Übertragung/Gegenübertragung und die Kunsttherapie

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Unsere Gedanken und Gefühle sind von Mustern geprägt. Die Wiederholung von Erfahrungen, Erlebnissen und Begebenheiten, prägen diese Muster und befestigen sie. Unsere Begegnungen in der Kindheit durch uns nahe stehende Personen, formen und konsolidieren alle diese Erfahrungen. Was daraus entsteht, ist so etwas wie ein Strickmuster der Gehirnstrukturen durch Wiederholung. Die Prägungen wachsen mit zunehmendem Alter aus und konstituieren sich in unserer Persönlichkeitsstruktur.

So wird jede neue Begegnung nach diesen Mustern abgestimmt, die uns von Kindsbeinen an mitgeprägt haben. Menschen die wir treffen haben ihre Rolle, ihre Verhaltensweise, ihren spezifischen Charakter. Solche Bedingungen stoßen auf vorgeprägten Strukturen. Wir entwickelten ein anderes Muster zu unseren Geschwistern, zum älteren Bruder zum Beispiel, als zum jüngeren, zur Schwester, und wieder andere zur Mutter, zum Vater usw. Jede dieser prägenden Erfahrungen verdichtet sich mit zunehmendem Alter. Was wir daraus in die Gedanken gießen und als Gefühle äußern, hat damit zusammenhängende, spezifische Eigenschaften. Sie sind mit den gemachten Erfahrungen mit den uns umgebenden Menschen aufs innigste verbunden. Die Reinlichkeit der Mutter, die Pedanterie des Vaters, die Dominanz des älteren Bruders oder der Neid der Schwester werden so zu Veranlagungen in unserem eigenen Charakter.

Jedes Mal wenn wir in unserem Leben auf neue Menschen treffen, werden diese Strukturen, die wir geschaffen haben reaktiviert. Manchmal weniger, manchmal mehr. Unser Verhalten nimmt diese Muster der Reaktionen und Gegenreaktionen auf. Es kann sein, dass der Mensch, der uns begegnet, uns an jemanden aus der Kindheit erinnert. Es können Charakterzüge sein, die uns ansprechen oder stören. Es können aber genauso gut Situationen sein, die an entsprechende Erlebnisse aus der Vergangenheit erinnern. All dies geschieht meistens unbewusst und ohne unsere Kontrolle. Sehr gut möglich, dass wir als Folge davon sogar unsere Beziehungen nach den konstituierten Prägungen aussuchen! Vielleicht wird unser Partner, unsere Partnerin einst dem Typus unseres Vaters oder unserer Mutter entsprechen.

Das aus der Kindheit geschaffene Verhaltensmuster können wir – mit der Begrifflichkeit der Transaktionsanalyse – das Lebensskript nennen. Dabei ist die Gesamtheit oder vielleicht besser, das Hauptthema unserer geschaffenen Strukturen gemeint. Diese Prägung kann mit den (negativen oder positiven) Erfahrungen mit unserer Mutter oder mit unserem Vater zu tun haben, oder ebenso gut zu anderen wichtigen Menschen im Umfeld der (vor allen Dingen frühen) Kindheit. Die in der Psychologie genannten Erlebnisse von Übertragung und Gegenübertragung haben mit diesen Prägungen zu tun.

Man kann darin durchaus Gesetzmäßigkeiten sehen, die unwiederbringlich und definitiv unser Leben bestimmen, ohne die Möglichkeit der Korrektur, der Verwandlung oder Entwicklung des Bewusstseins zu finden. Und in der Tat, liest man Biografien, wie jene von Hermann Hesse, ist man geneigt, sich kaum Chancen auszurechnen, solche Kräfte auszugleichen und mit sich ins Reine zu kommen. So wie seine Figuren immer wieder Zeugen des inneren Kampfes mit der Natur der Sinne und in Auseinandersetzung mit hohen Idealen sind, genau so zeigt sich die Ambivalenz der polaren Persönlichkeitsstruktur in uns immer wieder in einem neuen Gewand.

Es ist alleine schon fast eine Herkulestat, das Lebensskript zu durchschauen oder zumindest zu erkennen. Es benötigt eine große, innere Wachheit und Beweglichkeit. Diese wird dauernd gestört von den befestigten Prägungen, die wir geschaffen haben. Ein Ausbrechen aus dieser Not bedarf zunächst einer gründlichen Analyse. Aber das kann nur der Anfang sein. Denn die Analyse ist zunächst nichts anderes als die Erkenntnisseite für eine Annäherung an den eigenen inneren Wesenskern, aber noch keine Erfahrung davon! Es ist für eine hinreichende Bewusstseinsentwicklung nicht möglich, bei der Analyse stehen zu bleiben.

Hermann Hesse war jahrelang in einer Analyse, zuerst bei einem Schüler C.G. Jungs, bei Lang, danach beim Meister selbst. Was ihm letztlich aus seiner inneren Unruhe und nervösen Spannung heraus half, war die Kunst! Sowohl als Schriftsteller, vielmehr aber noch als Maler, fühlte sich Hesse ausgeglichen. Durch die Schriftstellerei konnte er die inneren Erlebnisse verarbeiten, durch die Malerei kam er zur Ruhe. Hier setzte ein Erlebnis ein, welches zu inneren Erfahrungen hinführte.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Psychopharmaka und das Heildilemma

Ob von der Psyche zum Körper oder vom Körper zur Psyche – die Peptide bilden den Dreh- und Angelpunkt. Sie sind die Substanzen, die Leib und Seele miteinander verbinden. Wahrscheinlich gibt es nur wenige Vorgänge, bei deren Steuerung und Funktion sie nicht eine wichtige Rolle spielen. Schaut man genau hin, so sind sie schon von der ersten Stunde an mit von der Partie. Denn das Spermium ist nicht so klug, wie bisher gedacht. Es spürt das Ei nicht aus eigener Kraft auf, sondern wird von ihm angelockt. Wodurch? Natürlich durch Peptide.

Unsere innere Apotheke ist gut sortiert. Ob Schmerzmittel, Tranquilizer, Antidepressiva oder Schlafmittel – das Gehirn stellt sie rezeptfrei und kostenlos zur Verfügung. Wahrscheinlich gibt es für viele, vielleicht sogar für alle handelsüblichen Psychopharmaka entsprechende vom Gehirn selbst produzierte Substanzen. Das hat einen einfachen Grund. Medikamente können nur dann eine Wirkung er­zielen, wenn sie die in den Zellen ablaufenden Prozesse beein­flussen können. Dies gelingt ihnen, indem sie sich an einen Re­zeptor an der Oberfläche einer Zelle binden. Dazu müssen sie al­lerdings die passende molekulare Struktur haben, sonst öffnet der Schlüssel nicht das Schloß. Doch unsere Rezeptoren sind nicht für die Pharmaindustrie gemacht, sondern für unsere eigenen »Medikamente«. Wie schlecht wir davon Gebrauch machen, zeigt der jährlich verschlungene Tablettenberg. Gelänge es uns, unser eigenes Potential besser zu nutzen, so könnten wir uns so man­chen Gang zur Apotheke sparen und würden dabei noch etwas ge­gen die Kostenexplosion im Gesundheitswesen tun.

Unsere körpereigenen Medikamente sind dabei jedem Pharma­medikament haushoch überlegen. Sie wirken gezielt und spezi­fisch. Der Körper gibt sie in der richtigen Dosierung ab, sie haben keine Nebenwirkungen und werden ohne Probleme wieder abge­baut. Im Vergleich dazu führen sich viele Medikamente wie ein Elefant im Prozellanladen auf. Sie blockieren die Rezeptoren und kümmern sich wenig um das fein abgestimmte Zusammenspiel der biochemischen Prozesse des Körpers. Die mehr oder weniger lange Liste der Nebenwirkungen auf den Beipackzetteln von Medikamenten spiegelt dies wider. Erst vor kurzem wurden etwa Valiumrezeptoren auf Immunzellen entdeckt. An eine mögliche Beeinflussung des Immunsystems hat wahrscheinlich kein Dok­tor gedacht, der in den letzten dreißig Jahren seinen Patienten wegen jeder Kleinigkeit einen Tranquilizer verschrieb.

Dies alles spricht nicht gegen den gezielten Einsatz von Medika­menten, wenn es dafür eine klare medizinische Indikation gibt. Es spricht allerdings klar dafür, sich mehr um unser eigenes inne­res Heilungspotential zu kümmern. Jeder kann lernen, es für sei­ne eigene Gesundung einzusetzen. Ob wir es wissen oder nicht, wir können uns selbst heilen.

Mit jedem neuen Gedanken verändern sich das chemische Muster des Gehirns, die Zusam­mensetzung und Lokalisation seiner Botenmoleküle. Es besteht kein Zweifel daran: Unser Denken formt die materielle Realität des Gehirns. Zumindest im molekularen Bereich sind wir, was wir denken. Was sagte die vedische Literatur schon vor 5000 Jahren? Der Körper ist die Projektion des Bewußtseins. Das war ein Voll­treffer. Es scheint, die Wissenschaft ist dort angekommen, wo die Intuition schon immer war.

Jetzt zeigt sich das kunstvolle Zusammenspiel zwischen Seele und Körper in seinem ganzen Ausmaß. Genau genommen wirkt sich jeder neue Gedanke auf den ganzen Körper aus. Wenn ein angst­voller Gedanke durch den Kopf geht, zieht die Angst auch durch den Körper. Denn die mit der Angst verbundenen Botenstoffe be­einflussen das vegetative Nervensystem, verändern die Balance der Hormone, wirken sich auf den Stoffwechsel aus, auf den Blut­druck, die Körpertemperatur, die Verdauung, natürlich auch auf die Immunzellen und wahrscheinlich – wir können es noch nicht genau genug messen – auf jede einzelne Zelle. Weshalb chroni­sche Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit oder Niedergeschlagenheit sich gesundheitlich so verheerend auswirken können, ist nun of­fensichtlich: Der Körper bekommt immer wieder die gleichen »deprimierenden« Botschaften, die seine Vitalität hemmen, seine Widerstandskraft beanspruchen und seiner Gesundheit zusetzen. Doch schon im nächsten Augenblick kann sich das ganze Bild än­dern. Eine glückliche Erinnerung erzeugt ein neues Muster und löst im Körper eine »glückliche« Reaktion aus. Wie oben, so un­ten – diese alte esoterische Weisheit hat es in sich. Körper und See­le bewegen sich zwar in unterschiedlichen Welten, doch sie sind, paradox wie es ist, nicht voneinander getrennt.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Heimatgefühle

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Heimatgefühle kennt wohl jede und jeder von uns. Das Gefühl, mit einer Landschaft, mit Menschen, mit Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen verbunden zu sein, gehört zu unseren wichtigsten Grundemotionen. Sie können unser ganzes Leben nachhaltig beeinflussen, uns prägen und formen, bis in die Physiognomie hinein.

Doch was ist Heimat? Was passiert,wenn wir entwurzelt werden, wenn wir Land und Leute verlassen (müssen) und uns an einem fremden Ort dieser Welt ansiedeln? Was bleibt von diesem Gefühl übrig und wie sehr verändert es uns, wenn wir es nicht mehr befriedigen können?

Bausinger z. B. beschreibt den Begriff „Heimat“ (gemäß Wikipedia) folgendermaßen: „Eine einheitliche Definition existiert nicht. So ist für Bausinger Heimat eine räumlich-soziale Einheit mittlerer Reichweite, in welcher der Mensch Sicherheit und Verlässlichkeit seines Daseins erfahren kann, sowie ein Ort tieferen Vertrauens: „Heimat als Nahwelt, die verständlich und durchschaubar ist, als Rahmen, in dem sich Verhaltenserwartungen stabilisieren, in dem sinnvolles, abschätzbares Handeln möglich ist – Heimat also als Gegensatz zu Fremdheit und Entfremdung, als Bereich der Aneignung, der aktiven Durchdringung, der Verlässlichkeit“ (Bausinger 1980: 20)

Es gibt aber noch ganz andere, offenere Konzepte, die einen festen Standort relativieren. So steht es ebenfalls auf Wikipedia: „Heimat ist im Gehirn jedes Menschen präsent. Heimat besteht aus einer Unmenge von Engrammen. Je länger er an einem Ort verweilt, desto stärker sind die Engramme synaptisch bei ihm verfestigt, sofern sie emotional positiv korrelieren. Heimatgefühle manifestieren sich durch wiederholte Prägung. Diesen Gedankengang hat bereits der römische Philosoph Cicero entwickelt:.[3] – Wenn emotional bejaht, können mehrere Orte für ein bestimmtes Individuum Heimat werden. Auf ähnliche Weise entstehen nicht-ortgebundene Heimatgefühle (wie das Sich-Heimisch-Fühlen in einer Sprache). Umgekehrt ergibt sich aus einer Auflösung neuronaler Strukturen im Zuge einer Demenzerkrankung oft ein Gefühl der Heimatlosigkeit, und zwar auch dann, wenn sich in der Umgebung des Erkrankten objektiv nichts Wesentliches verändert hat.[4]

Der Begriff ist, wie so viele andere auch, also nicht einheitlich definiert. Der letzte Gedanke, welcher offenbar sogar auf Cicero zurückgeht, scheint mir hingegen sehr wichtig zu sein! Er lässt den Schluss zu: Es gibt, neben der räumlichen, auch eine geistige Heimat, und diese ist durchaus recht flexibel, zumindest potenziell. Die Fähigkeit der Flexibilität ist individuell bedingt und bei jedem Menschen unterschiedlich stark. Manche können durchaus oft und ohne Probleme ihre räumliche Umgebung wechseln, sich bestens an die neue Umgebung anpassen, sich integrieren. Andere sind dazu weniger in der Lage.

Woran liegt es denn, woran liegt diese Fähigkeit? Kann man sie schulen, oder ist sie, wie meistens im normalmedizinischen Kontext, schlicht „genetisch bedingt“. Die Zigeuner z.B. tragen, gemäß solchen Vorstellungen, diese Fähigkeit sozusagen als „Wander-Gen“ schon in sich. Die Bayern vielleicht weniger… Nein, Spaß beiseite, die Frage der Wandelbarkeit unserer geistigen Veranlagung ist, vor allem in der Neurologie, ein vieldiskutiertes Thema der letzten Jahrzehnte. Und der Schluss, der aus vielen Forschungen gezogen wurde, ist eindeutig: Unser Gehirn ist extrem wandelbar! Der Begriff Neuroplastizität besagt, – und ich lasse auch dieses Mal Wikipedia sprechen: „…unter neuronaler Plastizität versteht man die Eigenschaft von SynapsenNervenzellen oder auch ganzen Hirnarealen, sich in Abhängigkeit von der Verwendung in ihren Eigenschaften zu verändern (anzupassen)“.

In der Kindheit, Jugendzeit passt sich das Gehirn und diese neuronalen Strukturen zwar seiner Umgebung an und prägen unser Denken und Fühlen, unsere Vorstellungen und damit auch unser Handeln. Gleichzeitig hat es aber auch die Fähigkeit, sich jeder neuen Situation und neuen Gedankenmustern anzupassen. Das bedeutet, dass unser Denken nicht per se abhängig bleibt von sogenannten psychologischen und sozialen „Altlasten“. Die Bedingungen für eine Veränderung liegen also in uns selbst. Wir selbst können es beeinflussen, ob uns unsere Automatismen durchs Leben begleiten bis dass der Tod uns von ihnen scheidet, ganz im Sinne von: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nicht mehr“, oder ob wir jederzeit neue Wege gehen können…

Heimat ist also in uns. Es ist ein innerer Zustand, der weder vom Raum, noch von der Umgebung, und auch nicht von Menschen oder Verhältnissen abhängig ist, sondern einzig und alleine von dem, „was wir daraus machen“. Wir können also in jedem Augenblick die Zukunft verändern… und Heimatgefühle entwickeln…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Unsere Feindbilder

Aus Mato | Bilderwelt
Aus Mato | Bilderwelt

Es ist Ihnen sicher auch schon passiert, dass Sie sich nicht verstanden fühlten, dass Sie jemand mit einer Sache konfrontierte, von der er meinte, Sie seien ein Vertreter dieser Sache! Es kann sogar sein, dass Sie dem Angreifer in dem, was er verurteilte, vollkommen Recht geben konnten!

So könnten Sie beide für eine Sache gegen dieses Angegriffene in bester Freundschaft kämpfen. Das Dumme ist nur, dass der Angreifer in Ihnen einen Vertreter eben dieses Feindbildes zu sehen glaubt! Er hat sich von Ihnen ein Bild geschmiedet, welches vollkommen an der Realität vorbei zielt, belud es mit seinen persönlichen Vorstellungen und Meinungen und hält Ihnen dieses selbst geschaffene Gespenst nun entgegen. Sie versuchen vielleicht, ihn davon zu überzeugen, dass das, wovon er spricht, nicht Ihr Glaube, Ihre Weltanschauung, Ihre Meinung, oder was auch immer, sei, und bemühen sich den Tatbestand wohlwollend zu erläutern. Ihr Gegenüber „glaubt“ aber Ihren eigenen Wahrnehmungen nicht. Er hat sich so sehr in sein eigenes Bild von Ihnen verbissen, dass jede Rechtfertigung nur noch mehr Nahrung für seinen Angriff bietet. Nun ziehen Sie sich vielleicht zurück, denken, ach was solls, da ist nichts zu machen, soll der glauben, was er will…

Nicht immer läuft es so glimpflich ab…

Solche Situationen gibt es bestimmt nicht selten. Und wenn wir uns selbst ganz genau beobachten merken wir, dass es auch uns, manchmal nur in kleinen Dingen, sehr ähnlich geht mit unseren (Vor-) Urteilen! Manchmal sind es nur die ganz kleinen Schatten: ein Flüchtling zum Beispiel, der am Tor des Asylheimes sitzt und um sein Überleben kämpft. Ein flüchtiger Blick, ein flüchtiger Gedanke, der durch unseren Kopf zieht: „Der taugt ja eh nichts, soll doch zurück in sein Land gehen…“, oder ähnliches. Ein flüchtiger Gedanke nur, der uns kaum oder gar nicht bewusst wird, in sekundenbruchteilen aufblitzt und wieder verschwindet. Schnell, schon im nächsten Sekundennruchteil schalten wir wieder um, unsere nächste Sitzung anvisierend, wo es schließlich „grössere“ Probleme zu behandeln gilt, (z.B., was wir nun mit dem erwirtschafteten Gewinn von fünf Millionen Euro anfangen sollen…).

Feindbilder sind aus dieser Art (Gedanken-) Stoff gemacht. Egal ob sie im Kleinen oder im großen passieren. Es ist oft genug der Stoff UNSERER EIGENEN, persönlichen Vorstellungen, unserem persönlichen Verständnisbild der Welt, dem wir nur immer wieder frische Nahrung geben, um dieses so am Leben zu erhalten und um unser Gewissen damit zu beruhigen. Das Gewissen, welches gebetsmühlenartig predigt: „Ich bin ja ein guter Mensch! Der oder Jener aber verkörpert das Böse!“ Was wir dort zu sehen meinen und vernichten wollen, ist oft nichts anderes als ein selbst kreiertes Schattenbild unserer selbst, ein persönlich geschaffenes Gespenst. Wie viele solche Gespenster geistern in der Welt herum, mich wohlweislich mit einbezogen…

Der Flüchtling war vielleicht, bevor er in die Schweiz einwandern musste, ein ehrbarer Bürger seines Landes gewesen und verurteilte, wie Sie, jede Form von Müßiggang. Er hatte viel Pech in seinem Leben und konnte letztlich auch nichts für die Verhältnisse, die ihn und seine Familie zur Flucht trieben… Überall wurde er abgelehnt, als Nichtsnutz verurteilt… Nun sitzt er da…
Man kann nur hoffen, dass es uns nicht auch einmal so geht. Stellen Sie sich vor, Sie müssten in Syrien oder anderswo Fuss fassen, sich in deren Kultur einleben, sich mit den dortigen Behörden arrangieren, die für Sie so fremde, exotische Sprache, die seltsamen Schriftzeichen usw. lernen und dies unter grösstem existentiellem Druck für Sie und Ihre Familie… Unter schwierigsten Bedingungen, sich an die Verhaltensregeln dieser fremden Kultur gewöhnen, Sitten und Gebräuche verstehen. Alles Dinge, die komplett neu sind für Sie… Das wäre doch auch einmal eine sehr interessante – und zudem lehrreiche – Vorstellung…

PS: ECOPOP heisst eine Initiative, die derzeit in der Schweiz läuft und am 30.11.2014 zur Abstimmung kommt. «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen». Man kann sich fragen, was in diesem Sinn der Begriff „natürlich“ bedeuten mag…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Fehlerkultur…

FehlerkulturFehler sind das natürlichste im Leben und gehören ebenso dazu, wie das Amen in der Kirche und der Tod. Das ist den meisten Menschen irgendwie klar. Dennoch sieht die Realität, vor allem im Schul- und Berufsalltag, oft sehr anders aus. Wir schwanken oft zwischen den Extremen Perfektionismus und Nachlässigkeit hin und her. Das oft gelobte „Ego“ tümpelt mit einem mehr oder weniger bewussten Umgang mit seinen «Fehlern» dazwischen. 

Die Toleranz gegenüber Fehler hat in den letzten Jahrzehnten sogar noch abgenommen. Missgeschicke schlagen schnell aufs Ansehen (oder auf den Umsatz…). Dabei könnten Fehler zu einem echten kreativen Motor werden, wenn wir lernen würden, konstruktiv mit ihnen umzugehen und unsere Erfahrungen damit anzureichern. Das bedingt die Einsicht in die Entwicklungs-möglichkeiten von konstruktiv genutzten „Fehlentscheiden“ oder Missgeschicken. Und diese Einsicht hat mit Vertrauen zu tun.

Entwicklung läuft immer in Wellenform. Es gibt keine geradlinige Entwicklung. Der kürzeste Weg in einem lebendigen Prozess  ist nicht die Gerade, sondern die gebogene Linie! Egal, was wir im Leben tun, ob bei der Arbeit oder im Privatleben, unsere Bemühungen werden nie fehler-los bleiben. Wieder einmal muss ein Begriff anders definiert werden. Wir neigen dazu, das Wort «Fehler» negativ zu belasten. Oft sind wir von Kindsbeinen an darauf hin getrimmt worden, nur ja keine Fehler zu begehen. Manche entwickelten dabei ihren Skript-bedingten Perfektionismus, der in einen manischen Kontrollzwang ausmündet.

Das hemmt ihr Tun und behindert die Spontanität und die Intuitionsfähigkeit. Und genau dies sind entscheidende Faktoren für eine kreative und flexible Lösungsfindung. Zuviel Hemmung verhindert zwar Fehler, bringt aber keine innovativen, überraschenden Ideen zustande. Andere beginnen, durch eine überbetonte Kontrollhaltung, nachlässig zu werden. Sie können mit Kritik nicht positiv umgehen, ziehen sich zurück und verlieren eine gesunde Tatbereitschaft. Die «negative Aufladung» hemmt ihre Tatbereitschaft, weil sie Angst vor dem Versagen haben. Daraus kann sich eine gewisse Nachlässigkeit entwickeln, eine Art «ist mir alles egal“ -Stimmung.

Eine moderne Gesellschaft müsste dem (positiven) „Irrtum“ mehr Gewicht geben und ihn als Chance werten. Auch kreative Prozesse verlaufen in dieser Wellenform. Das heißt, jedes Tun wird durch die Selbstbeobachtung ständig korrigiert und neu bewertet. Das Hin und Her zwischen Tätigkeit und Selbstbeobachtung schafft lebendige Formen und neue Ideen. Die analytische Form, die bis ins letzte Detail schon (da-) vorgestellt wird, also bevor sie in die Tat kommt, ist das Gegenstück dazu. Dieser Prozess eliminiert möglicherweise gewisse zum Voraus «berechnete» Fehler, die an dieser oder jener Stelle auftreten könnten, aber er lässt keinen Freiraum mehr für das Besondere, Außergewöhnliche, Überraschende zu. Und davon leben alle geniale Lösungen. Es sind nicht die Kinder des Intellekts, sondern der Intuition. Fehler im Vorfeld zu eliminieren bedeutet, dem Prozess den freien Atem zu nehmen und damit «Spiel»-räume zu schaffen.

Fehler nicht mehr negativ zu sehen, sondern als Antrieb für neue Impulse, fördert und stärkt den kreativen Prozess. Dazu gehört auch hier, zum wiederholten Male, die Selbstreflexion. Denn im selben Moment, wo ich den Fehler begehe, muss ein neues, inneres Wahrnehmungsorgan den Vorgang allmählich erkennen und umwandeln lernen, damit wir nicht ständig in dieselbe Falle tappen. Fehler sind nur dann destruktiv, wenn wir sie nicht als Entwicklungsmöglichkeit sehen und aus einer pathologischen Ignoranz davon keinen persönlichen, und letztlich positiven, Nutzen ziehen können…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Steppenwölfe

WolfrudelSchon Hermann Hesse hat es in seinem „Steppenwolf“ beschrieben und erkannt: In unserem Inneren leben viele Aspekte der Persönlichkeit. Sie zu durchschauen ist eine wichtige Aufgabe unserer Zeit. Dies ist umso schwieriger, als wir meistens so stark verwoben sind mit diesen „Teilselbsten“, dass wir sie, im Identifikationszustand, nicht wahrnehmen können. Oft erkennen wir einzelne, schwierige in der Begegnung mit anderen Menschen.

Die meisten Menschen setzen jedoch einem problematischen Teilselbst lediglich ein etwas weniger problematisches, oft polares, entgegen. Das ist die gängige, und eigentlich logische, Konsequenz eines rein gegenständlichen Weltbildes. Warum? Weil es für ein solches Weltbild keine einheitliche, zusammenfassende Persönlichkeit gibt.

Auf einer alltäglicheren Stufe stellt sich dies so dar. Ich erzähle z.B. dauernd allen Menschen stolz und eifrig von den „großen Taten“, die ich begangen habe und bluffe ständig damit, was für ein toller Kerl ich doch bin. Das Bild von mir ist vielleicht geprägt von einer totalen Selbstüberschätzung. Der Hochmut, in dem ich möglicherweise, (das Urteil darüber fällen vor allem die Anderen…), gefangen bin, wird mir plötzlich, schlagartig bewusst. Ich schäme mich in Grund und Boden und möchte mich nur noch verkriechen. Die „Lehre“, die ich, vielleicht auf Druck der anderen, daraus ziehe ist, bescheiden zu bleiben. Ich ziehe mich vollkommen zurück. Die Konsequenz ist eine andere Fixation, die mich nun im gegenteiligen Gedanken gefangen hält: „Ich bin schlecht, ich tauge nichts“ oder ähnliches.

Das Teilchen-Bild der materialistischen Denkweise setzt diese Teile zusammen, analysiert und kombiniert sie. Und meint, das Ganze in der Summe der Teile zu finden. Diese Anschauung beruht auf der Mechanik. Deshalb können wir selbst in der modernen Medizin keine Ansätze mehr finden, die mehr als die Teile beinhalten. Der Mensch wird auf das mechanisch-funktionelle reduziert. Und dies wiederum legt das ganze Gewicht auf eben diese Teile. Teilchen beschleunigen ist das höchste, was man damit erreichen kann. Leben wird man auch so nicht schaffen können.

„Wie auch immer, was du erzählst ist dein persönlicher Glaube“. Es soll niemand von etwas anderem überzeugt werden. „Das ist Dein persönlicher Glaube…“, sagen viele und unterlassen es, weiter darüber nachzudenken; zum Beispiel darüber, was ihr persönlicher Glaube ist. Worüber soll man denn auch nachdenken? Das mechanische Denken kombiniert nur immer wieder die Teile! Daraus leite ich obige Aussage ab. Und wie sieht es in der Praxis damit aus? Möglicherweise kommt ein Mensch mit einem extremen Verhalten zum Psychiater. Er entwickelt zum Beispiel starke Aggressionen, die so mächtig sind, dass sie für sein Umfeld gefährlich werden können. Was setzen wir nun diesen Aggressionen entgegen? Man kann Medikamente geben, die jene Bereiche des Gehirns zum Stoppen bringen, welche das aggressive Verhalten blockieren. Das ist ein (zu) häufig praktizierter, und für die Medizin relativ einfacher und lukrativer, Weg. Dadurch wird das Bewusstsein des Klienten nicht nur gehemmt, sondern es treten in den meisten Fällen starke Nebenwirkungen auf.

Der andere, etwas schwierigere Weg wird es sein, das Verhalten über eine Psychoanalyse zu steuern. Maßnahmen, die im Gespräch gefunden werden, können eine Linderung sehr wohl unterstützen. Bei diesem Verfahren wird es sinnvoll sein, behutsam vorzugehen. Herauszufinden, was diese Aggressionen auslöst, wird die zentrale Fragestellung sein. Es können aber durchaus auch sinnvolle Begleitmaßnahmen ergriffen werden, welche in ähnlicher Weise dazu beitragen, „das Gemüt zu beruhigen“. Kunsttherapien zum Beispiel sind hier oft sehr sinnvoll. Malen, Plastizieren, Musik, oder andere Mittel, können helfen, das Verhalten in andere Bahnen zu lenken. Immer vorausgesetzt, der Klient erkennt sein Problem selber und ist bereit, aktiv mitzuarbeiten. Das Beispiel ist natürlich für die Anschaulichkeit völlig vereinfacht dargestellt, weil sich Aggressionen oft oder meistens aus einer übergeordneten Belastung ergeben. Hier geht es mir nur darum, das Prinzipielle darzustellen.

All diese Mittel schaffen jedoch noch immer keine Einsicht im Sinne einer Selbst-Erkenntnis. Das Teilselbstkonzept „Aggression“ wird lediglich durch ein anderes ersetzt. Es kann durchaus vernünftig sein, es „austauschen“ und in vielen Fällen wird es sogar unumgänglich sein, das Verhalten so von außen zu steuern. Im Sinne einer akuten Unterstützung, oder wenn Gefährdung der Umwelt damit verbunden ist, muss zuerst einmal Ruhe in die Emotionen hinein gebracht werden. Diese Ruhe kann durch verschiedene Hilfsmittel erfolgreich gestützt werden. Sie wurden jetzt aufgezählt: Medikamente, begleitende künstlerische Therapien, Gespräche und Verhaltenstherapien usw. So kann es, je nach Situation des Klienten, auch Hilfe verschaffen, wenn er sich z.B. einen Hund anschafft, oder beginnt, zu joggen, oder dies oder jenes in seinen Lebensalltag einbaut, was diese Wirkung unterstützt.

Alle diese Formen der Therapie schaffen etwas Neues, einen neuen Lebensaspekt, eine neue Lebensweise oder wie man dies auch nennen mag. In besonders hartnäckigen Fällen wird es nie mit „weichen Mitteln“ gelingen und eine lebenslange medikamentöse „Ruhigstellung“ wird unumgänglich sein. Gegen alle diese Konzepte ist im Grunde nichts einzuwenden und sie müssen wohl immer wieder akut gehandhabt werden. Dennoch haben sie alle eines gemeinsam: Sie bringen den betroffenen Menschen nicht an sein eigenes Zentrum heran, sondern weiter davon weg. Denn zur wirklichen Selbsterkenntnis gehört die Beobachtungsfähigkeit und Wachsamkeit sich selbst gegenüber. Die Fähigkeit, Distanz zu schaffen zu diesen Emotionen und Gedanken, sie zu erkennen und ihnen damit ihre Schärfe zu nehmen. Meines Erachtens müsste die Unterstützung in diese Richtung wesentlich stärker ins Auge gefasst werden. Das Heraustreten aus den mächtigen Gewohnheiten und Steuerungsmechanismen, die wir im Laufe eines Lebens geschaffen haben und immer wieder neu erschaffen, bedeutet, einen neuen, übergeordneten Standpunkt zu finden. Die Erfahrung, dass wir mehr sind als nur sich immer wiederholende, unbelehrbare Automaten ist der erste Schritt dazu. Er kann sich allein schon darin zeigen, dass wir innerhalb der Teil-Selbste den Standpunkt wechseln. Hier bleiben wir jedoch auf einer Ebene stehen. Gleichzeitig wird ein neuer Bewusstseins-Schritt gefordert, der es erst ermöglicht, innere, angelernte Kreisläufe in der Selbstreflexion zu durchbrechen…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Selbst-Reflexion, was ist das eigentlich?

SelbstreflexionWenn man den Begriff Selbstreflexion hört, kann man sich berechtigterweise die Frage stellen, was das eigentlich bedeutet. Im Kontext der Psychologie meint es in der Regel dies: Zu beobachten, wie man reagiert, wie man handelt, wie man fühlt und denkt. Sich selbstkritisch in manchen Situationen in Frage stellen und die Gedanken, die man äußert, auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Es geht in erster Linie um Wahrheit, um richtiges, wahrheitsgetreues Denken und Wahrnehmen. Selbstreflexion in diesem Sinn, findet auf der Ebene der Gedanken statt. „Ist es wirklich richtig, dass ich dieses oder jenes gesagt, getan habe?“ –  „Habe ich diese Mitarbeiterin richtig behandelt, oder war ich zu streng mit ihr?“ – „War es falsch, dass ich mich aus der Gruppe zurückgezogen habe?“ usw.

Solche und ähnliche Fragen bilden den Inhalt der Reflexion auf sich selbst im psychologischen Zusammenhang. Es macht durchaus Sinn, die eigenen Taten und Gedanken, Emotionen und Gefühle immer wieder zu überprüfen und selbstkritisch zu hinterfragen. Wer dies tut, gewinnt im Laufe der Zeit Abstand zu gewissen Emotionen und bereichert damit gewiss sein Leben.  Die Gedanken, die ich mir dazu gemacht habe, gehen jedoch tiefer und sie berühren eine neue Schicht der Erfahrung.

Die Beurteilung und, je nach dem, Verurteilung, die Kritik an die selbst gebildeten Gedanken, ändern zwar den Standpunkt des Betrachters in mir, wenn ich die Selbstreflexion im psychologischen Kontext betrachte. Ich schreite sozusagen von meinem „Kind-Ich“ zum „Eltern-Ich“ in mir. Das Kind in mir hat etwas Unrealistisches oder Dummes gesagt oder getan. Nun kommt der strenge Vater in mir und verurteilt, oder bestraft sogar diese Tat, diese Gedanken. „So geht das aber nicht, mein Sohn! Bist du nicht ganz bei Trost…!“ Durch diesen Akt der Selbstbeurteilung fühle ich mich vielleicht wohler und bemühe mich, fortan, „vernünftiger“ zu sein. Mein „Vater-Ich“ geht nun erhaben, stolz und kontrolliert durch die Welt und verurteilt vielleicht alle, die sich so kindisch zeigen!

Das kann eine Weile gehen, aber das „Kind-Ich“, der kleine Ursli, regt sich halt von Zeit zu Zeit wieder in mir, bäumt sich auf und treibt schon bald wieder seinen Schabernack.  Es ist ein stetes Spiel in verschiedenen Rollen. Es sind kaum nur zwei solche Rollen. Die beiden erwähnten, und in der Transaktionsanalyse bekannten Rollen, sind aber dennoch beispielhaft und stellvertretend für viele vergleichbare Verhaltensmuster. Es können sich auch andere Teilselbste in uns aufbäumen und sich gegen wieder andere auflehnen oder sich gegenseitig bekämpfen. Was ich nie sehen werde auf der Gedankenebene ist die Herkunft und der Charakter dieser verschiedenen, in mir stattfindenden Auseinandersetzungen und Schlachten.

Da kommt meinetwegen das Eifersuchts-Ich plötzlich auf die Bühne. Meine Gedanken sind voll von Eifersucht. Sie werden gepackt und „übermannt“ von einer unsichtbaren und unbekannten Kraft, die mich plötzlich in Beschlag nimmt. Es gibt zwei Dinge, die im „Autopiloten“ meines Selbstes dann auftreten. Entweder ich werde mit Haut und Haaren von diesem „Gespenst“ der Eifersucht aufgesogen und vereinnahmt. Dann bin ich komplett verwoben und verhaftet mit diesen Gedanken und den Gefühlen, den Emotionen, die sich daraus bilden. Ich identifiziere mich als Selbst, als „Ich“ (oder besser als Ego), vollkommen mit diesem „Wesen der Eifersucht“. Oder es könnte sein, dass meine Entwicklung, meine Lebensschule so weit fortgeschritten ist, dass ich dieses „Wesen Eifersucht“ schon im Stadium der Entstehung erkenne und ihm gegenübertrete. Jetzt komm vielleicht wieder eine Art „Vernunft-Ich“ auf den Plan. Es flüstert mir ins Ohr: „Schau, jetzt bist du doch schon ein alter Mann, hast schon so viel Tragisches erlebt, da wird dich dieses Gefühl doch nicht so schnell erschüttern! Sei stark! Sei ein Mann und stelle dich ihm, du bist doch kein Warmduscher…!“

Aber wie schon vorher, stellt sich nun dem einen Gefühl, der einen Emotion, lediglich eine andere entgegen. Dies kann ganz verschiedene Facetten haben. Schlimmer wäre es, wenn es kein solch „vernünftiges“ Ich wäre, sondern vielleicht ein „Rache-Ich“, welches auf den Plan tritt und mich von neuem vereinnahmt. Nur eben von einer anderen Seite! Mag sein, dass es mich sogar soweit treibt, dass ich eine kriminelle Handlung begehe. Statt Eifersucht, Rache, Neid, Hass, Missgunst, Trauer usw. ließen sich hunderte von anderen Emotionen, Gefühlen aufführen, die so interagieren. Alle fordern zur gegebenen Stunde ihren Tribut. Beim einen Menschen sind diese stärker und jene Reaktionen folgen darauf. Beim anderen Menschen wiederum sind andere stärker usw.

Diese ganzen Kämpfe finden in uns selber statt. Und je nachdem, welche Erlebnisse und Erfahrungen wir im Leben durchgemacht haben, konstituieren wir unterschiedliche Teilselbste in uns. Bei der „normalen“ Selbstreflexion, wie ich sie oben kurz skizziert habe, kommen wir lediglich immer wieder „vom Regen in die Traufe“, wie man so schön sagt. Aus der emotionalen Dynamik aber kommen wir nicht heraus! Dazu braucht es nochmal einen anderen, inneren Standpunkt. Und dieser Standpunkt muss außerhalb des Denkens sein! Es ist die wache Präsenz, die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit im Menschen, die, nun ohne Beurteilung, ohne Vorurteile und ohne Kritik (denn dies sind alles nur immer wieder NEUE GEDANKEN!) auf einer anderen, tieferen  Ebene lebt.

Das ist der Grundansatz meiner Gedanken im gleichnamigen Buch. In diesem Sinn ist die Selbst-Reflexion gemeint. Deshalb habe ich diese zwei Wörter auch auseinander genommen, weil mit Selbst, ein identifiziertes, verhaftetes Ich gemeint ist, welches reflektiert wird. Im Grunde genommen wird es beobachtet, nicht reflektiert. Aber der Begriff Selbstreflexion ist heute in der anderen Art und Weise so bekannt und „eingebürgert“, dass es wenig Sinn macht, schon von einem höheren Standpunkt auszugehen… Es bedeutet letztlich, diese Anteile in sich nicht zu bekämpfen und zu verdrängen, sondern es geht um deren Integration. Denn im Akt des Erkennens verlieren sie ihre Wirkung. Sie haben den „Herrn im Haus“ ekannt…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Die inneren Überzeuger

Überzeuger„Es“ spricht mit mir…

„In Dir wohnt ein Wesen, was sag ich, dutzende, wenn nicht hunderte von Wesen, die Dich, jeder für sich, überzeugen wollen. Sie schustern Argumente für oder gegen dies und jenes und schmieden damit ihre Kampfschwerte, um Dich in ihrem Namen zum Sieg zu führen.

Aber es sind nur scheinbare Siege. In Wirklichkeit schwächen sie Dein eigentliches Selbst. Sie sind hartnäckig und verfolgen Dich solange, bis Du ihnen nachgibst, bis sie Dich voll und ganz in Deinen Besitz genommen haben. Wisse, diese Wesen, nenne sie meinetwegen „Deine inneren Überzeuger“ oder sonst wie, sie sind stark und mächtig.

Unterschätze sie niemals. Versuche nicht, Dich von deren Harmlosigkeit „überzeugen!“ zu lassen. Wer auch immer dies tut, ob von innen oder von außen, von mir in Dir selbst – oder von einem Freund; wisse, dass der Weg der Verharmlosung gefährlich ist, weil er Dich dumpf macht. Er führt Dich immer weiter von Dir selber weg. Alle diese Überzeuger wollen Dich auf ihren Weg führen. Und das heißt, weg von Deinem eigenen.

Sie sind Geschöpfe deiner selbst. Du hast sie einst erschaffen! Durch Verletzungen und durch Irrtum. Jetzt verfolgen sie Dich ständig. Du hast sie durch Vorurteile und Kritik gestärkt. Und solange sie von Dir Nahrung erhalten, werden sie immer grösser und mächtiger – und sie werden Dich quälen bis an Dein Ende.

Dennoch sind sie letztlich Deine Freunde, denn sie wollen nichts anderes, als Dich, auf dem Pfad der Selbsterkenntnis, vorwärts bringen. Der Schmerz, der innere Schmerz, soll Dich wecken! Wenn Du das begriffen hast, wird dieser Schmerz nachlassen und Du wirst neu geboren werden.“

Ich sage Dir das alles als Dein „Es“, denn „ich bin der Geist, der stets verneint und am Ende doch das Gute meint„…

Urs Weth: „Selbstreflexion als soziale Kernkompetenz“

Schon wieder ein neuer „Rat-Geber“!

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Es gibt doch schon so viele Ratgeber, Sach- und Fachbücher! Da kommt einem schon manchmal das grosse Gähnen. Und jetzt kommst du und preist deins auch noch der Welt an. Eines mehr. Eines von tausenden und abertausenden von Büchern. Unermesslich viele. Warum soll man denn jetzt ausgerechnet dieses hier lesen!? Muss das denn sein?

Von „Wie erhöhe ich auf Kosten anderer erfolgreich meinen Aktienkurs?“ bis hin zu „Wie werde ich schnell und schmerzlos glücklich?“, alles ist vorhanden. Was gibt es nicht alles für Botschaften, die für eine bessere Welt plädieren, wenn auch oft für deine persönliche bessere Welt! Was willst denn du für eine Botschaft vermitteln? Was bringt dein Buch, deine Gedanken neues, was andere nicht bringen?

Zugegeben, eigentlich, wenn ich ehrlich bin, geht es mir fast ebenso und ich verhalte mich sehr schnell auch genau so, wenn ich einem neuen Buch begegne, was mir ein anderer anpreisen will. Nämlich mit Ablehnung und diesem: nein, nicht schon wieder! Ist doch eigentlich eine trostlose Sache!  Auch ich bin schnell mit meinem Urteil parat, wenn ich vor einer Flut von Informationen stehe und „den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehe“. Das heisst ja nichts anderes, als das „Ganze“ zu verlieren, im Anblick an die vielen Teilheiten, Informationen und Details.

Vielleicht ist dies eben genau der Grund, weshalb ich mir die Mühe genommen habe, selbst ein Buch zu schreiben?

Den Blick von der tausendfachen und unerschöpflichen Aussenwelt, der Welt der Formen, ab-, und zu mir selbst hin zu wenden… Erst so bin ich letztlich fähig, zu erkennen, woraus ich mein eigenes Urteil überhaupt bilde, woher sie kommen, welchen Grund sie haben, diese Bewertungen. Wer spricht, wenn ich „Ich“ sage… Das heisst, in welcher Kompetenz spricht dieses Ich (ich). Wer ist es in mir, der urteilt? Ich, als Weltenbürger mit all meinen angesammelten Titeln, Zeugnissen und Anerkennungen? Der „Besitzer“ eines Mercedes, Toyotas oder meinetwegen auch eines Fahrrades (wie in meinem Fall), eines Hauses, der Familie mit Kindern und tausenden von anderen Dingen? „Ich“ mit meinem Wissens- und Erfahrungsschatz, meinen Vorstellungen, die ich (vielleicht sehr erfolgreich) daraus gebildet habe und all den geschaffenen persönlichen hieraus entspringenden Vorurteilen und Denkmustern. „Ich“, mit all diesen – pardon, „Einschränkungen“? Ist das alles? Soll das alles gewesen sein? Und bin womöglich trotzdem unglücklich? Aktienkurs oben, Glück unten?

Dieses Ich (ich-es), ist/sind die Kernfrage(n) meines Buches und meiner Gedanken. Und dann eben die daraus gefundene Erkenntnis, dass es jenseits dieser Welt eine andere Ebene gibt, eine andere „Dimension“, die ich aber genau darum nicht erkenne, weil ich verwoben, verhaftet bin mit der Gedankenebene, die mich „entführt“ in die Abgründe (oder Höhenflüge) ihrer Inhalte. Und die ich eben wegen der Identifikation mit ihr nicht wahrnehmen kann/will…

Das Erleben dieser anderen Dimension kann erfahren werden. Ich habe es erlebt, es ist mir Gewissheit geworden… Nun ja, lesen kann man viel darüber: sie wird und wurde eigentlich von allen (wirklichen) Erkenntnislehrern der Vergangenheit und Gegenwart verkündet. Sie bildet zum Beispiel den Inhalt des ersten Kapitels bei Rudolf Steiners, über die Grenzen der Anthroposophie hinaus bekannten und anerkannten Buches, „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten“.

Der Kern dieser Erfahrung ist das Erleben des Gegenwartsbewusstseins. Und dieses kann nur in der Selbstbeobachtung erkundet, vielleicht besser erlebt, werden. „Selbstreflexion“, ein Begriff, den ich bewusst im Titel meines Buches gewählt habe, mag etwas moderner klingen als Selbstbeobachtung. Es ist eigentlich der einzige  Grund, warum ich ihn gewählt habe. Auch der Hintergedanke, dass ich nicht gleich in die Esoterikecke gedrückt werden möchte, spielt dabei eine Rolle. Nicht weil ich glaube, dass Esoterik etwas Schlechtes sei, sondern viel mehr, weil mir ebendiese erwähnten Vorurteile spirituellen Themen gegenüber, so prägend erscheinen. Und dies allein kann für viele schon ein Hinderungsgrund für diese, wichtigste Erfahrung des Lebens, sein. Aber gerade jene wollte ich damit ansprechen, weil ich glaube, dass diese ewigen „Grabenkämpfe“ langsam überwunden werden sollten in einer Zeit, wo bereits die moderne Wissenschaft an die Türen eines „Jenseits“ klopft.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Unser Lebensscript

weilrheinDie Gedanken-Identifikation ist ein Hauptmerkmal des „gebundenen Ich“. Sie ist der prägende Faktor im «Es-Zustand». „Identifikationsmodule“, die man sich im Laufe eines Lebens aneignet, angefangen bei der Bindung mit der weiteren und engeren Umgebung, der eigentlichen «Heimat», bilden die Muster für die Themen des Lebensscripts. 

Wir identifizieren uns kontinental als Europäer, ferner als als Angehörige eines Landes. Die Identifikationsstärke hängt von der emotionalen und gedanklichen Verbundenheit, die wir in dieser Umgebung erbringen, ab. Vom Bundesland hin zur Wohngemeinde, dem Quartier, der Straße, des Hauses, in dem wir wohnen, bis hin zum eigenen Körper: Sie bilden weitere, immer enger werdende Identifikationsmuster.

Und, last but not least, die Identität des Geschlechtes, des Zeitgeistes, der Sittenkonventionen, der Bildung; sie alle sind weitere prägende Faktoren und schaffen an der subjektiven Anlage der gebundenen Persönlichkeit. Aus diesen Anlagen gehen die Triebfedern für unsere Willensimpulse und deren Handlungsmotive hervor. Aus den gesammelten Erfahrungen des Lebens entstehen immer wieder neue, passive Vorstellungen und Begriffsinhalte, welche ihrerseits erneuten Einfluss auf unseren Willen nehmen. Daraus gehen neue Zielvorstellungen und neue Motive hervor.
Für die meisten Menschen ist diese Identifikation «lebensnotwendig». Anders herum ist der Verlust dieser Identitäten mitunter lebensbedrohlich. Identifikationen sind der prägende Aspekt des Heimatgefühls, eines Wohlbefindens, des familiären Zusammenhanges und vielem mehr. Gleichzeitig ist es aber immer auch ein Zustand der Ausgrenzung! Jede Familie, jedes Volk, jede parteiliche Genossenschaft, kurz alles, was sich sippenmässig zusammenrottet, bildet gleichzeitig einen Antipoden, eine polarisierende Außenwelt zu andersdenkenden, zum Fremden, den eigenen Gewohnheiten und Bräuchen entgegenstehenden. Es entsteht Konfrontation, Abgrenzung gegen das Andersartige und Ungewohnte! Wenn wir uns umgekehrt ständig erniedrigen und meinen, wir seien ja nichts als erbärmliche Würmchen im Vergleich zum Universum, dann identifizieren wir uns in der Tat mit dem Kleinsten in uns, dem gebundenen Ich. Denn dieses gebundene «Es-Ich» ist klein und erbärmlich. Es ist ein Würmchen im Vergleich zum Universum! Aber sind wir nur dieses Würmchen? Wer so denkt, der erlebt den absoluten und größten aller Tode, den man sich je vorstellen kann. Es gibt für ihn kein Vorher und kein Nachher. Aber der Tod, von dem wir immer sprechen, vor dem wir so unendliche Angst haben, dieser Tod ist nichts anderes als der Tod des gebundenen Ich in uns. Das kleine ich ist Körper und alles, was durch die Identifikationen mit diesem zusammenhängt! Wer sagt: gewiss, der Tod sei ja absolut, der kennt nur ein Ich und das ist das kleine, welches in seinem «Ego-Tunnel» lebt. Er ist letztlich vor allem mit dieser Vorstellung identifiziert. Entsprechend hart wird der Bruch – sprich Tod – in das «Nichts» danach! Der identifizierte Mensch ist immer das, was er sich vorstellt! Die Beschäftigung mit dem Vergänglichen und mit dem eigenen Tod muss früh genug erfolgen, nicht erst in den letzten Lebensstunden. Dadurch wird alles einfacher. Identifikation heißt aber auch, dass ein Teil meiner Persönlichkeit, meines Identitätsgefühls, meiner Daseinsberechtigung immer von einer äußeren Zugehörigkeit abhängt. Bei jeder Identifikation ist eine Abhängigkeit als Grundemotion zu erkennen, welche etwas Zwingendes und Unausweichliches in unsere Handlungen bringt. Im Laufe des Lebens kommen weitere Verbindlichkeiten dazu. Wir treten Vereinen bei, politischen Parteien, religiösen oder kulturellen Strömungen und so weiter. Alle Arten von Prinzipien, ob «gute» oder «schlechte» (Bio Freak oder Bier-Freak) sind Identifikationsfaktoren, welche die Persönlichkeit des gebundenen Ich an etwas Äußeres fesseln will.

Der beste Kenner solcher Gesetzmäßigkeiten auf der Formebene ist die Werbeindustrie! In kaum einem anderen Feld wird die Schaffung neuer Identitätsbindungen durch Vorstellungen so resolut und so wirkungsvoll getätigt wie bei guter Werbung. Würden die Mechanismen nicht in der hier dargestellten Weise ablaufen, die Werbebranche hätte keine Chance, ihre Produkte allein durch die Schaffung von Bildern und Texten an die Käufer zu bringen! Nicht einmal der Aufdruck: «Kann tödlich sein» tut dem Kauferfolg dabei offensichtlich Abbruch. Nur durch unsere enge Verbindung, die wir zu eigenen Gedankenmodellen und Bildern haben, werden die Produktanpreisungen in dieser Weise auf uns einwirken können. Sie führen unmittelbar zum Erfolg und in die Handlung (sprich Kauf) des Kunden. Am Beispiel der Firma Apple wird dokumentiert, wie einfaches Design zusammen mit guter Technik und durch genialen Werbemethoden zusammen mit einem eingängigen Branding aufbereitet, die breiten Massen euphorisiert! Marketingstrategien dieser Art kennen die Bedingungen ihrer Kundschaft und deren Verhaftungspotential mit dem Form-Ich sehr gut. Auch wenn das Produkt «objektiv gut oder schlecht» ist, die Wirkung bleibt davon unabhängig und unumstritten.

Form-Ich-Identifikation bedeutet immer in gewissem Sinne Unfreiheit. Mein gebundenes Form-Ich grenzt sich immer gegen das andere Form-Ich ab und bildet eine in sich geschlossene Glocke.
Dadurch ist zwangsläufig eine Einschränkung in der Kommunikation gegeben. Wo das gebundene Ich tätig ist, da herrscht Identifikation mit der äußeren Welt – zu welcher eben auch fixe Vorstellungen gehören – und da ist keine Freiheit möglich. Identifikationen sind genau genommen nur Illusionen, Maya. Sie haben keinen realen Bezug zu der Welt, sondern sind passive und fixierte Gebilde, verfestigte Konstruktionen unseres personifizierten Es, welches wir nach außen projizieren. Gedanken haben großes Potential für die menschliche Entwicklung wenn sie fließend, wandelbar und aktiv bleiben. Die Tendenz, die Gedanken zu zementieren ist fest in unseren Köpfen
verankert. Dogmatismus ist verhärtete wissenschaftliche Gesinnung. Gedanken sind lebendige, fließende Kraftströme, welche in ihrem Wesen leicht und flüchtig sind. Allein die Tatsache, wie viele Meinungsänderungen normalerweise in einem Leben stattfinden (könnten), zeigt diese Beweglichkeit auf. Jede Identifikation ist eine Abgrenzung um den freien Kern des wahren Selbst, Behinderungen auf dem Weg zu sich selbst. So gesehen sind wir alle «ein bisschen behindert». Identifikationen müssen über das Denken aufgelöst werden. Das Denken überlistet sich im Akt der Selbsterkenntnis! Sie ist der Ausgangspunkt zu aller Veränderung auf dem Weg zur Freiheit. Wenn man sämtliche Bindungen abbrechen würde, um Identifikationen loszuwerden, fände man sich schnell in einer neuen Verhaftung. Denn jedes neue Prinzip löst zwar ein altes auf, schafft jedoch gern immer wieder ein Neues. Dieser stete Kreislauf muss durchbrochen werden.

Mit dem Lösen von äußeren Verbindungen ist das Grundproblem indessen nicht behoben. Man kann auch nicht die Verbundenheit mit der Heimat oder der Familie einfach kappen. Das Auflösen von Verhaftungen ist nicht ein langsamer und mühseliger Prozess über Jahre hinweg. Es ist nicht ein gänzlich frustrierender Ablösungskampf von allen Bindungen, oder der Übergang zu einem asketischen Lebensstil. Einzig das achtsame Erleben im Jetzt, löst uns von jeder Abhängigkeit! Dieser Akt ist jederzeit möglich! Das Beobachten des Denkstromes verändert die Bewusstseins-Perspektive. Sie ist eine Grundforderung unserer Zeit. Bleiben Sie überall dabei!

Gehen Sie weiterhin an die Parteiversammlungen oder zum Fußballspiel, trinken Sie weiterhin das Bierchen oder einen guten Wein mit einem Freund und genießen Sie auch fortan die schönen Annehmlichkeiten des Lebens! Es muss nichts weggeschafft werden. Etwas Neues muss dazukommen! Und davon schreibe ich die ganze Zeit in diesem Buch! Die Lösung von Verhaftungen hat vor allen Dingen mit Bewusstsein zu tun. Alles Weitere wird sich von alleine ergeben! Freude haben am schönen Spiel auf der einen Seite oder sich aufzureiben, wenn die heimische Mannschaft ihr Spiel verliert, sind zwei verschiedene Dinge! Hier werden die Abhängigkeiten sichtbar! Schauen Sie sie an! Viele Dinge werden sich dennoch, fast von selbst, verändern im Leben. Nur geschieht dies nicht mit dem Verstand, sondern es ergibt sich von alleine, etwa so, wie der Nebel sich plötzlich am Sonnenlicht aufzulösen beginnt.
Dann wird ganz bestimmt niemand dem Nebel nachtrauern.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft?

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