Artikel vom 13.02.2020 der NZZ…

Alle starren wie gebannt auf die Zahl der Corona-Fälle. Dabei sterben allein in der Schweiz in einer schweren Grippesaison etwa 2500 Personen an Influenza-Viren

Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 hält die Welt in Atem – und das in einem Masse, dass eine Gruppe anderer Viren ihr jährliches Unwesen fast unbemerkt treiben kann – diejenige der Influenzaviren nämlich, die jeden Winter aufs Neue für Epidemien sorgen. Stephanie Kusma 24.02.2020, 19.00 Uhr Hören Merken Drucken Teilen

Ihren Höhepunkt hat die diesjährige Influenza-Epidemie in der Schweiz bereits überschritten. Aber allein in der siebten (Sentinella-)Woche des Jahres suchten immer noch fast 22 500 Personen wegen grippeähnlicher Symptome medizinische Hilfe. In der letzten Saison taten dies laut dem Bulletin des Bundesamts für Gesundheit (BAG) insgesamt über 209 000 Patienten; hinzu kommt eine unbekannte Anzahl Personen, die ihre Grippe ohne einen Besuch in einer Arztpraxis auskuriert.

Aufgrund von Komplikationen der Erkrankung sterben laut dem BAG in der Schweiz jährlich mehrere hundert Personen. Diese Zahlen schwanken allerdings je nach den Charakteristika der zirkulierenden Viren. 2015 etwa starben in der Schweiz bei einer schweren Grippesaison etwa 2500 Personen zusätzlich zu den erwarteten Todesfällen; in Deutschland schwankt diese Zahl zwischen den Jahren von Hunderten Toten bis über 20 000 zusätzlich verstorbene Patienten. Weltweit verursacht die saisonale Grippe laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich bis zu 650 000 Todesfälle.

Diese absoluten Zahlen spiegeln allerdings nicht nur die Aggressivität der Viren wider, sondern erklären sich auch über die Anzahl der Erkrankten. Ein Virus, das wenig krank macht, aber viele Personen infiziert, kann ähnlich viele Todesfälle verursachen wie ein «tödlicheres» Virus, an dem weniger Personen erkranken.

Das neuartige Influenzavirus beispielsweise, das die «Schweinegrippe»-Pandemie von 2009/2010 verursachte, war ein eher harmloses Grippevirus: Es hatte mit 0,02 bis 0,4 Prozent eine niedrige Todesfallrate (Case Fatality Rate). Diese Zahl beschreibt, wie viel Prozent der erkrankten Personen an ihrer Erkrankung sterben. Das Pandemievirus hatte zwar innert weniger Monate die ganze von Menschen bewohnte Welt erobert und könnte bis 400 000 Todesfälle verursacht haben – aber liegt damit immer noch im Bereich einer saisonalen Grippe. 

Bei den Grippe-Pandemien von 1957 und 1968 lag die Letalität etwa bei 0,2 Prozent, wie ein Experte an einem Informationsanlass des Science Media Center und der Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Deutschland sagte. Es zeichnet sich laut ihm beim neuen Coronavirus ab, dass die Zahlen ausserhalb von China auch eher im Bereich einer typischen Grippe-Pandemie liegen (Stand 13. 2.). Ob sich das neue Coronavirus allerdings überhaupt zu einer Pandemie ausweiten wird, ist derzeit unklar.

Veröffentlicht von

weth

1956 in der Schweiz geboren; Autor, Bildhauer, Werklehrer, Architekt und früher einmal Hochbauzeichner und Maurer...

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