Das innere Kind lieben lernen

Inneres KindDie Hauptfrage jeglichen Tuns, Fühlens, Denkens lautet stets, wer – WER tut es? Wer ist dieses Etwas hinter all dem, welches tut, fühlt, denkt und lenkt? Selbst wenn wir mit grossen Worten eine spirituelle Terminologie verwenden, wie im anthroposophischen Jargon oftmals von Aetherleib, Astralleib und Ich gesprochen wird, so heisst dies noch lange nicht, dass wir aus der Instanz heraus sprechen, die real und wirklich diese benannten Ebenen überschaut und durchschaut. Eine solche Instanz kann aber nur das wahre, geistige Ich sein, von dem aus wir sprechen, oder zu sprechen meinen! Was aber, wenn wir nicht aus ihm sprechen? Wer spricht dann?

Und: Warum sprechen wir denn doch darüber?

Warum wiederholen wir so gerne die Inhalte anderer, pflegen sie, als ob sie unsere eigenen Erfahrungen sind? Weil wir oftmals selber keine spirituellen Inhalte haben, die real und wirklich erlebt sind! Und weil Inhalte von anderen uns eine gewisse Sicherheit vermitteln! Weil sie uns das Gefühl geben, furchtbar gescheit zu sein! Wir füllen dann diese („objektiven“) Begriffe mit unseren persönlichen („subjektiven“) Inhalten. Aber diese Inhalte sind nicht aus der Erfahrung unmittelbar dessen entsprungen, was wir vertreten, zitierten, wiedergeben, sondern aus den persönlichen, psychischen Tiefen gewonnen – gezüchtet wäre wohl besser – die wir in unserem Leben zusammen geschustert haben. Damit bleiben wir aber auf der sinnlich-physischen Ebene und in der Dualität verhaftet. Imagination oder Inspiration ist es nicht. Und schon gar keine Intuition! Dazu müssten wir die Geheimnisse der Metamorphose erkennen.

Ein Begriff wie den des Aetherleibs zum Beispiel, ist gefüllt mit vielen Zitaten, Gedanken und Inhalten anderer.  Damit werden wir aber niemals zum wesentlichen Inhalt finden, zum eigentlichen Tatbestand, der dem Begriff zugrunde liegt. Dieses liegt in der Metamorphose. Dieser Gedanke muss letztlich erlebt werden, nicht begriffen! Goethe konnte seine Gedanken SEHEN! Er rühmte sich sogar, niemals über das Denken nachgedacht zu haben. Das musste er auch nicht, denn sein Denken war ein Imaginieren! Um diesem Erlebnis näher treten zu können, müssen wir den ganzen Wissenskram, egal welchen „Höhen“ des Kosmos er entspringen mag, egal welche geistigen Grössen dahinter stehen, egal, wieviel „objektive“ Wahrheit dahinter steckt oder nicht, über Bord werfen! Die ewig klugen Reden müssen aufhören und ein inneres Erleben – muss an deren Stelle treten! Erst so erkennen wir unser „inneres Kind“.

Die letzte Frage

Was übrig bleibt ist dann nur noch diese eine Frage: wie kommen wir an das Erleben heran? Irgendwann im Leben interessiert man sich nur noch für diese Frage. Wenn der Wissenskram es geschafft hat, uns an diese Frage heranzubringen, dann hat er uns einen guten Dienst erwiesen! Ich erinnere an Goethes „Faust“ („ich habe – ach… Philosophie, Theologie usw. studiert… und bin so klug als wie zuvor!“). Es gibt viele Konzepte, viele Anschauungen, viele Erfahrungen und Erlebnisse anderer, die wir nachlesen können, mit denen wir versuchen können, uns an unser eigenes erleben vielleicht ein Stückchen heranzutasten. Jeder dieser Wege hat eine mehr oder weniger hilfreiche Funktion. Aber die Gefahr einer Entfernung oder Entfremdung von diesem eigentlichen Ich, ist sehr gross, wenn nicht sogar unausweichlich. Keiner kann mit dem Verstand wirklich erfasst werden. Der Verstand selber ist die Mauer, die es zu überspringen oder zu durchbrechen gilt. Er ist lediglich ein Hilfsmittel, eine Krücke dafür, uns überhaupt an diese Mauer heranzutasten und irgendwann zu merken: Hey, da ist etwas, da komme ich nicht mehr weiter, das blockiert mich! Die meisten bleiben aber dort stehen und benutzen sie als Schutzwall. Ein Schutzwall, um gegen die Angriffe von aussen zu agieren, sich zu verteidigen, zu rechtfertigen, zu behaupten; sich gegen den anderen, das andere zu stellen, sich abzugrenzen, Bollwerke aufzubauen. Ein ganzes Leben scheint oft nicht auszureichen, um dies zu erkennen. Denn dazu müsste man – und es ist das Kernthema dieses Blogs – sich selbst anschauen! Wieviel Groll, Neid, Missgunst, Kampf und Unmut gibt es doch im sozialen Umfeld, oft gerade auch in spirituellen Gemeinschaften!

Selbsterkenntnis ist für viele Menschen, leider oft auch in sogenannt spirituellen Kreisen, ein Fremdwort!

Lieber hängt man sich an Floskeln, spirituell Einverleibtes, dogmatisch Verfestigtes. Man wird mir leicht auch den Vorwurf machen können, immer die gleiche Leier abzuspielen, immer die gleichen Phrasen zu dreschen. Aber ich versichere, dass es keine Phrasen sind, sondern der eigentliche (selbst erlittene!) „wunde Punkt“, an dem die meisten von uns, mich eingeschlossen, leiden. Einige erkennen ihr Übel, andere nicht. Es gäbe natürlich viel interessantere „geistige Zusammenhänge“, mit denen ich Ihr Hirn füttern könnte! Schliesslich habe ich gewiss bald die halbe Steiner-Literatur gelesen (und das ist viel!). Ich könnte Ihnen davon berichten, wie jenes sich zu diesem verhält und wie der eine Bezug wieder einen neuen Bezug zum anderen ergibt und sich verwandelt durch dieses und jenes! Und schliesslich, wie jenes mit diesem sich wieder neu verknüpft. Wie interessant und spannend doch vieles ist und doch so weit von geistig Realem entfernt! Jetzt verpackt man diese Inhalte in schöngeistige Worte und verleiht ihnen einen Hauch von Absolutheit und Ehrfurcht. Vortreffliche Analysen werden gezogen und man freut sich darüber, einen neuen Zusammenhang erkannt zu haben im Universum des Wissens! Man glaubt, diese Art von Erkenntnissen bringe uns näher an das Wesentliche (in uns) heran. Aber das ist nicht der Fall… denn

Das Wesentliche sind wir selbst

Tatsächlich rücken wir immer weiter vom Wesentlichen ab, indem wir uns mit immer neuen Inhalten verbinden und diese miteinander in immer neue Beziehungen setzen, sie erforschen und zerteilen, zerpflücken, weiter führen, und wieder zu integrieren versuchen usw. Das füttert vor allen Dingen unsere Neugierde. Es befriedigt uns in etwa so, wir uns diese oder jene neue Errungenschaft befriedigt. Meist mit einer kurzen Halbwertszeit. Bald schon versinkend im Datennirvana unserer Gehirne. Solange wir nicht imstande sind, diesen ewigen Kreislauf des Sammelns und Jagens (physisch, psychisch und mental, in Form von Wissen) zu durchbrechen, nähern wir uns keinen Schritt, auch nicht den geringsten – an uns Selbst.

„Aber wir müssen uns doch gerade von uns selbst lösen!“ sagen viele! „Du begreifst das nur nicht, mein Freund!“ Diese Stimmen meinen ein anderes Selbst, das wir auch Ego nennen. Und sie tun es tatsächlich, wenn sie Wissen sammeln, sich von sich selbst lösen, aber eben nicht vom Ego, sondern von einen anderen Selbst. Sie vermischen das eine „Ich-Gefühl“ des verhafteten Menschen mit dem anderen wahren „Ich-Gefühl“ des inneren Friedens, was wir eigentlich im Kern sind! Aber wir müssen uns vom einen kleinen selbst, dem „Ego“, unserem „inneren Kind“, auch gar nicht lösen! Das stimmt selbst auf dieser Ebene nicht! Wir müssen dieses innere Kind „nur“ LIEBEN lernen, es in die Arme schliessen, es behüten und vor allem wahrnehmen. Sehen, wohin es geht, was es tut, was es denkt und fühlt, wann es sich beleidigt fühlt, angegriffen fühlt, jähzornig wird, traurig ist usw. usf. – ganz so, wie man dies mit den eigenen, kleinen Kindern auch tun möchte. Darin besteht gerade die leidvolle Ursache aller Verwirrung, dass wir im Laufe unseres Lebens, ein eigenes, kleines, persönliches selbst schaffen, welches das andere, wahre Selbst verdeckt – und es im Regen stehen lassen! Der allein gelassene Verstand gehört zum kleinen, selbst gebastelten ichlein, welches in solcher Weise hohe Mauern erstellt über ein Leben hinweg und uns in einen Kerker der Verhaftung einsperrt. Es sind die Mauern der Verbitterung, der Angst, der Unlust usw. Wenn wir dies erkennen, beobachten und lieben lernen, dann erst kann es sich verwandeln! Dann lernen wir diesen Blick auch nach aussen zu lenken und wir vernehmen die Stimme der Natur in uns selbst, sich auf einer anderen Ebene aussprechend… in der Metamorphose.

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Die Kunst des Heilens

HändeEin Grundsatz jeder therapeutischen Handlung ist das Handeln aus reinem Herzen. Daraus erfolgende Handlungen bewirken Heilung. Sind die Handlungen unreinen Herzens bewirken sie Leid. Unreine Handlungen erfolgen aus Begierde, Hass, Zwang, Angst, Rechthaberei, Ungeduld, Eifersucht, Missgunst, Verleumdung, Anhaftung usw.

Dies sind zunächst schlicht im Raum stehend bleibende Fakten, ohne jeden Erkenntnishintergrund. Über Inhalte dieser Art lässt sich immer streiten. Jedoch stehen seit Jahren genügend Annäherungsversuche für den analytischen Verstand auf diesem Blog bereit; Inhalte und Hintergründe mit denen ich mich seit Jahrzehnten über Wahrheit, Erfahrung und Unsinn auseinandergesetzt habe. Deshalb soll davon hier nicht die Rede sein, sondern schlicht vom Resultat, der Erfahrung aus dem ERLEBEN jahrzehntelanger Arbeit als Kunsttherapeut.

Diese Resultate gelten im Grunde für jeden Menschen, jedes Lebewesen auf dieser Erde. Insbesondere gilt dies natürlich für den Beruf des Therapeuten. Er sollte Spezialist dafür sein, reine Handlungen zu erleben und auszuführen. Hindernis auf diesem Weg sind die persönlichen Verblendungen. Jeder Mensch muss diese Verblendungen im eigenen Kopf erkennen und sie beseitigen. Der Weg dazu ist die Meditation. Sie erst bringt den Zugang zum Quell jeder heilenden Handlung ans Licht. In welcher Weise die Handlungen umgeformt oder eingegossen werden, spielt dabei keine Rolle. Die Mittel, die angewendet werden, haben mit den Menschen persönlich, sowohl auf Geberseite wie auf Empfängerseite, zu tun. Das Resultat bleibt dasselbe. So wird die Kunsttherapie zu diesem Zweck ihre spezifischen Mittel einsetzen, genauso wie es der Psychotherapeut auf seine Weise tut. Wer sich von diesen Mitteln angesprochen fühlt, also der Empfänger, kann unter den gegebenen Voraussetzungen der reinen Handlung auf diesem Weg Heilung erwarten. Dies gilt insbesondere für die Ursachen der Krankheit.
Die Symptombehandlung, Schmerzbehandlung braucht keine reine Handlung. Sie bleibt deshalb kurzfristig. Hier genügt das technische Wissen und die blosse Handhabung der Anwendungen, unabhängig von jeden Gewissen, jeder Moral. Die Behebung dieses Teils alleine wird nur die Oberfläche des Problems lösen können.

Eine Kunsttherapie wird lediglich dadurch legitimiert, dass sich der Therapeut oder die Therapeutin mit seinen/ihren eigenen Mitteln tief verbunden fühlt und sie beherrscht. Der Weg über die Kunst bringt die eigenen Verblendungen und Anhaftungen an die Oberfläche. Dies befähigt sie, in der Selbstreflexion und Selbstbeobachtung dieses Prozesses, reine Handlungen zu erzeugen, die heilsam wirken. Die Therapieform hat in erster Linie mit dem Therapeuten und der inneren Verbundenheit mit seinen eigenen Mitteln zu tun. Es gibt keine guten oder schlechten Methoden, solange sie auf den erwähnten Grundsatz ausgerichtet sind.

Die Feindschaften innerhalb therapeutischer Verbände und Methoden beruhen auf falschen Gefühlen und Emotionen, die mit den eigenen Verblendungen und Vorstellungen zu tun haben. Auf der Ebene solcher Anhaftungen gibt es keine Synergien. Jeder bleibt im Kampf gegen jeden befangen. Dies wird solange der Fall sein, bis in jedem die eigene Quelle erkannt und erlebt wird.

Jetzt sagen zum Beispiel die anthroposophischen Kollegen und Kolleginnen: „aber wir müssen doch die spirituellen Grundlagen des Menschen in seiner Viergliedrigkeit, wie sie von Rudolf Steiner geschildert wurden: physischer Leib, ätherischer Leib, astralischer Leib und Ich, miteinbeziehen! Wir müssen die Ätherarten und Wesensglieder erkennen und nach diesen Erkenntnissen Handeln!“

In den meisten Schulen wird die „Säule des Wissens“ vorrangig behandelt. Die Bereitschaft für die wirklich heilsame Vertiefung beruht jedoch nicht nur auf sozialen Kompetenzen und psychologischen Lehrmeinungen oder Methoden. Auch sie gehören lediglich zur Wissenssäule. Sie ist die zweite Säule von Fähigkeiten, die erlernt werden müssen. Die erste Säule sind die technischen und manuellen Fähigkeiten. Nennen wir sie die „Säule des Handwerks„. Es sind die beiden Fundamente jeder Bildung. Die dritte Säule kann einzig und alleine durch Meditation gebildet werden. Deshalb nenne ich sie die „Säule der Selbsterkenntnis„. Meditation bedeutet vor allem: Beruhigung des Geistes. Der Geist muss still werden können. Für viele Schüler und Schülerinnen jenseits jeglicher Methode, ist dieser Schritt gefährlich oder sogar bedrohlich. Wird die Säule des Wissens losgelassen – ohne die Erfahrung einer dahinterstehenden tragenden dritten Säule zu haben, so fällt der Probant ins Nichts. Das Aushalten dieses Zustandes ist äusserst schwierig. Aus diesem Grund wird die Säule des Wissens gerne aufrecht erhalten und bis aufs Blut verteidigt.

Es kann sehr hilfreich sein, die Erlebnisse aus der meditativen Selbsterkenntnis in Begriffe zu fassen und sie so mit einfliessen zu lassen. Dies sollte jedoch stets aus der unmittelbaren Erfahrung geschehen. Die Begriffe spielen dabei keine Rolle! Sie sind nur ein Hilfsmittel der gegenseitigen Verständigung. Für das Wirken selbst sind sie vollkommen irrelevant.
Wer die Begriffe nicht mit eigener Erfahrung durchdringen kann, muss sehr vorsichtig mit ihnen umgehen. Kein Buch, kein Lehrer der Welt und kein Erklärungstext führen zur Handlung aus reinem Herzen: und das ist Liebe, Geduld und ein befreiter Geist! In den meisten Fällen behindert das Wissen diese Erfahrung sogar.
Der Grund für unüberwindbare Hürden liegt in den Vorstellungen und Begriffen.
An ihre Stelle müssen die tieferen Erfahrungen treten.
Der einzige Weg dahin ist die Meditation.

Vielleicht könnte man die Ausbildungen um ein „Modul“ „Kunst des Heilens“ in diesem Sinne erweitern…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Liebe kennt keine Kontrolle

LiebeKontrolle ist die Abstimmung eigener Inhalte/Vorstellungen/Gedanken/Gefühle mit anderen Inhalten: Mit jenen von Freunden, Bekannten, von Zeitungen Medien, Büchern usw. Sind sie kompatibel mit den eigenen, werden sie angenommen, sind sie damit nicht kompatibel, werden sie abgelehnt.
Mag etwas krass formuliert sein, gewiss, ist aber dennoch die alltägliche Praxis unserer Begegnungen und Konfrontationen im sozialen Umfeld. Lob den Ausnahmen kann ich hier nur sagen!

Der streng katholische Christ, der sich plötzlich in der Mitte seines Lebens der buddhistischen Lehre hingezogen fühlt, wird bald geneigt sein, ständig solche inneren Abgleichungen mit dem früher gelebten vorzunehmen. Jede Handlung, jeder Gedanke, jedes Gefühl in ihm werden bewertet und abgeglichen. Wird ein Bezug zu seinem „alten Denken“ festgestellt, so wird korrigiert. Bemerkt man’s selber nicht, wird man oft von Gleichgesinnten darauf angesprochen. Dies bedingt Kontrolle. Dasselbe kann dem politisch konvertierten Genossen geschehen, wenn er durch irgendeine äußere Begebenheit die Parteizugehörigkeit gewechselt hat, ganz unter dem Motto: Kontrolle ist besser als Vertrauen.

Jegliche Verhaftung hat die Tendenz, kontrolliert werden zu müssen.
Das heißt, wir haben die unrühmliche Tendenz, einmal gewonnene Einsichten stets mit den alten oder früher gemachten abzugleichen und/oder zu korrigieren. Alte Verhaftungen werden zwar immer wieder gelöst durch die eigene seelische Entwicklung, die fast jeder/jede in irgendeiner Art und Weise wohl anstrebt. Aber sie werden in der Regel lediglich durch neue ersetzt. Dies bedingt die stete Kontrolle und Selbstkontrolle um das System aufrecht zu erhalten.

„Selbstbeobachtung“, wie ich sie immer wieder erwähne in meinen Aufsätzen und Büchern, hat niemals den Charakter der Kontrolle. Kontrolle bedarf der Vorstellungen. Sie sind Kopfsache. Wenn wir uns jedoch den Verhaftungen mit den Gedanken entziehen wollen (was notwendig ist, um ein freies Ich in uns zu entdecken),  dann müssen wir eine neue Bewusstseinsebene außerhalb des Denkens finden. Das hat nichts zu tun damit, das man nicht mehr denken soll! Die Ebene des inneren Beobachters kann aber nicht wieder eine denkende sein. Nicht Denken über das Denken ist also gemeint, sondern reines Beobachten des steten Gedankenstroms.

So erst werde ich mir einer anderen Instanz – dem freien Ich – gewahr. Das heisst, ich beobachte das „Wesen“ /“Teilselbst“, (Voice dialogue/Transaktionsanalyse usw.), welches im Gedanken wirksam und gegenwärtig ist. Das kann nicht wieder ein Gedanke sein, aber es bleibt dennoch eine Form von Bewusstsein. Und es ist ein liebendes Bewusstsein, denn es urteilt nicht, verurteilt nicht, beurteilt nicht und – kontrolliert nichts. Dennoch ist es stärker als das „Gedankenwesen der Teilselbste“. Es hat die Kraft und die Macht, sich jederzeit, jedem Gedanken – und damit auch jedem Gefühl, „guten“ wie „schlechten“ – zu entziehen, weil es erkennend ist. Dies geschieht  durch die Liebekraft in uns.

Die Liebe ist langmütig, / die Liebe ist gütig. / Sie ereifert sich nicht, / sie prahlt nicht, / sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, / sucht nicht ihren Vorteil, / lässt sich nicht zum Zorn reizen, / trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, / sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, / glaubt alles, / hofft alles, / hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf. (Paulus 1. Korinther 13)

Damit sind wir aber außerhalb jeglicher Konformität, jeglicher Konditionierung und jeglicher Dogmatik. Und außerhalb jeglicher Konfessionen oder Weltanschauungen. Dieser freie „Gesichtspunkt“ vereinigt alles durch die Kraft der Liebe.
Wer liebt kontrolliert nicht und wer kontrolliert, der liebt nicht.
In diesem Zustand ist es nicht mehr wichtig, welchen Namen unsere Lehre hat…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Lob des Denkens…

…mit gedanklichen Einwänden

DenkenZuweilen wird gestritten, ob das menschliche Denken nicht mehr zerstöre, als es aufbaut. Es wird manchmal über die Intellektualität der westlichen Gesellschaft gewettert und deutlich gemacht, dass wir mehr menschliche Wärme benötigen und unsere Gefühle stärken sollen, anstatt alles zu analysieren und zu zerpflücken. Dabei gibt es sehr große Meinungsverschiedenheiten darüber, was denn Denken überhaupt sei… und alles dies, mit Verlaub, geschieht mit demselben Werkzeug, welches menschliche Kommunikation auszeichnet: dem Denken! Allein dies zeigt schon die Unmöglichkeit, das Denken streitig zu machen.

Wie auch immer die Einwände dagegen sind; sie können nur immer wieder durch Gedanken vermittelt werden. Sicher, das ist eine Binsenwahrheit und man kann sich darüber ärgern, dass das Denken zum Thema eines Artikels wird, zum wiederholten Male. Überhaupt, was will der ständig mit seinen Aufrufen zur Bewusstseinsentwicklung! Soll das doch mal etwas lockerer nehmen. Sich ein bisschen gehen lassen, gelassener werden. Einwände, die ich gelegentlich zu hören bekomme… es gibt doch so viele andere, schönere Geschichten. Zum Beispiel, wie drollig meine Katze sich wieder am Fußende meines Bettes wälzt. Oder der neueste Song von dieser oder jener Gruppe, auch schön. Vielleicht auch gerade nicht schön. Lässt sich doch so wunderbar streiten darüber, ob der Song nun schön ist oder nicht schön ist.

Auch andere Geschichten wälzen und belasten uns tagtäglich. Wir hören sie, sehen sie am Radio, im Fernsehen: Informationsfluten über Kriege, Schlachten, Mord und Totschlag, Einbrecher, Abzocker, Geldwäscher und andere üble Dinge. Sie nehmen uns in Beschlag und benebeln uns durch die Überfülle, das Zuviel (des Schlechten). Wie viel Leid können wir ertragen? 5 Kriege, 6 Abzocker, 3 Kindsmörder und sechs tragische Unfälle. Und dies alles in 15 Minuten Hauptnachrichten! Nur ein einziger Fall, der uns persönlich betreffen würde, genügte, um uns für Tage, Wochen, Monate in eine tiefe Krise zu führen…

Bei alledem fragt man sich schon, welchen Wert diese Informationsfülle hat? Was wir „Denken“ nennen, ist eben normalerweise nicht ein aktives, innerlich beteiligtes Verstehen wollen, sondern ein passives Hinnehmen von Bildern und Vorstellungsfluten, die (meistens) ungefiltert an uns herantreten. Unsere Wahrnehmung geht dahin und dorthin, streift durch die Schaufenster, Bildschirme und Objekte unserer Umgebung. Und gleichzeitig läuft innerlich, in uns, ein Film ab von Assoziationen und Erlebnissen: Dinge, die wir noch zu erledigen haben oder die wir hinter uns gebracht haben und die einen fahlen Nachgeschmack hinterließen. Dies alles füllt unser „Bewusstsein“ und lässt wenig Raum übrig für das Wesentliche! Über das, was hinter dieser Fassade eines getrübten Blickes lebt und seinen Anspruch an uns fordert, ein Leben lang. Jedoch von uns nicht gesehen wird, weil unser Blick dafür verdeckt ist…

Und alles nennen wir „denken“. Und die Forderung nach etwas Neuem, unentdecktem ist sicherlich nicht ungerechtfertigt! Aber deswegen das Kind mit dem Bade ausschütten? Wie sollen wir denn zu diesem Neuen finden, wenn wir das Denken einfach ausschalten? Wir können träumen oder schlafen, einerlei, da haben wir es tatsächlich ausgeschaltet. Manche nennen es Meditation. Was aber tun sie anderes, als mit herabgedämpftem Bewusstsein in den Tag hinein zu träumen.

Allein, das Verwoben sein, das verhaftet sein mit den Vorstellungen, die uns passiv ständig belagern, macht es uns unmöglich, hinter die Fassade unserer Persönlichkeit zu blicken. Aber hinter der Fassade lebt etwas in jedem Menschen, was er nie mehr missen möchte, wenn er es einmal „gesehen“ oder gefühlt, entdeckt hat!

Das Denken ist eine menschliche Kraft, die es uns ermöglicht, solche Wege zu beschreiten. Deshalb ist es nicht nur wichtig, sondern absolut unerlässlich. Das heißt aber nicht, dass das Denken selbst schon das Geistige ist! Es ist vielmehr eine Brücke zum Geistigen Ganzen in uns. Das Problem besteht im Erkennen dessen, was uns an Gedanken tagtäglich durchzieht. Die, ganze oder teilweise, Verhaftung mit den Vorstellungen und Bildern führt dazu, dass wir die Motive für unser Handeln nicht mehr erkennen können. Es gibt sicherlich Extremfälle, Affekthandlungen, die dies ziemlich krass dokumentieren und jedem verständlich machen. Das wird auch niemand abstreiten können. Aber sonst? Was geht das mich an? Ich habe doch alles im Griff? Sobald wir anfangen, ein wenig wacher zu sein in dem, was uns an Vorstellungen stets durchzieht, merken wir, dass es durchaus nicht so ist, dass wir „alles im Griff“ hätten. Schon die ersten Bemühungen in diese Richtung werden uns wachrütteln. Wären wir tatsächlich immer der eigene „Herr im Haus“, dann hätten wir keine Probleme mehr, die uns seelisch bedrängen würden. Die Statistik zunehmender psychiatrischer Leiden zeigt indessen etwas anderes…

Bereits in den ersten Kapiteln von Rudolf Steiners Einweihungsbuch mit dem etwas antiquierten Titel: „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten“, steht, dass man versuchen soll, sich wie ein Fremder gegenüberzustehen. Im Prinzip läuft dies (zunächst) auf eine „Gedankenkontrolle“ hinaus. Das heißt, wir sollen versuchen, dadurch, dass wir uns selbst Inhalte schaffen, uns von den automatisierten Vorstellungen mehr und mehr zu lösen. Die Kraft, die dann erwächst, wenn man sich in solcher Art und Weise, wie von Steiner beschrieben, für eine Weile auf einen bestimmten Gedanken konzentriert, wird uns befähigen, später, wenn wir uns einige Übung darin erschaffen haben, auch diesen selbst geschaffenen Inhalt wieder wegzumachen. Und dann befinden wir uns in einem „geistigen Raum“, der nun nicht mehr am Gedanken „klebt“, sondern dahinter, darüber oder wie auch immer steht, ihn im Grunde, zeit- und „raumlos“, umfasst. Dass nun zu dieser Schulung eine Grundhaltung der Ehrfurcht und Achtung gehört, versteht sich fast von selbst. Das Wesentliche in solchem Erleben aber ist das betreten einer höheren Dimension, in der sich alles auflöst, was uns sowohl an die Vergangenheit wie an die Zukunft bindet. Es ist ein Zustand absoluter Geistes-Gegenwart…

Die Brücke, die das Denken schafft, ist das Hinweisen und Hinführen an diese Erlebnisse. Deswegen ist es nicht etwa wegzumachen oder zu verdrängen, sondern im Gegenteil, zu stärken! „Lob dem Denken“ also… und dies in gedanklicher Art und Weise… sei an dieser Stelle mein Credo!

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Artikel zum Anhören

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Willkommen im Club der Unbelehrbaren!

UnbelehrbareGehören Sie, wie ich, zu den Menschen, die sich im Laufe der Jahre zwar recht viel Wissen angeeignet haben, aber in der Umsetzung des Gelernten oft schlicht zu faul sind? Zwar kennen Sie alle möglichen Einwände, die man zu gewissen Handlungen, Konzepten, Anschauungen machen könnte, wissen auch, dass Ihr Verhalten Sie in manchen Situationen nicht weiter bringt, tun es aber trotzdem immer wieder (oder gerade nicht)?

Willkommen im Club der Unbelehrbaren! Ich kenne diese Pleite zur Genüge und mache stets von neuem wieder Vorsätze in Richtung Besserung (nicht nur am Jahresende). Doch wie Sie ebenfalls wohl wissen: der Weg zur Hölle ist genau damit gepflastert…

Warum nur tut man sich so schwer damit, einmal Erkanntes wirklich und radikal umzusetzen? Warum fällt man immer wieder auf dieselben Tricks und Trotts herein?
Wissen befriedigt offenbar unser Gemüt so sehr, dass wir – trotz Einsicht – keinen Bedarf mehr haben, tiefer zu gehen und vor allem, in die Tat zu schreiten. Wir leiden vielleicht an einer Krankheit und plötzlich erfahren wir vom Arzt, wie die Krankheit heißt, nur das. Allein der Name befriedigt uns scheinbar zur Genüge. Das Wissen darum, wie die Krankheit heißt und vertrauen zu dem ganzen Heilungsapparat, der bestimmt ein Mittelchen dagegen hat, genügt offensichtlich den meisten. Die Hoffnung darauf entlastet uns sehr, obwohl das Leiden dadurch nicht weniger geworden ist. Vielleicht laufen die Prozesse ähnlich in unserem Geldsystem, deren natürlicher Zerfall sich “auf Teufel komm raus“ und entgegen jeder Vernunft, verzögert und verlängert durch raffinierte finanztechnische Methoden. Doch lassen wir diesen Aspekt beiseite. Die Grundsatzfrage lautet: Warum verfallen wir immer wieder denselben Mustern, Lastern und Eigenheiten und lassen uns von ihnen leiten.

Vielleicht haben Sie gelernt Auto zu fahren? Dann kennen Sie den Unterschied von Wissen und Erleben sehr gut! Würden Sie noch heute, nach vielen Jahren in der Praxis, mit dem Verstand fahren und an jede Hand- oder Fußbewegung denken während des fahrens und lenkens, dann hätten Sie wohl bald einen Totalschaden! Müssten Sie jedes mal überlegen, wo das Brems- und wo das Gaspedal ist, kämen Sie sehr schnell in oberbrenzlige Situationen! Und genauso ist es mit allen unseren Handlungen, unseren gelernten Verrichtungen. So geht es dem Maurer und dem Schreiner ebenso, wenn sie ihr Handwerk ausüben. Was man sich anfangs erst mühsam über den Kopf aneignen musste, geht nach einiger Zeit in eine Art lebendigen Tuns über, prägt sich in „Leib und Seele“ ein, wie man so schön sagt. Diese Art von „gelebtem Handwerk“ geht dem rein intellektuellen Tun mit „lockerer Hand“ voran!

So ist es mit allen Dingen, egal ob sie die praktischen Taten betreffen oder unser Gedankenleben. Nur, in gewissem Sinne sind auch die Gedanken praktische Taten. Auch hier gibt es immer beide genannten Ebenen, die intellektuelle, rein vom Kopf her verstandene und die in tiefstem und wahrstem Sinne begriffene! So können die unterschiedlichsten Konzepte entstehen, wie wir die Welt anschauen und verändern möchten. Immer geht das Erlebte tiefer, weiter als das intellektuelle, rein vom Kopfe her gesteuerte Wissen.

So ging es mir mit manchen Büchern, die mir wirklich am Herzen lagen. Anfangs waren es nur Texte/Gedanken anderer. Man las den Inhalt, verstand einiges, anderes wiederum nicht. Es mag sein, dass von Anfang an eine Art Zauber darin lag, den man aber noch nicht so recht zu deuten wusste. Aber er ließ uns die Texte immer wieder von neuem lesen. Und mit jedem lesen, mit jedem verflossenen Zeitabschnitt gewann der Inhalt mehr und mehr an Tiefe. Irgendwann ist die Verbindung damit so groß geworden, dass man damit zu Leben beginnt. Es ist mit Bestimmtheit nicht mehr dasselbe Buch, derselbe Inhalt, wie das dogmatische Aufnehmen von Wissen davor! Wenn Gedanken lebendig werden, verlieren sie jeden Staub und jede Trockenheit eines “aufgetörnten“ Verstandes. So lebendig erging es mir persönlich nur mit sehr wenigen Büchern. Die meisten liest man ohnehin nur einmal oder gar nicht zu Ende. Gerade die angesprochene Erfahrung aber zeigt, wie viel mehr Tiefe die „Gedanken“ haben können, jedenfalls viel tiefer, als wenn man sie nur oberflächlich aufnimmt. Und dies gilt natürlich in allen Belangen, nicht nur bei Büchern, Texten, sondern auch in Begegnungen, Erfahrungen, „Erlebtem“!

Für Außenstehende ist es nicht immer leicht herauszufinden, ob jemand Gedanken/Taten wirklich (nach-) erlebt oder nur trocken wiedergibt. Die Erfahrung dessen geschieht oft intuitiv, aber zuweilen unbewusst. Dennoch haben erlebte Gedanken wesentlich mehr Kraft und Energie in sich, als die trockenen, auch wenn die Worte die gleichen bleiben. Das erkennt man durchaus. Denn man kann es eben selbst nacherleben! Die Kraft der gelebten Gedanken überträgt sich auf den Leser und insbesondere auf den Zuhörer. Auf der anderen Seite bewirken trockene Gedanken oft das Gegenteil: zuweilen schläft man dabei ein. Dies wäre wohl der Glücksfall.
Die Unbelehrbarkeit jedenfalls hängt mit der Tatsache zusammen, dass wir nicht bereit sind, uns auf die tiefere Ebene der Dinge einzulassen. Auf der Oberfläche spielen immer Argumente gegen Argumente, Tatsachen gegen andere Tatsachen. Das Verweilen auf dem einmal Erlernten konserviert unser Bewusstsein, trocknet es aus. Vielleicht geschehen die wirklich wichtigen Dinge sogar ausserhalb dieser Gedankenwelt. Vielleicht ereignet sich das Wesentliche zwischen den Gedanken?

Gedankenschnippsel vom Sonntagnachmittag, den 13. September 2015…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Die Illusion vom Glück

GlückViele Menschen streben vor allem nach einem im Leben, nach Glück. Es ist der meist gehegte und genannte Wunsch nebst der Gesundheit. Glücklich zu sein ist für sie die größte Errungenschaft ihrer persönlichen Entwicklung. Nur, was heißt es eigentlich, glücklich zu sein, und wie wird man es?

Viele Menschen meinen, das Glück hänge irgendwo als süße Frucht an einem Baum und könne dort jederzeit gepflückt und gegessen werden. Glück in der Funktion des Geldes, was man eben besitzt oder nicht besitzt, ist ebenso absurd. Beides sind Illusionen. Ebenso wenig wird einem (normalerweise) das Geld tatenlos zuströmen, wie das Glück. Und wenn es tatsächlich tatenlos zufließt, was ja bei manchen Menschen mit klugen Tricks möglich zu sein scheint, so werden sie damit auch nicht wirklich glücklicher. Das Gegenteil scheint sogar der Fall zu sein, wenn man die Selbstmordstatistiken zur Kenntnis nimmt. Vergessen Sie also, tatenlos glücklich werden zu wollen! Tun Sie, wonach Sie getrieben werden, wonach Ihre ethisch-moralischen, sittlichen, kulturellen und/oder sozialen Ziele Sie hinbewegen und Sie werden im Nebeneffekt ein Übermaß von diesen Früchten genießen können!  Die Illusion vom Glück weiterlesen

Selbst-Reflexion, einmal anders betrachtet

SelbstreflexionWenn man den Begriff Selbstreflexion im allgemeinen Kontext hört, kann man sich berechtigterweise die Frage stellen, was das eigentlich bedeutet. In der Psychologie meint es in der Regel dies: Zu beobachten, wie man selbst in bestimmten Situationen reagiert, handelt, wie man fühlt und denkt. Sich selbstkritisch in Frage stellen und die Gedanken, die man äußert, auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Es geht in erster Linie um die Objektivierung eigenen Verhaltens, um richtiges, wahrheitsgetreues Denken und Wahrnehmen. Selbstreflexion in diesem Sinn, findet auf der Ebene der Gedanken statt. „Ist es wirklich richtig, dass ich dieses oder jenes gesagt, getan habe oder tun werde?“ –  „Habe ich diese Mitarbeiterin richtig behandelt, oder war ich zu streng mit ihr?“ – „War es falsch, dass ich mich aus der Gruppe zurückgezogen habe?“ u.s.w. u.s.f.  Selbst-Reflexion, einmal anders betrachtet weiterlesen

Mann oh Mann

Mann seinDas Bild des Mannes ist relativ geklärt, zumindest war es das bis vor vier, fünf Jahrzehnten. Das Rollenbild sieht indessen auch beim größten Teil der heutigen Familien noch ähnlich aus, Mann als Hauptverdiener, Frau mit Haushalt und Kindern beschäftigt. Mit Ausnahme einer kurzen Revolution in den 60ern/70ern, hallen die traditionellen Verhältnisse auch heutzutage wieder nach wie in alten Zeiten, so scheint es. Trotz Alice Schwarzer und nachfolgender Kämpferinnen in Sachen Frauenfrage scheint sich am althergebrachten Rollenverständnis kaum etwas verändert zu haben. Viele Frauen, auch „emanzipierte“, fühlen sich erfüllt in ihrer Aufgabe in „Haus (Hof?) und Herd“.

Dennoch hört man hier und da Unmut. Vor allem, wenn das Ende der „ersten Phase“ (wenn die Kinder ausser Haus sind) naht. Ist die chronische Selbst-Überschätzung des Mannes oder jene der ständigen Selbst-Unterschätzung der Frau und ihrer beider Rollen charakterlich vorgeprägt und auf ewig in die Steine der Menschheitentwicklung gemeißelt? Und die noch wichtigere Frage, oder ist es schon eher ein Rätsel, schließt sich daran an: wann beginnt das Mann-Sein? Oder das Frau-Sein, also das geschlechtliche Leben überhaupt? Und was ist davor? Auf der physischen Ebene kann man zumindest die erste Faktenlage relativ exakt bestimmen. Ein Chromosom prägt schon früh die geschlechtliche Ausrichtung. Davor sind wir offensichtlich geschlechtslos. Zwar behaupten ja viele, es gäbe kein Davor, aber die Frage des Woher bleibt dennoch offen. Betrachtet man die psychischen Faktoren, so wird die Sache aber auch danach erheblich schwieriger zu fassen sein. Und um letztere geht es primär, wenn man ein wenig Licht in die anfangs gestellten Fragen bringen will.

In Fachkreisen tendiert man dahin, dass die geschlechtliche Rollenprägung vor allem in der Kindheit entsteht. Der Begriff der „Rolle“ ergibt sich aus einer gewissen Ausrichtung der erzieherischen Massnahmen und Interventionen sowie dem familiären Rollenverständnis. So beeinflussen sowohl die Verhaltensweise, wie auch das Selbstverständnis der jeweiligen Rolle des Vaters und der Mutter, Geschwister usw. auch die soziale Ausrichtung der Kinder bezüglich deren Rollenbild. Diese adaptieren wie ein Prägestempel deren Bild auf das ihre und tragen es durch ihr Leben. So „funktioniert“ in der Regel Erziehung nach dem allgemeinen Verständnis.
Dabei wird wiederholt von „Rolle“ und von „Funktionen“ gesprochen. Die Rolle im üblichen Sinn ist ein vorgeprägtes Verhaltensmuster, welches in unserem Leben handlungsleitende Impulse impliziert. Das Muster kann auch nachgeahmt und als Kunstmittel eingesetzt werden. Dies genau tun die Schauspieler. Ähnlich „funktionieren“ aber die meisten „normalen“ Menschen. Dadurch handeln und wirken wir in der Gesellschaft gemäß deren Normen, Konventionen, Sitten, Pflichten und Rechten. Eine Rolle kann aber nie das Wesentliche sein! Die Frage taucht immer auf: Was steckt dahinter? Wer ist es, der die Rolle spielt, der hinter der Maske steckt!
Oder anders: Was ist das Wesentliche? Das ist die zentrale Frage. Inwiefern müssen wir unser Verhalten an den Prägungen der Gesellschaft ausrichten oder wieviel persönliche Freiheit steckt darin?

Frau sein, Mann sein sind unzweifelhaft entscheidende Faktoren in den Betriebsrädern einer äußeren Ordnung. Die Gesellschaft, unsere Freunde, Bekannten, Verwandten sehen uns gerne im geschlechtlichen Kontext und beurteilen uns nicht selten ausschliesslich danach. Die Rolle prägt uns, ohne Zweifel. Und wir prägen mit ihr wieder die Gesellschaft. Denn auch wir sehen uns oft gerne im Mantel des Geschlechts und handeln danach. Aber was oder wer steckt dahinter?

Wir umgehen immer wieder uns selbst, das Wesentliche, das Zentrum, den Ausgangspunkt. Das ist die innere Ausrichtung jenseits jedes Rollenbildes. Hier entscheiden nicht Kriterien des Mannseins, Frauseins, noch jeglicher anderer Aspekte, sondern einzig und allein die Schöpferkraft unserer Intuitionen. Mein Fazit: der Kern des Menschen ist ungeschlechtlich und wir sollten auch danach beurteilt werden. Die Clichées, die den Geschlechtern anhaften, bewirken viel Leid und Unrecht. Um dies aufzuzeigen muss man nicht weit ausholen: Stichwort Lohnfragen, Gleichstellung etc. Aus der Sicht des Mannes erlebt man die Welt, das Umfeld anders als aus der Sicht der Frau. Dies ist kein Widerspruch zu dem eben gesagten. Eine Neuorientierung in der Genderfrage müsste tiefer in die menschliche Natur eindringen können. Da nützen oberflächliche Paragraphen und Gesetzeskämpfe nicht viel. Das Bewusstsein reicht auf diesem Niveau nur bis zu äusserlichen, rein zweckmässigen Argumenten. Mit Emanzipation kann letztlich nicht nur jene vom anderen Geschlecht gemeint sein, sondern eine von der geschlechtlichen Abhängigkeit überhaupt…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Freie Gemeinschaften

GemeinschaftenEin hohes, soziales Ziel einer modernen Gesellschaft ist die Förderung „freier Gemeinschaften“. Diese definiert sich ausnahmslos durch freie Mitglieder. Frei können sie nur sein, wenn die darin befindlichen Menschen frei sind. Da sie nicht zum vornherein frei sind, sondern es erst werden müssen, gestaltet sich diese Zielvorgabe als äußerst schwierig.

Das grösste Problem dabei sind „Verkittungen“ und „Verquickungen“, die durch unfreie Menschen geschaffen werden. Verbinden sich diese mit negativen gruppendynamischen Effekten, kann dies die Entwicklung der höheren Ziele jedes einzelnen erheblich stören, auch wenn sich diese als „freie Gemeinschaft“ bezeichnen. Dies geschieht selbst dann, wenn die Inhalte solcher Gruppen edler Natur sind (Menschenrechte etc.) Der freie Mensch definiert sich nicht über den Inhalt, sondern über „moralische Intuitionen„, das heißt immer durch situationsangepaßte, sittliche Ideen und Impulse.

Eine solche Gemeinschaft hätte in diesem Sinn den Auftrag, den Menschen einen Nährboden zu schaffen, der sie näher zur individuellen Freiheit bringt. Welcher Art diese Freiheit ist und was sie nicht ist, kann in Dutzenden von Beiträgen in diesem Blog nachgelesen werden. Nicht Normen, Gesetze, Vorgaben, Richtlinien, Traditionen, Sittengebräuche u.s.w. sind es, die lenken und leiten. Ebenso wenig führen jede Art von Fanatismus oder Dogmatismus dahin, sondern einzig gegenseitiges Vertrauen, Toleranz und eine bedingungslose Liebe zum Nächsten und zu sich selbst. Und dazu gehört die Förderung der individuellen Anlagen von Kindesbeinen an.

Was heißt das? Wo stehen Sie selbst? Wie nahe sind Sie persönlich an dieser Zielvorgabe beteiligt? Wie fördern Sie die Menschen in Ihrem Umkreis in dieser Weise? Welche Intentionen tragen Sie zur Freiheit der Menschen in Ihrer Nähe bei? Wie gestalten Sie den Raum der anderen? Brauchen Sie dafür Durchsetzungsvermögen, Disziplin oder gar Schlauheit? Wenn Sie sich etwas wünschen, wie kommen Sie zu Ihrem Ziel? „Über Leichen“ oder im gegenseitigen Einvernehmen? Das sind Fragen die man sich unentwegt und immer wieder von Neuem stellen muss.

Das Gegenteil einer freien Gemeinschaft ist eine verdeckte, verlogene Gesellschaft von sich selbst behauptender Egoisten, egal wie hoch ihre sozialen oder spirituellen Ansprüche von ihnen selbst gestellt werden. Jede persönliche Übervorteilung gegenüber anderen, reduziert dessen Freiheit, egal ob er/sie es merkt oder nicht! Gerade dies ist die vorrangige Wirkung der meisten (leeren) Versprechungen dieser Art: Sie wirken direkt ins Unterbewusstsein und lassen den Übertölpelten im „Schnäppchenglauben“ oder im „Seelenheilglauben“. Vieles ist in dieser Weise psychologisch konstruiert und konditioniert. Gerade das wichtigste, nämlich das Selbstbewusstsein, wird dabei ausgeschlossen. So wirkt gute Werbung gerade durch Ausschluss desselben! Alles andere ist eine Lüge…

Ist eine freie Gemeinschaft also ein Ideal, kein normaler Zustand? Ich würde sagen, ja, aber ein realistisches Ideal. Erst wenn jedes Mitglied zumindest eine Ahnung davon hat, wie und wo er/sie seine/ihre eigene persönliche Freiheit finden kann (nämlich nur bei  sich selbst), wird sich die Gesellschaft in eine andere Richtung bewegen können. Glaubt man nicht an diese Freiheit, sondern sieht den Menschen bestenfalls als ein einigermaßen klug konstruiertes und mit Vernunft begabtes Wesen, jedoch mit einer tendenziell unkorrigierbaren Neigung zum Egoismus, dann kann sich eine Gesellschaft niemals ändern. Krieg, Betrug, Lüge und persönliche Übervorteilung bleiben darin die unverrückbare Grundausrichtung. Entwicklung zu besseren sozialen Verhältnissen werden immer an den Machtgelüsten anderer scheitern. Insofern wäre es auch konsequent, die Zähne zu zeigen und nichts zu verdecken und zu leugnen!

Für Partnerschaften kann man übrigens das gleiche sagen. Das Ego liebt anders als ein freies Ich! Diese Liebe möchte immer etwas für sich selbst einfordern. Sie sucht die eigene Befriedigung (gegebenenfalls durch den anderen). Alles andere ist eher Pflicht als Kür. Man tut es, um selbst wieder zu erhalten. Das freie Ich lebt vom schenken! Es findet die Erfüllung im Wohl des/der anderen. Es ist die Art von Liebe, wie sie von Paulus im Römer-Brief beschrieben wird. Eine freie Gesellschaft lebt ebenfalls vom schenken. Das bloße einfordern gehört an die gebundene Welt und zum gebundenen ich.

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Authentizität und die Scheinwirklichkeit

Januskopf Wort zum Freitag (dem 13.)
„Authentisch“ will fast jeder und jede sein. Der Begriff ist in aller Munde. Es ist cool, „authentisch“ zu sein: fragt sich nur: authentisch? Womit? Auch Besoffene sind authentisch…

„Als authentisch gilt ein solcher Inhalt, wenn beide Aspekte, unmittelbarer Schein und eigentliches Sein, in Übereinstimmung befunden werden“, heißt es treffend im Online-Lexikon Wikipedia. Wichtig für diese Sichtweise des eigenen Scheins oder Seins ist allerdings die persönliche Identifikationssituation. Es fragt sich, womit sich ein Mensch am meisten identifiziert: Mit dem Schein oder mit dem Sein? Dazu müsste untersucht werden, welche Attribute sein Leben bestimmen, von was oder wem Mann/Frau sich führen oder bestimmen lässt. Die Gebundenheit an den Schein ist nicht per se etwas Schlechtes! Sie zeigt lediglich einen Lebensaspekt auf, der von äusseren Kriterien geleitet wird. Wir bauen uns im Laufe unseres Lebens so manche äußere (Trutz-) Burg auf, konstruieren so manche Vorstellungen und Gedankengebilde, die sich durch die Verhaftung mit dem Schein zeigen. Dadurch bleiben sie mit dem an die Sinne gebundenen Weltbild verbunden. Würden wir genau dies bei uns selbst erkennen, so würde uns etwas klar werden müssen, was wir bislang schlicht vergessen haben; nämlich dass es eben nur ein Schein war. Wir hatten den Schein gelebt, im Schein gelebt und ihn mit dem Sein verwechselt, ohne es zu bemerken!

Genau diese Erkenntnis spaltet unser Bewusstsein in zwei Hälften; die eine, die im Schein verhaftet bleibt, ohne dies zu erkennen. Die andere, die erwacht und den bisher gelebten Schein wie von außen wahrnimmt! Das doppelte Bewusstsein, welches in einer Persönlichkeit wohnt, löst eine Art Erkenntnisdrama aus und verändert unser Leben dadurch schlagartig! Wir stehen jetzt plötzlich erlebend einem Du gegenüber. Die Verhaftung mit diesem Du in uns, bezeichneten wir landläufig als Ich. Wenn wir sagten, „Ich“ will authentisch sein, dann meinten wir, dem Schein gemäß zu wirken, weil wir nichts anderes als den Schein kannten, weil wir mit ihm verbunden und verknüpft waren. Der Schein war unser Sein. Erst das Heraustreten aus dieser Verhaftung löst den gordischen Knoten der Verbundenheit mit dem „falschen Ich“. Wenn wir ihn zerschlagen, „erlösen“ wir uns, wir erkennen den „Erlöser“ in uns, unser wahres Ich, welches sich aus dem Schein der Dinge und der äußeren Welt herauslöst.

Glauben Sie also nicht jedem, der sich authentisch bezeichnet oder so „scheinen“ will. Genauso in Mode gekommen ist es, „ganzheitlich“ zu sein. Wenn aber diese „Ganzheit“ nur die Welt des Scheins ist, dann ist diese Aussage eine Art „Selbstbetrug“. So wie viele „scheinheilige“ Aussagen Selbstbetrug sind, weil sie eben nur zum Schein heilig sind.

Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche und scheinbar frohe Faschingszeit 😉

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

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