Sind Smartphones lebensnotwendig? Eine (selbst-) kritische Betrachtung…

Skizze, auf dem smartphone gemacht...
Skizze, auf dem smartphone gemacht…

In Baden-Württemberg läuft derzeit ein Test mit Jugendlichen. Sie wollen 7 Wochen auf Handy, Tablet und Spielkonsole verzichten. Schon nach einer Woche scheint es Probleme zu geben und drei der sieben haben heimlich ihr Handy benutzt.

Die meisten von ihnen hatten kurzentschlossen zugesagt, dieses Experiment mitzumachen. Sie glaubten nicht, dass dies grössere Probleme mit sich bringen würde. Mangelnde Selbsteinschätzung? Oder unterschätzt man diese Medien eben doch? Viele von ihnen beschreiben den Zustand ihres handylosen Daseins als quälend. Sie hätten plötzlich viel mehr Zeit für sich. Wissen aber damit nichts anzufangen. Früher hätten sie in solchen Momenten einfach ihr Handy gezückt und mal eben eine SMS geschrieben oder geschaut, was es Neues gäbe. Und jetzt? Die Mutter eines Teilnehmers bemerkte, ihr Sohn hätte sich schon in einer Woche merklich verändert, positiv notabene. Er denke viel mehr über sich selber nach und werde sich erst jetzt langsam bewusst, wie viel Zeit er mit diesen Dingen zugebracht habe. Weil er den Termin einer Online-Anmeldung für die Teilnahme an einem Event im Sommer verpasst hatte, musste er nun einige Kilometer mit dem Rad zum Veranstalter radeln und dort die Teilnahme persönlich auf einem Papier bestätigen. Zum Glück reichte es gerade noch.

Die Zeit, die man offensichtlich plötzlich durch den Nichtkonsum dieser Medien zur Verfügung hat, ist so beträchtlich, dass sie merkliche Löcher in unser Bewusstsein bohren. Nicht nur junge Menschen, sondern zunehmend auch ältere, und ich nehme mich hier nicht aus, bemerken, wie viel Zeit investiert wird für eine Sache, die offenbar (und schleichend) großes (zu großes?) Gewicht bekommen hat.

Im Vordergrund steht die virtuelle Kommunikation auf verschiedenen „sozialen Plattformen“, wie Facebook, Google+, Twitter usw. Da drängt sich immer häufiger die Frage auf, wie sozial sind denn diese Netzwerke, die so viel Zeit unseres Lebens beanspruchen. Sie vernetzen uns zwar, aber verbinden sie uns auch, im Sinne von Verbindlichkeit? Und wofür würden wir diese Zeit denn sonst nutzen? Nicht nur die Jugendlichen dieses Experimentes stellen sich diese Frage, sondern auch ich werde mit ihr, unverhofft stark, konfrontiert. Und inwieweit habe ich die Sache selber noch „im Griff“? Ist es nicht manchmal allzu leicht, das iphone oder smartphone zu zücken, um eben „schnell“ Aktualitäten zu checken?

Wie frei sind wir wirklich im Benutzen dieser Medien? Sind wir nicht eher zunehmend Sklaven derselben?

Es wurden immer wieder viele Studien gemacht in den vergangenen Jahrzehnten, früher noch über den Fernsehkonsum, dann über die Zeit, welche Jugendliche und Erwachsene am Computer und im Internet verbringen. Mittlerweile sieht man all diese Menschen wieder auf der Strasse! Die technische Entwicklung hat es ermöglicht, das Internet immer bei sich zu haben und fast überall online zu sein. Dadurch kommen wir wieder aus den verstaubten Zimmern und Löchern mit all den vergammelten Hamburgern und mit Cola verklebten Tastaturen zurück in die Zivilisation. Wir werden wieder öffentlich! Doch die Realität täuscht. Wie oft sieht man sie, die „Liebespaare“, vereint am Tisch, im Zug oder auf einer romantischen Gartenbank im Park sitzend, beide online, beide über whatsapp mit ihren (jeweils anderen) Freunden kommunizierend.

Was harmlos erscheint und manche vielleicht bestenfalls zu einem müden Lächeln verlockt, scheint epidemische Ausmasse zu erlangen. Wo man hingeht, mich nicht ausgenommen, der Touchscreen ist immer auf Stand-by in unserer Nähe. Was gibt es doch nicht alles Wichtiges! Man könnte ja etwas verpassen! Wie schrecklich! Was haben wir früher nicht alles verpasst! Mag sein, aber irgendwie stimmt mich die Sache dennoch nicht gerade froh. Es gibt soviel, was man/frau bedienen muss: Man denke an all die Facebook-Gruppen, in denen wir dabei sind. Die zwei oder drei Twitter-Konten, die wir verwalten müssen, die vielen Emails, die uns, meist spam-verdächtig, erreichen. Dann all die Internetseiten, Foren und Wölkchen, sprich clouds, die wir zu bedienen und zu „pflegen“ haben. Und nicht zuletzt den eigenen Blog, wie meinen hier.

Was ist das Motiv all dieses Handelns? Ist es denn wirklich so wichtig, wie wir meinen? Ich denke darüber nach, aber erst muss ich kurz meine Mails checken…

Urs Weth…Selbstreflexion als soziale Kernkompetenz…
bei Thalia

Veröffentlicht von

weth

1956 in der Schweiz geboren; Autor, Bildhauer, Werklehrer, Architekt und früher einmal Hochbauzeichner und Maurer...

RSS
Follow by Email
LinkedIn
Share
%d Bloggern gefällt das: