Warum ich keine Quadrate male…

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Wenn ich eine grosse, weisse Fläche vor mir habe, bin ich inspiriert, sie zu füllen. Irgendetwas in mir verspürt Lust, Farben zu nehmen, Flächen zu malen, Linien zu malen. Aber was ist dieses Irgendetwas, was mich leitet, mir Begeisterung einflösst, mich quasi mit Energie versorgt? Diese Frage stellte ich mir letzthin. Und ich fragte mich, warum ich eigentlich keine Quadrate male?

Verstehen Sie mich nicht falsch, es ging bei der Frage nicht explizit um Quadrate. Sie sind nur ein Synonym für vieles, was ich nicht male, nie malen würde, weil „es“ mich nicht lockt, nicht begeistert. Da ist es wieder, ein geheimnisvolles „es“, was mich lockt oder nicht, zu malen, kreativ zu sein, den Ton zu gestalten.

Deshalb soll das Quadrat nur als Beispiel für etwas stehen, was ich den „Verstand“ nenne. Denn ohne den Verstand werde ich niemals Quadrate malen können. Deshalb nicht, weil dieser Verstand mir sagt, wie die Form aussieht, die ich malen soll, dass sie rechte Winkel hat und vier gleichlange Seiten. Das müsste ich erst mal hinkriegen und dazu bräuchte ich den Verstand. Es braucht mathematische Intelligenz. Zudem würde das Quadrat einer vorgegebenen Idee entsprechen, der Idee, der Vorstellung: Ich male jetzt Quadrate… oder andere geometrische Formen oder auch andere vorgegebene Figuren, die ich mir zum Vornherein, bevor ich überhaupt den Pinsel berührt habe, in den Kopf gesetzt habe. Habe ich dann den Pinsel in der Hand, „weiss“ ich ja schon ganz genau, was zu tun ist! Es gibt keine andere Möglichkeit mehr. Was folgt, ist bestenfalls „Technik“, Beherrschung des Materials, des Werkzeuges. Jede Abweichung würde mich in eine Krise versetzen, weil es nicht ganz genau so aussieht, wie ich „es mir vorgestellt habe“.
Also bestünde die Kunst darin, sich etwas vorzustellen und es dann „ganz genau“ auf dem Papier, oder sonstwo, umzusetzen? Folgt man den Kunsthäusern der Gegenwart, müsste man bei sehr vielen Dingen davon ausgehen…

Quadrate malen hiesse also, zum Vornherein wissen, was ich male und es danach so gut wie möglich zu realisieren! Das ist ganz genau unser normaler Weg, zum Ziel zu kommen: Wir machen uns ganz viele Gedanken, setzen alles im Geiste zusammen bis „es stimmt“, oder haben ab und zu auch „Spontaneinfälle“, und schreiten dann zur Handlung über, entweder bewusst, wissend, was wir tun, oder eben spontan, aus dem Affekt usw.

Was bei mir im Alltag in der Regel auch so funktioniert, und manchmal durchaus sinnvoll ist, funktioniert beim Malen, beim modellieren usw., nicht mehr. Würde ich es genauso machen, so verginge mir definitiv die Lust dazu. Es gäbe nichts, was ich dem Endergebnis hinzufügen oder wegnehmen könnte, ich würde ganz und gar von einer Idee, von einer Vorstellung gelenkt und müsste dieser dienen, bis alles so ist, wie ich es mir vorgestellt habe.

Gerade hier setzt bei mir die Lust ein, den Verstand beim malen auszuschalten, die Vorstellungen ganz zurückzunehmen, ganz gegenwärtig zu werden, mit all meinen Sinnen, mit dem Denken und Fühlen, und einer anderen Stimme in mir zu gehorchen. Tiefer zu gehen, als dies der Verstand, die normale Intelligenz vermag. Dieses „Es“ wird dann aktiv, beginnt, mich zu leiten, in mich zu fliessen und mich zu führen. Ein Quadrat wird dabei niemals entstehen können, weil die Linien schon vom ersten Moment an eine andere, nicht vom Denken geleitete Richtung einnehmen. Meine Hand lässt sich jetzt nicht mehr vom Kopf her leiten, sondern beginnt, dieser „inneren Spur“ zu folgen. Auch die Flächen, die ich meistens bei grossen Bildern mit der Hand, mit Putzfäden, auftrage, beginnen innerlich zu vibrieren, diesem lebendigen Strom zu folgen, beginnen sich im Raum auszudehnen und zu füllen. Farben über Farben, Linien über Linien folgen so einem eigenen Gesetze. In guten Momenten bin ich dann erfüllt von einem hellen und klaren inneren Licht, einer Art Begeisterung und Freude, die nicht etwa träumt oder gar schläft, sondern noch bewusster ist, als sonst, noch bewusster, als der normale, alltägliche Verstand. Es entsteht das Gefühl eines Verschmolzenseins mit dem Bilde, mit den Farben, den Linien, den weissen Flächen. All dies dehnt sich sogar darüber hinaus und kann einige Stunden anhalten…

Solche Erlebnisse habe ich nie, wenn ich mir etwas bestimmtes vornehme und um die exakte Umsetzung meiner Vorstellungen ringe…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Übertragung/Gegenübertragung und die Kunsttherapie

mato | bilderwelt
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Unsere Gedanken und Gefühle sind von Mustern geprägt. Die Wiederholung von Erfahrungen, Erlebnissen und Begebenheiten, prägen diese Muster und befestigen sie. Unsere Begegnungen in der Kindheit durch uns nahe stehende Personen, formen und konsolidieren alle diese Erfahrungen. Was daraus entsteht, ist so etwas wie ein Strickmuster der Gehirnstrukturen durch Wiederholung. Die Prägungen wachsen mit zunehmendem Alter aus und konstituieren sich in unserer Persönlichkeitsstruktur.

So wird jede neue Begegnung nach diesen Mustern abgestimmt, die uns von Kindsbeinen an mitgeprägt haben. Menschen die wir treffen haben ihre Rolle, ihre Verhaltensweise, ihren spezifischen Charakter. Solche Bedingungen stoßen auf vorgeprägten Strukturen. Wir entwickelten ein anderes Muster zu unseren Geschwistern, zum älteren Bruder zum Beispiel, als zum jüngeren, zur Schwester, und wieder andere zur Mutter, zum Vater usw. Jede dieser prägenden Erfahrungen verdichtet sich mit zunehmendem Alter. Was wir daraus in die Gedanken gießen und als Gefühle äußern, hat damit zusammenhängende, spezifische Eigenschaften. Sie sind mit den gemachten Erfahrungen mit den uns umgebenden Menschen aufs innigste verbunden. Die Reinlichkeit der Mutter, die Pedanterie des Vaters, die Dominanz des älteren Bruders oder der Neid der Schwester werden so zu Veranlagungen in unserem eigenen Charakter.

Jedes Mal wenn wir in unserem Leben auf neue Menschen treffen, werden diese Strukturen, die wir geschaffen haben reaktiviert. Manchmal weniger, manchmal mehr. Unser Verhalten nimmt diese Muster der Reaktionen und Gegenreaktionen auf. Es kann sein, dass der Mensch, der uns begegnet, uns an jemanden aus der Kindheit erinnert. Es können Charakterzüge sein, die uns ansprechen oder stören. Es können aber genauso gut Situationen sein, die an entsprechende Erlebnisse aus der Vergangenheit erinnern. All dies geschieht meistens unbewusst und ohne unsere Kontrolle. Sehr gut möglich, dass wir als Folge davon sogar unsere Beziehungen nach den konstituierten Prägungen aussuchen! Vielleicht wird unser Partner, unsere Partnerin einst dem Typus unseres Vaters oder unserer Mutter entsprechen.

Das aus der Kindheit geschaffene Verhaltensmuster können wir – mit der Begrifflichkeit der Transaktionsanalyse – das Lebensskript nennen. Dabei ist die Gesamtheit oder vielleicht besser, das Hauptthema unserer geschaffenen Strukturen gemeint. Diese Prägung kann mit den (negativen oder positiven) Erfahrungen mit unserer Mutter oder mit unserem Vater zu tun haben, oder ebenso gut zu anderen wichtigen Menschen im Umfeld der (vor allen Dingen frühen) Kindheit. Die in der Psychologie genannten Erlebnisse von Übertragung und Gegenübertragung haben mit diesen Prägungen zu tun.

Man kann darin durchaus Gesetzmäßigkeiten sehen, die unwiederbringlich und definitiv unser Leben bestimmen, ohne die Möglichkeit der Korrektur, der Verwandlung oder Entwicklung des Bewusstseins zu finden. Und in der Tat, liest man Biografien, wie jene von Hermann Hesse, ist man geneigt, sich kaum Chancen auszurechnen, solche Kräfte auszugleichen und mit sich ins Reine zu kommen. So wie seine Figuren immer wieder Zeugen des inneren Kampfes mit der Natur der Sinne und in Auseinandersetzung mit hohen Idealen sind, genau so zeigt sich die Ambivalenz der polaren Persönlichkeitsstruktur in uns immer wieder in einem neuen Gewand.

Es ist alleine schon fast eine Herkulestat, das Lebensskript zu durchschauen oder zumindest zu erkennen. Es benötigt eine große, innere Wachheit und Beweglichkeit. Diese wird dauernd gestört von den befestigten Prägungen, die wir geschaffen haben. Ein Ausbrechen aus dieser Not bedarf zunächst einer gründlichen Analyse. Aber das kann nur der Anfang sein. Denn die Analyse ist zunächst nichts anderes als die Erkenntnisseite für eine Annäherung an den eigenen inneren Wesenskern, aber noch keine Erfahrung davon! Es ist für eine hinreichende Bewusstseinsentwicklung nicht möglich, bei der Analyse stehen zu bleiben.

Hermann Hesse war jahrelang in einer Analyse, zuerst bei einem Schüler C.G. Jungs, bei Lang, danach beim Meister selbst. Was ihm letztlich aus seiner inneren Unruhe und nervösen Spannung heraus half, war die Kunst! Sowohl als Schriftsteller, vielmehr aber noch als Maler, fühlte sich Hesse ausgeglichen. Durch die Schriftstellerei konnte er die inneren Erlebnisse verarbeiten, durch die Malerei kam er zur Ruhe. Hier setzte ein Erlebnis ein, welches zu inneren Erfahrungen hinführte.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Die Kunst der Kunst

Gross, laut, grell, spektakulär, gigantisch. Alles Attribute, die gegenwärtig zum Renommee eines Künstlers von Rang und Namen gehören. Nix von leise, still, bescheiden, klein oder intim. Die Beschaulichkeit des Berührtseins, das geheimnisvolle Etwas stehen hinter dem Effektvollen, Sensationslüsternen, gigantischen. Die leisen Töne fehlen. Wenn sie da sind, verschwinden sie hinter dem grossen scheppernden Klang der Kunstwelt. Sie geben sich bescheiden, fast schon anmassend bescheiden, die kleinen Künstler, die „nur“ aus Begeisterung und der reinen Freude am Tun arbeiten. Sie können nicht leben von dem was sie schaffen. Sie verbringen unendliche Stunden in ihrem stillen Kämmerlein, am Feierabend, in freien Stunden.

Mona Lisa hätte heute kaum mehr eine Chance in die Ränge zu kommen. Leonardo arbeitete fast ein ganzes Leben an ihr, immer wieder, nahm sie überall mit, wohin er auch ging. Strich mal da, mal dort sanft über die Wangen und ließ es auf sich beruhen. Dies tat er bis fast an sein Lebensende. Kurz vor seinem Tode zeigte er sie erstmals hohen Kirchenvätern und bezauberte diese. Sie war noch nicht vollendet und würde es auch nie sein…

So etwas heute? Die lauten Töne brauchen zu viel Rauch und haben wenig Feuer. Dafür umso mehr Klugheit, Intelligenz, oder besser Schlauheit. Es ist die Schlauheit des Händlers, der genau weiß, was für die Masse taugt. Bescheiden geben sie sich jedenfalls schon lange nicht mehr. Das stille Kämmerlein wird mit grossen Fabrikhallen getauscht. Der Pinsel mit Schweissapparaten und Baumfällerwerkzeug. Wer die anderen übertönt, hat schon gewonnen. Wer die beste Werbekampagne macht, geht als Sieger davon. Eine gute Idee genügt. Was geht über die Idee hinaus? Was schafft den Mehrwert – in uns?

Darüber streiten sich seit Jahrzehnten die Kunstkritiker. Sie raufen sich die Haare und jeder findet ebenso gute Argumente dafür, wie dagegen. Alles kann unter diesem Aspekt ebenso gut Kunst sein, wie es Nichtkunst sein kann… es kommt auf die Argumente an…

Die Kunst in der Wirtschaft

KunstundWirtschaftLeben ist Prozess. Hegel[i] verallgemeinert den Begriff sogar so weit, dass er ihn mit „Bewegung“ schlechthin gleichsetzt. Es gibt keinen anderen als einen lebendigen Prozess. Der Prozess bedingt Bewegung. Bewegung ist ein Vorgang, welcher Entwicklung in sich trägt. Alle Entwicklung ist prozesshaft. Insofern ist dieser Begriff nichts anderes als die Beschreibung einer in der Zeitlinie verlaufenden Bewegung, welche sich auf ein unbestimmtes Ziel hin bewegt.

Was wir als Zwischenschritte darin erkennen, sind Teilprozesse einer großen, umfassenden Bewegung. Sie sind zwar tendenziell planbar, aber nicht in sich abgeschlossen und definitiv. Selbst die einfachsten Prozesse entwickeln sich nicht nach den Gesetzen unserer Vorstellung, sondern nach den Gesetzen des Lebens. Und solche Gesetze kann man erforschen und ihnen Eigenschaften abgewinnen, die sich als hilfreich erweisen im Durchschreiten von anderen Prozessen. Dabei spielt es keine Rolle, wo sie auftreten, ob im wirtschaftlichen Leben, im sozialen Leben, im kulturellen Leben oder in der Kunst.

Das Auftreten von Emotionen und Vorstellungen, welche uns im Laufe eines Lebens betreffen und bewegen, kann in immer wieder ähnlichen Schritten wahrgenommen werden.

Das “Gebilde“, welches dann entsteht, ist ein Phantomkörper unserer wahren Identität, unser Schatten. Er ist ein “Abfallprodukt” des emotionalen Reifeprozesses. Da wir aber nicht das Abfallprodukt sind, sondern dessen Produzent, müssen wir lernen, diese Prozesse zu durchdringen und zu verstehen. Erst dann erleben und erkennen wir das Bewusstsein unseres höheren Selbst oder des freien Ich. In diesem Bewusstsein sind wir selbst im Lebensprozess aktive Gestaltende.

Wenn wir lernen, den gebildeten Identifikationsstrom gewahr zu werden und ihn achtsam mitzuverfolgen, dann können wir die Abstufungen dieses Prozesses erforschen und erkennen. Die große Grundbewegung, welche alle diese Prozesse durchzieht, wurde bereits in den dreißiger Jahren von Kurt Lewin entdeckt. Sie beinhaltet die drei Grundelemente von Unfreezing, Transition und Refreezing[ii].

Was in diesen drei Grundelementen dargestellt wird, sind Hauptelemente eines Gesamtprozesses. Solche Entwicklungsvorgänge haben keine zeitliche Einschränkung. Sie sind sowohl in kurzwelligen, als auch in langwelligen Ereignissen auszumachen. Dies sind auch Grundbegriffe des Change-Managements geworden.

Wir können betrachten, was wir wollen: Ein Kunstwerk, einen wirtschaftlichen Prozess, soziale Prozesse, persönliche Entwicklungsprozesse, Kommunikationsprozesse, Krankheitsprozesse, Todesprozesse und so fort, immer wird uns derselbe Verlauf in seiner Grundstruktur entgegenkommen.

Darin sind drei deutliche Phasen erkennbar (mit anderen Worten):

1.      Stagnationsphase (Unfreezing)
2.      Widerstands- oder Rückbildungsphase (Transition)
3.      Impuls- und Umsetzungsphase (Refreezing)

Ich versuchte, die von Lewin erkannten Grundprozesse etwas differenzierter weiterzuverfolgen und sie für die eigene künstlerisch-therapeutische Arbeit nutzbar zu machen.

Unfreezing ist der erste Teil des Prozessablaufes. Hierbei können folgende Wahrnehmungen gemacht werden. Etwas bewegt sich nicht mehr weiter, es stagniert, erlahmt. Die Abläufe sind automatisiert, die Entwicklungslinie verharrt im Stillstand. Man fühlt sich stumpf! (Stufe1)

In einem zweiten Schritt entsteht so etwas, wie ein Schmerzgefühl (Stufe 2). Die Unzufriedenheit über die Stagnation macht sich nach und nach bemerkbar. Man spürt die Erstarrung und die Kälte im Prozess. Die Tatkraft geht verloren, die Begeisterung verschwindet. Alles wird freudlos. Man weiß, dass etwas Neues kommen muss. Es ist aber nicht benennbar und nicht verortbar. Der Bewusstseinszustand ist unbewusst bis träumend. Es wird uns “mulmig”. Das Anbahnen und die Ungewissheit durchsetzen uns mit Unbehagen. Der Druck von außen kann zunehmen und spürbar werden, sei dies der sich anbahnende Tod oder innere Umwälzungsprozesse oder Krisen, die sich unterschwellig so bemerkbar machen.

Was zuerst als Unzufriedenheit in Erscheinung getreten ist, wird nun zu einer Widerstandskraft oder einem inneren Widerstand, der erst aus dem zunehmenden Druck wächst (Stufe 3). Angst durchsetzt uns und erweckt Abwehr. Wir fordern zunächst das Gewohnte, Bewährte und Alte  wieder zurück und weigern uns, nach vorne zu blicken. Im Weiteren bemerken wir, dass sich etwas anbahnt. Wir erahnen die kommende Auseinandersetzung. Diese Phase ist oft sehr schmerzhaft. Weil wir gleichzeitig in unserem Bewusstsein erwachen, je näher sich der Wellengrund auf uns zu bewegt, müssen wir zum inneren Akzeptieren, zur Zustimmung finden.

Nun tritt etwas Entscheidendes ein. Wir müssen uns entscheiden. Das heißt, wir müssen Farbe bekennen. Grundsätzlich tun wir dies nach drei verschiedenen Szenarien. Zunächst tritt eine 4. Stufe an uns heran, die ich mit Akzeptanzphase bezeichnen könnte, welche in folgende drei kleinere Unterprozesse gegliedert ist:

  1. Die Bejahung
  2. Die Verneinung
  3. Die Ignoranz.

Bei der dritten schalten wir alle Bewusstseinsprozesse solange dies geht, wieder aus und verdrängen sowohl Gefühle, wie auch Gedanken im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Wandel. Wir krebsen zurück, haben den Mut nicht nach vorne zu blicken. Dies führt in die Isolation und in eine noch größere Drucksituation, welche die Entscheidung von neuem fordert.

Im ersten Szenario erkennt und anerkennt man den Wandlungsimpuls und entscheidet sich, hindurchzugehen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Klarheit über einen möglichen Verlauf vorhanden ist.

Und das Verneinungsszenario erkennt die Notwendigkeit eines Verwandlungsprozesses ebenso wenig, entscheidet sich aber vollbewusst und willentlich, auszuscheiden, auszuscheren oder umzusteigen, etwas anderes zu probieren oder vielleicht ein Re-Branding zu wagen.

Der Verwandlungsprozess wird aber nur im Bejahungsfall, also im ersten, wirklich weitergeführt. Wenn wir willentlich aussteigen, dann haben wir zwar einen Neuanfang inmitten von anderen Verhältnissen geschaffen, ohne das tieferliegende eigentliche Problem gelöst zu haben. Brüche können den Prozess zwar ebenso weiterführen. Sie werden aber an einem anderen Ort und in einer anderen Weise wieder zum selben Punkt führen müssen.

Jetzt erkennen wir die 5. Stufe. Sie zeigt sich nur im Bejahungsfall. Hier werden neue Kräfte freigemacht! Sie bringen neue Impulse und Ideen. Eine frische Dynamik entsteht, welche den Prozess wieder beflügelt und weiterführt. Der Aufwärtsschwung wird in Gang gesetzt.

In der 6. Stufe des Durchlaufes entstehen aus dem neuen Impuls neue Ideen. Sie „flattern“ gewissermaßen nur so auf uns zu und bereiten eine Vielfalt neuer Möglichkeiten vor. Jetzt entsteht wieder ein kleines Vakuum im Prozessablauf. Die Vielfalt kann uns erschlagen und chaotisch werden. Sie ist noch struktur- und formlos.

Eine kleine Zwischenkrise tritt ein. Sie verhindert die Eingliederung der Ideen in die realen Verhältnisse. Neue Hindernisse treten auf.

In der 8. Phase, der Umsetzungsphase ist Knochenarbeit angesagt. Das kann in den gruppendynamischen Prozessen Probleme verursachen. Es gilt, das Wesentliche heraus zu arbeiten, um die Kernfragen zu klären. Teamarbeit wird hier zentral.

In der 9. Phase geht es um Konsolidierung. Das Erarbeitete muss wieder integriert und eingeordnet werden. Die Abläufe werden wieder normalisiert. Der Sturm ist vorbei. Routine und Alltag machen sich erneut breit. Aus dieser Phase heraus entsteht als letzter und 10. Schritt wieder eine erneute Stabilisierung.

Solche Prozesse, wie sie hier in den 10 Phasen beschrieben sind, laufen wellenförmig durch das ganze Leben. Sie durchdringen unternehmerische, kreative und künstlerische Prozesse ebenso, wie jeden Prozess der eigenen Bewusstseinsentwicklung. Sie sind unaufhörlich, enden nie. Auch die erneute Stabilisierung wird wieder hinüberführen in die Stagnation und wird letztlich wieder von neuem eine nächste Welle auslösen. Durch die Lernerfahrung und durch Fehler erkannte neue Problemlösungen wird insgesamt eine immer neue Aufwärtsbewegungen, die Gesamtentwicklung fördern und reifer werden lassen.

Wir hangeln uns durch diese Wellen quasi hindurch. Gewinnen mehr Selbstvertrauen und innere Reife, weil wir durch Unvollkommenheiten immer mehr (Selbst-) Bewusstsein erschaffen und uns so weiter entwickeln. Das ist  eine bewusstseinsbildende Dynamik.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…


[i] Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831),deutscher Philosoph

[ii] Kurt Lewin Werkausgabe (KLW), Hrsg. Karl Friedrich Graumann, 4 Bände sind erschienen; Klett, Stuttgart ab 1980

Die Kunst ist eine Herzensangelegenheit

BleistiftJedes Objekt lässt sich begründen. Eine Kunstkritikerin meinte kürzlich anlässlich der Art Basel sinngemäß: Die moderne Kunst hat in erster Linie mit dem bestmöglichen Transport von Ideen zu tun. Es geht also einerseits um die gute Idee und andererseits darum, die Idee im Objekt sichtbar zu machen. Dabei, so meine sie, stünden häufig philosophische Themen im Vordergrund.

Das Wie ist dabei keine Frage der Qualität des Objektes, sondern von dessen Symbolwert abhängig. Die Umsetzung, das heißt die Konstruktion der Gedankenkette, um das Objekt verständlich zu machen, ist zuweilen abenteuerlich…

So kann für den Normalsterblichen ein Bleistift ein Bleistift sein. Für den modernen Künstler kann es jedoch zu einem Symbol für die moderne Gesellschaft werden. Im ersten Fall ist es keine Kunst und kostet 1.95 Euro. Im zweiten Fall, als Kunstobjekt, entsprechend präsentiert 10000 Euro.
Sie fragen sich jetzt sicher, worin der Zusammenhang des Bleistiftes mit der modernen Gesellschaft bestünde? Ok, ich auch. Aber lassen Sie mir eine Stunde Zeit, ich werde Ihnen einen entsprechenden Aufsatz darüber schreiben. Und Sie werden überzeugt sein davon, dass dieser Zusammenhang besteht…

Das Objekt wird also zum Symbolträger. Der Wert besteht in der Erklärung, die dazu geliefert werden muss. Das Objekt selbst hat lediglich den Wert des Schreibgerätes. Somit erschließt sich aus der Betrachtung selbst keine künstlerische Nahrung, kein ästhetischer Wert, mal abgesehen von der Banalität einer simplen Ästhetik, die man jedem Objekte beimessen kann.

Genau hier setze ich persönlich meinen Maßstab. Für mich besteht der Wert eines Kunstobjektes nicht in der intellektuellen Erklärung seiner Bedeutung, sondern aus dem, was sich aus ihm selbst erschließt. Damit wird der Kernpunkt auf die Gestaltung gelegt, auf die Qualität der Formgebung zum Beispiel. Das Wie hat nicht mehr mit einer Idee zu tun, beziehungsweise deren optimalem Transport, sondern mit der Gestaltung. Diese erschließt sich jedem fühlenden Menschen. Sie kann auch aus der Betrachtung selbst erschlossen werden, sowohl von Kindern, wie selbst für kognitiv beeinträchtigte Menschen. Die Wirkung umgeht den Weg über den Intellekt, über das bloße Verstehen. Natürlich kann auch der Bleistift als Objekt eine Wirkung auf mich ausüben. Das kann jedes Objekt, ohne dass ich den Zusammenhang mit der modernen Gesellschaft herstellen muss. Der Wert bleibt aber dann bei 1.95 Euro.

Diese Kunst ist der Spezialfall. Das herausheben eines Objektes und dessen Anbindung an einen, zum Beispiel philosophischen, Grundgedanken.

Die künstlerische Bemühung um Gestaltung beinhaltet auch den Willen einer gezielten Aussage. Die hat aber keinen symbolischen Charakter, sondern will unmittelbar wirken. Insofern transportiert sie keine Gedanken oder Erklärungen, sondern Gefühle, Empfindungen, Emotionen. Kunst ist, wie die Liebe übrigens, in erster Linie eine Herzensangelegenheit und weniger nur Nahrung für den Intellekt. Ob diese Gefühle dann positiv oder negativ nachklingen ist dabei noch nicht gesagt.
Dies einige Gedanken zur gerade beendeten ART Basel…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

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