Kunst und Freiheit

kinderzeichnungFast jeder Künstler pocht auf seine Freiheitsrechte. Fragt man ihn danach, wie er seine Motive findet, woher er seine Ideen habe, zuckt er mit den Achseln und macht vielleicht seine „Intuition“ geltend. Machen Sie doch, bevor Sie weiter lesen, einen kleinen Selbstversuch!

Nehmen Sie ein Blatt Papier und versuchen sie  einen einzigen wirklich freien Strich zu zeichnen!

Haben Sie das getan? Gut, dann betrachten Sie diesen einen Strich einmal ganz genau! Haben Sie links begonnen? Warum? Vermutlich fangen fast alle solchen Versuche von links nach rechts an. Das ist konditioniert! Wir Westler schreiben ja schließlich auch von links nach rechts.

Vielleicht beginnt ein Japaner oder ein Chinese, je nach Konditionierung oben oder rechts usw. Konditionen sind natürlich nie frei. Sie sind in unserer Kindheit schon früh gebildet oder uns je nach dem sogar eingetrichtert worden. Es mag sein, dass Sie, trotz dieser Prägung, rechts begonnen haben. Das ist schon gut und eher selten. Vielleicht sind Sie Linkshänder? Haben Sie dies frei gewählt? Aber wie sieht denn dieser Strich sonst noch aus? Schauen sie ihn einmal kritisch und möglichst unbefangen an. Vergessen Sie alles, was Sie als „schön“  bezeichnen. Vergessen Sie Ihr Gefühl für Formen, Ihre Vorlieben für Ordnung, Ästhetik, für Rundungen, Kanten, Ecken usw. All diese Präferenzen können Sie schon mal als unfrei abhaken.

Es sind genauso konditionierte und angelernte Vorstellungen, die sich im Laufe des Lebens gebildet haben und die Ihre jetzige Persönlichkeit ausmachen, wie die meisten routinemäßigen Handlungen, die Sie im Alltag verrichten! Wer wirklich ganz ehrlich mit sich selbst sein will, muss erkennen, wie schwierig es ist, nur schon einen einzigen wirklich freien Strich aufs Papier zu kriegen. Wenn Sie jetzt Farben dazu nehmen – oder meinetwegen Ton, oder andere künstlerische Mittel einsetzen, dann werden Sie, mit der nötigen Selbstdistanz erleben, wie wenig Ihr Handeln mit Freiheit zu tun hat!

Die Frage ist berechtigt, ob es Freiheit denn überhaupt gibt? Rudolf Steiner hat in seiner „Philosophie der Freiheit“ versucht, dieser Frage auf den Zahn fühlen. Das vordringen auf den tiefsten Kern der menschlichen Wesenheit spielt dabei eine wichtige, besser gesagt die wichtigste Rolle. Wenn wir unsere Verhaltensweisen, unsere Handlungen und Motive betrachten, müssen wir, uns selbst erkennend, feststellen, dass sie diesen Kern wenig bis gar nicht betreffen oder gar berühren.

Für mich als Kunsttherapeut hat diese Frage der Freiheit des wesentlichen Kerns unseres Menschseins eine hohe, wenn nicht höchste Priorität. Berührt werden kann man nur genau dort. Und um solche Berührung geht es. Alle Intention einer guten Therapie richtet sich nur auf dieses eine. Hier geht es weder Ideen, noch um Methoden oder um persönliche Vorzüge, weder jene des Therapeuten, noch jene des Patienten, sondern einzig und allein um menschliche Begegnung. Beziehung schaffen, Bezug schaffen, ist der Schlüssel.

Durch die Verhaftung mit unseren inneren Lieblingen, machen wir uns verletzbar für jede Kritik, jeden Einwand oder noch so gut gemeinte Intervention. Da wir diese Lieblinge nicht erkennen im Zustand der Identifikation mit ihnen, reagieren wir üblicherweise mit Abwehr oder Unmut, wenn sie von außen angezweifelt werden. Dasselbe ist Ihnen vielleicht auch gerade eben passiert bei meinem Einwand, dass Ihr Strich konditioniert sein könnte…

Manchmal sind Interventionen äußerst delikat und schwierig. Und dennoch sind wir alle darauf angewiesen, dass wir Rückmeldungen bekommen. Das ist in der Therapie nicht anders als im Leben selbst. Und sich jeder Kunstschaffender ist damit konfrontiert. Im Zentrum steht latent immer die Frage nach Freiheit. Welche Handlungen wir auch tun, sie betreffen immer unsere eigene persönliche Freiheit oder jene anderer Menschen.
Dabei wäre die Kunst meines Erachtens eines der vorzüglichsten Mittel, um unsere Verhaftungen sichtbar zu machen. Möglicherweise sitzen Sie jetzt immer noch vor Ihrer Strich-Zeichnung? Nutzen Sie die Chance etwas zu entdecken in Ihnen, was bisher möglicherweise verborgen blieb! Probieren Sie es wieder und wieder! Machen Sie sich auf den Weg… zu sich selbst!

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Und habt ihr die Liebe nicht… | zweiter Teil

rotes herzZweiter Teil | Wir, vor allem die westliche Gesellschaft, sind Augenmenschen durch und durch geworden. Auch die Liebe nährt sich häufig vom Visuellen. Der schöne Körper, das schöne Gesicht, das Äußere wird zum Hauptfaktor für ein Gefühl, welches in dieser Weise unsere Vorstellungen nährt, bis man das «begehrte Objekt» besitzen will. So, wie man das Auto oder das Haus oder den Pelzmantel und andere Gegenstände besitzt. Das «Es» findet im Grunde sich selbst veräußert.

Das narzisstische Ich findet sich wahnsinnig toll. Das ist die positive Abspaltung, die nur deshalb positiv bezeichnet wird, weil sie ein positives Gefühl verursacht: Verliebtheit. Es ist der Umkehreffekt der negativen Abspaltung oder Projektion, die ein negatives Gefühl auslöst. Das geschieht zum Beispiel in Form von Aggressionen, die von außen an uns herankommen, aber eigentlich uns selbst gehören. Ob positiv oder negativ: Abspaltung bleibt Abspaltung. Sie gehört nicht der Außenwelt an, sondern uns. Und das bemerken wir nicht. Darin liegt die Tragik. Und in diesem Fall ist es eine Tragödie der «Liebe» oder dem, was wir als solche bezeichnen.

Man kann die Liebe nicht ohne soziale Verantwortung beurteilen. Alle die Missstände, Scheidungen, Probleme in Partnerschaften bis hin zu Gewalt in der Ehe und in der Sexualität, entstehen aus der Missachtung dieser Verantwortung! Da helfen alle schönen Sprüche von platonischer Liebe und seelischer Verbundenheit nichts, wenn damit soziale Bindungen zerstört werden. Es gibt keine Liebe, die für sich alleine besteht! Es gibt höchstens falsche Begriffe für egoistisch-narzisstische Emotionen. Die echte und freie Liebe steht immer im Zusammenhang mit der Verbindlichkeit im Umfeld! Diese Illusion nebelt das freie Ich ein und zwingt es zurück an die gebundenen Verhältnisse. „Es“ ist ebenso wenig frei, zu tun oder zu lassen, was es will. Es gibt nur noch Bindung, Verbindlichkeit und Gebundenheit!

In der Erkenntnis dieser Verbindungen, zusammen mit der Erkenntnis seiner selbst, werden erst freie, moralische Impulse geschaffen! Sie müssen möglichst gut ins eigene „Netzwerk“ integriert werden. Das kann nicht immer gelingen, weil manche Verbindungen zu komplex und zu zerstörerisch sind. Es ist verständlich, wenn Ehen, trotz sozialen Abstrichen, unter solchen Umständen gelöst werden! Liebe ist an sich etwas absolutes, undefinierbares, nur fühlbares. Nicht aber der Weg dahin. Aus dem „Schattenboxen“ wird erst durch viele Niederlagen und persönlichen Verluste hindurch eine wirkliche, echte und nicht binden wollende Liebe wachsen können! Das gebundene Ich wird sich irgendwann, spätestens wenn die erste Verliebtheit abflaut, fragen, wo die Legitimation dafür über alle die Jahre hinweg bestehen bleibt? Sind wir doch oft in wirklich schwierigen Umständen gefangen! Was von der Gebundenheit zur Sprache kam, wird hier zu einem unvorstellbaren und bedrängten, schmerzvollen Leben! Wer soll mir verbieten, aus dieser Gefangenschaft auszubrechen? Kann oder muss ich denn alles alleine tragen?

Die moralische (christliche) Erklärung wird stets das Durchhalteargument anbringen. Das «Opfer», welches damit für den oder die anderen (Kinder, Ehemann, Ehefrau usw.), verbunden sei, wird verherrlicht. Mit solchen Parolen werden mit Sicherheit keine Probleme gelöst! Die sozialen Umstände in vielen Ehen sind nicht einfach, sondern oft hoch komplex oder sogar tragisch. Sie können nie mit einem pauschalen gut oder schlecht beantwortet werden. Die Verflechtungen sozialer, wirtschaftlicher und emotionaler Art sind dermaßen groß, dass sie nicht ohne weiteres alleine gelöst werden können. Nicht grundlos sind die Worte Liebe und Leben vom Klang her, so nah beieinander! So wie alles Lebendige fließend ist, mit Rhythmus und Wandelbarkeit zu tun hat, genauso ist die Liebe etwas Wandelbares. Man denkt, das trifft sich gut, da kann man tun und lassen, was man will. Wandelbar sein, heiße ja, unverbindlich bleiben zu können. Wer so denkt geht fehl! Über Liebe kann man erst dann wirklich sprechen, wenn man selber frei geworden ist. Nicht von den Lastern frei, sondern frei von der Gebundenheit mit den Lastern, was nicht dasselbe ist!

Liebe hat immer mit innerer Freiheit (beider Partner!) zu tun, aber ebenso viel mit Selbsterkenntnis! Sie ist letztlich ein Gleichgewichtszustand zwischen Körper, Seele und Geist. Überwiegt das eine die Anderen, entstehen Probleme. Grundsätzlich kann ich alle Menschen gleichermaßen lieben! «Liebet einander bis ans Ende aller Tage!“. Wenn sich die Liebe zu einem bestimmten Menschen ver- einseitigt, wird mein Ehepartner, insofern nicht er oder sie dieser Mensch ist, möglicherweise nicht einverstanden sein! Und dennoch kann man mit Sicherheit in einem Leben mehr als einen einzigen Menschen lieben (lernen)! Jede Liebe ist ein individuelles Manifest zweier Menschen. Und weil jeder Mensch anders ist, gibt es unendliche solche Liebes-(mani)feste. Sie kann sich in unterschiedlichen Bindungen ausdrücken. Wir kennen gleichermaßen die Bruderliebe, wie die Liebe zum Ehepartner, die Liebe zu den eigenen Kindern und viele andere Arten, die wir alle mit demselben Wort belegen: Liebe.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft?

Und habt ihr die Liebe nicht… | erster Teil

rotes herzErster Teil | „Und habt Ihr die Liebe nicht…“ steht bei Paulus in den Römerbriefen wiederholt geschrieben. Welch ein geflügeltes Wort für viele Facetten des Lebens und einem bunten Strauß von Emotionen unserer Persönlichkeit, sei sie nun frei oder gebunden. Ist Sexualität Liebe! Oder ist Liebe Sexualität? Rein „platonische“ Verbindungen? Sind sie auch Liebe? Oder Seelenverwandt-schaft? Es gibt Sprachen, in denen die Liebe, wie wir sie kennen, in hunderte von Begriffen differenziert ist.

Verliebtheit und Liebe, wie steht es damit? Für alles wird derselbe Ausdruck verwendet. Es ist der Ausdruck für ein wunderbares Gefühl, was uns im Herzen trifft. Wer liebt, spürt vielleicht, wie sich „etwas dreht“, bei manchen im Bauch, bei anderen im Herzen, wie die berühmten Schmetterlinge. Punkt. Das wars. Mehr brauchen wir eigentlich nicht mehr zu erklären oder? Jeder von uns weiß Bescheid! Und dennoch sind sehr unterschiedliche Erfahrungen und Erlebnisse damit verbunden. Im Laufe unseres Lebens marschierten wir vermutlich alle durch viele verschiedene solche Liebesgeschichten und «Liebschaften» hindurch. Zwei (oder drei) Aspekte spielen hier die Hauptrolle: Ein Ich (in Beziehung zu einem Du) und ein Es! Der Schatten des Letzteren schleicht über alles hinweg und durch vieles hindurch. Er verdunkelte manche Gefühle im Lauf unserer Lebens- und Liebesgeschichte. Warum ist es denn so schwer, über die Liebe zu sprechen? Warum empfinden wir sie so unterschiedlich? Warum liebe ich diese Frau so sehr und sie mich nicht? Oder umgekehrt? Liebe kommt und geht. So scheint es. Gibt es die „Liebe des Lebens“? Oder sind das alles Wunschvorstellungen eines idealisierten Ichs? Fakt ist: Das gebundene Ich bleibt auch in der Liebe gebunden. Diese Gebundenheit zeigt sich in einem Blumenstrauss äußerst vielfältiger Variationen. Und kaum einer würde zugeben, dass er gebunden ist, weil das Es immer in der Illusion der Freiheit lebt, solange es sich nicht selbst erkennt. Verhaftungen sind nur deshalb unfrei, weil sie nicht erkannt und letztlich integriert werden.

Aber jetzt, wo wir das wissen und vielleicht ein kleines Stück des Wegs weiter gegangen sind? Was ist jetzt? Sind wir jetzt glücklich geworden? Nein? Wenn sich ein verheirateter Mann in eine andere Frau verliebt, wird er tausend Rechtfertigungsgründe dafür finden, was jetzt besser sei in der neuen Beziehung! Von seinem sexuellem Mangel wird er vielleicht erzählen oder über «Seelenverwandt-schaft» mit der neuen Partnerin. Er spricht davon, wie sich seine Beziehung «ausgelebt» habe, «ausgetrocknet» sei. Wie man sich nichts mehr zu sagen habe, nicht mehr dieselben Interessen habe und so weiter. Er hat sich «frisch» verliebt! Aber was heißt hier frisch? Die alte Liebe war auch einmal frisch, nun ist sie ausgeleiert, erloschen? Also holt man sich einen neuen Kick? So einfach ist das? Wohl kaum…

Der Alltag in einer Partnerschaft bringt Menschen oft näher zusammen als sie es gerne hätten. Kleinigkeiten sind es, die uns dann plötzlich unendlich ärgern. Wie jemand schnäuzt, sich bewegt, wie er/sie Luft holt beim Sprechen, wie er/sie isst, wie er/sie die Gabel hält oder die Zahnpasta Tube ausdrückt und so weiter. Es sind immer wieder diese Kleinigkeiten, die zu wuchern und zu wachsen beginnen und uns vom anderen zunehmend trennen. Dasselbe tat er/sie auch schon damals, als man sich kennen lernte und bis «über beide Ohren» verliebt war. Da hat es keinen gestört, es war «schnusig» oder «süß» oder man hat es gar nicht erst beachtet…

Doch dann beginnt langsam die Mühle des Alltags an dem Bild dieses einst so geliebten «Wundermenschen» zu reiben. Die Mühlräder des Es beginnen, dieses Bild zu zerstören. Vielleicht wird jede Alltagshandlung bald zur Marter. Die Gedanken heften sich plötzlich nur noch an die «Macken» des anderen (die letztlich mit einem selber zu tun haben?). Sie werden aufgeblasen, bis sie das Schöne, was man einst so liebte, zu verdecken beginnen. Aus dem einstigen Wundermenschen wird jetzt ein Zahnpasta-Tuben-Monster oder ein Nasengrübler oder ein Haarfetischist. Der Alltag zermalmt, was wir einst als große Liebe gesehen haben. In einer Fernbeziehung, «Mailbeziehung» oder mit anderen sozialen Medien, wird man mit diesen Dingen des Alltags nicht konfrontiert. Jeder versucht seine beste und vorteilhafteste Seite zu zeigen.

Ein egoistischer Kreislauf des Es beginnt sich so auszubreiten. Ist es denkbar, dass die wirkliche Liebeserfahrung erst beginnt, wenn diese Phase abgeschlossen ist? Wenn wir das «Es» des anderen Menschen zur Genüge kennen und ihm vielleicht überdrüssig geworden sind? Gibt uns der Alltag vielleicht erst dann die Chance, wirklich und wahrhaftig lieben zu lernen, was ja nichts anderes heisst, als den anderen im Kern, in seinem Wesen zu erkennen? Erst jetzt, wo wir anfangen, das Es des anderen zu lieben? Heißt Lieben vielleicht auch hier: Integration! So, wie das eigene Es wieder Ich werden will, zu sich genommen und dann erst verwandelt werden will, so müsste auch das Es den anderen Menschen in einer wirklichen Liebe, die diesen Namen verdient, integriert werden? Diesmal nicht bei ihm/ihr – den Weg muss er/sie selbst gehen – sondern auch bei mir? Ermöglicht dieses Integrieren der „Teilselbste“  des Anderen in mir erst, sein eigenes Es zu erkennen und im Selbst zu integrieren? Jetzt nicht durch ständigen Tadel und mit Nörgelei, sondern schlicht und ergreifend durch Akzeptanz? Das würde heißen: «Es» gehört zum anderen Menschen und trifft auf mich. Und weil Es auf mich trifft, betrifft «Es» mich?

Jede wirkliche und nachhaltige Verwandlung basiert auf Integration, sowohl bei mir, wie beim anderen: «Liebe den anderen (den nächsten) wie dich selbst“. Auch das steht im christlichen Kontext zuoberst. Die meisten Beziehungen enden, weil sie die Illusion der ersten Verliebtheit aufrechterhalten wollen. Diese Verliebtheit war ein Geschenk. Wer es zu halten versucht, der (ent-) täuscht sich und den anderen. Es hat sich aus irgendwelchen mystischen Gründen zwischen zwei Menschen ergeben. Man nenne es Naturtrieb, Karma oder Seelenverwandtschaft.

Wie auch immer. Es ist einfach. Das eine oder andere – oder alle diese – mögen eine Rolle spielen. Und warum bitte soll man(n)/frau sich denn nicht in einen anderen Menschen verlieben können? Wer sagt uns denn, dass wir an einen einzigen Menschen in ewiger Dauer („bis dass der Tod uns scheidet“) gebunden bleiben? Viele Liebespaare suchen ihren Partner nach den Kriterien der eigenen «Großartigkeit» aus! Bis hinein in die äußeren Merkmale. Passen die nach außen projizierten Ideale zum eigenen konstruierten Selbstbild, fühlt man so etwas wie „Verliebtheit“. Es entwickelt sich solchermassen eine narzisstische Spiegelung, einer Art Selbstliebe! Diese Projektionen können in recht fatalen Spielchen (Erwachsenenspiele, so genannt nach Eric Berne) ausarten. Wenn der «geliebte» Mensch seine einst so schönen Attribute verliert (die Haare gehen ihm aus, werden grau oder der Bauch wird etwas zu dick für den eigenen Geschmack), dann baut man das gespiegelte Idealbild plötzlich zum erklärten Feindbild auf!?

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft?

Die 7 Abhängigkeiten (2. Teil)

Hampelmann2. Teil | Die 7 Abhängigkeiten
Psychologische Abhängigkeiten

Natürlich gibt es neben den im vorigen Artikel genannten Abhängigkeiten, die doch vorwiegend materieller Natur sind, auch noch andere, psychische Bereiche, die unser Leben beeinflussen. Damit soll nicht gesagt sein, dass auch diese psychische Probleme verursachen können. Zunächst sei da die Abhängigkeit von anderen Menschen erwähnt. Selbstverständlich müssen sie nicht immer negativ erscheinen. Man kann sich z.B. die berechtigte Frage stellen, ob die Liebe zwischen zwei Menschen so frei ist wie man zunächst meint. Durch unsere Einbindung in die gesellschaftlichen Strukturen, entstehen viele Kontakte und Beziehungen, ein ganzes Geflecht von Menschen, die mit uns für kürzere oder längere Zeit im Leben verbunden sind. Dabei stehen vielfältige Beziehungsmuster bereit, die je nach dem, schwierigere oder weniger schwierigere – oder gewiss auch sehr schöne „Abhängigkeiten“ erzeugen. In vielen Fällen jedoch bilden sich grössere oder kleinere zwischenmenschliche Ungleichgewichte. Oft bemerkt man das Heranbilden solcher Schieflagen gar nicht oder nur unbewusst. Die Verstrickungen ergeben sich durch die unterschiedlichen Rollen, die wir in unserem Beziehungs-Umfeld einnehmen. Wir treten als Sohn, Vater, Mutter, Tochter, Lehrer, Partner, Kläger, Schuldner, Arbeitgeber, Angestellter oder wie auch immer auf und stehen dadurch meist gleichzeitig auf unterschiedlichen Bühnen. Authentizität wird zwar von vielen Menschen gross geschrieben, sie jedoch durch diese Rollen hindurch immer aufrecht zu erhalten, erweist sich als sehr schwierig. Viele solche Rollen meistern wir problemlos, andere bereiten uns mehr oder weniger Mühe. In manchen Fällen werden wir sogar zu erpressbaren Opfern, in anderen zu Antreibern oder „Verfolgern“ von anderen Menschen (Mobbing), oder auch zu „Helfern“, Begleitern, Ratgebern usw. Jegliche Form bietet unzählige Möglichkeiten von Interaktionen. Schwierige Beziehungen kennen wir wohl alle, sei es mit Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen, sei es in der Ehe, als Mitglied eines Vorstandes, einer Geschäftsleitung, in einem Verein usw. Immer stehen sich in diesem Kontext zwei Menschen (-bilder) gegenüber. Beide haben verschiedene Vorgeschichten, unterschiedliche Vorstellungen, Gefühle und Ideen. Das Feld der Beeinflussung ist reichhaltig. Oftmals bleiben die Meinungen ohne annehmbaren Konsens, hart und abgegrenzt. Gegenseitiges Verständnis, wo nicht nur akzeptiert (im Sinne von „ok, weil du es bist, tu ich dies und das…“…usw.) sondern im tieferen Sinne mit dem Herzen verstanden und mitgefühlt wird: all dies bleibt ein kostbares Gut mit Seltenheitswert.

Abhängigkeit von Gruppen und Gesellschaft. Hier finden wir über den zwischenmenschlichen Bereich hinaus ein weiteres Feld vor, welches viel mit Gruppendynamik und Gruppendruck, sowie Massenbeeinflussung zu tun hat. Es versteht sich von selbst, wie gross die Möglichkeiten hier sind! Zum letzteren gehören natürlich auch die Medien und die Werbung. Die meisten Menschen machen sich keinen Begriff davon, wie viele Abhängigkeiten hier geschaffen werden! Die Werber wissen es und haben monetären Erfolg damit! Man glaubt oft leichtfertig, dass es nur die Anderen, nicht aber mich selbst betrifft. Ein weiterer Bereich, der in Abhängigkeit mündet ist die Dynamik, die in unzähligen Gruppensituationen geschaffen werden. Man denke z.B. an die Situationen in Klassen, bei grossen Anlässen, aber auch meinetwegen in einem der vielen in den letzten Jahrzehnten in Mode gekommenen „Retreats“. Mediationspraktiken in Gruppen können zuweilen extrem beklemmend wirken, ohne dass sich ein Mitglied der Gruppe dahingehend „outen“ würde. Schliesslich will man nicht als der oder diejenige gelten, die keine „höheren“ oder „geistigen“ Erlebnisse dabei haben! Ob man einlenkt in der Situation, hängt von vielen Faktoren ab; gewiss nicht unbedingt vom „Niveau“ des Teilnehmers, der oder die sich in solcher Weise nicht „versenken“ kann. Oft braucht es die individuell angemessene Zeit oder den individuell richtigen Raum, im besten Fall einen wirklichen FREI-Raum! Der Druck, der in vielen solchen Situationen entsteht, wird durch Erwartungen gezeugt: Erwartungen an sich selbst oder an andere. So geschieht es andernorts ebenso in Schulen, an Arbeitsstätten, in Vereinen, ja selbst in Ehen und im engen Freundeskreis oder meinetwegen als Vegetarier in einer Versammlung des Metzgermeisterverbandes.

Ein dritter und letzter Aspekt bildet schliesslich auf der psychischen Ebene die sogenannte Abhängigkeit von „ethnischen Faktoren“. Dabei verstehe ich Beeinflussungen die weniger persönlicher oder gesellschaftlicher Art sind, sondern durch die Entwicklung von ganzen Völkern, aber auch Landschaften (Berge, Stadt etc.) und auch von Sippschaften und letztlich Familien zum Vornherein und ohne unser Zutun gegeben sind. Einfach durch die Einbettung unserer Geburtssituation. Sie entstehen durch die vielen Sitten und Gebräuche, die sich in die gesellschaftlichen Strukturen förmlich einbrennen und diese mitformen. Solchem Branding kann ein Neugeborenes sich kaum entziehen. Schon von Geburt an (oder bereits vorher), wird er/sie mit diesen Traditionen und Verhaltensformen konfrontiert. Sie bilden sogar physisch am Gehirn des aufwachsenden Menschen mit, prägen und formen es. Diese Dinge wirken an unserem Denken, Fühlen und Handeln wohl ein Leben lang und beeinflussen so manche Entscheide, die wir treffen.

Geistige Abhängigkeiten

Nachdem ich versucht habe im physischen und seelischen Bereich persönliche Abhängigkeiten und Verstrickungen mit der Welt aufzuzählen, gelange ich nun an eine Art Wendepunkt. Denn selbst die grösste Beeinflussung solcher Art, bedingt immer etwas in uns, was sich diesem Aussen entgegenstellt! Eine Art Echo oder Spiegel, den wir erst dann erkennen, wenn wir aus dem „Traumleben des Alltags“ erwachen. Eine Art „inneres Wort“ spricht sich in jedem äusseren Gegenstande in uns aus, ein Nachklang dieses Erlebten, Gesehenen und Wahrgenommenen. Was aussen erfahren und erlebt wird, klingt in uns gewissermaßen nach, schwingt im Hintergrund, in einer Art „zweiten Festplatte“ die wir jedoch nicht bewusst verarbeiten, mit. – Etwa so, wie der Computer sämtliche Handlungen, Tastendrücke und Aktionen die wir tätigen, in den Tiefen der Registrierung aufzeichnet, so können wir, etwas technisch ausgedrückt, sämtliche eigenen „Registrierungen“ aus Taten und Gefühlen, Gedanken und Erlebnissen erkennen. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn wir im Akt einer Selbst-Beobachtung oder „Selbst-Reflexion“ darauf hinschauen. Dies bedingt gewissermaßen eine „Entäußerung“ des Bewusstseins. Nun gehören ja durchaus auch Gedanken, Gefühle und Taten in die äußere Welt unserer Persönlichkeit! Das heißt, wir erleben uns als Denkende und Fühlende nicht auf der besagten beobachtenden Bewusstseinsstufe, sondern darunter. Wir sind damit nicht bei unserem eigentlichen Wesenskern angelangt, sondern erleben uns durch die vorgeprägte und „eingebrannte“ Optik der Aussenwelt, dem „persönlichen Branding“ sozusagen, welches sich eben in der oben angedeuteten Abhängigkeit befindet. Das heißt, dass sich auch unsere Persönlichkeit im erwähnten Zustand des höheren Bewusstseins, wie ein Spiegelbild im Aussen befindet. Das ist der Grund, weshalb wir so schnell Urteile gegen andere Menschen oder Situationen fassen, die eigentlich zu uns selbst gehören! Dieses sich selbst beobachtende und geistesgegenwärtige Bewusstsein erst, steht in einer Position der (nun wirklichen) Freiheit gegenüber der in Abhängigkeit sich befindenden Aussenwelt! Es ist eine Art Echo des Aussen in uns, was wir erleben. Die besagte zweite Festplatte in uns liefert diese Bilder und Wahrnehmungen. Sie können aber erst dann erkannt und verarbeitet werden, wenn eine Loslösung davon stattgefunden hat. Das heisst, wenn wir nicht mehr in einer Situation der Verhaftung mit den eigenen Gedanken und Gefühlen stehen. So wird das Gehirn und das Nervensystem als leibliches Werkzeug eines höheren, leibfreien Bewusstseins erkannt. Diese Form der Innenschau ermöglicht erst die Selbsterkenntnis und damit auch die Unterscheidung geistiger Wirklichkeiten! In diesem Sinne ist die Abhängigkeit von sich selbst die größte und wirkungsvollste von allen dargestellten…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Die 7 Abhängigkeiten

OLYMPUS DIGITAL CAMERA1. Teil | Einleitende Gedanken

Wir reden gern und oft von Freiheit und Unabhängigkeit. Jeder Mensch stellt diese Dinge meist zu oberst auf die Prioritätenliste, wenn es darum geht, die wichtigsten Eigenschaften im Leben aufzuzählen. Dabei vergessen oder verdrängen wir oft, wie komplex und verstrickt ein Menschenleben in der heutigen Zeit geworden ist. Kaum ist man auf dieser Welt angekommen, geht es los…

Wie viele Formulare, Einträge, Bestätigungen, Hinweise, Empfehlungen, Ratschläge, Vorschriften usw. sind zu beachten, damit man sich korrekt in die Gesellschaft einbindet! Galten vor 100 Jahren noch verhältnismäßig harmlose Bedingungen, so herrschen heutzutage schon fast bedrückende Verhältnisse. Die Freiheit, die wir meinen, findet auf einem kleinen Feld von Illusionen statt. Es ist die Freiheit, sich vermeintlich hinbewegen zu können, wo man will (wären da nicht die vielen vorgegebenen Termine und Verpflichtungen und sonstige Hürden). Oder es ist die Freiheit, zu kaufen, was man will (ohne in Betracht zu ziehen, wer einem die Wünsche diesbezüglich einflösst: Stichwort Werbung). Weitere (wohl illusionsbeladene) Freiheiten sind die freie Wahl des Wohnortes, des Partners, des Berufs usw. Dabei beachtet man zu wenig, wie viele entscheidungsrelevante Faktoren Einfluss nehmen.

In den folgenden zwei bis drei Beiträgen möchte ich vertieft auf diese Thematik eingehen. Die Gliederung der „7 Abhängigkeiten“ folgt der Logik physisch – psychologisch und geistig, also sozusagen „von unten“ betrachtet. Das Ende mag etwas überraschend sein. Lassen Sie sich überraschen!

Aus dieser Perspektive heraus, sollen hier vorerst einige Merkmale von physichen Abhängigkeiten betrachtet werden. Wir integrieren sie fast automatisch in unser Leben. Es sind Eigenschaften und Bereiche, die wesentlichen Einfluss darauf nehmen, wie wir Entscheidungen treffen, Wünsche erfüllen und Situationen meistern.

Physische Abhängigkeiten

Zunächst sind wir natürlich eingebunden in einen Reigen von Abhängigkeiten wirtschaftlicher Natur. Als vor vielen Hunderten von Jahren nach und nach immer komplexere Systeme des Umgangs mit Geld und Werten geschaffen wurden, begannen damit auch Regelwerke zu wachsen, die diese Abhängigkeit anschwellen ließen. Der Tausch von Waren zeigte sich nicht als das probate Mittel für einen reibungslosen Verkehr zwischen Gütern, die ja einen Gegenwert einforderten. So begann man mit kreativen Ideen den Umgang für diese Gegenwerte zu erforschen. Der Schuldschein entstand. Eine Art Deckung für die gekaufte Ware, die man weiter verwenden konnte. Leider war es ein übles Geschäft mit vielen betrügerischen Absichten geworden (…und ist es auch heute noch). So wurde der Egoismus des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, der zuweilen in kriminellen Energien ausartete, wohl zum grössten Feind für die Funktionstüchtigkeit solcher Gegenwerte. Klar, der Schuldschein konnte relativ leicht gefälscht werden. Die Schaffung neuer Formen der Deckung entstanden immer aus dem Umstand heraus, dass irgend jemand nicht vertrauensvoll mit den gegebenen Mitteln umging. Die Münzprägung war eine weitere Möglichkeit, der Fälschbarkeit entgegen zu wirken. Zudem behielten die Metalle, vornehmlich Gold und Silber, einen Eigenwert, der schon deshalb als sicherer Wert galt. Und noch bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts war unser Papiergeld mit Gold gedeckt gewesen. Danach verschwand auch dieser Anker einer vermeintlichen Sicherheit. Die Münzen jedoch waren schwer und die Angst vor dem Raub schreckte die Menschen zurück, grössere Mengen davon bei sich zu tragen. Letztlich gab es auch clevere Goldschmiede, die fortan statt Schmuck Münzen herstellen konnten und diese gegen Zinsen dem Volk verkauften. Es begannen, jetzt sehr vereinfacht dargestellt, Kreisläufe der Geldvermehrung, weil sich allein das Verwalten plötzlich lohnte. Die „Goldschmiedeateliers“ wurden zu Münzbanken und das System wurde komplexer und komplexer. Wir kennen das alle. Die Märkte erstarrten immer mehr in engen Korsetts von Gesetzen und Vorschriften, die es zu beachten galt. Und darin eingebettet die gesellschaftlichen Strukturen der Konsumenten. In diese sind wir heute so stark eingebunden, dass fast jede Bemühung um mehr Freiheit zum Vornherein scheitern muss. Dazu kam eine starke Zentralisierung der Verwaltung und Macht solcher Strukturen, die den Fesseln den Rest gaben…

Neben der wirtschaftlichen Abhängigkeit steht, vom materiellen Standpunkt aus betrachtet, wohl diejenige vom Gesetzesgeber (Abhängigkeit von staatlichen Faktoren), an zweiter Stelle. Die Einbindung in ein verzwicktes Geflecht von Vorschriften und Geboten steht dem künftigen Staatsbürger schon nach, oder sogar vor seinem ersten Atemzug zur Verfügung. Alles wird erfasst und verortet, registriert und beurkundet. Eigentlich könnte es dem Staat ja egal sein wann und wo – und wie viele – Bürger in seinem Territorium geboren werden und wie viele sterben. Eigentlich… Wäre da nicht diese Steuer. Das Geld, welches jeder Bewohner seiner Regierung abzuliefern hat. Dieses Geld steht allen Dingen und Einrichtungen zur Verfügung, die der Staat im Dienste seiner Bürger tätigt. Dies erfordert Arbeitsplätze, Immobilien und Werkzeuge aller Art, die bezahlt werden müssen. Damit nun niemand dieser Pflicht der Teilnahme zum „gemeinsamen Wohl“ entkommt, muss er /sie erfasst werden. Und nicht nur dies. Es müssen klare Kenntnisse der Einnahmen und Ausgaben jedes Bürgers bekannt sein, und dies wiederum nur um zu verhindern, dass Betrug möglich ist. Auch hier also wieder die bekannte Vertrauensfrage. Auch scheinbar „verdeckte“ Beurkundungen wie die Erfassung bei der Heirat, beim Wohnort Wechsel, neuen Arbeitsplätzen, Geburten und Todesurkunden etc., haben letztlich keinen anderen Zweck, als die monetären Verhältnisse des Einwohners klar zu legen. Sämtliche Handlungen haben auch hier in erster Linie mit Geld zu tun. So steht hier ebenfalls die Freiheit des Bürgers nur allzu dünn hinter einem dicken Vorhang von Gesetzen (oder auf dünnem Eis, wie man lieber will…) , denen er sich nicht entziehen kann. Man hätte sich im Verlauf der Jahrhunderte doch sicher auch eine andere Entwicklung vorstellen können. So hätte jeder Erdenbürger (Weltenbürger) selbstbestimmend das Recht erhalten können, sich sein Leben so einzurichten, dass es auf seine persönlichen Bedürfnisse angepasst ist. Es gäbe dann keine sogenannten „öffentlichen“ Dienste, Bauten, Strassen, Bahnen, Plätze etc. Wie anders würde das Leben ausgesehen haben, wenn sich die Menschen, ähnlich den meisten Tierarten, so organisiert hätte. Selbstverständlich würden damit öffentliche Bedürfnisse dennoch auftreten. Sie könnten aber schon von Anfang an anders geregelt worden sein. Mit privatem Geld, privater Initiative oder durch Zuzahlung für deren Benutzung. Das System der Besteuerung jedes Einzelnen kennt kaum private, persönliche Interessen. Ob eine Strasse gebaut werden soll oder nicht, wird vielerorts nicht einmal vom Bürger entschieden. Nutzen oder Unnutzen von sogenannten öffentlichen Bedürfnissen könnten unterschiedlicher nicht sein. Was manche für lebensnotwendig halten, brauchen andere gar nicht (Fernseher, Internet, Auto, Einfamilienhaus, Handy usw.). Das Ganze ist sicher ein interessanter Gedanke, der schon deshalb alleine ein Buch füllen würde, weil er die Entwicklung der Menschheit nachhaltig beeinflusst und verändert hätte. Das alles hier auszubreiten macht jetzt keinen Sinn. Auf jeden Fall kann man sich fragen, was besser oder schlechter gewesen wäre… einmal eingebunden in ein System ist eine Wende aus Trägheitsgründen nur schwer zu bewerkstelligen. Die Dinge fahren sich halt immer fest und schaffen sich selbst immer neue Barrieren.

Abhängigkeit vom Gesundheitssystem: Auch hier fand in den letzten 100 bis 200 Jahren ein großer Wandel statt. Vor allem die Pharmaindustrie gewann im Bereich der Medizin an Boden. Auch diese Entwicklung könnte bestimmt hinterfragt werden. Immer wieder tauchen „neue“ Krankheiten auf, weil die diagnostischen Methoden so differenziert worden sind, dass bislang unter einem Oberbegriff gehandelte Erscheinungen, wieder unterteilt und in neue Krankheitsbilder modifiziert werden. Wir erleben dies immer häufiger mit sogenannten „neuen“ Krankheitserregern, die wohl nicht neu sind, aber deren Entdeckung und Ortung neue medizinische Eingriffe erfordern usw. Für die Produzenten von Medikamenten ist dies ein durchaus lukratives Geschäft, vor allem dann, wenn sie als Erste auf solche Neuentdeckungen im Markt reagieren. Im neuesten Fall von „Ebola“ sind bereits wieder alle Medien darauf fokussiert, die chemischen Heilbringer in Position zu bringen. Entsprechende Preise können für solche Pillchen dann auch verlangt werden. Dies ist die eine Schiene welche unser Gesundheitssystem sehr stark beeinflusst. Eine andere ist die technologische Entwicklung, die Medizinaltechnologie. Wie bereits erwähnt, bringen sie viel höhere Qualität in der Diagnostik, aber auch bei operativen Eingriffen und anderen therapeutischen Verfahren. Allerdings gilt auch hier wie bei allen anderen Abhängigkeiten: Die Bindung an die Strukturen ist enorm und der Preis für diese Medizin ebenfalls. Die Kosten dafür steigern sich von Jahr zu Jahr in Milliardenhöhe, immer mehr wird möglich, aber auch immer mehr wird gemacht! Und dennoch scheint die Menschheit nicht gesünder zu werden! Oder gibt es eine Statistik dafür? Denn wo kann nicht irgendetwas gefunden werden? Diese präzisen Gerätschaften entdecken und registrieren alles; ob es gefährlich wird oder nicht, ist ein oftmals heikler und schwieriger Entscheid, und in der Not tut man natürlich immer lieber etwas zuviel als etwas etwas zuwenig! Auch hier kann man sich fragen, was wäre, wenn diese Entwicklung nicht so stattgefunden hätte. Wenn die Weichen vor einigen Jahrhunderten in spirituellere Bahnen gelenkt worden wären? Immerhin hatten die Chinesen vor 3000 Jahren schon, und haben es noch, mit ihren uralten (und günstigen) Heilmethoden durchaus großen Erfolg. Wer heutzutage krank wird, kommt kaum mehr umhin, das „Gesamtpaket moderne Medizin“ in Anspruch zu nehmen. Allein schon deswegen, weil sogenannte „nicht evidenzbasierte Therapieformen“ immer mehr aus der Grundversicherung und sogar aus den Zusatzversicherungen der Krankenkassen hinauskatapultiert werden. Angeblich um Kosten zu sparen! Indessen machen diese Therapieformen nur einen winzig kleinen Teil der Gesamtkosten (Grössnordnung 0,5 – 1 %) aus. Also könnte es, ketzerisch gefragt, sein, dass da gewisse Leute Angst davor haben, dass die „alten Methoden“ wieder (zu) populär werden?

Fortsetzung: Die drei psychologischen Abhängigkeiten demnächst auf diesem Blog!

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Gedankenfetzen

Alles hat miteinander zu tun. Je weiter wir die Kreise der Zusammenhänge ziehen können, umso bewusster sind wir. Letztlich ist alles nur eine Frage des gemeinsamen Nenners. Wer den Zusammenhang zwischen zwei unterschiedlichen Dingen nicht sieht, hat lediglich ein Bewusstseinsproblem…

Besitz und Freiheit

Vor einigen Tagen erzählte mir ein guter Freund, er möchte all seine Besitztümer bis an sein Lebensende weggeben, um vollkommen frei und unabhängig zu werden. Natürlich meinte er es nicht so absolut und vielleicht auch nicht ganz so ernst, wie er es sagte. Dennoch sinniere ich seither über diesen Gedanken nach und frage mich, wie viel Freiheit nimmt uns der Besitz, den wir haben, wirklich?

Gewiss hatte ich diesen Gedanken in mir schon oft selber bewegt. Und der Wunsch, mit zunehmendem Alter, mein Hab und Gut eher abzubauen als aufzustocken, wird mir immer mehr zu einem inneren Wunsch. Dies umso mehr, als ich in den letzten 60 Jahren um die 30 Mal meinen Wohnort gewechselt hatte; allein seit meinem 18. Lebensjahr etwa 25 Mal. Da hieß es dann auch, die ständig wachsenden Berge von Kisten und das stets zunehmende Mobiliar anzupacken und am neuen Ort jeweils wieder zusammenzustellen.

Dies alles wurde mir zu einer Last. Bei meinem letzten Umzug, nach meiner Trennung, reduzierte sich der Stapel erstmals wieder. Und zwar beträchtlich. Und ich wünsche mir, sollte ich jemals wieder umziehen, dann sollte ein einziger Lieferwagen und eine Fahrt genügen. Andere können mit einem einzigen Koffer leben! So weit bin ich noch nicht. Aber es ist eine durchaus schöne Vorstellung für mich. Und wenn dies einst Tatsache werden sollte, bin ich damit wirklich freier geworden?

Freiheit, wie ich sie verstehe und wie ich sie zum Inhalt meines Selbst-Reflexion-Buches gemacht hatte, wird uns vor allem im Kopf entzogen. Es ist gewiss nicht möglich, sie alleine durch äußere Maßnahmen, durch Wechsel der aktuellen Verhältnisse usw., oder eben durch Aufgabe des Besitztums, einzufordern. Sonst hätten es reiche Menschen extrem schwer, frei zu werden. Da ändert auch dieses Bibelzitat wohl nichts daran: „Eher wird ein Reicher durch ein Nadelöhr kommen, als ins Himmelreich!“ Und mit „Himmelreich“ kann doch nur die absolute, innere Freiheit gemeint sein!

Viele bestreiten schon dies: die absolute Freiheit. Aber dieselben bestreiten wohl auch das Himmelreich… Dass wir in solcher Art, also auch mit „Besitz“, die Freiheit, wirkliches inneres Freisein, dennoch erleben können, das bezweifle ich indessen nicht mehr. Was ich nicht glaube ist, dass es möglich sei durch solche rein äußerliche Maßnahmen wie die Aufgabe seines Besitzes im Nachleben eines Franziskus von Assisi, nicht ohne weiteres zur Freiheit kommt. Und dass auch reiche Menschen, diese Freiheit erleben können, auch wenn ihnen viel Besitz „anlastet“. Und da liegt wohl der Schlüssel verborgen; in diesem „Anlasten“. Ein Etwas lastet nur im Kopf an, sonst nirgends! Wenn mir der Besitz zur Last wird, heißt dies nichts anderes, als dies: Meine Vorstellungen, diesen Besitz zu haben, lastet mir an. Und daran hängt die Vorstellung des „Mein“ an diesem Gut und Geld. „Mein“ ist keine Tatsache, sondern eine Vorstellung! Natürlich, ich habe dieses oder jenes gekauft und bezahlt. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass dieses Ding nun in meinen Besitz gekommen ist.

Das gilt selbstverständlich absolut, wenn man die Sache rein rechtlich und wirtschaftstechnisch betrachtet. Moralisch könnte die Vorstellung aber auch anders aussehen! Denn an diesem Ding, was ich erstanden habe, hängt viel! Es hängt daran viel Arbeit und andere Ressourcen. Sie wurden irgendwo geschöpft. In irgendeiner Grube wurde das Silber, welches in meinem Fotoapparat eingebaut ist, geschöpft. Das Silber liegt irgendwo im Boden vergraben und irgendeiner hat es einmal entdeckt. Dafür brauchte er bis vor einigen Jahrhunderten nichts zu bezahlen. Er investierte schlicht und ergreifend Arbeit. Heute müsste er natürlich wiederum irgendeinem Staat oder sonst wem Gebühren zur Nutzung bezahlen und so weiter. Letztlich ist dann der Staat oder diese Staatsstelle wieder das letzte Glied des Kreislaufs der Macht. Dieses verfügt über die Werte, ohne Kostenaufwand, einfach, weil zum Beispiel die Miene innerhalb der eigenen Grenzen liegt. Dass dann schon mal, wie im Falle des Öls, mit Schrägbohrungen angezapft wird, ist auch bekannt. Alles, was kostenrelevant ist, um irgendein Produkt herzustellen, sind letztlich Arbeitsaufwendungen. Das Produkt, liegt irgendwo vergraben…

Gut so weit. Was will ich damit sagen und was hat dies nun mit den Vorstellungen des „Mein“ zu tun? Was gehört mir nun also? Die Materie? Oder doch nur Arbeitsleistung? Bezahlt habe ich immer nur für die Arbeitsleistung. Und sie gehört definitiv nicht mir. Denn jemand hat sie für mich gemacht, damit ich dieses Produkt, das iPhone oder was auch immer in den Händen halten kann. Und so erstehe ich mir, wenn ich reich bin, sehr viele solche Leistungen von Arbeit. Sie wird bezahlt, oft sehr schlecht bezahlt. So schlecht nämlich, dass einer, der mein iPhone herstellt, der Arbeiter/die Arbeiterin, der/die es zusammenbaut usw., sich selbst niemals so ein Ding leisten könnte.

Der Besitz, den ich habe, und der mich umgibt, besteht also in erster Linie aus Zeit, die dafür investiert wird. Das Rohmaterial gehört grundsätzlich (vom Standpunkt der Natur aus betrachtet), niemandem! Ich könnte ihn (den Besitz) vernichten, die Leistung, die investiert wurde wird sich dadurch in keiner Weise verringern. Sie wird nur noch grösser! Weil ich nun wiederum Zeit investieren muss für die Vernichtung. Und selbst wenn ich meinen Besitz verschenke, so wird die Zeit nicht verschwinden, die an diesem Produkt hängt. Dieses geht in andere Hände über, das ist alles. So gesehen, gibt es gar keinen Besitz! Denn die Zeit, die investiert wurde, um ein Produkt herzustellen und wofür ich Geld bezahlt habe, diese Zeit kann ich nicht vernichten. Ich kann sie auch nicht besitzen. Es ist lediglich eine Leistung, die ich bezahlt habe. Also kann mich Besitz auch nicht unfrei machen, weil es ihn gar nicht gibt!

Das Gefühl, etwas zu besitzen, ist ein Agreement der Gesellschaft, welches so konstruiert und geregelt wurde. Wir sind alle besitzlos! Und gleichzeitig besitzen wir alles! Es gibt manchmal nur ein paar Hürden, die den offenen Zugang verhindern. Auch dies sind Vorstellungen. Es sind die Gesetze, die uns rechtlich einbinden und unter Drohung von „Freiheitsstrafe“ behindern, Rohstoffe aus dem Boden zu holen, um etwas daraus zu machen. Natürlich geht dies bis zu einem gewissen Grad noch relativ leicht, etwa, wenn ich in den Bergen einen Bergkristall finde, oder in „meinem“ Garten etwas pflanze oder Lehm schürfe. Dann werde ich mich als Besitzer desselben fühlen. Dennoch bleibt dies alles Bestandteil der Natur und ich werde es ihr irgendwann wieder zurückgeben (müssen…). Im Fall der Pflanze ist es noch eindeutiger. Sie stirbt irgendwann von alleine, vermutlich vor mir, wenn es nicht gerade ein Baum ist.

Wenn sich also das „Mein“ als Vorstellung verkappt, dann verändert sich damit auch das Bild der äußeren Freiheit. Freiheit von was kann man fragen. Freiheit kann nur immer eine innere Qualität haben. Indem ich die Vorstellung des „Meins“ erkenne und durchschaue, mache ich mich letztlich erst frei von ihr. Sie ist es, die mich im Bann gehalten hat und die in mir ein schlechtes Gewissen verursachte.

Nichts desto trotz, zurück zu meinem Freund und dessen Absichten. Ich kenne das Gefühl sehr wohl, wie reinigend es sein kann, wenn man äußeren „Besitz“, wenn ich ihn nun einmal weiterhin so nennen will, reduziert. Solches Gut kann sicherlich zu einer Last werden und in uns eine große Menge anderer Vorstellungen verursachen, die uns viel Leid (aber halt auch viel Freude, auch wenn sie kurzfristig sein mag) bringen können! Das Anhängen an den äußeren Besitz verkompliziert das Leben zumindest, weil mit ihm immer wieder eine große Menge Fragen verbunden sind. Letztlich ist es das Geld, was uns in erster Linie einengt, weil wir von ihm vollkommen abhängig sind. Dies geschieht durch die Einbindung in ein weltweites System. Ein Leben in der zivilisierten, westlichen Welt ohne Geld ist schlicht nicht realisierbar, auch wenn ich entsprechende Versuche kenne. Alle diese Menschen, die dies versuchen, sind ganz einfach von anderen Menschen abhängig, die Geld haben. Sie sind davon abhängig, dass sie von anderer Seite ernährt und unterstützt werden. Ich bin gerne bereit, mich belehren zu lassen und gespannt auf positive Versuche diesbezüglich… letztlich bleiben auch solche Ideale zunächst lediglich Vorstellungen…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

Freiheit und Beziehung

frei seinWie frei sind unsere Lebensentscheidungen?

Im Laufe unseres Lebens lernen wir viele Menschen kennen. Was macht es aus, dass manche Beziehungen länger halten als andere? Warum ersticken einige schon im Keim und andere reifen über lange Zeit, ja dauern, manchmal über ein ganzes Leben, nach? Welche Kräfte spielen da mit?

Die ersten Menschen die uns begrüssen sind unsere Eltern, unsere Mutter allen voran! Es ist das erste Gesicht, welches wir sehen und das uns auf der Welt empfängt. Was uns in den folgenden Jahren des Heranwachsens umgibt, sind Menschen, die uns, wie wir sagen „vom Schicksal“ gegeben sind. Meistens sind es die Blutsverwandten, jene Menschen, mit denen wir über den „genetischen Strom“ verbunden sind.

Wir lernen aber im Laufe unseres späteren Lebens noch viele andere Menschen kennen. Die meisten wählen wir selbst aus. Es sind Menschen, die uns, so glauben wir, mehr innerlich nahe stehen. Wahlverwandtschaften. Sei es durch ähnliche Interessen, durch einen ähnlichen Charakter, manchmal vielleicht auch nur durch rein ästhetische Gesichtspunkte. Manche vertragen wir gut, andere weniger gut. Gegen Letztere grenzen wir uns ab oder weichen ihnen aus.

Begegnungen kommen oft ohne unser bewusstes Zutun zustande. Was wir danach damit machen, liegt hingegen in unseren eigenen Händen. So empfinden wir vielleicht auch unsere erste Liebe als ein „vom Schicksal gegebenes“ Ereignis. Wir erwidern dieses Gefühl. Ein Gefühl der Verbundenheit mit einem anderen Menschen entsteht. Was nährt dieses Gefühl? Warum hält es manchmal nur kurz an? Und wenn es anhält, wie „frei“ bleibt es dann? Passen wir nicht einfach unsere Gefühle im Laufe der Zeit den äusseren Gegebenheiten und Bedingungen an? Anders herum gefragt: muss alles ausgetragen und ausgehalten werden, für was wir uns einmal entschieden haben? Wie verhält es sich mit dieser ominösen Aussage: „Bis dass der Tod euch scheidet?“ Woher stammt sie und auf welchem Urteil steht sie? Wie viel Verantwortung können wir uns selbst  mit solchen Aussagen überhaupt zugestehen? Superlative wie diese stammen doch eher aus dem Mittelalter und aus einer noch alten, verkrusteten katholischen Vorstellung heraus, nicht aus einem inneren, freien Entscheid. Basieren sie nicht eher auf einem laschen, wenig tragbaren Gefühl, welches man landläufig „Verliebtheit“ nennt. Wo sind die Grenzen des Durchhalten-Müssens und wo/wie sind die „Abzweiger“ für andere Entscheidungen zu finden?

Fakt ist: Alles Leben ist Entwicklung (Hegel, Goethe, Paracelus uvm. bestätigen dies). Jeder Mensch entwickelt sich individuell. Je mehr wir wach bleiben, uns selbst beobachten lernen und persönliche Entwicklung in uns zulassen, umso mehr können wir in unserem Leben erreichen, beziehungsweise lernen und erfahren. Nur, ebenso gut können wir Entwicklungen durch unsere Gedanken auch hemmen. Das geschieht dann, wenn wir unsere innere Mitte, den inneren Ruhepol verlieren.

Ein Beispiel: Sie müssen schmerzvoll den Tod eines Ihnen nahe stehenden Menschen beklagen. Die Klage, das Leid ist notwendig, um die Gefühle des Abschiednehmens verarbeiten zu können. Die Trauer ist wichtig, um sich innerlich von dem Menschen zu verabschieden, ihn „gehen zu lassen“. Die Phase der Trauer dauert einige Zeit. Dann verlieren sich normalerweise die damit verbundenen Gefühle durch den Abstand. Wenn es uns nicht gelingt, die Gedanken loszulassen, bilden sich immer wieder dieselben starken Gefühle. Diese Gefühle sind schmerzhaft und verursachen viel Leid in uns. Aber wir gewinnen mit der Zeit auch so etwas wie Lust am Schmerz! Der Schmerz kann uns dann ein Gefühl der Verbundenheit mit dem verstorbenen Menschen geben. Aber es ist nur eine scheinbare, keine reale Verbundenheit. Wir ziehen in dieser Weise die Vergangenheit stets von neuem in unser Bewusstsein herein.

Wir tendieren dazu, uns mit den Erlebnissen zu identifizieren und erhalten immer wieder „schmerzvolle Nahrung“. Ohne sie können wir bald nicht mehr leben. Der Prozess kehrt sich jetzt um. Wir sind nun an die Peripherie, dort wo die Gedanken kreisen, gedrängt und haben unsere innere Stabilität, den inneren Ruhepol, verloren. Aus der Stille wird Lärm. Der „Lärm in unserem Kopf“ (wie Eckardt Tolle sagt). Wir ernähren uns von diesen Gedanken, brauchen sie, ziehen sie an und züchten sie so lange in unserem Gehirn, bis sie dort physiologisch, irreversibel und nachweisbar, neurologisch feststellbar, verankert sind.

Doch zurück zur Frage des Schicksals und unseren Begegnungen. Es wird immer die Frage nach der inneren Freiheit bleiben. Manche bestreiten, dass es möglich ist, frei zu sein. Da gibt es verschiedene Begründungen. Andere kämpfen vehement für diese innere Freiheit des Menschen. Wo ist sie denn zu finden, wenn es denn eine solche gibt? Doch nur in uns selbst. Sie ist und bleibt ein individuelles Erlebnis, deren Wirklichkeit sich jeder selbst erarbeiten muss …und kann. Die „Frage der Freiheit“ kann deshalb jeder nur in sich selbst finden…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Wagnis Denken…

DenkenNicht ein „Darüber-Stehen“ ist Motivation für all die Ausführungen, die in diesem Blog hier dargestellt und „angedacht“ werden. Es ist vielmehr ein „Darinnen-Stehen“, ein Kampf mit all den dunklen, hellen, klaren oder auch undurchsichtigen Kräften, welche sich schliesslich in Worte formen wollen. Dabei steht aber nicht ein Dozieren oder Rechthabenwollen im  Vordergrund. Eher ist es ein stetes Bangen und Zweifeln, gepaart mit grossartigen, überraschenden Einsichten, welche sich hin und her bewegen in einem suchenden Geist und Genossen dieses Zeitalters.

Ehrlichkeit steht zuvorderst und zwar eine Ehrlichkeit vor allem mir selber gegenüber. Mit grösster Selbstkritik diesem rasenden und fluktuierenden Medium „Gedanke“ sich gegenüber zu stellen und nur das hindurchzufiltern, was auch nach langem Hin- und Herbewegen noch Bestand haben kann. Das ist und war immer mein Bestreben. Insofern ist „Wahrheit“ ein seltener Gast im Getriebe unseres Denkapparates. Sie gibt sich oft nicht von alleine, sondern entsteht langsam, herantastend aus dem dunklen Gedankenleben heraus. Alle diese grossen Begriffe, ausgegangen vom GLAUBEN, ERKENNEN, hin zu WAHRHEIT, GEWISSEN, FREIHEIT usw. können nicht in starren Definitionen und Erklärungen verstanden werden. Sie haben vielmehr ein Eigenleben in sich, sind sehr individuell in ihrer Bedeutung und bilden sich erst mit der Zeit aus der Erfahrung heraus. Sie können auch wachsen… oder einfrieren, je nach dem.

Dennoch können viele Erkenntnisse selbst im Nachdenken über solche Begriffe gefunden werden. Sie bilden letztlich auch das Grundgerüst für die Frage nach dem Sinn des Lebens…

Was als Glaube am Anfang dieser Auseinandersetzung stand, führt alles in allem letztlich immer hin zum Freiheitsbegriff. Dabei muss der Weg von jedem einzelnen Menschen selbst begangen werden und jedes „Stadium“ kann befriedigen, weil in jedem Entwicklungsschritt entsprechende Qualitäten stecken, die gerade aus dieser Situation und nur aus dieser Situation heraus entstehen konnten.

So kann ein starker Glaube in irgendeiner Form, sei es nun in Politik, Kultur oder Religion, im wahrsten Sinn des Wortes „Berge versetzen“. In der Medizin nennt man diesen Effekt „Placebo“. Was dort immer etwas erniedrigend kommentiert wird, ist in Tat und Wahrheit eine viel stärkere Kraft, als alle chemisch-biologischen Wirkungen (inklusive Nebeneffekten)!

Auf dem Weg des Menschen tritt immer irgendwann einmal das Bedürfnis nach Erkenntnis auf. Und auf jeder „Stufe“ wird man viele positive Erfahrungen machen können. Aber jeder Schritt hat auch seine Verluste zu beklagen. So geht dem Erkenntnisringen vieles an Kräften verloren, die im Glauben drinnen stecken. Dies ist wohl der Preis auf dem Weg zur Freiheit.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Der „Freidenker“ in Ihnen

Freidenker

…das Wort kennt jedenfalls mein Handy nicht: „Freidenker“. Nicht verwunderlich, denn dieser Begriff ist ja schon fast ein Schimpfwort, wie alles, was mit persönlicher Freiheit zu tun hat. Wie frei sind wir denn wirklich? Immer wieder ein viel diskutiertes und umstrittenes Thema. Es ist erst ein paar Tage her, als mir eine nahe Verwandte mit dem jüngsten Gericht drohte…

Nein beliebt ist man nicht, wenn man „frei denkt“ oder es zumindest versucht oder meint, es zu tun. Die einen argumentieren mit der göttlichen Vorsehung und dass sowieso ein großer Plan alle Geschicke der Erde und des Kosmos lenken würde und wir, um Gottes Willen – und zum Glück – keinen Einfluss darauf hätten…
Für andere wiederum sind wir nur kleine Würmchen (mein Handy meint Würstchen, was die Sache ja auch nicht wirklich verfehlt), also jedenfalls ein Nichts im großen allmächtigen All. Somit gänzlich unberechtigt, irgendwelche Urteile zu fällen. Nur gefällt werden sie (die Urteile) eben trotzdem und zwar von genau denen, die solches sagen.

Und da steht Mann/Frau vor der Tatsache der gänzlichen Inkompetenz und Unfähigkeit, Urteile zu fällen und dennoch argumentieren zu müssen.

Aber wie steht es denn nun damit? Sind ein paar Gedanken dazu dennoch erlaubt, so seien sie hier angefügt.
Die Frage ist halt immer wieder dieselbe: Gibt es diese persönliche Freiheit und wenn, wo gibt es sie… habe ich also die Berechtigung, mich überhaupt zu diesem Thema zu äußern oder hat die göttliche Vorsehung keinen Platz dafür?

Glaubt man an eine unwiderrufliche göttliche Macht wie diese Vorsehung, braucht man hier gar nicht weiter zu lesen. Denn es spielt eigentlich keiner Rolle, was ich über die Freiheit schreibe, es gibt sie doch nicht und allein der Glaube macht selig. Das argumentieren und diskutieren allein schon öffnet mich für den anderen Menschen. Im besten Fall wird es ein Dialog mit offenem Ausgang. Beharre ich indessen auf meinem seit jeher gelebten Dogma (auch den Begriff kennt mein Handy nicht) – unverrückbar und unwiderruflich, dann bin ich nicht offen für andere, für Argumente der Anderen.

Wenn Sie diesen Artikel also lesen, dann gibt es drei Möglichkeiten, warum Sie dies tun.
Die erste (und wohl beste aus meiner Sicht) ist Ihre Offenheit für neue Gedanken, unabhängig davon, ob Sie sie für wahr halten oder nicht.
Die zweite hilft Ihnen damit aufgrund von anderen Ansichten, Ihr eigenes und fest gefahrenes Weltbild zu befestigen, indem Sie quasi den „Gegner“ studieren um so das „Böse“ immer besser kennen zu lernen.
Und die Dritte: Sie fühlen sich als Retter und machen Jagd nach neuen Schäfchen, um sie vor dem jüngsten Gericht zu bewahren.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mit diesen Aussagen manche Menschen provoziere. Das ist aber gar nicht meine Absicht. Was ich damit bezwecke, Sie merken es, ich hoffe auf das Quäntchen Freiheit in Ihnen, das sich gegen meine Argumente aufmüpft… an den Freidenker in Ihnen…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

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