen Automatismen vollkommen ausgeliefert wären. Dann könnten wir in der Tat nicht mehr von „menschlicher Freiheit“ sprechen. Das ganze Rechtssystem müsste in den nächsten Jahrzehnten völlig neu überdacht werden, denn die Frage, wer die Verantwortung für unsere Taten übernehmen soll, wäre sehr komplex! Etwa so komplex, wie wenn wir die Rechtslage eines Wolfes beurteilen müssten, der ein Schaf gerissen hat.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Kunst und Freiheit

kinderzeichnungFast jeder Künstler pocht auf seine Freiheitsrechte. Fragt man ihn danach, wie er seine Motive findet, woher er seine Ideen habe, zuckt er mit den Achseln und macht vielleicht seine „Intuition“ geltend. Machen Sie doch, bevor Sie weiter lesen, einen kleinen Selbstversuch!

Nehmen Sie ein Blatt Papier und versuchen sie  einen einzigen wirklich freien Strich zu zeichnen!

Haben Sie das getan? Gut, dann betrachten Sie diesen einen Strich einmal ganz genau! Haben Sie links begonnen? Warum? Vermutlich fangen fast alle solchen Versuche von links nach rechts an. Das ist konditioniert! Wir Westler schreiben ja schließlich auch von links nach rechts.

Vielleicht beginnt ein Japaner oder ein Chinese, je nach Konditionierung oben oder rechts usw. Konditionen sind natürlich nie frei. Sie sind in unserer Kindheit schon früh gebildet oder uns je nach dem sogar eingetrichtert worden. Es mag sein, dass Sie, trotz dieser Prägung, rechts begonnen haben. Das ist schon gut und eher selten. Vielleicht sind Sie Linkshänder? Haben Sie dies frei gewählt? Aber wie sieht denn dieser Strich sonst noch aus? Schauen sie ihn einmal kritisch und möglichst unbefangen an. Vergessen Sie alles, was Sie als „schön“  bezeichnen. Vergessen Sie Ihr Gefühl für Formen, Ihre Vorlieben für Ordnung, Ästhetik, für Rundungen, Kanten, Ecken usw. All diese Präferenzen können Sie schon mal als unfrei abhaken.

Es sind genauso konditionierte und angelernte Vorstellungen, die sich im Laufe des Lebens gebildet haben und die Ihre jetzige Persönlichkeit ausmachen, wie die meisten routinemäßigen Handlungen, die Sie im Alltag verrichten! Wer wirklich ganz ehrlich mit sich selbst sein will, muss erkennen, wie schwierig es ist, nur schon einen einzigen wirklich freien Strich aufs Papier zu kriegen. Wenn Sie jetzt Farben dazu nehmen – oder meinetwegen Ton, oder andere künstlerische Mittel einsetzen, dann werden Sie, mit der nötigen Selbstdistanz erleben, wie wenig Ihr Handeln mit Freiheit zu tun hat!

Die Frage ist berechtigt, ob es Freiheit denn überhaupt gibt? Rudolf Steiner hat in seiner „Philosophie der Freiheit“ versucht, dieser Frage auf den Zahn fühlen. Das vordringen auf den tiefsten Kern der menschlichen Wesenheit spielt dabei eine wichtige, besser gesagt die wichtigste Rolle. Wenn wir unsere Verhaltensweisen, unsere Handlungen und Motive betrachten, müssen wir, uns selbst erkennend, feststellen, dass sie diesen Kern wenig bis gar nicht betreffen oder gar berühren.

Für mich als Kunsttherapeut hat diese Frage der Freiheit des wesentlichen Kerns unseres Menschseins eine hohe, wenn nicht höchste Priorität. Berührt werden kann man nur genau dort. Und um solche Berührung geht es. Alle Intention einer guten Therapie richtet sich nur auf dieses eine. Hier geht es weder Ideen, noch um Methoden oder um persönliche Vorzüge, weder jene des Therapeuten, noch jene des Patienten, sondern einzig und allein um menschliche Begegnung. Beziehung schaffen, Bezug schaffen, ist der Schlüssel.

Durch die Verhaftung mit unseren inneren Lieblingen, machen wir uns verletzbar für jede Kritik, jeden Einwand oder noch so gut gemeinte Intervention. Da wir diese Lieblinge nicht erkennen im Zustand der Identifikation mit ihnen, reagieren wir üblicherweise mit Abwehr oder Unmut, wenn sie von außen angezweifelt werden. Dasselbe ist Ihnen vielleicht auch gerade eben passiert bei meinem Einwand, dass Ihr Strich konditioniert sein könnte…

Manchmal sind Interventionen äußerst delikat und schwierig. Und dennoch sind wir alle darauf angewiesen, dass wir Rückmeldungen bekommen. Das ist in der Therapie nicht anders als im Leben selbst. Und sich jeder Kunstschaffender ist damit konfrontiert. Im Zentrum steht latent immer die Frage nach Freiheit. Welche Handlungen wir auch tun, sie betreffen immer unsere eigene persönliche Freiheit oder jene anderer Menschen.
Dabei wäre die Kunst meines Erachtens eines der vorzüglichsten Mittel, um unsere Verhaftungen sichtbar zu machen. Möglicherweise sitzen Sie jetzt immer noch vor Ihrer Strich-Zeichnung? Nutzen Sie die Chance etwas zu entdecken in Ihnen, was bisher möglicherweise verborgen blieb! Probieren Sie es wieder und wieder! Machen Sie sich auf den Weg… zu sich selbst!

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Persönliche Verletzungen

verletztseinDie meisten Menschen kennen das Gefühl, verletzt zu sein. Es sind verschiedene Ursachen, die zu solchen Emotionen führen können. Eine der wichtigsten ist Ablehnung. Schon im Kindesalter wird sie in unzähligen Situationen durch entsprechende Verhaltensweisen des Umfeldes geschürt. Ich denke zum Beispiel an ein Kind, welches mit Begeisterung von seinen Erlebnissen erzählt und dann getadelt oder sogar geschlagen wird, weil es mit schmutzigen Kleidern nach Hause kommt. Dies erzeugt nach und nach Wunden in der Seele, die sich unterschiedlich anfühlen. Jeder von uns entwickelt individuelle Strategien diesen zu begegnen. Manche reagieren mit Wut, andere mit Resignation, wieder andere durch Anpassung usw. Daraus schmieden wir uns unbewusst schon frühzeitig unseren Lebensplan.

Wut z.B. generiert Ehrgeiz im Sinne von „warte nur, ich zeig es euch! Ich beweise euch, wie stark ich bin!“ Viele sportliche oder berufliche Höchstleistungen werden später aus diesem Ehrgeiz genährt. Auf der anderen Seite kann der Rückzug in die Defensive ein Vorläufer für depressive Verstimmungen sein. Aus dem Erlebnis der Ablehnung könnte der Schluss folgen, nichts wert zu sein. Solche Extreme sind natürlich nicht die einzigen Verhaltensmuster, die sich bilden können. Auch Anpassung kann ein solches Muster sein. Sie entsteht aus dem Gefühl „ich will gut sein, damit ich gelobt werde!“. Diese Seelenverfassung kann wiederum positiv oder negativ ausgerichtet werden. Die positiv ausgerichtete Variante wird befriedigt durch die Anerkennung von aussen, nämlich dann wenn wir durch unser Liebsein belohnt werden mit Zuneigung. Solange wird in uns ein Wohlgefühl erzeugt. So gestrickt fühlt man sich gut und sieht keine Veranlassung, etwas an seinem Leben zu ändern. Sobald die äußeren Stützen (des Lobes, der Anerkennung, der Wertschätzung) fallen, ändert sich die Situation schlagartig.
Die negative Variante erfolgt dann, wenn wir resignieren, wenn selbst das Liebsein nicht mehr zum gewünschten Erfolg führt. Hier geraten wir schnell in einen Teufelskreis, weil unsere Bemühung lieb zu sein abnimmt und dadurch weniger Anerkennung erzeugt. Dies wiederum bestärkt uns im Glauben, untauglich für die Welt zu sein, was dazu führt, dass wir auch weniger dafür tun.

In allen Fällen jedoch steht ein Grundgefühl  im Hintergrund (die Ablehnung ist eines davon). Es bildet sich meistens schon im Kindesalter heran. Die „Strategien“, die wir daraus entwickeln, können sehr unterschiedlich ausfallen. Sie hängen im wesentlichen vom Charakter ab, mit dem wir schon von Anfang an die Reise in die Welt antreten. Diese Vorprägung hat wenig zu tun mit der Ursache für die oben genannten Verhaltensweisen. Dies zeigt sich schon bei Geschwistern sehr deutlich, die sich in ähnlichen Situationen sehr verschieden entwickeln können. Der Charakter ist sozusagen ein Wesensgefüge, mit dem wir die Bühne des Lebens betreten. Er bewirkt und beeinflusst unsere Reaktion auf entsprechende Situationen.

Man kann sich fragen, was denn eine „gesunde Entwicklung“ bedeutet und ob es sie in Reinform überhaupt gibt? Da wohl jeder von uns solche Verletzungen kennt, muss ich davon ausgehen, dass es die perfekte Voraussetzung nicht gibt, nicht geben kann. Es gibt stärkere und mildere Formen davon. Daraus lässt sich ableiten, dass es durchaus sinnvoll sein kann, sich mit den Tatsachen auseinander zu setzen. Auch im Herangehen an diese Probleme gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Die Selbstbeobachtung steht auch hier wieder an zentraler Stelle. Denn sie ist das entscheidende Werkzeug der Selbsterkenntnis. Mangelt es daran, verstärken wir den Druck und häufen Last an.

Die Beiträge auf diesem Blog über die Liebe ließen viele Fragen und Reaktionen aufkommen. Insbesondere der Zusammenhang zwischen dem ich und dem es bereiten viel Mühe. Das ist kaum verwunderlich, denn genau in deren Schnittstelle bildet sich die Mauer zu einem Erlebnis, welches sich auf einer anderen Ebene abspielt. Einer der größten Gegenspieler dieses es versteckt sich unter dem Mantel all dieser persönlichen Verletzungen. Es sind die rauen Schalen und die dicken Häute die uns davor schützen – aber auch behindern. Wir verschanzen uns dahinter. Sie verhindern, dass wir das dahinter liegende (den Schmerz) vergessen oder verdrängen. Er verbirgt sich hinter unserem Rücken. Wir wissen wenig von ihm, orientieren uns meist nach vorne in die glitzernde, glamouröse Welt. Der Blick zurück ist uns fremd. Es wäre ein Blick in unser eigenes Innere.

Gelegentlich „trifft“ uns etwas, bedrängt uns, fährt uns in den Rücken. Wir wachen kurz auf, spüren einen unangenehmen Druck, eine „Hexe“, die uns ins Kreuz schiesst. Dies kann seelisch und physisch geschehen. Es lässt uns für kurze Momente aufmerksam werden, inne zu halten. Mulmige Gefühle steigen auf. Da hilft Ablenkung vorzüglich. „Vorne“ (und auf den Bildschirmen) passiert ja so viel, womit wir uns beschäftigen können. So sammelt sich hinter unserem Rücken im Lauf des Lebens eine schwere Last an. Wir tragen diesen Rucksack, der sich durch unser ganzes Leben mit immer mehr „Material“ anfüllt, bis wir davon gebeugt sind. Die Last wird von Jahr zu Jahr schwerer. Unser Ignorieren hilft deren Wachstum.

Jahre vergehen. Was sich angesammelt hat, lässt sich irgendwann nicht mehr verbergen. Wir müssen lernen loszulassen. All die Aufruhr gegen jeden und jede, gegen alles, was von aussen auf uns einwirkt und unser Wohlbefinden stört, beginnt zu zerbröckeln. Nun türmen sich die Lasten hinter unserem Rücken auf. Eine zeitlang verfügen wir noch über schier unendliche Kräfte, um uns gegen sie zur Wehr zu setzen. Unzählige Situationen des Ärgers, der Verbitterung, der Kritik, des Lasters (kommt von dieser Last im Rücken), der Vorurteile und des Rechthabens beflügeln unser Ego, bis es irgendwann zerbricht. Etwas muss zerbrechen, gebrochen werden, zugrunde gehen, wenn wir die Last loswerden wollen. Wenn wir Loslassen scheinen wir für einen Moment zu sterben. Nichts hält uns mehr. Das ist der Moment der Auferstehung, eines neuen lebendigen Gefühls von Wachheit und Zufriedenheit.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

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