Kunst, ein kreatives Thema

Moderne KunstHaben Sie schon einmal mit einem Holzfäller übers Bäume fällen diskutiert? Oder mit einem Metzger übers Schlachten? Okay, für Vegetarier ein leidiges Thema. Und wahrscheinlich haben Sie sich auch noch nie mit einem Buchalter über Finanzprobleme gestritten. Vielleicht doch, aber grundlegende Meinungsverschiedenheiten werden Sie dabei kaum gehabt haben.

Es sei denn, er hat neue Methoden entwickelt, wie man Steuern hinterzieht. Gut, aber lassen wir das.

Worauf ich hinaus will? Manche Themen sind ausgesprochen kommunikationsfreundlich, andere gar nicht. Zum Beispiel dann, wenn Sie sich mit einem modernen Künstler über Kunst unterhalten.

Die Chance, dabei zu Meinungsverschiedenheit zu kommen, ist doch relativ grösser, als bei anderen Berufsgattungen. Eigentlich gibt es in allen Berufen Profis und Laien, in der Kunst gibt es das nicht! Denn jeder fühlt sich berufen, Urteile abzugeben, zu wissen, was schön und was hässlich ist, gut und schlecht. Und diskutieren lassen sich diese Attribute sowieso kaum. Sicher, es gibt immer gute Gründe für oder gegen etwas zu sein. Die einen mögens schrill, die anderen soft, reine Geschmackssache, weiter nichts. Und es sind vorwiegend die „Laien“, die uns erklären, was Kunst ist: Ganz einfach, Kunst ist vor allem das, was „in“ ist, verkaufbar ist, was Zaster bringt, eine der vielen „heiligen Kühe“ des Investments… sagen viele…

Gibt es wirklich keine Beurteilungskriterien für die Kunst? Ist alles Kunst? Gibt es so etwas wie „gute“ oder „schlechte“ Kunst, „entartete Kunst“? Nein, dann doch lieber still bleiben und das Kriterium der Verkäuflichkeit an die oberste Stelle tun. Auch das, was eigentlich Nicht-Kunst ist, wäre doch interessant zu wissen? Wie kann denn heute unterschieden werden, ob etwas Kunst ist oder nicht, ohne gleich in eine Falle zu tappen, geächtet zu werden, abgestempelt zu sein, oder gar – im Falle antisemitischer Begriffswahl, verhaftet zu werden…? Und: wer bestimmt das? Alle? Niemand? Also ist doch ALLES Kunst? Alles: ein Strohlager, Steine, Kadaver, Scherben, einfach ALLES, einige vernetzte Schuhe, Schweinsköpfe an einem goldenen Haken; „Spielt überhaupt keine Rolle: wichtig ist die IDEE dahinter?“ so der allgemeine Tenor. Das heisst, dieses oder jenes hat für den Künstler eine „bestimmte Bedeutung“. Er möchte seine Idee „transportieren“, „originell darstellen“. Es muss also etwas zum Objekt dazukommen, etwas erklärendes. Es gehört ein Konzept dazu. Die Übertragung der Idee zum Betrachter muss dabei möglichst originell und transparent ein. Aha, das ist also Kunst…

Beispiel: Ich möchte, wie man heute so schön sagt „zum Denken anregen“. Wir denken ja schon viel (…zu viel?); ja, aber wir denken offenbar nicht das Richtige! Richtig ist es so oder so oder so. Ich zeige dir, wie man richtig denken sollte, deshalb hänge ich den Schweinekopf an den goldenen Haken, möglichst blutig, damit man sieht, was mit uns armen Schweinen passiert, wenn… und wenn ihr es nicht checkt, so seid ihr selber schuld. Okay, ich werde das mit den armen Schweinen jetzt mal lassen… ist ja egal, ich kann doch einfach einige Quadrate an eine Wand malen, Zahlen hinein kritzeln, ein paar durchstreichen usw.: schon habe ich meine „gute Idee“. Das Ganze als ein riesiges Plakat aufhängen, damit jeder und jede sieht, wie vernetzt die Welt ist… hätten wir vorher ja nicht gewusst…. und? Ist das jetzt gut oder schlecht? Oh, das Urteil überlasse ich doch besser meinen Betrachtern…

Ideen, tausende, abertausende, unendliche Ideen! Und wer hat die Ideen?
Ich!
Ja? Wer ist ICH?
Ja, ich der Künstler Paul!
Okay, Du bist Paul, hast dein Leben gelebt, so wie du es nur leben konntest, hattest dies und das durchgemacht. Lass uns doch einmal über dich reden, Paul, über dein Leben! Woher kommst du? Wie kamst du zu deinem Beruf? Wer waren deine Eltern? Hattest du Geschwister?

Dies und jenes käme zutage, manches Leid, manche Enttäuschung. Verletzungen vielleicht hier und dort. Das Ganze konditionierte Konzept nennst du „Paul“! Und? Ist das alles?
Dieser „Paul“  hat jede Sekunde tausend Ideen, er kann sie nur nicht alle miteinander sehen, weil sie so flüchtig sind. Nur die eine oder andere wird in seinem Gedächtnis haften bleiben, weil er etwas mit ihm zu tun hat, weil er halt Paul ist. Hans oder Peter würden ganz andere Ideen/ Konzepte/ Vorstellungen haben. Anderes würde in ihrem Kopf haften bleiben. Jeder hat seine eigene, gefärbte Geschichte. Also haben die Ideen mit der Geschichte jedes Einzelnen zu tun? Ja, gewiss, womit denn sonst? Aber was haben sie denn für eine Bedeutung für die anderen? Eigentlich keine, müssen sie das denn?

Gut, es kann sein, dass Paul total im „Zeitgeist“ mitlebt und viele seine vernetzten Quadrate mit den Zahlen darin auch gut finden, sexy finden, originell finden. Dann hat Paul Glück gehabt! Er wird ein berühmter Künstler werden und viel Geld damit verdienen. Und weil er bald weiss, was den Leuten gefällt, wird er immer mehr solche Sachen machen und alle werden total begeistert sein! Auf Quadrate konditionierte Menschen werden nach mehr Quadraten schreien, weil sie sich „gesehen“ fühlen. Irgendwann wird alles andere ignoriert, nur noch Quadrate werden akzeptiert, mit Zahlen drin oder dies oder das, halt Ideen eines Menschen mit seiner persönlichen Geschichte. Ist das alles? Gibt es überdies keinen Anspruch an die Kunst?

PS: Betrachten Sie diesen Artikel als ein Kunstwerk, welches zum Denken anregen will 😉

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Veröffentlicht von

weth

1956 in der Schweiz geboren; Autor, Bildhauer, Werklehrer, Architekt und früher einmal Hochbauzeichner und Maurer...

Ein Gedanke zu „Kunst, ein kreatives Thema“

  1. hoi urs
    , danke für deine beiträge, einige lese ich mit grossem interresse. du bist doch der urs,aus basel, mit dem ich in fb befreundet war?
    ich bin zur zeit,in taiwan,wo ich eine ausstellung, im kleinen rahmen, mit freunden, gestalte. ich suchte fundstücke in taiwan, in der stadt, am meer und machte aus einigen schmuck. mit den andern,eine instellation. ich kam ohne etwas nach taiwan, liess mich hier inspirieren. ich mache einfach, was mir freude bereitet und hoffentlich auch andern freude bringen kann… ich werde alles nach basel nehmen und dort auch ausstellen,wenn ich einen raum finde. den schmuck,werde ich für eine kunstschule in südafrika, aus den townships verkaufen. dort gehe ich regelmässig, ehrenamtlich hin,um workshops,in kunsthandwerk zu geben.
    möchtest du evt. meine rundbriefe,von taiwan? dann bräuchte ich deine mailbadresse.
    farbARTige grüsse!
    kathrin
    zu deinem thema,was ist kunst: für mich ist etwas kunst, wenn es mich innerlich berührt! mich nährt!

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