Liebe ist bedingungslos…

Wieder einmal wird die Liebe thematisiert. Ein paar Gedanken mehr zu einem unerschöpflichen Thema…

Liebe kennt kein Wenn und kein Aber. Liebe kennt auch kein Weil. Ich liebe sie, weil sie so oder so ist, weil sie blaue Augen hat oder einen schönen Mund. Das sind Sätze, die vieles beschreiben, aber die Liebe nicht. Oder: sie liebt ihn, weil er gross und stark ist. Liebe kennt keine Adjektive und vor allem  keine Begründungen. Sie IST, wo sie hinfällt. Liebe ist ein Seins-Zustand. Sie ist da oder sie ist nicht da. Wer den Idealpartner/die Idealpartnerin sucht, hat im Grunde schon verloren.

Man könnte sich ja eine Checkliste machen, welche Eigenschaften der ideale Partner haben müsste. Blond, blaue Augen, mindestens 1.76 m gross und schlank, grosser Busen, schmale Taille etc. Als Hobby: Reiten, Bergsteigen, Kampfsport und Kochen.

So oder ähnlich würde dann das „Liebesprofil“ des idealen Partners vielleicht aussehen. Worauf beruhen diese Bilder und Vorstellungen? Haben sie etwas mit dem Partner/der Partnerin zu tun… oder doch eher mit mir selbst? Natürlich haben sie mit mir selbst zu tun!

Dennoch begeben wir uns auf die Suche nach diesem „idealen Partner“ oder der „idealen Partnerin“. Wir sehen dieses Ebenbild vielleicht auf einer Party und verlieben uns in – ja eben, in was denn? In sie oder ihn? Nein, in das Ebenbild natürlich, das uns erscheint. Alles, was nicht dazu passt, schalten wir einfach aus, ignorieren es. Wir sehen nur die langen schlanken Beine, die blonden Haare und die schmale Taille oder den roten Mund, den vollen Busen usw. und haben Glück, wenn auch noch das eine oder andere Hobby, die eine oder andere Eigenschaft zusammen passt…

Ich liebe sie/ihn, WEIL er oder sie so oder so ist, WEIL er oder sie schlank und gross ist usw. sind „no goes“. Sie haben nicht im Geringsten etwas mit der Liebe zu tun! Liebe heisst, sich im Wesen zu begegnen. Auch wenn alles passt in meinem Profil, so heisst dies noch lange nicht, dass wir das Wesen des anderen erkennen. Im Gegenteil, alle diese Dinge bilden Mauern und Schatten, die uns den Blick zum eigentlichen Wesen des anderen Menschen verbergen.

Ebenso die Wenns und Abers. Ich liebe ihn oder sie, wenn er so ist (sonst hasse ich ihn oder sie vielleicht sogar usw.) Das sind alles Bedingungen, die wir mit einem Gefühl verknüpfen, welches bedingungslos ist und bleiben muss… Liebe ist bedingungslos

Was bringt die Neurologie für den psychologisch orientierten Therapeuten

Psychotherapeutische Ansätze und Neurologie: Normalerweise werden die modernen Wissenschaften aus der Ecke der Schulmedizin von psychologisch orientierten Therapeuten verpönt oder zumindest nicht ernst genommen. Ähnlich verhält es sich natürlich auch in umgekehrter Richtung. Dabei hätten die beiden vollkommen polar ausgerichteten Ansätze soviel Potential in sich, um fruchtbar in beide Bereiche hinein zu wirken. Darüber wird in diesem kleinen Hörbeitrag gesprochen.

Gedankenkontrolle

Fünf Schritte zu einer spirituellen Entwicklung

Erster Schritt: Erkenntnis der Korrelation von Gedanke und Gefühl. Dies beinhaltet gleichzeitig das Erkennen, dass Gedanken unsere Emotionen und Gefühle auslösen und deren Schöpfer sind. Deswegen sind wir nicht identisch mit unseren Gedanken, wie die meisten Menschen glauben, sondern wir sind mehr, ohne etwas zu benennen…

Übung: Gedanken schaffen, positive wie negative und lernen zu beobachten, was sie mit uns machen, währenddem wir gleichzeitig möglichst tief in sie hinein gehen und uns möglichst tief mit ihnen identifizieren. Dies kann zum Verlust der Beobachterposition führen und somit aus dem bewussten Prozess hinausführen… diesen Schritt durch erneute Verankerung immer wieder üben…
Es geht zunächst nur darum, für eine neue Kraft wach zu werden…

Zweiter Schritt: Gedankenkontrolle. Die Beherrschung des ersten Schrittes führt dazu, dass wir mehr Bewusstsein über unsere Gedanken bekommen. Es ist ein grundlegender Schritt zum Einmaleins jeder geistigen Entwicklung. Leider wird er unterschätzt. Er führt nicht direkt zur erweiterten Erkenntnis, ist aber dennoch Bedingung auf dem Weg dahin. Man kann diesen Schritt nicht umgehen. Er ist notwendig.

Dritter Schritt: die Gedankenkontrolle befähigt erst, uns von Gedanken zu lösen und sie auf Distanz zu beobachten. Das heißt, dass wir uns nicht mehr als deren Knecht fühlen, sondern erkennen, dass wir die Schöpfer sind. Das bedeutet gleichzeitig, dass wir auch die Wesen erkennen, die in uns ständig neue (sogenannt gute oder schlechte) Gedanken einpflanzen und somit die Emotionen steuern, denen wir ohne diesen inneren Beobachter ausgeliefert sind (voice dialogue: Teilselbste).

Vierter Schritt: Erkennen des „höheren Ich“ oder einer geistigen Mitte (Begriffe spielen keine Rolle). Aus dieser Erkenntnis heraus erleben wir uns zunehmend als Schöpfer und Herrscher eines inneren Systems von Gedanken und den damit verbundenen Gefühlen aus denen die Handlungen folgen. Wir erkennen, dass wir diesen Vorstellungen und Gedanken nicht maßlos ausgeliefert, sondern deren Herrscher und Schöpfer sind.

Fünfter Schritt: Verankerung des Bewusstseins an dieser nun bewussteren Mitte-Kraft. Das stete Üben dieser Schritte und deren Erkenntnisse und Leiden bringen uns zunehmend einen festen Anker in einer inneren, „geistigen“ Verortung. Dort sind wir keinen uns beherrschenden Schwankungen mehr ausgeliefert. Wir erleben unsere Gefühle von diesem Zentrum aus selbst und lassen uns nicht mehr unbeherrscht in den Strudel der Emotionen hinein ziehen…

Das Emotionen und Gefühle unmittelbar an Gedanken gekoppelt sind glauben viele nicht. Deshalb nicht, weil sie sich im Denken selbst vergessen. Sie wissen nicht, dass sie denken, selbst wenn sie denken! Weil man im Normalfall immer erst dann etwas wahrnimmt, wenn man fühlt, meint man die Gefühle seien autonome Erlebnisse. Es entsteht Gefühlsmystik mit Aussonderung des Denkens. Hier wird das Fühlen zuoberst gestellt und das Denken als etwas niedereres oder sogar Inexistentes negiert. Dass der Gedanke die Gefühle auslöst und, eng verbunden mit der Wahrnehmung, Gefühle erschafft, bleibt deshalb im Dunkeln.

Lauschen

Hineinlauschen in das Innere. In das Eigenleben der Seele. Wach sein für die feinen Stimmen. Überdeckt vom Getose der äußeren Welt. Das ist die zentrale Aufgabe unseres Lebens. Nicht mürbe werden am Geplapper unserer Gedanken. Sie kommen und gehen. Sie führen und leiten unsere Gefühle und Handlungen. Ohne das innere Wachsein beherrschen sie unser Leben. Sie sind mächtig. Suchen Streit, Argumente, Rechtfertigung. Gedanken sind unser heiligstes Werkzeug. Aber sie sind wie kleine Kinder ohne unsere Führung. Zuweilen wie Tiere, Drachen, heillose Zerstörer. Sei achtsam. Aber bewerte, beurteile sie nicht. Erkenne, beobachte. Finde deinen inneren Führer. Dann wirst du zum Führer von Menschen.

Der „Freidenker“ in Ihnen

Freidenker

…das Wort kennt jedenfalls mein Handy nicht: „Freidenker“. Nicht verwunderlich, denn dieser Begriff ist ja schon fast ein Schimpfwort, wie alles, was mit persönlicher Freiheit zu tun hat. Wie frei sind wir denn wirklich? Immer wieder ein viel diskutiertes und umstrittenes Thema. Es ist erst ein paar Tage her, als mir eine nahe Verwandte mit dem jüngsten Gericht drohte…

Nein beliebt ist man nicht, wenn man „frei denkt“ oder es zumindest versucht oder meint, es zu tun. Die einen argumentieren mit der göttlichen Vorsehung und dass sowieso ein großer Plan alle Geschicke der Erde und des Kosmos lenken würde und wir, um Gottes Willen – und zum Glück – keinen Einfluss darauf hätten…
Für andere wiederum sind wir nur kleine Würmchen (mein Handy meint Würstchen, was die Sache ja auch nicht wirklich verfehlt), also jedenfalls ein Nichts im großen allmächtigen All. Somit gänzlich unberechtigt, irgendwelche Urteile zu fällen. Nur gefällt werden sie (die Urteile) eben trotzdem und zwar von genau denen, die solches sagen.

Und da steht Mann/Frau vor der Tatsache der gänzlichen Inkompetenz und Unfähigkeit, Urteile zu fällen und dennoch argumentieren zu müssen.

Aber wie steht es denn nun damit? Sind ein paar Gedanken dazu dennoch erlaubt, so seien sie hier angefügt.
Die Frage ist halt immer wieder dieselbe: Gibt es diese persönliche Freiheit und wenn, wo gibt es sie… habe ich also die Berechtigung, mich überhaupt zu diesem Thema zu äußern oder hat die göttliche Vorsehung keinen Platz dafür?

Glaubt man an eine unwiderrufliche göttliche Macht wie diese Vorsehung, braucht man hier gar nicht weiter zu lesen. Denn es spielt eigentlich keiner Rolle, was ich über die Freiheit schreibe, es gibt sie doch nicht und allein der Glaube macht selig. Das argumentieren und diskutieren allein schon öffnet mich für den anderen Menschen. Im besten Fall wird es ein Dialog mit offenem Ausgang. Beharre ich indessen auf meinem seit jeher gelebten Dogma (auch den Begriff kennt mein Handy nicht) – unverrückbar und unwiderruflich, dann bin ich nicht offen für andere, für Argumente der Anderen.

Wenn Sie diesen Artikel also lesen, dann gibt es drei Möglichkeiten, warum Sie dies tun.
Die erste (und wohl beste aus meiner Sicht) ist Ihre Offenheit für neue Gedanken, unabhängig davon, ob Sie sie für wahr halten oder nicht.
Die zweite hilft Ihnen damit aufgrund von anderen Ansichten, Ihr eigenes und fest gefahrenes Weltbild zu befestigen, indem Sie quasi den „Gegner“ studieren um so das „Böse“ immer besser kennen zu lernen.
Und die Dritte: Sie fühlen sich als Retter und machen Jagd nach neuen Schäfchen, um sie vor dem jüngsten Gericht zu bewahren.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mit diesen Aussagen manche Menschen provoziere. Das ist aber gar nicht meine Absicht. Was ich damit bezwecke, Sie merken es, ich hoffe auf das Quäntchen Freiheit in Ihnen, das sich gegen meine Argumente aufmüpft… an den Freidenker in Ihnen…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Lebensscript und Teilselbste

Teilselbste und Lebensscript als eingeschränkter Erfahrungsraum

Es gibt zwei Haltungen in mir, die ich immer wieder wahrnehme und die voneinander vollkommen verschieden sind. Die erste Haltung ist der „Rechtfertiger“. Ich höre andere Menschen sprechen und bilde im selben Moment in mir Gedanken, die die Argumente und Erklärungen des anderen oder der anderen beurteilen und/oder umbiegen, rechtfertigen wollen.
Auch das Gegenteil ist aus dieser Haltung heraus durchaus möglich. Ich stimme diesen Gedanken, die ich höre sofort und ohne zu reflektieren, zu. Ablehnen oder Zustimmen erfolgen aus dieser Haltung heraus gleichermassen und unreflektiert.

Die andere Haltung ist der ersten gänzlich entgegengesetzt. Sie tritt weniger häufig ein, aber zuweilen so stark und unverkennbar, dass ich verwundert darüber bin, wie man immer wieder sehr schnell in die andere verfällt. Diese zweite Haltung könnte man als den „Liebenden“ bezeichnen. Hier spielt das Urteil und die Argumentation keine Rolle mehr! Es ist ein Gefühl von Verbundenheit da. Es ergreift mich und geniesst das andere, ohne es zu beurteilen oder zu verurteilen.

Wenn ich mich in der ersten Haltung befinde, suche ich sofort Argumente, mit denen ich mich vergleiche oder abgleiche mit meinem Gegenüber. Ich empfinde das zwar als unangenehm, meine aber (warum eigentlich?), dass ich es tun muss, dass ich meinen Standpunkt unbedingt verteidigen muss. Diese Argumente werden in Gedanken und Vorstellungen transportiert.

Woher kommen diese Gedanken?

Sie sind aus meinen ganz persönlichen Lebenserfahrungen heraus entstanden. Aus meinen Erlebnissen, die mich seit meiner Kindheit geprägt haben, verletzt haben oder gefordert haben. Es sind Gedanken, die sozusagen das Konglomerat von ganz spezifischen, ganz persönlichen und ganz subjektiven Erlebnissen bilden.
Auch wenn das „Meisterwerk der Logik“ genauso gut sogenannte „objektive Urteile“ zu bilden vermag, so ist die Klippe zwischen dem persönlich gefärbten und dem, was man als Logik bezeichnet, doch recht oft sehr schmal und tief und mit viel Unklarheit verbunden. Sicher, gibt es Bereiche, die unausweichlich und mit wenigen Erklärungen allgemein verifizierbar sind. Die Mathematik zum Beispiel. Aber das Leben ist zum grössten Teil nicht mit mathematischer Logik erklärbar und so kommt man kaum darum herum, irgendwann sich auch mit Begriffen wie „Gott“, „Freiheit“, „Liebe“ auseinanderzusetzen!

Und hier bleiben wir schnell hängen mit unserer Logik und verfangen uns in diesen oben angetönten, zweifelhaften und subjektiv gefärbten Argumenten! Was ist Liebe? Was ist Freiheit? Was ist Kunst? Was ist – Gott?

Gibt es da auch nur ansatzweise logische Argumentationen? Vielleicht gibt es sie, wenn man vom Denken in den Zustand der Wahrnehmung übergehen kann! Jemand, der den Tisch nicht sieht, vor dem wir stehen, wird kaum mit Gedanken und Logik davon zu überzeugen sein, dass es ihn gibt! Genauso gut kann man das von Engeln sagen! Jemand, der sie sieht, kann einen anderen, der sie nicht sieht kaum mit Worten davon überzeugen, ohne sich lächerlich zu machen. Er müsste ihn soweit bringen, dass dieser sie selbst wahrnehmen kann! Dann sagt der plötzlich: „Ach so, das hast du gemeint! Warum hast du das nicht früher gesagt J“

Die erste Haltung lebt also in den Gedanken und Vorstellungen. Diese wiederum hängen von den persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen ab, die man in seinem Leben durchmacht. Und das bezeichne ich als das „Lebensscript“. Es ist die Geschichte, die man schreibt und anhand der man sich ein persönlich gefärbtes und gezimmertes Nest baut. Und aus der Sichtweise dieser Brille, die man sich hier aufgesetzt hat, sieht und beurteilt man die Welt, scheidet sie in Gut und Böse, Richtig oder Falsch usw.

Das ist, gelinde gesagt, fatal!

Und mein Fazit daraus (objektiv verifizierbarJ?): Erst wenn wir anfangen, dies zu erkennen, dass wir nicht Wir selbst sind, dieses kleine Ich, welches durch diese Brille schaut, erst dann können wir von dem zweiten Zustand zu sprechen anfangen. Wir verlassen die Ebene der Teilselbste und treten in einen neuen Erfahrungsraum: der Liebe… wie wir diesen bezeichnen, ist irrelevant…

Mein Kinderbuchprojekt „Ursli und der Traum vom Schiff

Mein Verlag erwacht zum Leben… Wirkstatt-Verlag

Die Kunst in der Wirtschaft

KunstundWirtschaftLeben ist Prozess. Hegel[i] verallgemeinert den Begriff sogar so weit, dass er ihn mit „Bewegung“ schlechthin gleichsetzt. Es gibt keinen anderen als einen lebendigen Prozess. Der Prozess bedingt Bewegung. Bewegung ist ein Vorgang, welcher Entwicklung in sich trägt. Alle Entwicklung ist prozesshaft. Insofern ist dieser Begriff nichts anderes als die Beschreibung einer in der Zeitlinie verlaufenden Bewegung, welche sich auf ein unbestimmtes Ziel hin bewegt.

Was wir als Zwischenschritte darin erkennen, sind Teilprozesse einer großen, umfassenden Bewegung. Sie sind zwar tendenziell planbar, aber nicht in sich abgeschlossen und definitiv. Selbst die einfachsten Prozesse entwickeln sich nicht nach den Gesetzen unserer Vorstellung, sondern nach den Gesetzen des Lebens. Und solche Gesetze kann man erforschen und ihnen Eigenschaften abgewinnen, die sich als hilfreich erweisen im Durchschreiten von anderen Prozessen. Dabei spielt es keine Rolle, wo sie auftreten, ob im wirtschaftlichen Leben, im sozialen Leben, im kulturellen Leben oder in der Kunst.

Das Auftreten von Emotionen und Vorstellungen, welche uns im Laufe eines Lebens betreffen und bewegen, kann in immer wieder ähnlichen Schritten wahrgenommen werden.

Das “Gebilde“, welches dann entsteht, ist ein Phantomkörper unserer wahren Identität, unser Schatten. Er ist ein “Abfallprodukt” des emotionalen Reifeprozesses. Da wir aber nicht das Abfallprodukt sind, sondern dessen Produzent, müssen wir lernen, diese Prozesse zu durchdringen und zu verstehen. Erst dann erleben und erkennen wir das Bewusstsein unseres höheren Selbst oder des freien Ich. In diesem Bewusstsein sind wir selbst im Lebensprozess aktive Gestaltende.

Wenn wir lernen, den gebildeten Identifikationsstrom gewahr zu werden und ihn achtsam mitzuverfolgen, dann können wir die Abstufungen dieses Prozesses erforschen und erkennen. Die große Grundbewegung, welche alle diese Prozesse durchzieht, wurde bereits in den dreißiger Jahren von Kurt Lewin entdeckt. Sie beinhaltet die drei Grundelemente von Unfreezing, Transition und Refreezing[ii].

Was in diesen drei Grundelementen dargestellt wird, sind Hauptelemente eines Gesamtprozesses. Solche Entwicklungsvorgänge haben keine zeitliche Einschränkung. Sie sind sowohl in kurzwelligen, als auch in langwelligen Ereignissen auszumachen. Dies sind auch Grundbegriffe des Change-Managements geworden.

Wir können betrachten, was wir wollen: Ein Kunstwerk, einen wirtschaftlichen Prozess, soziale Prozesse, persönliche Entwicklungsprozesse, Kommunikationsprozesse, Krankheitsprozesse, Todesprozesse und so fort, immer wird uns derselbe Verlauf in seiner Grundstruktur entgegenkommen.

Darin sind drei deutliche Phasen erkennbar (mit anderen Worten):

1.      Stagnationsphase (Unfreezing)
2.      Widerstands- oder Rückbildungsphase (Transition)
3.      Impuls- und Umsetzungsphase (Refreezing)

Ich versuchte, die von Lewin erkannten Grundprozesse etwas differenzierter weiterzuverfolgen und sie für die eigene künstlerisch-therapeutische Arbeit nutzbar zu machen.

Unfreezing ist der erste Teil des Prozessablaufes. Hierbei können folgende Wahrnehmungen gemacht werden. Etwas bewegt sich nicht mehr weiter, es stagniert, erlahmt. Die Abläufe sind automatisiert, die Entwicklungslinie verharrt im Stillstand. Man fühlt sich stumpf! (Stufe1)

In einem zweiten Schritt entsteht so etwas, wie ein Schmerzgefühl (Stufe 2). Die Unzufriedenheit über die Stagnation macht sich nach und nach bemerkbar. Man spürt die Erstarrung und die Kälte im Prozess. Die Tatkraft geht verloren, die Begeisterung verschwindet. Alles wird freudlos. Man weiß, dass etwas Neues kommen muss. Es ist aber nicht benennbar und nicht verortbar. Der Bewusstseinszustand ist unbewusst bis träumend. Es wird uns “mulmig”. Das Anbahnen und die Ungewissheit durchsetzen uns mit Unbehagen. Der Druck von außen kann zunehmen und spürbar werden, sei dies der sich anbahnende Tod oder innere Umwälzungsprozesse oder Krisen, die sich unterschwellig so bemerkbar machen.

Was zuerst als Unzufriedenheit in Erscheinung getreten ist, wird nun zu einer Widerstandskraft oder einem inneren Widerstand, der erst aus dem zunehmenden Druck wächst (Stufe 3). Angst durchsetzt uns und erweckt Abwehr. Wir fordern zunächst das Gewohnte, Bewährte und Alte  wieder zurück und weigern uns, nach vorne zu blicken. Im Weiteren bemerken wir, dass sich etwas anbahnt. Wir erahnen die kommende Auseinandersetzung. Diese Phase ist oft sehr schmerzhaft. Weil wir gleichzeitig in unserem Bewusstsein erwachen, je näher sich der Wellengrund auf uns zu bewegt, müssen wir zum inneren Akzeptieren, zur Zustimmung finden.

Nun tritt etwas Entscheidendes ein. Wir müssen uns entscheiden. Das heißt, wir müssen Farbe bekennen. Grundsätzlich tun wir dies nach drei verschiedenen Szenarien. Zunächst tritt eine 4. Stufe an uns heran, die ich mit Akzeptanzphase bezeichnen könnte, welche in folgende drei kleinere Unterprozesse gegliedert ist:

  1. Die Bejahung
  2. Die Verneinung
  3. Die Ignoranz.

Bei der dritten schalten wir alle Bewusstseinsprozesse solange dies geht, wieder aus und verdrängen sowohl Gefühle, wie auch Gedanken im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Wandel. Wir krebsen zurück, haben den Mut nicht nach vorne zu blicken. Dies führt in die Isolation und in eine noch größere Drucksituation, welche die Entscheidung von neuem fordert.

Im ersten Szenario erkennt und anerkennt man den Wandlungsimpuls und entscheidet sich, hindurchzugehen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Klarheit über einen möglichen Verlauf vorhanden ist.

Und das Verneinungsszenario erkennt die Notwendigkeit eines Verwandlungsprozesses ebenso wenig, entscheidet sich aber vollbewusst und willentlich, auszuscheiden, auszuscheren oder umzusteigen, etwas anderes zu probieren oder vielleicht ein Re-Branding zu wagen.

Der Verwandlungsprozess wird aber nur im Bejahungsfall, also im ersten, wirklich weitergeführt. Wenn wir willentlich aussteigen, dann haben wir zwar einen Neuanfang inmitten von anderen Verhältnissen geschaffen, ohne das tieferliegende eigentliche Problem gelöst zu haben. Brüche können den Prozess zwar ebenso weiterführen. Sie werden aber an einem anderen Ort und in einer anderen Weise wieder zum selben Punkt führen müssen.

Jetzt erkennen wir die 5. Stufe. Sie zeigt sich nur im Bejahungsfall. Hier werden neue Kräfte freigemacht! Sie bringen neue Impulse und Ideen. Eine frische Dynamik entsteht, welche den Prozess wieder beflügelt und weiterführt. Der Aufwärtsschwung wird in Gang gesetzt.

In der 6. Stufe des Durchlaufes entstehen aus dem neuen Impuls neue Ideen. Sie „flattern“ gewissermaßen nur so auf uns zu und bereiten eine Vielfalt neuer Möglichkeiten vor. Jetzt entsteht wieder ein kleines Vakuum im Prozessablauf. Die Vielfalt kann uns erschlagen und chaotisch werden. Sie ist noch struktur- und formlos.

Eine kleine Zwischenkrise tritt ein. Sie verhindert die Eingliederung der Ideen in die realen Verhältnisse. Neue Hindernisse treten auf.

In der 8. Phase, der Umsetzungsphase ist Knochenarbeit angesagt. Das kann in den gruppendynamischen Prozessen Probleme verursachen. Es gilt, das Wesentliche heraus zu arbeiten, um die Kernfragen zu klären. Teamarbeit wird hier zentral.

In der 9. Phase geht es um Konsolidierung. Das Erarbeitete muss wieder integriert und eingeordnet werden. Die Abläufe werden wieder normalisiert. Der Sturm ist vorbei. Routine und Alltag machen sich erneut breit. Aus dieser Phase heraus entsteht als letzter und 10. Schritt wieder eine erneute Stabilisierung.

Solche Prozesse, wie sie hier in den 10 Phasen beschrieben sind, laufen wellenförmig durch das ganze Leben. Sie durchdringen unternehmerische, kreative und künstlerische Prozesse ebenso, wie jeden Prozess der eigenen Bewusstseinsentwicklung. Sie sind unaufhörlich, enden nie. Auch die erneute Stabilisierung wird wieder hinüberführen in die Stagnation und wird letztlich wieder von neuem eine nächste Welle auslösen. Durch die Lernerfahrung und durch Fehler erkannte neue Problemlösungen wird insgesamt eine immer neue Aufwärtsbewegungen, die Gesamtentwicklung fördern und reifer werden lassen.

Wir hangeln uns durch diese Wellen quasi hindurch. Gewinnen mehr Selbstvertrauen und innere Reife, weil wir durch Unvollkommenheiten immer mehr (Selbst-) Bewusstsein erschaffen und uns so weiter entwickeln. Das ist  eine bewusstseinsbildende Dynamik.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…


[i] Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831),deutscher Philosoph

[ii] Kurt Lewin Werkausgabe (KLW), Hrsg. Karl Friedrich Graumann, 4 Bände sind erschienen; Klett, Stuttgart ab 1980

Wer spricht, wenn Sie Ich sagen? | zweiter Teil

(Erster Teil…hier…)

ICHIn der Selbsterkenntnis erkennen wir diese Identifikation mit diesen Maschen und lösen den Druck alleine dadurch, dass wir sie erkennen und benennen können. Die Verletzungen werden sicht- und spürbar und das verdrängte Erlebnis dahinter kann sich zeigen. Der Umkehreffekt der negativen Projektion, ist die positive Projektion oder Abspaltung. Das positiv-abgespaltene Spiegelbild der Selbstliebe zum Beispiel, zeigt sich in der Verliebtheit.

Die untenstehende Skizze zeigt das ganze Konglomerat der Persönlichkeitsstruktur auf. Sie ähnelt durchaus einer lebendigen Zelle. Die Außenwände werden von den verschiedenen Persönlichkeitsanteilen, die wir als Hauptselbste bezeichnet haben, gebildet. Im Innenraum, verdeckt durch diese Hauptselbste, befinden sich die verdrängten Selbste. Sie sind mit den außenliegenden Hauptselbsten so verbunden, dass sich als „Zwischenenergie“ Verletzungen jeglicher Art ergeben können. Die Verletzungen sind also sozusagen das verbindende Element zwischen den verdrängten Selbsten und den Hauptselbsten, welche Gefühle kaschieren, die wir nicht ertragen konnten.

Teilselbste
Teilselbste

Wenn diese beiden „Mechanismen“ unsere ganze Seelenstruktur bilden würden, dann wären wir in der Tat unfreie Wesen und diesen Energien total ausgesetzt. So wie im Zellkern aber die Zellflüssigkeit ist, und im Körper das Bindegewebe, welches alles miteinander verbindet, so befindet sich in dieser Persönlichkeitsstruktur zwischen den Teilselbsten ebenfalls eine äußerst bewegliche „flüssige“ und lebendige (geistige) “Substanz”. Diese Substanz ist bewusstseinsbildende Energie, die alles miteinander verbindet, trägt und durchdringt.

Es ist die Trägersubstanz  dieser Anteile. Diese Trägersubstanz erfahren wir immer dann, wenn wir im beobachtenden, achtsamen Zustand sind. Dort erkennen wir diese ständig wechselnden Prozesse  unentwegt. Dieses Beobachten äußert sich als ein bewusstes Gewahrsein. Da wir diesen Zustand aus jeder Position, aus jeder Verhaftung und in jeder Lebenssituation, in der wir uns befinden, erfahren können, wird sie als eine zentrale und neutrale Kraft erlebt. Wir sind durch dieses Erlebnis nicht mehr in einem identifizierten Zustand innerhalb eines Teilselbstes verhaftet, sondern erleben den Anteil zwar als uns zugehörige, jedoch nicht mehr handlungs-leitende Energie. Es ist das Erlebnis eines freien Bewusstseins, welches als das bewusste oder „freie Ich“ gewahr wird. Dieses verleiht den Handlungen ihre Eigenständigkeit und nimmt ihnen ihre autonome Kraft. Die persönlichen und unpersönlichen Energien der Teilselbste sind aber sehr schlau und sie ziehen uns, sobald wir den Gedanken des freien Ich nur mit unserem Verstand erfassen wollen, wieder in eine neue Identifikation! Hier endet auch die Möglichkeit, über die begriffliche Ebene zu kommunizieren. Das freie Ich ist Erlebnis, nicht Gedanke. Es manifestiert sich in der (Er-) Lösung von einer Verhaftung im Spannungsfeld zweier Pole. Das ergibt sich durch beobachtendes Bewusstsein. Es ist nicht intellektuell fassbar und bleibt als Energie immer geheimnisvoll anwesend.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Wer spricht, wenn Sie Ich sagen?

Erster Teil

ICHWas ich Persönlichkeit nenne, ist ein Konglomerat von verschiedenen Teilpersönlichkeiten, welche in unterschiedlicher Art und Weise Verhaftungen schaffen, mein gebundenes Ich unbewusst leiten und führen. Diese Leitung oder Führung kann durchaus zu meinem Schutz geschehen, sie kann desgleichen destruktiv und zerstörerisch auf emotionale Prozesse wirken. Zweifel offenbart sich und wirkt. Um dies zu erkennen, ist ein waches Bewusstsein gefordert.

Aus der Selbstbeobachtung leite ich den Dialog mit den eigenen inneren Stimmen ein. Ich erblicke zum Beispiel hinter dem Zweifel Verletzungen. Es sind dies Verletzungen, welche eine tiefere Ursache haben und dazu geführt haben, dass ich sie mit dem Zweifel oder Abwertung überdecke. Solchen Verletzungen kann ich nun auf den Grund gehen.

Ein neues Energiefeld wird entdeckt. Es steht hinter dem Zweifel. Ablehnung, Diskriminierung oder mangelnde Wertschätzung, die ich in meiner Kindheit wiederholt erlebt habe, manifestieren sich vielleicht. Ich erkenne wiederholte Akte solcher Ablehnung und entdecke durch die Erkenntnis, dass ich mich mit ihnen anfreunden, versöhnen oder verbinden kann.

Aus diesem Vorgehen aktiver Selbsterkenntnis, entdecke ich neue Erlebnisräume, die sich unterschiedlich zeigen. Die erste Energieform steht im Vordergrund. Sie ist das “Seelenkleid” seines Trägers. Auf mein Beispiel angewendet, zeigt sich der zweifelnde Mensch in vielen Facetten und Formen als dieses Seelenkleid. So erscheint er nach außen: Ein Hadernder an anderen und an sich selbst. Er wird die Dinge im identifizierten Zustand immer abwerten oder ins Lächerliche ziehen, um ihnen Gewichtigkeit zu nehmen. Diese Abwertung verdeckt die eigentliche Ursache, zum Beispiel mangelnde Zuneigung, abschätzende, minderwertige Beurteilungen, die er in seiner Kindheit erlebt hat. Damit die Verletzungen, die sich daraus ergaben, nicht zerstörerisch wirken konnten, hat er sich eine Strategie, eine Masche zugelegt, diese Gefühle zu überdecken. Solche Strategien werden in der Transaktionsanalyse „Maschengefühle“ genannt.

Die Entdeckung der verborgenen Energieformen zeigt die tiefer liegenden psychischen Schichten. Im Voice Dialoge werden sie auch „disowned self“, verdräng-tes Selbst genannt. Was uns bei den meisten Menschen vordergründig entgegenkommt sind „primary self“, das Hauptselbst also. Mit „Persönlichkeit“, ist das ganze System gemeint, welches sich in Hauptselbst und verdräng-tem Selbst manifestiert.

Die vordergründig wirkenden Teilpersönlichkeiten jedes Menschen sind also strategische Selbste, die quasi den Umgang mit der Außenwelt sicherstellen. Sie bilden die „Übergangsschicht“ einer Innenwelt zu einer Außenwelt. Die „dicke Haut“ vielleicht, die uns vor Verletzungen schützt. Es kann aber ebenso gut die „dünne Haut“ sein, die zu wenig stark ist, um solche Verletzungen aufzuhalten.

Die dünne Haut kann aber auch ein Zeichen dafür sein, dass ein Hauptselbst aufgebrochen ist und dass sich die Wunde nach innen zu einem verdrängten Selbst geöffnet hat! Hauptselbste sind ähnlich den Narben. Es sind die Arrangements, die wir in uns bilden, um den Schmerz und den Druck von außen abzuhalten. Sie sind der Autopilot der Maschen, die uns eine gewisse Sicherheit und Halt im Leben geben können. Das ist durchaus wichtig und sinnvoll, damit die Verletzungen nicht zu stark werden. Es ist dennoch  mit Gefahren verbunden, nämlich dann, wenn sie sich verselbstständigen, wenn wir uns in ihnen verlieren und mit ihnen aufs Neue identifiziert sind.

Ein Hauptaspekt in der Erkenntnis der Teilselbste liegt nicht in ihnen selbst, sondern in der Projektion. Hier wird immer in der ersten Person gesprochen. Es wird vom Standpunkt der Selbstbeobachtung beurteilt. Das ist bereits der erlöste Zustand! In der Realität erweist es sich als viel komplexer. Durch die Abspaltung eigener Maschen, wie Aggression, Zweifel, Neid, Eifersucht und so weiter nach außen, trennen wir uns von jeglichem Bedürfnis nach Heilung. Wir suchen die Wut, den Zweifel nun in einer zweiten oder dritten Person, projizieren sie also nach außen. Ken Wilber[i] beschreibt es folgendermaßen:

„Bestimmte Ich-Themen können in meinem Bewusstsein hochkommen („Ich bin ärgerlich), werden weggeschoben oder verleugnet, und die mir entfremdeten Gefühle, Impulse oder Eigenschaften werden auf die andere Seite der Ich-Grenze verschoben: Ich empfinde sie jetzt als das Andere (Ich bin ein netter Mensch, ich bin nicht ärgerlich, aber ich weiß, dass jemand ärgerlich ist, und weil ich das nicht sein kann, muss er es sein!) Ist das erst einmal passiert, hört das Gefühl oder die Eigenschaft nicht auf zu existieren, aber das gehört nicht mehr zu mir. Diese weggeschobenen Gefühle oder Eigenschaften können dann als schmerzliche und verblüffende, neurotische Symptome auftauchen – als Schattenelemente in meinem eigenen Gewahrsein.“

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Es will Ich werden

Die Einsicht in die eigene Persönlichkeitsstruktur ist eine der schwierigsten Aufgaben, die  wir uns stellen können. Die intellektuelle Analyse hilft da nur bedingt weiter. Selbst wenn ich in der Lage bin, gewisse Eigenheiten zu durchschauen, habe ich keine Veränderungen vorgenommen. Umwandlungen entstehen nicht durch Analyse, sondern durch Betroffenheit! Betroffenheit entsteht durch ein wirkliches in-den-Dingen-leben. Die lateinische Bezeichnung dafür heißt Interesse. Von Ich oder Es zu sprechen ist nur wesentlich für das Erleben. Für den Intellekt ist es irrelevant, ohne Bedeutung.

Vorstellungen, welche uns von solchen Erlebnissen trennen, bilden die Mauern dazwischen. Die Verhaftung mit ihnen stellt die größte Herausforderung dar. Und diese Verhaftung verdrängt etwas Anderes in uns.

Ermahnungen und Belehrungen, sind von geringem Nutzen. Bekehrungen sind kein guter Weg. Diese bringen etwas anderes mit sich, etwas, was sehr hinderlich ist auf dem Weg zu erlebter (Selbst-) Erkenntnis, nämlich: ein schlechtes Gewissen!

Durch Selbstbeobachtung erkennen wir die Persönlichkeit als etwas von unserem tieferen Kern verschiedenes. Viele Jahre verbringen wir damit, dieses Andere im Außen zu suchen. Wir urteilen, beurteilen, verurteilen, kritisieren oder verachten alles, was uns aus unserem persönlichen Umfeld in die Quere kommt. Wir steigen auf die Kanzeln der Gesellschaft und predigen der Welt, was darin alles schief läuft und wie sie richtig zu sein hat! Die „linke“ Partei tut dies mit derselben Überzeugung, wie die „rechte“. Wir beharren auf persönliche Rechte und ergreifen hinterlistige Methoden, um dieses Recht zu unseren Gunsten durchzusetzen. Und dabei meinen wir es ja nur gut mit unseren Mitmenschen und glauben, sie auf den rechten Pfad bringen zu müssen. Denn wir wissen es schließlich besser als jene.

Das alles tun wir lange, lange Zeit und wir leiden unendliche Leiden, sterben unendliche kleine Tode, weil es der oder die andere einfach nicht kapiert! Oder weil man uns selbst verkennt in unserer (vermeintlichen) Größe!

So vergehen Jahre oder gar Jahrzehnte unseres Lebens in der Meinung, nur Gutes tun zu wollen, bis wir schmachvoll entdecken, dass dieses Andere WIR SELBST sind!

Wir entdecken, dass wir jahrelang einen schmerzhaften Kampf gekämpft haben – gegen uns selbst! Was wir als Liebe bezeichnet haben, war nur eine egoistische Variante des Selbst. Was wir hassten, waren entäußerte Anteile unserer eigenen Persönlichkeit, denen wir Du oder Es sagen, aber Ich meinen.

Wir konnten sie nicht als unser Eigenes erkennen, weil wir mit ihnen aufs Innigste verbunden waren, ohne es zu wissen. Und dennoch haben wir sie erkannt, aber nur wenn sie von außen auf uns zukamen. Das Du bot uns gleichsam die Möglichkeit, auf den eigenen verdeckten Schlamm hinzublicken. Wir wollten „Es“ nicht wahrhaben. Wir verteidigten die Unversehrtheit und Reinheit unserer persönlichen Glaubensbekenntnisse aufs Schärfste und fühlten Stolz.

Und nun, da wir angefangen haben, diesen Seelenacker umzupflügen, zerbröckelt auf einmal unser Selbstbild. Es zerbricht in tausend Scherben und wir sterben tausende von kleinen Toden. Wir wollen auf einmal nicht mehr dieser Mensch sein, der wir waren. Wir wollen ihn vernichten, auslöschen, zertrümmern! Er ist unser größter Feind geworden. Er verkörpert alles, was wir früher draußen in der Welt verurteilt haben, als wir ihn noch nicht kannten. Er ist das Monster, welches wir dort draußen zu erblicken glaubten und welches wir mit aller Kraft vernichten wollten. Nun erkennen wir es: in uns selber.

Jetzt erst haben wir begonnen, dies zu erkennen!

Wenn wir den Anderen in uns entdeckt haben, verlieren wir in gewissem Sinn die Unschuld und damit die Unbefangenheit. Gleichzeitig gewinnen wir aber sehr viel: UNS SELBST – und damit mehr innere Ausgeglichenheit und Zufriedenheit im Leben.

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