Die 7 Abhängigkeiten (2. Teil)

Hampelmann2. Teil | Die 7 Abhängigkeiten
Psychologische Abhängigkeiten

Natürlich gibt es neben den im vorigen Artikel genannten Abhängigkeiten, die doch vorwiegend materieller Natur sind, auch noch andere, psychische Bereiche, die unser Leben beeinflussen. Damit soll nicht gesagt sein, dass auch diese psychische Probleme verursachen können. Zunächst sei da die Abhängigkeit von anderen Menschen erwähnt. Selbstverständlich müssen sie nicht immer negativ erscheinen. Man kann sich z.B. die berechtigte Frage stellen, ob die Liebe zwischen zwei Menschen so frei ist wie man zunächst meint. Durch unsere Einbindung in die gesellschaftlichen Strukturen, entstehen viele Kontakte und Beziehungen, ein ganzes Geflecht von Menschen, die mit uns für kürzere oder längere Zeit im Leben verbunden sind. Dabei stehen vielfältige Beziehungsmuster bereit, die je nach dem, schwierigere oder weniger schwierigere – oder gewiss auch sehr schöne „Abhängigkeiten“ erzeugen. In vielen Fällen jedoch bilden sich grössere oder kleinere zwischenmenschliche Ungleichgewichte. Oft bemerkt man das Heranbilden solcher Schieflagen gar nicht oder nur unbewusst. Die Verstrickungen ergeben sich durch die unterschiedlichen Rollen, die wir in unserem Beziehungs-Umfeld einnehmen. Wir treten als Sohn, Vater, Mutter, Tochter, Lehrer, Partner, Kläger, Schuldner, Arbeitgeber, Angestellter oder wie auch immer auf und stehen dadurch meist gleichzeitig auf unterschiedlichen Bühnen. Authentizität wird zwar von vielen Menschen gross geschrieben, sie jedoch durch diese Rollen hindurch immer aufrecht zu erhalten, erweist sich als sehr schwierig. Viele solche Rollen meistern wir problemlos, andere bereiten uns mehr oder weniger Mühe. In manchen Fällen werden wir sogar zu erpressbaren Opfern, in anderen zu Antreibern oder „Verfolgern“ von anderen Menschen (Mobbing), oder auch zu „Helfern“, Begleitern, Ratgebern usw. Jegliche Form bietet unzählige Möglichkeiten von Interaktionen. Schwierige Beziehungen kennen wir wohl alle, sei es mit Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen, sei es in der Ehe, als Mitglied eines Vorstandes, einer Geschäftsleitung, in einem Verein usw. Immer stehen sich in diesem Kontext zwei Menschen (-bilder) gegenüber. Beide haben verschiedene Vorgeschichten, unterschiedliche Vorstellungen, Gefühle und Ideen. Das Feld der Beeinflussung ist reichhaltig. Oftmals bleiben die Meinungen ohne annehmbaren Konsens, hart und abgegrenzt. Gegenseitiges Verständnis, wo nicht nur akzeptiert (im Sinne von „ok, weil du es bist, tu ich dies und das…“…usw.) sondern im tieferen Sinne mit dem Herzen verstanden und mitgefühlt wird: all dies bleibt ein kostbares Gut mit Seltenheitswert.

Abhängigkeit von Gruppen und Gesellschaft. Hier finden wir über den zwischenmenschlichen Bereich hinaus ein weiteres Feld vor, welches viel mit Gruppendynamik und Gruppendruck, sowie Massenbeeinflussung zu tun hat. Es versteht sich von selbst, wie gross die Möglichkeiten hier sind! Zum letzteren gehören natürlich auch die Medien und die Werbung. Die meisten Menschen machen sich keinen Begriff davon, wie viele Abhängigkeiten hier geschaffen werden! Die Werber wissen es und haben monetären Erfolg damit! Man glaubt oft leichtfertig, dass es nur die Anderen, nicht aber mich selbst betrifft. Ein weiterer Bereich, der in Abhängigkeit mündet ist die Dynamik, die in unzähligen Gruppensituationen geschaffen werden. Man denke z.B. an die Situationen in Klassen, bei grossen Anlässen, aber auch meinetwegen in einem der vielen in den letzten Jahrzehnten in Mode gekommenen „Retreats“. Mediationspraktiken in Gruppen können zuweilen extrem beklemmend wirken, ohne dass sich ein Mitglied der Gruppe dahingehend „outen“ würde. Schliesslich will man nicht als der oder diejenige gelten, die keine „höheren“ oder „geistigen“ Erlebnisse dabei haben! Ob man einlenkt in der Situation, hängt von vielen Faktoren ab; gewiss nicht unbedingt vom „Niveau“ des Teilnehmers, der oder die sich in solcher Weise nicht „versenken“ kann. Oft braucht es die individuell angemessene Zeit oder den individuell richtigen Raum, im besten Fall einen wirklichen FREI-Raum! Der Druck, der in vielen solchen Situationen entsteht, wird durch Erwartungen gezeugt: Erwartungen an sich selbst oder an andere. So geschieht es andernorts ebenso in Schulen, an Arbeitsstätten, in Vereinen, ja selbst in Ehen und im engen Freundeskreis oder meinetwegen als Vegetarier in einer Versammlung des Metzgermeisterverbandes.

Ein dritter und letzter Aspekt bildet schliesslich auf der psychischen Ebene die sogenannte Abhängigkeit von „ethnischen Faktoren“. Dabei verstehe ich Beeinflussungen die weniger persönlicher oder gesellschaftlicher Art sind, sondern durch die Entwicklung von ganzen Völkern, aber auch Landschaften (Berge, Stadt etc.) und auch von Sippschaften und letztlich Familien zum Vornherein und ohne unser Zutun gegeben sind. Einfach durch die Einbettung unserer Geburtssituation. Sie entstehen durch die vielen Sitten und Gebräuche, die sich in die gesellschaftlichen Strukturen förmlich einbrennen und diese mitformen. Solchem Branding kann ein Neugeborenes sich kaum entziehen. Schon von Geburt an (oder bereits vorher), wird er/sie mit diesen Traditionen und Verhaltensformen konfrontiert. Sie bilden sogar physisch am Gehirn des aufwachsenden Menschen mit, prägen und formen es. Diese Dinge wirken an unserem Denken, Fühlen und Handeln wohl ein Leben lang und beeinflussen so manche Entscheide, die wir treffen.

Geistige Abhängigkeiten

Nachdem ich versucht habe im physischen und seelischen Bereich persönliche Abhängigkeiten und Verstrickungen mit der Welt aufzuzählen, gelange ich nun an eine Art Wendepunkt. Denn selbst die grösste Beeinflussung solcher Art, bedingt immer etwas in uns, was sich diesem Aussen entgegenstellt! Eine Art Echo oder Spiegel, den wir erst dann erkennen, wenn wir aus dem „Traumleben des Alltags“ erwachen. Eine Art „inneres Wort“ spricht sich in jedem äusseren Gegenstande in uns aus, ein Nachklang dieses Erlebten, Gesehenen und Wahrgenommenen. Was aussen erfahren und erlebt wird, klingt in uns gewissermaßen nach, schwingt im Hintergrund, in einer Art „zweiten Festplatte“ die wir jedoch nicht bewusst verarbeiten, mit. – Etwa so, wie der Computer sämtliche Handlungen, Tastendrücke und Aktionen die wir tätigen, in den Tiefen der Registrierung aufzeichnet, so können wir, etwas technisch ausgedrückt, sämtliche eigenen „Registrierungen“ aus Taten und Gefühlen, Gedanken und Erlebnissen erkennen. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn wir im Akt einer Selbst-Beobachtung oder „Selbst-Reflexion“ darauf hinschauen. Dies bedingt gewissermaßen eine „Entäußerung“ des Bewusstseins. Nun gehören ja durchaus auch Gedanken, Gefühle und Taten in die äußere Welt unserer Persönlichkeit! Das heißt, wir erleben uns als Denkende und Fühlende nicht auf der besagten beobachtenden Bewusstseinsstufe, sondern darunter. Wir sind damit nicht bei unserem eigentlichen Wesenskern angelangt, sondern erleben uns durch die vorgeprägte und „eingebrannte“ Optik der Aussenwelt, dem „persönlichen Branding“ sozusagen, welches sich eben in der oben angedeuteten Abhängigkeit befindet. Das heißt, dass sich auch unsere Persönlichkeit im erwähnten Zustand des höheren Bewusstseins, wie ein Spiegelbild im Aussen befindet. Das ist der Grund, weshalb wir so schnell Urteile gegen andere Menschen oder Situationen fassen, die eigentlich zu uns selbst gehören! Dieses sich selbst beobachtende und geistesgegenwärtige Bewusstsein erst, steht in einer Position der (nun wirklichen) Freiheit gegenüber der in Abhängigkeit sich befindenden Aussenwelt! Es ist eine Art Echo des Aussen in uns, was wir erleben. Die besagte zweite Festplatte in uns liefert diese Bilder und Wahrnehmungen. Sie können aber erst dann erkannt und verarbeitet werden, wenn eine Loslösung davon stattgefunden hat. Das heisst, wenn wir nicht mehr in einer Situation der Verhaftung mit den eigenen Gedanken und Gefühlen stehen. So wird das Gehirn und das Nervensystem als leibliches Werkzeug eines höheren, leibfreien Bewusstseins erkannt. Diese Form der Innenschau ermöglicht erst die Selbsterkenntnis und damit auch die Unterscheidung geistiger Wirklichkeiten! In diesem Sinne ist die Abhängigkeit von sich selbst die größte und wirkungsvollste von allen dargestellten…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

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