Wo hockt der Feind ?

fernglasÜberall werden sie laut: die Stimmen der Menschen, Völker und Priester, Stimmen von Politikern, von Wissenschaftlern und Forschern, von Religionsführern und von Fanatikern, von „Verschwörungstheoretikern“ ebenso, wie von deren Kontrahenten, den „Verschwörungsleugnern“: Sie alle mahnen uns und zeigen mit dem Finger auf Untaten, Missetaten, auf unsere grossen Feinde und Übeltäter. Es sind berechtigte und weniger berechtigte Rufe, es sind gewiss schlimme Schicksale, die sich hinter manchen Mahnrufen verbergen und sie dürfen keinesfalls missachtet oder abgewertet werden.

Wir leben in einer immer kleiner werdenden, globalisierten Welt voller Leid und Krieg; einer Welt, die übersät wird mit Informationen und Depeschen, von Medienfluten und Schreckensbildern. Und wir sind aufgefordert, dabei wachsam zu bleiben und nicht im Datenmeer einzulullen! Und dennoch: Unsere schlimmsten Feinde sitzen weder in Israel, New York oder Washington, noch in irgendeinem Geheimdienstbunker unter der Erde, in den „Twin-Towers“ der Welt oder in Afghanistan. Sie sitzen auch nicht in Saudi-Arabien, dem Iran, Pakistan, China, Nordkorea oder Russland und nicht in den Chefetagen grosser Firmen oder im Gesundheitsamt. Sie sitzen aber auch nicht in politischen Ämtern und Finanzinstituten. Und, die schlimmsten Feinde sind ebenso wenig in AIDS, Krebs, EHEC oder irgendwelchen anderen Seuchen, Viren oder Bazillen zu finden… Nein, die schlimmsten Feinde sitzen in unseren Gehirnen! Es ist das Vergangenheitskonstrukt unserer eigenen Vorstellungen, welches sich – oft ohne das Bewusstsein des Produzenten – die Bahnen in unsere Taten erschleicht; Vorstellungen, welche die Nervenbahnen mit Energien füttern und sie unerschütterlich am Leben erhalten. Sie flüstern uns ständig ihre Botschaften zu, hüpfen synaptisch von Neuron zu Axon und zurück. Sie sagen: Tu dies oder tu das, unterlass dieses oder unterlasse das, fühle dich beleidigt oder schalte auf stur oder auf Gegenangriff, je nach Kontext. Sei zurückhaltend, zeige kalte Schulter oder bezirze die Umwelt mit deinem Charme; halte es gerade so, wie es von Nutzen ist für deine Überlebensstrategien, für dein Renommee, dein Ansehen, für ein besseres Gehalt, den besseren Posten, für eine „bessere“ Frau (oder „besseren“ Mann)? – oder für andere bewusste oder unbewusste Vorteile, die du dir durch diese Handlungen versprichst. Im Grunde sind wir doch alle ein wenig opportunistisch… Sie werfen uns ständig Köder vor die (inneren) Augen, die wir gierig und ohne Wenn und Aber aufnehmen und schlucken, denn sie wissen genau um unsere Stärken und Schwächen. Ihr Futter ist effizient, tückisch und nachhaltig! Und sie bauen diese Feindbilder auf, die sich aus Erlebtem, Erlittenem, Verweigertem, Bestraftem, aus Niederlagen und Zweifeln, aus Traumatas und aus Konventionen, aus Angelerntem und aus Konditioniertem oder Nachgeplappertem gebildet haben: über Jahre und Jahrzehnte – und projizieren sie nach aussen! Je nach Schicksal halt, oder Umfeld der eigenen Biografie. Sie werden zum „Gedankenfutter“, welches unsere Emotionen nährt und uns auf Trab hält, egal ob sein Hirt Breivik oder Obama heisst. Sie sind es, die unsere Herzinfarkte und Krankheiten provozieren, aufgebaut aus dem steten Widerstand an der „bösen Welt“! Und sie hetzen uns schliesslich auch in die grossen Krisen oder ins Unglück… oder in die Depression.
Es sind die Zeichen der Angst, der Ungeduld, des Hasses oder der Unvernunft; aber auch jene der sogenannten Vernunft! – der Pflichten, unserer Moral, die Zeichen jeglicher vorgestellten Handlung, ob aus dem Affekt oder geplant, die uns an diese „innere Führung“ erinnern könnten… ich sage könnten. Nur bemerken wir sie nicht, wir schlafen oder träumen in sie hinein. Wir verschlafen das Leben hinter dem Schein! Wir träumen unseren Traum und das ist ein Traum aus persönlichen Wünschen, Begehrlichkeiten, Abneigungen, Illusionen. Unser „Schlafen“ ist der Kriegsschauplatz und das Tummelfeld dieser „Stimmen“ die uns tagtäglich lenken (…und das hat nichts mit Schizophrenie zu tun, sondern mit Unachtsamkeit). Diese Unachtsamkeit ist das Werkzeug für ihre Taten, ihre Rufe aus der Wüste, ihre Energien („…sie kommen in der tiefen Nacht und ihr werdet sie nicht erkennen…“). Es gibt nur einen Weg, ihnen zu entkommen, sie zu „besiegen“ oder besser: zu entschärfen, nämlich: Aufzuwachen! …und sie zu erkennen…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft?

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