Ode an mein Smartphone…

smartphoneWir wissen es alle, welchen Zauber Neuigkeiten auf uns ausüben können. Seit einigen Jahren können wir drahtlos und standortunabhängig auf alle Informationen der Welt zugreifen.
Wir sind in der Lage, fast alle Dinge des täglichen Lebens mit den smarten Dingern zu erledigen. Kaum ein Gerät hat unser Leben derart verändert wie diese kleinen, netten Bildschirmchen.

Wo wir auch hinblicken, in die Trams, Busse, Züge, ja sogar bei vorbeifahrenden Automobilisten (+innen) – in Warenhäusern; an die Tischchen der Restaurants, wenn zwei Verliebte, gebannt auf diese kleinen viereckigen Flächen ihre Zeit vergessen, nur leider nicht wegen des geliebten Partners, dessen glänzende Augen sich im (unangenehmen) Widerschein des kalten Lichtes spiegeln – kurz: überall erblicken wir sie, vertieft in irgendeine Nachricht, in irgendein Bildchen, ein bisschen Musik, ein Spielchen und wer weiss was noch alles…

Mann/Frau gehört natürlich selbst dazu, will ja nicht hintendrein hinken im Strome der Zeit, uncool sein, hat sich selbst längst an den Wert dieser Dinger gewöhnt (auf dem auch dieser Text geschrieben wurde). Und dennoch: Wie langweilig sind sie eigentlich! Wie unendlich nervig, wie sehr ziehen sie uns in ihren Bann, bis unsere Augen brennen, weil wir schlicht vergessen zu blinzeln. Wir versklaven uns, machen uns zu Robotern des technischen Fortschritts mit immer wiederkehrenden, teilweise irrationalen Handlungsmustern…

Und dabei sind sie doch so langweilig! Immer das gleiche Bild, wohin wir blicken! Nach irgendetwas Interessantem spähend! Ständig checkend, ob es etwas Neues gibt, irgendeine Sache, die uns – wieder einmal – von den alltäglichen Sorgen abziehen kann; eine neue Nachricht auf Whatsapp vielleicht? Eine neue Mail vielleicht? Schon wieder diese Twitter-Benachrichtigungen, diese ewig langweiligen Mitteilungen, dass jemand irgendetwas favorisiert hat, „retweetet“ hat, was man, fast schon automatisiert, mitgeteilt hatte, weil man es ja so wichtig fand …

Man erfährt jederzeit und in Echtzeit, wer – was – wo tut, wer – wann – wo ist und was er/sie gerade denkt oder fühlt. Man sieht unendlich viele „neue“ Nachrichten in den mobilen Zeitschriften, Blogs, Portalen… …und alles das soll man lesen?!? Auch dieses hier?! Ach wie langweilig ist all das plötzlich! Langweilig, weil es keine wirklich coolen Neuigkeiten mehr gibt, die uns zu einem ultimativen „Kick“ verhelfen könnten! Es sind einfach zu viele, zu viele unnütze oder auch zu viele gleiche, immer wiederkehrende Nachrichten. Kriege, Verbrechen, wenn sie nicht gerade in unmittelbarer Umgebung passieren, werden ignoriert, von einem dumpfen Bewusstsein verdrängt, weil sie kaum mehr fassbar sind. Das Zuviel hat uns überwältigt… Das Mehr konditioniert… und: Das Wesentliche ist in die Ferne gerückt…

Es gibt kein „vernünftiges“ Mass mehr (was ist schon „vernünftig“; wer weiss es denn noch?). Der Überfluss hat gesiegt. Das Alles-und- jederzeit Verfügbare stillt irgendetwas ganz Zentrales in uns nicht mehr. Etwas, was jenseits der Zeit, jenseits des verfügbaren liegt. Und dennoch: etwas ahnen wir gleichwohl… Aber, es bleibt immer an der Oberfläche dieser Bildschirme hängen. Still und heimlich (oder besser: unheimlich), schleicht sich allmählich Unmut ein: Handy ein, Handy aus, ein, aus, ein, aus… Moment, nochmal schnell checken – – – vielleicht passiert gerade – JETZT – etwas ganz unglaubliches, etwas, was mir diesen lang ersehnten Kick verleiht, mich anstachelt, antreibt, weiter bringt… doch – wieder nichts. Alles, was kommt, wird schnell wieder vergessen, versandet im Nichts, im Nirwana eines endlosen Gähnens…

Selbst die vielen wundersamen Games mit ihrer 3-Dimensionalen, phantastischen Grafik, vermögen mit der Zeit nicht mehr wirklich zu befriedigen. Level um Level wird erreicht. Alles verlangt immer wieder nach noch mehr, noch besserem, noch schnellerem, nach etwas in uns, was endlich einmal (in ferner Zukunft vielleicht) zufrieden gestellt werden könnte.
Aber das letzte Level – wird niemals erreicht! Irgendwann wird alles langweilig. Alles… …weil wir nach etwas anderem suchen. Wir suchen immer wieder von Neuem – nach Neuem, nach dem Ultimativen, nach dem Letztgültigen, nach dem, was uns irgendwann einmal so tief befriedigt, dass wir nichts Neues mehr wollen!!! Etwas zeitloses, raumloses – ein ewig Seiendes… Aber die Illusion, der Reiz des Neuen packt uns immer wieder, zieht uns in den Bann des Besonderen, was den mühsamen Alltag versüßt. Wir können uns ihm nicht entziehen. Wir werden immer nur für eine gewisse Zeit befriedigt, dann – ist es aus… Ende – Tod… „dumm geboren und nichts dazu gelernt…“, heißt es dann…

So reiht sich Höhepunkt an Höhepunkt in unserem Leben.
Aber nach jedem Höhepunkt folgt ein Fall in die Tiefe.
Wir schwanken wie Schiffchen in den Stürmen des eigenen Seelen-Gewirrs
und merken dabei nicht, dass dieses Suchen solange weitergehen,
wiederkehren muss,
bis wir angekommen sind.
Angekommen… im Jetzt

…bei uns selbst…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Veröffentlicht von

weth

1956 in der Schweiz geboren; Autor, Bildhauer, Werklehrer, Architekt und früher einmal Hochbauzeichner und Maurer...

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