Ist Parteipolitik noch zeitgemäß?

PeopleSind Parteien noch zeitgemäss?
Zugegeben, eine sehr provokative Frage, die an einem Jahrhunderte alten Konzept rüttelt. Einige Gedanken zum Arbeitertag…

Erinnern wir uns: der Name „Partei“ kommt von „Parte“, was soviel wie „Teil“ bedeutet. Damit ist schon geklärt, um was es sich handelt: um Teilmeinungen, partielle Ansichten, Voten, Weltanschauungen, Standpunkte. Diese Tatsache ist den jeweiligen Vertretern nicht immer ganz präsent. Es gibt kaum Parteimitglieder, die nicht mit „Leib und Seele“ an ihre Parolen als eine unumstößliche Wahrheit glauben. 

Es gibt mit Sicherheit auch gute Gründe, die dafür sprechen, dass man die Parteipolitik aufrecht erhält. Da sind zunächst die Argumente der Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit. Sicher kann in einem Land, welches eine Vielzahl von Parteien hat, eine umfassendere Diskussion geführt werden, als es z. B. früher in der alten Sowjetunion oder heute faktisch noch in China oder anderswo der Fall ist, wo es nur eine einzige Partei (also eine Teilmeinung!) gibt, welche das Diktat in der Hand hält. Auch die USA steht da mit zwei tragenden Parteien nicht viel besser in der Landschaft. Das Argument der Meinungsvielfalt kann durchaus geltend gemacht werden, nur kann man sich fragen, ob diese Meinungsvielfalt nicht noch besser in einem System ohne Parteien gewährleistet wäre? Auch hier sind mir die Einwendungen bekannt! Zu viele Meinungen lassen oft keine Beschlüsse mehr zu! Fakt ist: Die Meinungsvielfalt muss irgendwie gebündelt werden und das kann man am besten in einer Partei. Lieber zwei Meinungen, wo eine dafür und eine dagegen ist, als 5 Meinungen, die alle ein jeweils unterschiedliches Konzept vertreten!

Dabei entsteht der Konflikt zwischen dem Propagieren der Meinungsfreiheit und der Meinungsvielfalt einerseits und einem Zwang auf der anderen Seite, welcher versucht, das System immer wieder auf Kompromissen aufrechtzuerhalten. Denn was ist eine Bündelung von Meinungen anderes als ein Kompromiss! Dass es schwierig ist, einheitliche Beschlüsse zu fassen, wenn in einer Diskussion von 10 Personen Konkordanz erreicht werden soll, ist sicher klar. Es wird immer eine Art „Restkompromiss“ übrig bleiben. Das ist nun einmal das Schicksal der Menschen, dass jeder irgendwie anders tickt! Und trotzdem kann die Richtigkeit des Parteiensystems in der Form, wie es heute in den meisten Ländern Welt besteht, bezweifelt werden. Faktisch bleiben immer zwei Parteien übrig, welche die entscheidenden Machtansprüche gegeneinander ausspielen. Das sieht man sehr deutlich in den USA, mittlerweile aber auch in Europa. Die Übereinstimmung mit der einen oder anderen Partei ist dann noch der letzte kleine Rest der – wohl oder übel – übrig bleibt von der viel beschworenen Freiheit und „Vielfalt“! Immerhin, „Zweifalt“ ist besser als „Einfalt“…

Man muss sich das vorstellen: Da gibt es Millionen von Menschen in einem Staat und deren Meinungen soll man nun herunterbrechen, reduzieren auf letztlich zwei Meinungen! Ist das noch Menschengemäss? Für wen machen wir denn die Politik? Für Einzelne Mächte, oder für alle Bürger? Bis jetzt war ich der Meinung, das Zweite träfe zu. Zumal das Wort „Demos“, (was so viel wie Volk bedeutet) darauf hinweisen will – und die davon abgeleitete Demokratie soviel wie „Herrschaft des Volkes“ meint – oder meinen sollte.

Beispiel Schweiz | Wenn man nun glaubt, dass sei ja in unseren europäischen Staaten, zum Beispiel in der Schweiz, besser, dann täuscht man sich doch ein wenig. Zwar gibt es dort immerhin einen 7-köpfigen Bundesrat, welcher im Prinzip immer wieder bemüht ist, überparteiliche, sachpolitische Entscheide “konkordant“ zu fällen. Aber schon im Parlament oder bei Volkswahlen wird deutlich: Am Schluss prallen zwei bis maximal 3 Grundkonzepte aufeinander, zwischen denen man sich schließlich entscheiden muss. Das muss doch so sein, sagen Sie vielleicht? Wie will Mann/Frau das denn anders lösen? – Die Aufforderung es anders zu lösen ist groß, das sehe ich wohl ein. Aber wenn man einmal begriffen hat, dass es niemals wirklich gerechte Entscheide geben kann: Wenn man die Meinungsvielfalt letztlich auf zwei oder drei Meinungen reduzieren muss, dann wird man sich irgendwann, um dem hohen Anspruch gerecht zu werden, gezwungen sehen, andere, weiter fassende Konzepte zu erarbeiten.

Das weniger gute dabei ist: Das parteipolitische System hält die Machtkonzentration aufrecht! Auch wenn es zwei oder drei oder vier tragende Parteisäulen in einem Lande gibt. Es ist das doch immer noch überschaubar und führbar von der dahinter wirkenden Finanzmacht. Und da, wo das Geld hinfließt (die Brünnlein fließen), da wird am meisten Macht generiert. Und das Geld fließt dahin, wo die Partei am meisten in die Hände dieser Macht hinein spielt. In egoistischem Sinn ist dies die logische Konsequenz. Altruistische, uneigennützige Ideen haben da wenig bis gar keinen Platz. Es wäre eine Illusion, das zu glauben!

Das Anbinden an die Machtblöcke funktioniert leider oft nur unter einer mehr oder weniger, bewusst oder unbewusst, generierten Gehirnwäsche. Dies wird auch durch die Medien nachhaltig unterstützt, weil auch hier “am goldenen Hahn gezapft“ wird. Die wichtigsten Medien gehören natürlich zu den Machtblöcken (Reuters und Co.), wie das Amen in der Kirche zur Predigt. Konzentration ist Macht! Eine wirkliche “Globalisierung von unten“, so wie ich sie verstehen möchte, welche die Macht auf möglichst viele Fußsohlen verteilen würde ist und bleibt Träumerei! Das bedeutet aber, dass eine offene und ehrliche Kommunikation und freie Informationskanäle geschaffen werden müssten. Das wäre natürlich mitunter auch die große Chance des Internets.

Das Internet ist ein Medium, welches diese Verteilung auf viele Fundamente unterstützen (könnte) und die Wahrheit, wenn man so will, aus der individuellen Einsicht heraus holte und somit nicht aus einem plakativen und propagandistischen Komplex von „gewaschenen“ Denk-Clustern unterläge. Zumindest ist das Potential dazu gegeben. Ob es genutzt wird ist meines Erachtens offen und wird hart umkämpftes/ bekämpften Gut!
Hier sehe ich dennoch die Möglichkeit einer großen Bewegung, welche sich von unten manifestiert und langsam an einem gemeinsamen Konzept zu arbeiten beginnt! Dazu braucht es die gegenseitige Wahrnehmung und Anerkennung einer breiten Öffentlichkeit! Aus dieser Strömung können in einem lebendigen Prozess sachpolitische Inhalte diskutiert und letztlich auch umgesetzt werden. Das ist meine Hoffnung für die Zukunft! Sachpolitik statt Parteipolitik! Ich werd’s wohl nicht mehr erleben. Die Macht der Vielfalt birgt natürlich die Gefahr der Verzettelung. Zu viele, oft sehr gute, aber sich gegenseitig behindernde Initiativen schwächen eine Entwicklung in diese Richtung. Die Lösung des Problems muss in einer kompromisslosen Kooperation liegen…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Veröffentlicht von

weth

1956 in der Schweiz geboren; Autor, Bildhauer, Werklehrer, Architekt und früher einmal Hochbauzeichner und Maurer...

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