Die Kunst der Kommunikation

mato | bilderwelt
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Wenn ich mich mit den Dingen in der Außenwelt beschäftige, habe ich in mir zwei verschiedene „Aufmerksamkeitspolaritäten“, welche Hand und Herz voneinander trennt. Die Tätigkeiten, die ich jetzt gerade tue, ist der eine Pol und die Gedanken und Vorstellungen, die ich mir im gleichen Moment daraus bilde, der andere. Was ich als Interesse bezeichne, verbindet diese beiden Pole.

Der Anspruch des Interesses besteht darin, Übereinstimmung zu erreichen, diese Pole quasi synchron zu machen. Interesse heißt: «in den Dingen sein», anwesend und mit meiner ganzen Aufmerksamkeit bei einer Sache zu sein.

Wenn ich gelernt habe, genau zu beobachten während dem ich handle, werde ich bemerken, dass sich innere Bilder wie ein Schleier vor die äußere Wahrnehmung stellen. Die Handlung werde ich zwar, in gewisser Weise automatisiert, weiter ausführen, aber meine Gedanken befinden sich an einem ganz anderen Ort. Die Augen sind auf ein Objekt gerichtet, welches fokussiert wird, aber sie «sehen» das Objekt selbst nicht mehr, weil sie das innere Auge auf dieses vorgestellte «Schleiergebilde» gelenkt haben.

Es ist aber nicht nur ein Bild, sondern ein vielfältiger Wechsel von Bilderfluten und Vorstellungen, einem Film gleich, welche am «inneren Auge» vorbei ziehen. Die Gedanken sind dann nicht mehr mit dem anvisierten Objekt verbunden, auch wenn die physischen Augen es durchaus noch anstarren, sondern auf diese inneren Bilderwelten fokussiert. Wer das nicht nacherleben kann, für den wird dies abstraktes Geschwätz sein. Zugleich automatisiert sich dabei der Handlungsimpuls. Daraus entsteht die Trennung des Bewusstseins in zwei Ebenen. Wir bemerken diese Bilder nur deshalb nicht, weil wir mit ihnen eins geworden sind, mit ihnen verhaftet, identifiziert sind, das heißt, weil unsere Persönlichkeit damit Eins geworden ist. Wir sind der Gedanke selbst geworden.

Aus diesen passiven Vorstellungsbildern sondern sich gleichzeitig Energien ab, welche unser Gefühlsleben vereinnahmen und beeinflussen. Der depressive Mensch hat in der Regel viele solche Bilderfluten mit negativen Inhalten. Dadurch trübt sich sein Seelenleben entsprechend melancholisch. Dazu kommt die Identifikation mit diesen Bildern. Sie lässt keinen Ausweg aus der Negativität mehr zu. Ich werde der Zustand selbst. Ich wird Es.

Es gibt jedoch eine Form von Aufmerksamkeit, die den Schleier zu durchbrechen vermag und das volle Bewusstsein und die Wachheit auf das Objekt richtet. Hand und Herz gehen erst so wieder gemeinsame Wege. Die eigene «Ich-Organisation» wird dann als Einheit erlebt. Die Energie bleibt am Beobachter gebunden und verleiht der Aufmerksamkeit, und damit der Handlung, die nötige Intensität.

Der Zustand der Trennung von Bewusstsein und Selbst-Bewusstsein ist unser alltägliche Normalzustand. Wir können das an uns selbst beobachten. Wie viel Aufmerksamkeit bringen wir auf ein betrachtetes Objekt und wie oft stellen sich schnell wieder solche passive Vorstellungsbilder vor unser inneres Auge?
Vielleicht ist das gerade jetzt, in diesem Augenblick wo Sie diese Zeilen lesen, der Fall und Sie wachen auf und denken, oh, was habe ich eben gelesen!
Vielleicht werden Sie durch das Lesen oder weil es fett gedruckt ist, aufwachen und denken: «Bitte, was schreibt er da, jetzt muss ich diese Zeile noch einmal lesen!» Ihr Auge war auf die Buchstaben gerichtet. Und weil Sie gelernt haben, automatisiert zu lesen, gingen diese Zeilen über Sie hinweg, ohne den Inhalt mit aktivem Denken aufzunehmen und zu verarbeiten! Es kann durchaus sein, dass Sie an bevorstehende Feste gedacht haben und den Gänsebraten vor Ihren Augen «gesehen» haben, während Sie gleichzeitig die Buchstaben zu Worten zusammenfügten! Nur der Inhalt des Gelesenen ist Ihnen nicht präsent. Somit hätten Sie das Erlebnis, was ich oben angesprochen habe!

Wir werden bemerken, dass die Frequenzen der Aufmerksamkeit auf die Handlungen oft nur sehr geringe Zeit aufrechterhalten werden können. Das dualistische und trennende System ist so lange eine Realität, bis wir den inneren Standpunkt wechseln können! Vorher soll niemand über Kant schimpfen! Die Kunst der Beobachtung besteht indes noch aus einer anderen Qualität. Statt dass sich der Vorgang nun ins Objekt hinein fixiert und dort haften bleibt, wacht im Hintergrund eine Präsenz, welche gleichzeitig auch die inneren Vorgänge während des Handlungs-Aktes beobachtet, ohne nun aber wieder von ihm abzugleiten!

Die Inhalte, die wir vermitteln und mit der Welt kommunizieren, sind immer an Begriffe gebunden. Nonverbale Kommunikationsformen werden auf einer unbewussteren Ebene gebildet. Letztlich müssen diese, um wieder ins wache Bewusstsein transformiert zu werden, erneut zu einem Begriff umgeformt werden. Alle diese Formen, ob verbal oder nonverbal, schaffen immer etwas Verbindendes. Begriffe bilden eine Art Überbau, ein Symbol für die wahrgenommenen Inhalte. Damit diese Inhalte nicht ständig neu umschrieben und wiederholt werden müssen, werden ihnen die Begriffe, zur allgemeinen Verständigung, angeheftet.

Es ist dennoch schwierig, das Verbindende der Begriffe in einheitlichen Formen aufrecht zu erhalten. Begriffe werden zu potenziellen Kampfwerkzeugen, zu Abgrenzungsmechansimen. Je komplexer die Wahrnehmungen, welche vom Nutzer mit dem Begriff verwoben sind, desto schwieriger wird es, einen gemeinsamen Nenner dahinter zu finden. In einer dualistischen Welt der Trennung und Abgrenzung, hat der Begriff immer weniger eine universelle Wirkung! Vielmehr umfasst er nur noch das subjektive, persönliche Selbstbild seines Trägers. Begriffe sind nie die Sache selbst. Es ist ähnlich wie mit abstrakten Symbolen. Begriffe sind letztlich Etiketten, die wir an etwas Sichtbares oder Unsichtbares anheften, um einer Erfahrung Ausdruck zu verleihen.

Nehmen wir irgendeinen beliebigen Begriff, sagen wir «Büchse». Wir nennen dieses Ding, was da vor uns steht «Büchse» und meinen damit etwas Bestimmtes. Dieses Etwas ist aber nicht erfassbar mit einem einzigen Begriff, denn es lassen sich viele Büchsenarten unterscheiden. Mit «Büchse» bezeichnen wir die Wahrnehmung sehr oberflächlich. Um es genauer zu beschreiben, so dass ein blinder Mensch das ganz genau gleiche Bild davon haben könnte wie wir, müssten wir sehr viel investieren. Wir müssten einen langen Vortrag halten und die kleinsten Feinheiten umschreiben. Erst so ergäbe sich ein einigermaßen befriedigendes Bild.

Wenn es schon mit der «Büchse» nicht gelingen mag, wie soll dies mit einem Begriff wie «Gott» möglich sein? Es ist nicht nur nicht möglich, sondern sogar äußerst gefährlich. Das sieht man an den Kriegen und an dem Leid und dem vielen Blut, welches in den vergangenen Jahrtausenden und bis in die Gegenwart hinein geflossen ist. Man lernt jahrelang Begriffe kennen und ist damit beschäftigt, diese Begriffe mit Inhalt und Wahrnehmungen zu füttern. Die Gefahr, die eigenen Vorstellungen hinein zu interpretieren und mit dem Wort zu verknüpfen ist groß. Viele solche Bemühungen werden durch Gewalt vollzogen.

Begriffe können in dieser Weise zu riesigen Gedankenkomplexen heranwachsen. Diese Konstruktionen können zurückwirken auf uns selbst und eine machtvolle Eigendynamik erlangen. Dazu kommt wiederum das Problem der Verhaftung. Deshalb wird sehr oft über Inhalte gestritten. In der Kunst, der Religion, in der Politik und in der Wirtschaft, weil den Streitenden das Verbindende und die Ganzheit hinter den Begriffen fehlt. Wir verlieren etwas dadurch, dass der Begriff keine universelle Kraft mehr hat. Man kann sich fragen: Warum ist das so? Und war es früher auch immer so? Begriffe wirkten in früheren Zeiten vielfach noch mantrisch und ganzheitlich, heute sind sie symbolische und abstrakte Worthülsen geworden. Sie wirken oft suggestiv oder haben den Charakter von Schlagworten. Alles Kampfbegriffe, welche das Gesagte bestätigen.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Freiheit und Beziehung

frei seinWie frei sind unsere Lebensentscheidungen?

Im Laufe unseres Lebens lernen wir viele Menschen kennen. Was macht es aus, dass manche Beziehungen länger halten als andere? Warum ersticken einige schon im Keim und andere reifen über lange Zeit, ja dauern, manchmal über ein ganzes Leben, nach? Welche Kräfte spielen da mit?

Die ersten Menschen die uns begrüssen sind unsere Eltern, unsere Mutter allen voran! Es ist das erste Gesicht, welches wir sehen und das uns auf der Welt empfängt. Was uns in den folgenden Jahren des Heranwachsens umgibt, sind Menschen, die uns, wie wir sagen „vom Schicksal“ gegeben sind. Meistens sind es die Blutsverwandten, jene Menschen, mit denen wir über den „genetischen Strom“ verbunden sind.

Wir lernen aber im Laufe unseres späteren Lebens noch viele andere Menschen kennen. Die meisten wählen wir selbst aus. Es sind Menschen, die uns, so glauben wir, mehr innerlich nahe stehen. Wahlverwandtschaften. Sei es durch ähnliche Interessen, durch einen ähnlichen Charakter, manchmal vielleicht auch nur durch rein ästhetische Gesichtspunkte. Manche vertragen wir gut, andere weniger gut. Gegen Letztere grenzen wir uns ab oder weichen ihnen aus.

Begegnungen kommen oft ohne unser bewusstes Zutun zustande. Was wir danach damit machen, liegt hingegen in unseren eigenen Händen. So empfinden wir vielleicht auch unsere erste Liebe als ein „vom Schicksal gegebenes“ Ereignis. Wir erwidern dieses Gefühl. Ein Gefühl der Verbundenheit mit einem anderen Menschen entsteht. Was nährt dieses Gefühl? Warum hält es manchmal nur kurz an? Und wenn es anhält, wie „frei“ bleibt es dann? Passen wir nicht einfach unsere Gefühle im Laufe der Zeit den äusseren Gegebenheiten und Bedingungen an? Anders herum gefragt: muss alles ausgetragen und ausgehalten werden, für was wir uns einmal entschieden haben? Wie verhält es sich mit dieser ominösen Aussage: „Bis dass der Tod euch scheidet?“ Woher stammt sie und auf welchem Urteil steht sie? Wie viel Verantwortung können wir uns selbst  mit solchen Aussagen überhaupt zugestehen? Superlative wie diese stammen doch eher aus dem Mittelalter und aus einer noch alten, verkrusteten katholischen Vorstellung heraus, nicht aus einem inneren, freien Entscheid. Basieren sie nicht eher auf einem laschen, wenig tragbaren Gefühl, welches man landläufig „Verliebtheit“ nennt. Wo sind die Grenzen des Durchhalten-Müssens und wo/wie sind die „Abzweiger“ für andere Entscheidungen zu finden?

Fakt ist: Alles Leben ist Entwicklung (Hegel, Goethe, Paracelus uvm. bestätigen dies). Jeder Mensch entwickelt sich individuell. Je mehr wir wach bleiben, uns selbst beobachten lernen und persönliche Entwicklung in uns zulassen, umso mehr können wir in unserem Leben erreichen, beziehungsweise lernen und erfahren. Nur, ebenso gut können wir Entwicklungen durch unsere Gedanken auch hemmen. Das geschieht dann, wenn wir unsere innere Mitte, den inneren Ruhepol verlieren.

Ein Beispiel: Sie müssen schmerzvoll den Tod eines Ihnen nahe stehenden Menschen beklagen. Die Klage, das Leid ist notwendig, um die Gefühle des Abschiednehmens verarbeiten zu können. Die Trauer ist wichtig, um sich innerlich von dem Menschen zu verabschieden, ihn „gehen zu lassen“. Die Phase der Trauer dauert einige Zeit. Dann verlieren sich normalerweise die damit verbundenen Gefühle durch den Abstand. Wenn es uns nicht gelingt, die Gedanken loszulassen, bilden sich immer wieder dieselben starken Gefühle. Diese Gefühle sind schmerzhaft und verursachen viel Leid in uns. Aber wir gewinnen mit der Zeit auch so etwas wie Lust am Schmerz! Der Schmerz kann uns dann ein Gefühl der Verbundenheit mit dem verstorbenen Menschen geben. Aber es ist nur eine scheinbare, keine reale Verbundenheit. Wir ziehen in dieser Weise die Vergangenheit stets von neuem in unser Bewusstsein herein.

Wir tendieren dazu, uns mit den Erlebnissen zu identifizieren und erhalten immer wieder „schmerzvolle Nahrung“. Ohne sie können wir bald nicht mehr leben. Der Prozess kehrt sich jetzt um. Wir sind nun an die Peripherie, dort wo die Gedanken kreisen, gedrängt und haben unsere innere Stabilität, den inneren Ruhepol, verloren. Aus der Stille wird Lärm. Der „Lärm in unserem Kopf“ (wie Eckardt Tolle sagt). Wir ernähren uns von diesen Gedanken, brauchen sie, ziehen sie an und züchten sie so lange in unserem Gehirn, bis sie dort physiologisch, irreversibel und nachweisbar, neurologisch feststellbar, verankert sind.

Doch zurück zur Frage des Schicksals und unseren Begegnungen. Es wird immer die Frage nach der inneren Freiheit bleiben. Manche bestreiten, dass es möglich ist, frei zu sein. Da gibt es verschiedene Begründungen. Andere kämpfen vehement für diese innere Freiheit des Menschen. Wo ist sie denn zu finden, wenn es denn eine solche gibt? Doch nur in uns selbst. Sie ist und bleibt ein individuelles Erlebnis, deren Wirklichkeit sich jeder selbst erarbeiten muss …und kann. Die „Frage der Freiheit“ kann deshalb jeder nur in sich selbst finden…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Wagnis Denken…

DenkenNicht ein „Darüber-Stehen“ ist Motivation für all die Ausführungen, die in diesem Blog hier dargestellt und „angedacht“ werden. Es ist vielmehr ein „Darinnen-Stehen“, ein Kampf mit all den dunklen, hellen, klaren oder auch undurchsichtigen Kräften, welche sich schliesslich in Worte formen wollen. Dabei steht aber nicht ein Dozieren oder Rechthabenwollen im  Vordergrund. Eher ist es ein stetes Bangen und Zweifeln, gepaart mit grossartigen, überraschenden Einsichten, welche sich hin und her bewegen in einem suchenden Geist und Genossen dieses Zeitalters.

Ehrlichkeit steht zuvorderst und zwar eine Ehrlichkeit vor allem mir selber gegenüber. Mit grösster Selbstkritik diesem rasenden und fluktuierenden Medium „Gedanke“ sich gegenüber zu stellen und nur das hindurchzufiltern, was auch nach langem Hin- und Herbewegen noch Bestand haben kann. Das ist und war immer mein Bestreben. Insofern ist „Wahrheit“ ein seltener Gast im Getriebe unseres Denkapparates. Sie gibt sich oft nicht von alleine, sondern entsteht langsam, herantastend aus dem dunklen Gedankenleben heraus. Alle diese grossen Begriffe, ausgegangen vom GLAUBEN, ERKENNEN, hin zu WAHRHEIT, GEWISSEN, FREIHEIT usw. können nicht in starren Definitionen und Erklärungen verstanden werden. Sie haben vielmehr ein Eigenleben in sich, sind sehr individuell in ihrer Bedeutung und bilden sich erst mit der Zeit aus der Erfahrung heraus. Sie können auch wachsen… oder einfrieren, je nach dem.

Dennoch können viele Erkenntnisse selbst im Nachdenken über solche Begriffe gefunden werden. Sie bilden letztlich auch das Grundgerüst für die Frage nach dem Sinn des Lebens…

Was als Glaube am Anfang dieser Auseinandersetzung stand, führt alles in allem letztlich immer hin zum Freiheitsbegriff. Dabei muss der Weg von jedem einzelnen Menschen selbst begangen werden und jedes „Stadium“ kann befriedigen, weil in jedem Entwicklungsschritt entsprechende Qualitäten stecken, die gerade aus dieser Situation und nur aus dieser Situation heraus entstehen konnten.

So kann ein starker Glaube in irgendeiner Form, sei es nun in Politik, Kultur oder Religion, im wahrsten Sinn des Wortes „Berge versetzen“. In der Medizin nennt man diesen Effekt „Placebo“. Was dort immer etwas erniedrigend kommentiert wird, ist in Tat und Wahrheit eine viel stärkere Kraft, als alle chemisch-biologischen Wirkungen (inklusive Nebeneffekten)!

Auf dem Weg des Menschen tritt immer irgendwann einmal das Bedürfnis nach Erkenntnis auf. Und auf jeder „Stufe“ wird man viele positive Erfahrungen machen können. Aber jeder Schritt hat auch seine Verluste zu beklagen. So geht dem Erkenntnisringen vieles an Kräften verloren, die im Glauben drinnen stecken. Dies ist wohl der Preis auf dem Weg zur Freiheit.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Liebe ist bedingungslos…

Wieder einmal wird die Liebe thematisiert. Ein paar Gedanken mehr zu einem unerschöpflichen Thema…

Liebe kennt kein Wenn und kein Aber. Liebe kennt auch kein Weil. Ich liebe sie, weil sie so oder so ist, weil sie blaue Augen hat oder einen schönen Mund. Das sind Sätze, die vieles beschreiben, aber die Liebe nicht. Oder: sie liebt ihn, weil er gross und stark ist. Liebe kennt keine Adjektive und vor allem  keine Begründungen. Sie IST, wo sie hinfällt. Liebe ist ein Seins-Zustand. Sie ist da oder sie ist nicht da. Wer den Idealpartner/die Idealpartnerin sucht, hat im Grunde schon verloren.

Man könnte sich ja eine Checkliste machen, welche Eigenschaften der ideale Partner haben müsste. Blond, blaue Augen, mindestens 1.76 m gross und schlank, grosser Busen, schmale Taille etc. Als Hobby: Reiten, Bergsteigen, Kampfsport und Kochen.

So oder ähnlich würde dann das „Liebesprofil“ des idealen Partners vielleicht aussehen. Worauf beruhen diese Bilder und Vorstellungen? Haben sie etwas mit dem Partner/der Partnerin zu tun… oder doch eher mit mir selbst? Natürlich haben sie mit mir selbst zu tun!

Dennoch begeben wir uns auf die Suche nach diesem „idealen Partner“ oder der „idealen Partnerin“. Wir sehen dieses Ebenbild vielleicht auf einer Party und verlieben uns in – ja eben, in was denn? In sie oder ihn? Nein, in das Ebenbild natürlich, das uns erscheint. Alles, was nicht dazu passt, schalten wir einfach aus, ignorieren es. Wir sehen nur die langen schlanken Beine, die blonden Haare und die schmale Taille oder den roten Mund, den vollen Busen usw. und haben Glück, wenn auch noch das eine oder andere Hobby, die eine oder andere Eigenschaft zusammen passt…

Ich liebe sie/ihn, WEIL er oder sie so oder so ist, WEIL er oder sie schlank und gross ist usw. sind „no goes“. Sie haben nicht im Geringsten etwas mit der Liebe zu tun! Liebe heisst, sich im Wesen zu begegnen. Auch wenn alles passt in meinem Profil, so heisst dies noch lange nicht, dass wir das Wesen des anderen erkennen. Im Gegenteil, alle diese Dinge bilden Mauern und Schatten, die uns den Blick zum eigentlichen Wesen des anderen Menschen verbergen.

Ebenso die Wenns und Abers. Ich liebe ihn oder sie, wenn er so ist (sonst hasse ich ihn oder sie vielleicht sogar usw.) Das sind alles Bedingungen, die wir mit einem Gefühl verknüpfen, welches bedingungslos ist und bleiben muss… Liebe ist bedingungslos

Was bringt die Neurologie für den psychologisch orientierten Therapeuten

Psychotherapeutische Ansätze und Neurologie: Normalerweise werden die modernen Wissenschaften aus der Ecke der Schulmedizin von psychologisch orientierten Therapeuten verpönt oder zumindest nicht ernst genommen. Ähnlich verhält es sich natürlich auch in umgekehrter Richtung. Dabei hätten die beiden vollkommen polar ausgerichteten Ansätze soviel Potential in sich, um fruchtbar in beide Bereiche hinein zu wirken. Darüber wird in diesem kleinen Hörbeitrag gesprochen.

Gedankenkontrolle

Fünf Schritte zu einer spirituellen Entwicklung

Erster Schritt: Erkenntnis der Korrelation von Gedanke und Gefühl. Dies beinhaltet gleichzeitig das Erkennen, dass Gedanken unsere Emotionen und Gefühle auslösen und deren Schöpfer sind. Deswegen sind wir nicht identisch mit unseren Gedanken, wie die meisten Menschen glauben, sondern wir sind mehr, ohne etwas zu benennen…

Übung: Gedanken schaffen, positive wie negative und lernen zu beobachten, was sie mit uns machen, währenddem wir gleichzeitig möglichst tief in sie hinein gehen und uns möglichst tief mit ihnen identifizieren. Dies kann zum Verlust der Beobachterposition führen und somit aus dem bewussten Prozess hinausführen… diesen Schritt durch erneute Verankerung immer wieder üben…
Es geht zunächst nur darum, für eine neue Kraft wach zu werden…

Zweiter Schritt: Gedankenkontrolle. Die Beherrschung des ersten Schrittes führt dazu, dass wir mehr Bewusstsein über unsere Gedanken bekommen. Es ist ein grundlegender Schritt zum Einmaleins jeder geistigen Entwicklung. Leider wird er unterschätzt. Er führt nicht direkt zur erweiterten Erkenntnis, ist aber dennoch Bedingung auf dem Weg dahin. Man kann diesen Schritt nicht umgehen. Er ist notwendig.

Dritter Schritt: die Gedankenkontrolle befähigt erst, uns von Gedanken zu lösen und sie auf Distanz zu beobachten. Das heißt, dass wir uns nicht mehr als deren Knecht fühlen, sondern erkennen, dass wir die Schöpfer sind. Das bedeutet gleichzeitig, dass wir auch die Wesen erkennen, die in uns ständig neue (sogenannt gute oder schlechte) Gedanken einpflanzen und somit die Emotionen steuern, denen wir ohne diesen inneren Beobachter ausgeliefert sind (voice dialogue: Teilselbste).

Vierter Schritt: Erkennen des „höheren Ich“ oder einer geistigen Mitte (Begriffe spielen keine Rolle). Aus dieser Erkenntnis heraus erleben wir uns zunehmend als Schöpfer und Herrscher eines inneren Systems von Gedanken und den damit verbundenen Gefühlen aus denen die Handlungen folgen. Wir erkennen, dass wir diesen Vorstellungen und Gedanken nicht maßlos ausgeliefert, sondern deren Herrscher und Schöpfer sind.

Fünfter Schritt: Verankerung des Bewusstseins an dieser nun bewussteren Mitte-Kraft. Das stete Üben dieser Schritte und deren Erkenntnisse und Leiden bringen uns zunehmend einen festen Anker in einer inneren, „geistigen“ Verortung. Dort sind wir keinen uns beherrschenden Schwankungen mehr ausgeliefert. Wir erleben unsere Gefühle von diesem Zentrum aus selbst und lassen uns nicht mehr unbeherrscht in den Strudel der Emotionen hinein ziehen…

Das Emotionen und Gefühle unmittelbar an Gedanken gekoppelt sind glauben viele nicht. Deshalb nicht, weil sie sich im Denken selbst vergessen. Sie wissen nicht, dass sie denken, selbst wenn sie denken! Weil man im Normalfall immer erst dann etwas wahrnimmt, wenn man fühlt, meint man die Gefühle seien autonome Erlebnisse. Es entsteht Gefühlsmystik mit Aussonderung des Denkens. Hier wird das Fühlen zuoberst gestellt und das Denken als etwas niedereres oder sogar Inexistentes negiert. Dass der Gedanke die Gefühle auslöst und, eng verbunden mit der Wahrnehmung, Gefühle erschafft, bleibt deshalb im Dunkeln.

Lauschen

Hineinlauschen in das Innere. In das Eigenleben der Seele. Wach sein für die feinen Stimmen. Überdeckt vom Getose der äußeren Welt. Das ist die zentrale Aufgabe unseres Lebens. Nicht mürbe werden am Geplapper unserer Gedanken. Sie kommen und gehen. Sie führen und leiten unsere Gefühle und Handlungen. Ohne das innere Wachsein beherrschen sie unser Leben. Sie sind mächtig. Suchen Streit, Argumente, Rechtfertigung. Gedanken sind unser heiligstes Werkzeug. Aber sie sind wie kleine Kinder ohne unsere Führung. Zuweilen wie Tiere, Drachen, heillose Zerstörer. Sei achtsam. Aber bewerte, beurteile sie nicht. Erkenne, beobachte. Finde deinen inneren Führer. Dann wirst du zum Führer von Menschen.

Der „Freidenker“ in Ihnen

Freidenker

…das Wort kennt jedenfalls mein Handy nicht: „Freidenker“. Nicht verwunderlich, denn dieser Begriff ist ja schon fast ein Schimpfwort, wie alles, was mit persönlicher Freiheit zu tun hat. Wie frei sind wir denn wirklich? Immer wieder ein viel diskutiertes und umstrittenes Thema. Es ist erst ein paar Tage her, als mir eine nahe Verwandte mit dem jüngsten Gericht drohte…

Nein beliebt ist man nicht, wenn man „frei denkt“ oder es zumindest versucht oder meint, es zu tun. Die einen argumentieren mit der göttlichen Vorsehung und dass sowieso ein großer Plan alle Geschicke der Erde und des Kosmos lenken würde und wir, um Gottes Willen – und zum Glück – keinen Einfluss darauf hätten…
Für andere wiederum sind wir nur kleine Würmchen (mein Handy meint Würstchen, was die Sache ja auch nicht wirklich verfehlt), also jedenfalls ein Nichts im großen allmächtigen All. Somit gänzlich unberechtigt, irgendwelche Urteile zu fällen. Nur gefällt werden sie (die Urteile) eben trotzdem und zwar von genau denen, die solches sagen.

Und da steht Mann/Frau vor der Tatsache der gänzlichen Inkompetenz und Unfähigkeit, Urteile zu fällen und dennoch argumentieren zu müssen.

Aber wie steht es denn nun damit? Sind ein paar Gedanken dazu dennoch erlaubt, so seien sie hier angefügt.
Die Frage ist halt immer wieder dieselbe: Gibt es diese persönliche Freiheit und wenn, wo gibt es sie… habe ich also die Berechtigung, mich überhaupt zu diesem Thema zu äußern oder hat die göttliche Vorsehung keinen Platz dafür?

Glaubt man an eine unwiderrufliche göttliche Macht wie diese Vorsehung, braucht man hier gar nicht weiter zu lesen. Denn es spielt eigentlich keiner Rolle, was ich über die Freiheit schreibe, es gibt sie doch nicht und allein der Glaube macht selig. Das argumentieren und diskutieren allein schon öffnet mich für den anderen Menschen. Im besten Fall wird es ein Dialog mit offenem Ausgang. Beharre ich indessen auf meinem seit jeher gelebten Dogma (auch den Begriff kennt mein Handy nicht) – unverrückbar und unwiderruflich, dann bin ich nicht offen für andere, für Argumente der Anderen.

Wenn Sie diesen Artikel also lesen, dann gibt es drei Möglichkeiten, warum Sie dies tun.
Die erste (und wohl beste aus meiner Sicht) ist Ihre Offenheit für neue Gedanken, unabhängig davon, ob Sie sie für wahr halten oder nicht.
Die zweite hilft Ihnen damit aufgrund von anderen Ansichten, Ihr eigenes und fest gefahrenes Weltbild zu befestigen, indem Sie quasi den „Gegner“ studieren um so das „Böse“ immer besser kennen zu lernen.
Und die Dritte: Sie fühlen sich als Retter und machen Jagd nach neuen Schäfchen, um sie vor dem jüngsten Gericht zu bewahren.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mit diesen Aussagen manche Menschen provoziere. Das ist aber gar nicht meine Absicht. Was ich damit bezwecke, Sie merken es, ich hoffe auf das Quäntchen Freiheit in Ihnen, das sich gegen meine Argumente aufmüpft… an den Freidenker in Ihnen…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Lebensscript und Teilselbste

Teilselbste und Lebensscript als eingeschränkter Erfahrungsraum

Es gibt zwei Haltungen in mir, die ich immer wieder wahrnehme und die voneinander vollkommen verschieden sind. Die erste Haltung ist der „Rechtfertiger“. Ich höre andere Menschen sprechen und bilde im selben Moment in mir Gedanken, die die Argumente und Erklärungen des anderen oder der anderen beurteilen und/oder umbiegen, rechtfertigen wollen.
Auch das Gegenteil ist aus dieser Haltung heraus durchaus möglich. Ich stimme diesen Gedanken, die ich höre sofort und ohne zu reflektieren, zu. Ablehnen oder Zustimmen erfolgen aus dieser Haltung heraus gleichermassen und unreflektiert.

Die andere Haltung ist der ersten gänzlich entgegengesetzt. Sie tritt weniger häufig ein, aber zuweilen so stark und unverkennbar, dass ich verwundert darüber bin, wie man immer wieder sehr schnell in die andere verfällt. Diese zweite Haltung könnte man als den „Liebenden“ bezeichnen. Hier spielt das Urteil und die Argumentation keine Rolle mehr! Es ist ein Gefühl von Verbundenheit da. Es ergreift mich und geniesst das andere, ohne es zu beurteilen oder zu verurteilen.

Wenn ich mich in der ersten Haltung befinde, suche ich sofort Argumente, mit denen ich mich vergleiche oder abgleiche mit meinem Gegenüber. Ich empfinde das zwar als unangenehm, meine aber (warum eigentlich?), dass ich es tun muss, dass ich meinen Standpunkt unbedingt verteidigen muss. Diese Argumente werden in Gedanken und Vorstellungen transportiert.

Woher kommen diese Gedanken?

Sie sind aus meinen ganz persönlichen Lebenserfahrungen heraus entstanden. Aus meinen Erlebnissen, die mich seit meiner Kindheit geprägt haben, verletzt haben oder gefordert haben. Es sind Gedanken, die sozusagen das Konglomerat von ganz spezifischen, ganz persönlichen und ganz subjektiven Erlebnissen bilden.
Auch wenn das „Meisterwerk der Logik“ genauso gut sogenannte „objektive Urteile“ zu bilden vermag, so ist die Klippe zwischen dem persönlich gefärbten und dem, was man als Logik bezeichnet, doch recht oft sehr schmal und tief und mit viel Unklarheit verbunden. Sicher, gibt es Bereiche, die unausweichlich und mit wenigen Erklärungen allgemein verifizierbar sind. Die Mathematik zum Beispiel. Aber das Leben ist zum grössten Teil nicht mit mathematischer Logik erklärbar und so kommt man kaum darum herum, irgendwann sich auch mit Begriffen wie „Gott“, „Freiheit“, „Liebe“ auseinanderzusetzen!

Und hier bleiben wir schnell hängen mit unserer Logik und verfangen uns in diesen oben angetönten, zweifelhaften und subjektiv gefärbten Argumenten! Was ist Liebe? Was ist Freiheit? Was ist Kunst? Was ist – Gott?

Gibt es da auch nur ansatzweise logische Argumentationen? Vielleicht gibt es sie, wenn man vom Denken in den Zustand der Wahrnehmung übergehen kann! Jemand, der den Tisch nicht sieht, vor dem wir stehen, wird kaum mit Gedanken und Logik davon zu überzeugen sein, dass es ihn gibt! Genauso gut kann man das von Engeln sagen! Jemand, der sie sieht, kann einen anderen, der sie nicht sieht kaum mit Worten davon überzeugen, ohne sich lächerlich zu machen. Er müsste ihn soweit bringen, dass dieser sie selbst wahrnehmen kann! Dann sagt der plötzlich: „Ach so, das hast du gemeint! Warum hast du das nicht früher gesagt J“

Die erste Haltung lebt also in den Gedanken und Vorstellungen. Diese wiederum hängen von den persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen ab, die man in seinem Leben durchmacht. Und das bezeichne ich als das „Lebensscript“. Es ist die Geschichte, die man schreibt und anhand der man sich ein persönlich gefärbtes und gezimmertes Nest baut. Und aus der Sichtweise dieser Brille, die man sich hier aufgesetzt hat, sieht und beurteilt man die Welt, scheidet sie in Gut und Böse, Richtig oder Falsch usw.

Das ist, gelinde gesagt, fatal!

Und mein Fazit daraus (objektiv verifizierbarJ?): Erst wenn wir anfangen, dies zu erkennen, dass wir nicht Wir selbst sind, dieses kleine Ich, welches durch diese Brille schaut, erst dann können wir von dem zweiten Zustand zu sprechen anfangen. Wir verlassen die Ebene der Teilselbste und treten in einen neuen Erfahrungsraum: der Liebe… wie wir diesen bezeichnen, ist irrelevant…

Mein Kinderbuchprojekt „Ursli und der Traum vom Schiff

Mein Verlag erwacht zum Leben… Wirkstatt-Verlag

Die Kunst in der Wirtschaft

KunstundWirtschaftLeben ist Prozess. Hegel[i] verallgemeinert den Begriff sogar so weit, dass er ihn mit „Bewegung“ schlechthin gleichsetzt. Es gibt keinen anderen als einen lebendigen Prozess. Der Prozess bedingt Bewegung. Bewegung ist ein Vorgang, welcher Entwicklung in sich trägt. Alle Entwicklung ist prozesshaft. Insofern ist dieser Begriff nichts anderes als die Beschreibung einer in der Zeitlinie verlaufenden Bewegung, welche sich auf ein unbestimmtes Ziel hin bewegt.

Was wir als Zwischenschritte darin erkennen, sind Teilprozesse einer großen, umfassenden Bewegung. Sie sind zwar tendenziell planbar, aber nicht in sich abgeschlossen und definitiv. Selbst die einfachsten Prozesse entwickeln sich nicht nach den Gesetzen unserer Vorstellung, sondern nach den Gesetzen des Lebens. Und solche Gesetze kann man erforschen und ihnen Eigenschaften abgewinnen, die sich als hilfreich erweisen im Durchschreiten von anderen Prozessen. Dabei spielt es keine Rolle, wo sie auftreten, ob im wirtschaftlichen Leben, im sozialen Leben, im kulturellen Leben oder in der Kunst.

Das Auftreten von Emotionen und Vorstellungen, welche uns im Laufe eines Lebens betreffen und bewegen, kann in immer wieder ähnlichen Schritten wahrgenommen werden.

Das “Gebilde“, welches dann entsteht, ist ein Phantomkörper unserer wahren Identität, unser Schatten. Er ist ein “Abfallprodukt” des emotionalen Reifeprozesses. Da wir aber nicht das Abfallprodukt sind, sondern dessen Produzent, müssen wir lernen, diese Prozesse zu durchdringen und zu verstehen. Erst dann erleben und erkennen wir das Bewusstsein unseres höheren Selbst oder des freien Ich. In diesem Bewusstsein sind wir selbst im Lebensprozess aktive Gestaltende.

Wenn wir lernen, den gebildeten Identifikationsstrom gewahr zu werden und ihn achtsam mitzuverfolgen, dann können wir die Abstufungen dieses Prozesses erforschen und erkennen. Die große Grundbewegung, welche alle diese Prozesse durchzieht, wurde bereits in den dreißiger Jahren von Kurt Lewin entdeckt. Sie beinhaltet die drei Grundelemente von Unfreezing, Transition und Refreezing[ii].

Was in diesen drei Grundelementen dargestellt wird, sind Hauptelemente eines Gesamtprozesses. Solche Entwicklungsvorgänge haben keine zeitliche Einschränkung. Sie sind sowohl in kurzwelligen, als auch in langwelligen Ereignissen auszumachen. Dies sind auch Grundbegriffe des Change-Managements geworden.

Wir können betrachten, was wir wollen: Ein Kunstwerk, einen wirtschaftlichen Prozess, soziale Prozesse, persönliche Entwicklungsprozesse, Kommunikationsprozesse, Krankheitsprozesse, Todesprozesse und so fort, immer wird uns derselbe Verlauf in seiner Grundstruktur entgegenkommen.

Darin sind drei deutliche Phasen erkennbar (mit anderen Worten):

1.      Stagnationsphase (Unfreezing)
2.      Widerstands- oder Rückbildungsphase (Transition)
3.      Impuls- und Umsetzungsphase (Refreezing)

Ich versuchte, die von Lewin erkannten Grundprozesse etwas differenzierter weiterzuverfolgen und sie für die eigene künstlerisch-therapeutische Arbeit nutzbar zu machen.

Unfreezing ist der erste Teil des Prozessablaufes. Hierbei können folgende Wahrnehmungen gemacht werden. Etwas bewegt sich nicht mehr weiter, es stagniert, erlahmt. Die Abläufe sind automatisiert, die Entwicklungslinie verharrt im Stillstand. Man fühlt sich stumpf! (Stufe1)

In einem zweiten Schritt entsteht so etwas, wie ein Schmerzgefühl (Stufe 2). Die Unzufriedenheit über die Stagnation macht sich nach und nach bemerkbar. Man spürt die Erstarrung und die Kälte im Prozess. Die Tatkraft geht verloren, die Begeisterung verschwindet. Alles wird freudlos. Man weiß, dass etwas Neues kommen muss. Es ist aber nicht benennbar und nicht verortbar. Der Bewusstseinszustand ist unbewusst bis träumend. Es wird uns “mulmig”. Das Anbahnen und die Ungewissheit durchsetzen uns mit Unbehagen. Der Druck von außen kann zunehmen und spürbar werden, sei dies der sich anbahnende Tod oder innere Umwälzungsprozesse oder Krisen, die sich unterschwellig so bemerkbar machen.

Was zuerst als Unzufriedenheit in Erscheinung getreten ist, wird nun zu einer Widerstandskraft oder einem inneren Widerstand, der erst aus dem zunehmenden Druck wächst (Stufe 3). Angst durchsetzt uns und erweckt Abwehr. Wir fordern zunächst das Gewohnte, Bewährte und Alte  wieder zurück und weigern uns, nach vorne zu blicken. Im Weiteren bemerken wir, dass sich etwas anbahnt. Wir erahnen die kommende Auseinandersetzung. Diese Phase ist oft sehr schmerzhaft. Weil wir gleichzeitig in unserem Bewusstsein erwachen, je näher sich der Wellengrund auf uns zu bewegt, müssen wir zum inneren Akzeptieren, zur Zustimmung finden.

Nun tritt etwas Entscheidendes ein. Wir müssen uns entscheiden. Das heißt, wir müssen Farbe bekennen. Grundsätzlich tun wir dies nach drei verschiedenen Szenarien. Zunächst tritt eine 4. Stufe an uns heran, die ich mit Akzeptanzphase bezeichnen könnte, welche in folgende drei kleinere Unterprozesse gegliedert ist:

  1. Die Bejahung
  2. Die Verneinung
  3. Die Ignoranz.

Bei der dritten schalten wir alle Bewusstseinsprozesse solange dies geht, wieder aus und verdrängen sowohl Gefühle, wie auch Gedanken im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Wandel. Wir krebsen zurück, haben den Mut nicht nach vorne zu blicken. Dies führt in die Isolation und in eine noch größere Drucksituation, welche die Entscheidung von neuem fordert.

Im ersten Szenario erkennt und anerkennt man den Wandlungsimpuls und entscheidet sich, hindurchzugehen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Klarheit über einen möglichen Verlauf vorhanden ist.

Und das Verneinungsszenario erkennt die Notwendigkeit eines Verwandlungsprozesses ebenso wenig, entscheidet sich aber vollbewusst und willentlich, auszuscheiden, auszuscheren oder umzusteigen, etwas anderes zu probieren oder vielleicht ein Re-Branding zu wagen.

Der Verwandlungsprozess wird aber nur im Bejahungsfall, also im ersten, wirklich weitergeführt. Wenn wir willentlich aussteigen, dann haben wir zwar einen Neuanfang inmitten von anderen Verhältnissen geschaffen, ohne das tieferliegende eigentliche Problem gelöst zu haben. Brüche können den Prozess zwar ebenso weiterführen. Sie werden aber an einem anderen Ort und in einer anderen Weise wieder zum selben Punkt führen müssen.

Jetzt erkennen wir die 5. Stufe. Sie zeigt sich nur im Bejahungsfall. Hier werden neue Kräfte freigemacht! Sie bringen neue Impulse und Ideen. Eine frische Dynamik entsteht, welche den Prozess wieder beflügelt und weiterführt. Der Aufwärtsschwung wird in Gang gesetzt.

In der 6. Stufe des Durchlaufes entstehen aus dem neuen Impuls neue Ideen. Sie „flattern“ gewissermaßen nur so auf uns zu und bereiten eine Vielfalt neuer Möglichkeiten vor. Jetzt entsteht wieder ein kleines Vakuum im Prozessablauf. Die Vielfalt kann uns erschlagen und chaotisch werden. Sie ist noch struktur- und formlos.

Eine kleine Zwischenkrise tritt ein. Sie verhindert die Eingliederung der Ideen in die realen Verhältnisse. Neue Hindernisse treten auf.

In der 8. Phase, der Umsetzungsphase ist Knochenarbeit angesagt. Das kann in den gruppendynamischen Prozessen Probleme verursachen. Es gilt, das Wesentliche heraus zu arbeiten, um die Kernfragen zu klären. Teamarbeit wird hier zentral.

In der 9. Phase geht es um Konsolidierung. Das Erarbeitete muss wieder integriert und eingeordnet werden. Die Abläufe werden wieder normalisiert. Der Sturm ist vorbei. Routine und Alltag machen sich erneut breit. Aus dieser Phase heraus entsteht als letzter und 10. Schritt wieder eine erneute Stabilisierung.

Solche Prozesse, wie sie hier in den 10 Phasen beschrieben sind, laufen wellenförmig durch das ganze Leben. Sie durchdringen unternehmerische, kreative und künstlerische Prozesse ebenso, wie jeden Prozess der eigenen Bewusstseinsentwicklung. Sie sind unaufhörlich, enden nie. Auch die erneute Stabilisierung wird wieder hinüberführen in die Stagnation und wird letztlich wieder von neuem eine nächste Welle auslösen. Durch die Lernerfahrung und durch Fehler erkannte neue Problemlösungen wird insgesamt eine immer neue Aufwärtsbewegungen, die Gesamtentwicklung fördern und reifer werden lassen.

Wir hangeln uns durch diese Wellen quasi hindurch. Gewinnen mehr Selbstvertrauen und innere Reife, weil wir durch Unvollkommenheiten immer mehr (Selbst-) Bewusstsein erschaffen und uns so weiter entwickeln. Das ist  eine bewusstseinsbildende Dynamik.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…


[i] Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831),deutscher Philosoph

[ii] Kurt Lewin Werkausgabe (KLW), Hrsg. Karl Friedrich Graumann, 4 Bände sind erschienen; Klett, Stuttgart ab 1980

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