Digitale Technik im Kreuzfeuer

TechnikDiskussionen über technologische Möglichkeiten und Machbarkeiten häufen sich. Manche zeichnen Horrorvisionen bei gewissen Entwicklungen auf. Und dennoch sind sie nicht zu stoppen…

Vor zwei Jahrzehnten war es kaum denkbar, dass sich einige Jahre später Jugendliche und Erwachsene nur noch via Smartphone unterhalten. Dass ein einziges Gerät soviel Zeit unseres Lebens beanspruchen würde, hielt man für einen indiskutablen Zustand, hätte man ihn kommen sehen. Als sie dann da waren, diese Dinger und immer raffinierter wurden, brannte sich das Bild langsam, schleichend und unaufhaltsam in der Gesellschaft ein. Die Macht der Gewohnheit, die zunächst alles Neue verdammt und wenn es sich doch erst einmal etabliert hat, vergöttert, ist ein typisches Merkmal der menschlichen Natur… 

Und nun sind sie eben da. Man sieht sie überall und auch Oma zockt schon ganz gewandt an ihrem iPhone, um sich mit den Enkeln überhaupt noch unterhalten zu können. Wer dies nicht tut, wird gnadenlos isoliert. Heute gilt sie noch als fortschrittlich und aufgeschlossen, diese Oma, morgen ist auch dies Alltag geworden, wenn die Jüngeren unter ihnen ins Alter gekommen sind. Genauso wie in der Anfangsphase der smarten Phones, so werden jetzt deren Nutzbarkeiten und Möglichkeiten ausgedehnt. Stichwort: das Handy als Zahlungsmittel und vieles mehr. Viele, auch junge Leute, sträuben sich noch dagegen. Auch sie sind sich die haptischen Gefühle der greifbaren Moneten noch gewohnt. Das nostalgische Sparschwein aus den Jugendjahren ist bei den meistens noch absolut präsent. Man verliere den Bezug zum Geld, überfordere sein Budget maßlos und habe zudem gewaltige Sicherheitsprobleme, so noch der allgemeine Tenor… noch…

Doch auch diese Zeit wird vergehen, so wie der Widerstand gegen die Eisenbahn, gegen Autos und gegen Flugzeuge irgendwann gebrochen wurde. Das Bild wurde Alltag. „Ja, aber die digitale Technik sei doch nochmal ganz anders einzuschätzen“ hört man hier und da, „das gehe ja so schnell und mache uns total abhängig“. Trotz diesen Stimmen scheint die Entwicklung unaufhaltsam so weiterzugehen.

Dennoch ist auch dies, wie so vieles schließlich einzig und alleine letztlich eine Frage des Bewusstseins. Der Umgang mit diesen Mitteln schafft einerseits neue Abhängigkeiten, bricht andererseits aber in die tiefsten Schichten menschlicher Bedürfnisse ein und hat somit Wandlungspotenzial. Die Frage nach der Freiheit muss auch hier gestellt werden. Sind Geräte, ist die Technik, wirklich in der Lage, den innersten Kern des Menschen zu verletzen? Es gibt wenig Zweifel, dass sich durch diese Entwicklung immer mehr äußere Abhängigkeiten ergeben. Aber ebenso scharf und kritisch muss das Aufwachen sein! Der Widerstand für den einzelnen Menschen wird herausgefordert. Ein „Ort der Stille“ wird einerseits zubetoniert, andererseits immer lauter gefordert. Das bloße Reagieren verstärkt sich. Gleichzeitig aber wird die Anforderung eigener Impulse umso dringlicher an uns herantreten, als es vielleicht noch vor einigen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten der Fall war, als der Mensch noch sehr stark in familiäre und soziale Hüllen eingebettet und dadurch „gesichert“ war.

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Es gibt grundsätzlich keine Entwicklungsverhinderer sondern nur Entwicklungsförderer. Die Verantwortung kann nicht an fremde Mächte oder Kräfte irgendwelcher Art abgegeben werden. Jeder handelt immer in seiner individuellen (Eigen-) Verantwortung. Ob sie kompetent ist oder nicht, entscheidet letztlich das eigene Bewusstsein. Selbst wenn diese Behinderung auf dem Weg zur Erringung zu einer individuellen Freiheit sehr groß sein kann, so liegt es doch immer an der Reife jedes Menschen selbst, wie weit er sich vom Weg abbringen lassen will. Die Verirrung und Verflechtung mit den äußeren Zwängen mag groß sein, aber deren Auflösung kann nur bei jedem einzelnen liegen. Die Verantwortung kann auf nichts und niemanden abgeschoben werden. Dies widerspricht der Natur einer individuellen Freiheit. Denn das ist ja eben deren innerste Natur, deren Wesen, dass sie ungebunden auftreten muss.

Dies widerspricht dem Einwand der äußeren Gefahren in keinster Weise. Diese bestehen und sind ein Bestandteil unserer Welt. Je länger, je mehr – und umso markanter. Sie gehören ebenso zum Reifeprozess wie jede soziale Kompetenz auch. Die letztere kann die erste nicht verhindern, sondern bestenfalls mildern. Diese Einsicht schützt keinesfalls vor der Verantwortung gegenüber den Mitmenschen! Aber auch dieser muss der freie Entscheid attestiert werden. Auf beiden Seiten ist äußerste Wachsamkeit gefordert. „Erziehung“ in diesem Sinn kann helfen, den Umgang mit konfliktbeladenen Handlungen und Errungenschaften mit größtmöglichen Bewusstsein zu begegnen. Aber sie kann deren Wirksamkeit und Präsenz nicht wegschaffen oder ungeschehen machen. Auch hier geht es letztlich wieder um die Stärkung der eigenen Kompetenzen in einer Art Selbsterziehung. Daraufhin kann jede pädagogische oder therapeutische Begleitung abzielen. Der letzte Schritt liegt bei jedem einzelnen Menschen selbst…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Veröffentlicht von

weth

1956 in der Schweiz geboren; Autor, Bildhauer, Werklehrer, Architekt und früher einmal Hochbauzeichner und Maurer...

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