Auf der Suche nach meiner künstlerischen Intention zwischen zwei Welten

Seit über 30 Jahren bin ich als Bildhauer, Maler und Kunsttherapeut aktiv im bildnerischen Bereich tätig. Woher kommen denn die Impulse meines Gestaltens und Wirkens? Die Frage nach der Intention in der Kunstschöpfung beschäftigt mich schon seit Jahrzehnten, sowohl philosophisch, wie auch künstlerisch im eigenen Schaffen.

Früher stellten sich solche Frage kaum. Zumindest aus erkenntnistheoretischer Sicht hat man das eigene Tun selten betrachtet. Die Künstler standen vor einer konkreten Aufgabe in der Gestaltung drin, in welcher Art auch immer. Diesem inneren oder äußeren Auftrag stellten sie einerseits sowohl ihr handwerkliches und/oder technisches Geschick gegenüber, als auch eine unbestimmte Empfindung für das gewählte Motiv. Aber woher kamen und kommen denn die Ideen, die Vorstellungen und ganz allgemein, die Kräfte, dieses oder jenes Motiv zu wählen, diesen oder jenen Stil?

Kunstentwicklung der letzten Jahrzehnte

Expressionismus, Kandinsky

Dass nun in jüngerer Zeit auch das Motiv selbst in Frage gestellt wurde war sozusagen eine Errungenschaft der letzten etwa 100 Jahre. Das gegenständliche Vorstellungsvermögen sollte dabei in den Hintergrund rücken, um dem eigenen emotionalen Aspekt mehr Raum zu geben, auch ohne konkretes Motiv.

Auf diese Weise entstand die „abstrakte Kunst“, wobei der Gegenstand einem farblichen und/oder formalen Geschehen Platz machte (siehe Bild von Kandinsky). Hierbei stützte man sich gewissermaßen nur noch auf ein rein seelisches Erfahrungsfeld. Die Frage, worauf sich nun dieses „Seelische“ (dahinter) bezog, wurde kaum gestellt, „es“ ergab sich einfach und spontan. Viel mehr stand der Effekt im Vordergrund. Dieses instinktive Vorgehen öffnete Tür und Tor für subliminale Prozesse, die unerkannt aus dem Hintergrund hineinwirken konnten. Dies machte auch Kräften Platz, deren Kontrolle man ausgeliefert war.

Während man im Impressionismus (zumindest formal) noch den (relativen) Zusammenhang mit der äußeren, sinnlichen Welt behielt, die man versuchte in einem neuen Licht erscheinen zu lassen, so hat man diese Ebene im Expressionismus weitgehend verlassen, um vorwiegend den inneren (aber oft unerkannten) Emotionen Ausdruck zu verschaffen. Bei Letzterem stützte man sich auf Vorstellungen und konkrete Motive. Die Expression bezog sich im Wesentlichen auf die Farbgebung einer vereinfacht dargestellten Formenwelt.

Erst später vollzog sich der Schritt hin zum vollkommen abstrakten Bild, wo sowohl Formen wie auch Farben sich loslösten vom realen, sinnlichen Bezug. Die Intention ging also weg von Vorstellung und Motiv bis zum rein emotionalen Element eines seelischen Ausdrucks, jenseits des materiellen Bezugsrahmens. 

Mein eigener Weg

Als Kunstschaffender hatte ich diesen bestehenden und allseits bekannten Weg ebenfalls vollzogen, wobei mir selbst der expressive Ansatz immer nähergestanden hatte, als der impressionistische. Dabei rückte das äußere Motiv immer mehr in den Hintergrund, ohne jedoch ganz verschwinden zu wollen. Ich bemerkte auf diesem künstlerischen Weg eine große Gefahr in meiner persönlichen Entwicklung. Es vollzog sich ein Verlust jeglichen Haltes an der realen, äusseren Welt. Der innere Halt ging dabei ebenso verloren, wie der äussere. Diese Entwicklung bemerkte ich auch bei vielen anderen Künstlern, die mir nahestanden. Dieser Zustand war unangenehm, was sich aus der Selbstbeobachtung allmählich bald ergab.

Es musste etwas im Inneren gesucht werden, was den Verlust des äusseren Halts kompensieren, oder besser, ersetzen, oder noch besser, diesen durchdringen konnte! Durchdringen hiesse, dass man nicht aus der Vorstellung zu einem Motiv kommt, sondern umgekehrt, dass sich das Motiv von innen heraus „wie von selbst“ einstellt. Dies muss jedoch ohne den Verlust eines bewussten Gestaltens gelingen!

Bewusstes Schaffen

Es ging und geht mir also immer um das bewusste Schaffen, aber weniger von den Kräften des Verstandes geleitet, als vielmehr umfassender, das unmittelbare Empfinden mit einbezogen! Für die meisten Menschen gibt es eine solche (innere) Kraft nicht. Deshalb versuchen sie den äußeren Halt auf Biegen und Brechen aufrechtzuerhalten. Sie bleiben am Motiv, an der Vorstellung kleben und versuchen alles nur gefühlte gänzlich durch Technik und „Stil“ (was immer das auch sein mag), zu kompensieren. Das ist die eine Richtung. Die andere verlässt alles Denken, alles Vorstellen und wird in gewisser Weise „verrückt“, also weg gerückt, unbewusst. In dieser Weise verlieren sie sich im emotionalen Gewoge des „Auf und Ab“. Beide Bemühungen verlieren etwas Entscheidendes: sich Selbst, das Schaffen aus dem Ich heraus, dem Zentrum und Kern des Menschen.

Das Abgleiten kann also in zwei Richtungen geschehen. Und mit „Abgleiten“ ist in diesem Kontext nichts despektierliches gemeint, sondern ein natürliches Schwanken in einem Entwicklungsprozess. Dies zu durchschauen und stets wieder zu korrigieren, ist die schwierigste Aufgabe, die sich meinem künstlerischen Tun stellt. Dazu habe ich schon viele Bücher und Aufsätze geschrieben, will hier also nicht näher darauf eingehen.

Extreme erkennen und überwinden

Diese zwei Extreme möchte ich überwinden. Darum geht es mir. Es muss eine Brücke geschaffen werden vom Einen ins Andere. Darin besteht heute im Wesentlichen die Intention meines künstlerischen, wie auch jene des therapeutischen Schaffens mit künstlerischen Mitteln! Das Hin- und Her in diesem Suchen birgt viele Gefahren. Die Vorstellungen der materiellen Welt möchten sich zwar stets hinwenden zu deren spirituellem Hintergrund, aber es bleiben eben immer noch Vorstellungen! Die Tendenz, dass plötzlich „Engelwesen“ oder engelartige Gebilde oder andere Lichterscheinungen erscheinen, die aber auch aus einer blossen Vorstellung und nicht dem unmittelbaren Erleben entspringen, sind dieser Verirrung geschuldet! Vorstellungen bleiben Vorstellungen und damit immer nur indirekte Impulse einer inneren, zentralen Kraft, die sich den Weg nur über den Verstand suchen will. Sie haben nichts zu tun mit bewusst aus Imagination, Inspiration oder gar Intuition heraus Erlebtem!

Fazit

Deshalb ist es mir außerordentlich wichtig, dass ich diesen zentralen „Punkt“, diese Kraft in mir finde, die mich aufrecht erhält, auch dann, wenn nichts Äußeres mich trägt. Mich aber auch gleichzeitig aufrecht erhält, wenn ich mich einseitig im Verstand wie in den Gefühlen verliere!

Ganz konkret versuche ich seit Jahrzehnten im bildhauerischen wie im malerischen Schaffen während des ganzen Prozesses der Formentstehung diese wache Präsenz aufrecht zu erhalten, die das Tun begleitet. Je mehr Klarheit in Form und Fläche entsteht, umso mehr kämpft man in solchen Momenten gegen die andere Seite, jene die von den Augen her kommt und ständig gewisse Bezüge und reale Formen sucht, die „etwas“ darstellen, an denen man sich festhalten kann. Man tendiert dann dazu, Anlehnungen an konkrete Motive zu realisieren. Man drängt dahin, das noch Schleierhafte in Gestalten und Motive festlegen zu wollen! Sich hier zurückzuhalten ist nicht einfach! Es möchte (oft auch vom Betrachter her, damit das Bild „verstanden“ wird) stets etwas konkretes im Bild, in der Form „gesehen“ werden, um eben diesen äußeren Halt wiederzugewinnen. Hier beginnt eine Art Kampf im eigenen schöpferischen Gestalten. Eine Formbindung einerseits oder das Verschwimmen und Verlieren ins Leere, Gestaltlose andererseits.

Die Kunst als „weicher Faktor“

federWie kann die Kunst konkret nutzbar gemacht werden? Man spricht auch heute noch oft in Unternehmungen und Institutionen vom Leistungslohn. Was für manche Menschen zu einem Schimpfwort geworden ist, geniesst vielerorts breite Anerkennung. Aber was heisst denn Leistungslohn? Was meint Leistung? Wie wird sie gemessen und welche Kriterien bedingen sie. In erster Linie geht es darum, mit Leistungen Faktoren zu erkennen, welche das (vordergründig) wichtigste für die Unternehmung ist, nämlich der Umsatz. Lassen Sie mich eine Schlaufe machen, bevor ich zum Kern der Sache, der Kunst, komme.

Leistungslohn

Konkret geht es immer um Umsatzsteigerung. Wenn in einem Betrieb zwei Arbeiter an einem Fliessband stehen und der erste 10 Einheiten pro Minute schafft und der zweite nur 8 Einheiten, dann ist für die Firma der erste Arbeiter besser als der Zweite. So einfach ist das! Was braucht man da zu kommentieren? Wenn der Durchschnitt der Einheiten meinetwegen bei 8 liegt pro Minute, dann kann man daraus schliessen, dass Arbeiter 1 eine überdurchschnittliche Leistung vollbringt, während dessen Arbeiter 2 nur durchschnittlich arbeitet. Ein angenommener Arbeiter 3, welcher im Schnitt nur 7 Einheiten schafft ist also unter dem Durchschnitt und muss mittelfristig mit der Entlassung rechnen, wenn er seine Leistung nicht zu steigern vermag. Ansonsten wird er zu einem Leistungsbremser für den Betrieb. Das sind ja alles ganz einfache Milchbuchrechnungen. Sie brauchen keine weiteren Ergänzungen.

Jetzt wird vielleicht ein Ansporn dadurch geschaffen in der Firma, dass man sagt, man zahle Arbeiter 1 etwas mehr Lohn als Arbeiter 2 und dem dritten wiederum etwas weniger als dem Durchschnitt. Somit hat man dem dritten eine Motivation gegeben, seine Leistung zu steigern, weil er dann auch mehr Geld verdienen kann. Dies sind sehr pragmatische und gut funktionierende, wirkungsvolle Modelle, die noch gerne praktiziert werden und die ich nun einmal die „harten Faktoren“ nennen will.

Qualitätsfaktoren

Was in der Industrie noch ganz gut einsehbar ist und auch einigermassen zu funktionieren scheint, wird allerdings schon etwas schwieriger durchzuführen sein, wenn die Arbeit nicht mehr in Stückzahlen oder Einheiten berechnet werden kann, sondern meinetwegen mit Einfühlungsvermögen oder Menschenkenntnis. Diese Kriterien finden wir in allen Berufen wieder, die primär oder sekundär mit Menschen zu tun haben. Ich will sie „weiche Faktoren“ nennen.

Während man die harten Faktoren durchaus mechanisch und konditionierend lenken und trainieren kann, wird es bei den weichen Faktoren schon schwieriger mit solchen Massnahmen weiter zu kommen. Hier müssen andere Wege gegangen werden, um so etwas wie „Leistung“ messen und bilden zu können. Es ist durchaus nicht nur die Aufgabe von sozialen Betrieben und Institutionen, wie Spitälern, Heimen oder Schulen usw., um zu erkennen, dass weiche Faktoren eine wesentliche Rolle spielen können.

Leistung eines Lehrers bemessen…

Man könnte sich ja z.B. fragen: Wie messe ich die Leistung eines Lehrers? Bevor ich aber auf diese Frage eingehen will, könnte ich mich auch fragen: Wie messe ich die Leistung eines Personalchefs? Wie messe ich die Leistung eines Managers? Den Manager wird man auch wieder primär in Geldbeträgen, also in Umsatzsteigerungen messen. Das kann kurzfristig mit vielen Möglichkeiten durch Konditionierung und Rationalisierung, durch Kurzarbeit oder durch restriktive Umstrukturierungsmassnahmen zu positiven Messergebnissen führen. Mittelfristig könnten aber andere, nämlich weiche Faktoren dafür sorgen, dass sich ein Betrieb überstrapaziert und dadurch massive Einbrüche erleidet, die jedoch erst auftreten, wenn der entsprechende Manager wieder davongezogen ist (inklusive einer satten Abgangsentschädigung…). Es gibt immer verschiedene Perspektiven, die Entwicklungen zu betrachten und letztlich wird die Frage nach einem stabilen und zufriedenen Betriebsklima wieder laut, weil sie über langfristige Zeiträume hinweg gesehen die positivsten Ergebnisse bringen wird.

Wir kommen gleich zum Punkt

Geben Sie mir noch ein wenig Zeit um endlich zu der Frage der Kunst zurückzukommen, denn die Zusammenhänge werden wohl kaum richtig und einleuchtend verstanden, wenn die Vorbedingungen nicht ausführlich geschildert werden.

Ich bleibe noch die Frage schuldig: Wie misst man den Erfolg eines Lehrers? Das könnte vielleicht Aufschluss darüber geben, was sogenannt weiche Faktoren bedeuten und wie sie die Leistung beeinflussen können.  Auf die Schnelle wird man – nach dem Fliessbandschema gemessen – sagen: Der Lehrer A bringt 10 Schüler durch die Abiturprüfungen, ergo ist er der bessere Lehrer, als derjenige, welcher nur 8 Schüler durchbringt. Klarer Fall: Leistung beruht auf harten Fakten, egal WIE die Sache erreicht wird! Demgemäss kriegt der Lehrer A mehr Lohn, da seine Leistung höher ist als die des Lehrers B. Ähnlich wie der Staatsanwalt, welcher von 20 Angeklagten 15 durchbringt und damit besser ist, als der Staatsanwalt B, welcher von 20 Fällen nur 12 durchbringt, so sieht es auch beim Lehrer aus! Alles klar! Gibt es da noch Fragen?

Menschliche Faktoren

So klingt es zuweilen heute noch absurd, wenn man sich abmüht andere, menschlichere Kriterien einzubringen. Leistung scheint eine Frage der Quantität zu sein, messbar in Stückzahlen, Stundenbeträgen oder Umsatzzahlen. Gut zugegeben, die Umsatzzahlen müssen am Schluss stimmen. Keine Firma wird sich, wenn sie im Markt bestehen will, Umsatzeinbussen nur aus rein humanen Gründen heraus leisten können, indem sie unqualifizierten und meinetwegen sozial schwierigen Menschen uneingeschränkte Rechte einräumt. Die Frage bliebe immer unbeantwortet, ob sie, erstens, damit diesen Menschen einen Gefallen tun und zweitens, ob sich die Einbussen dafür lohnen.

Aber es muss die Frage erlaubt sein, ob sich nicht andere Möglichkeiten finden lassen, welche beide Aspekte gleichermassen befriedigen könnten! Um zum Lehrer zurückzukommen: Der Umstand, dass der eine mehr Schüler durch die Abiturprüfung bringt, muss noch nicht heissen, dass alle diese Schüler auch zufrieden damit sind und eine entsprechende Leistung im Wirtschaftsleben zu erbringen vermögen. Bei der Leistungsbemessung des Lehrers wird nur die Zahl berücksichtigt, die in diesem Beispiel zum Bestehen der Abiturprüfung führt. Es könnten nun sicher auch ganz andere Beispiele angeführt werden, z.B. die Beurteilungen von Prüfungen der einzelnen Schüler, die Promotion in eine nächste Klasse usw. Das Prinzip bleibt das Gleiche. Es steht eine Zahl im Vordergrund, die gemessen wird und die dokumentiert, dass ein Lehrer A gegenüber dem Lehrer B eine bessere oder schlechtere Leistung vollbringt. Es bleibt als Endprodukt ein harter Fakt: die Zahl, bestehen.

Was kann denn daran schlecht sein? Worauf will ich hinaus?

Ohne jetzt gleich von guten oder schlechten Fakten zu sprechen, möchte ich von einer anderen Warte aus versuchen die Sache zu betrachten. Ich könnte z.B. das Schicksal eines der Schüler weiterverfolgen, welcher zu denjenigen gehörte, welche die Abiturprüfung des Lehrers A bestanden haben. Dazu vorab folgende Überlegungen: Lehrer A ist bekannt für seine ausserordentlich hohen Zahlen von rekrutierten Schülerinnen und Schülern. Er hat im Laufe seiner beruflichen Entwicklung einen besonderen Ehrgeiz entwickelt, die Optik seines Lehrplans auf möglichst hohe Optimierungszahlen zu legen. Dazu hat er keine Tricks und Verfahren gemieden, die in irgendeiner Weise diese Zahlen steigern konnten. Unter anderem galt er als ein besonders harter und ehrgeiziger Lehrer, welcher sich einen hohen Kontroll- und Strafmechanimus aneignete, um seine Ziele durchzusetzen.

Nicht selten forderte er mehr von seinen Schülerinnen und Schülern, als denen lieb war. Die chronische Überforderungssituation der Schüler (und mit der Zeit auch seiner selbst), war das eine. Ein anderes war die Strategie eines Profils, welches fast ausschliesslich auf Leistung getrimmt war und sich dadurch auch bei seinen Schülern an den messbaren Werten, den harten Fakten, orientierte. Das trug dazu bei, dass auch die Schüler jenen Mechanismus eingepflanzt bekamen, welcher die Durchschlagskraft, das Aggressionspotential und den nötigen Biss zu fördern vermochten. Viele seiner Schüler entwickelten sich zu blutlosen und eigensinningen Hardworkern, die es in Wirtschaft und Politik zu hohem Rang und „Erfolg“  (im Sinne des oben genannten Managers), brachten. Der andere Teil, und zu denen soll unsere Lebensbeschreibung gehören, gingen an diesem resoluten Bildungsstil zu Grunde…

Ein Beispiel

G. war ein solcher Schüler. Er hatte sich zu Beginn der Schulzeit schon sehr bald an ein hohes Tempo der Lernschritte gewöhnt und wurde in entsprechender Art und Weise auch von seinen Eltern gefordert und gefördert. Er hatte eine hohe Intelligenz und grosse Auffassungsgabe. Zugleich aber war er, nebst seinen mathematischen Fähigkeiten, auch sehr musikalisch begabt. Diese Begabung wurde von den Eltern und dem Lehrer A zwar durchaus geschätzt und gelobt, aber nicht entsprechend gefördert.

Lehrer A sah in dem jungen talentierten Schüler schon bald einen potentiellen Mathematikprofessor oder begabten Forscher. Er setzte besonders viele Kräfte ein, um ihn durch die Vorbereitungen zu bringen. G. war zwar begabt, aber er hatte ebenfalls eine feine und empfindsame Seele. Daher konnte er die Anforderungen nur mit grossen Schmerzen und der Achtung vor seinem Vater bis zum Ende durchtragen. Er bestand die Abiturprüfung schliesslich zur grossen Freude aller mit Bravour und studierte einige Jahre an der Universität die geforderten Fächer. Seine schwache konstitutionelle Natur machten sich immer mehr bemerkbar und zeigten sich schliesslich in einer schweren Krankheit.

Weiche Faktoren

Misst man den Erfolg des Lehrers nun anhand der harten Fakten, waren seine Leistung (und die der Eltern) durchaus optimal. Sieht man aber den weiteren Entwicklungsweg des jungen Menschen mit in Betracht, so kommt man nicht nur aufgrund des tragischen Verlaufs, sondern auch mit dem zählbaren Wert nicht mehr ganz klar!

Und hier erst kommt die Kunst ins Spiel. Sie ist nie nach harten Fakten zu bemessen. Sie orientiert sich nur an den sogenannten „weichen“. Dennoch führt sie den Menschen näher an seine ureigene Quelle heran und fördert alles, was in seinem Eigeninteresse liegt. Und zwar im tiefsten Sinne. Die Verbindung mit der Welt in einer Partnerschaft oder im Beruf, hat immer eine innere Komponente. Der Antrieb zu seinem Tun, wird dadurch nicht nur ehrlicher und authentischer, sondern durchaus auch effizienter! Die Rückwirkung auf das alltägliche und soziale Leben, auch in der Wirtschaft trägt so die allerbesten Früchte.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

Woher kommen künstlerische Ideen?

IdeenSeit langer Zeit beschäftige ich mich mit Themen des menschlichen Bewusstseins. Als Kunstschaffender und Kunsttherapeut bin ich gleichzeitig immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie Urteile und Impulse in der Kunst entstehen, und woher der Künstler seine „Ideen“ bezieht. Damit meine ich natürlich nicht das Internet oder irgendwelche Bücher, die er nachschlägt, wenn er keine Einfälle mehr hat.

„Ideen“ entstehen natürlich vorzugsweise im Kopf eines Künstlers. Sie äussern sich als „Einfall“, Assoziationen oder zuweilen auch als Vorstellungs-Konstrukte. Es sind innere Wahrnehmungsbilder, welche Ideen (und Ideale) schaffen. Diese sind meistens Produkte der persönlichen Wahrnehmung der Welt. Und die Wahrnehmung der Welt nimmt ihrerseits Bezug darauf, wie die Welt um sich herum erlebt wird! Es sind nicht die (versteckten, vermeintlichen) Vorzüge anderer Künstler, die man als ehrlicher Kunstschaffender nachzuahmen sucht, auch wenn sie zu den grossen Werken der Weltgeschichte inspirierten.

De facto geht es immer um Erlebnisse

Die Crux bei der Sache ist immer wieder dieselbe Frage; jene nach der inneren Freiheit und danach: „Wie frei ist der Kunstschaffende und im Prinzip jeder Mensch, wenn er „nur“ erlebt (…und dann daraus seine Werke oder seine Taten schöpft) ?“ Gewiss: mann/frau muss ja nicht zwingend den Anspruch haben, in der Kunst frei zu werden. Viele denken gar nicht über diese Frage nach oder es ist ihnen vollkommen egal, wie es sich damit verhält. Meine persönliche Intention ist es auf jeden Fall! Das Gefühl von Freiheit unterscheidet sich von der Realität, die viele allerdings kaum wahr nehmen.

Andere Kunstschaffende behaupten deshalb, sie schaffen selbstverständlich aus „freien Stücken“, sie sind ja „Frei-Schaffende“ Künstler! Viele erkennen dabei nicht, woher die Impulse ihres Schaffens wirklich kommen. „Gesellschafts-konform“ sind in ihrem Sinne die Werke dann, wenn sie von dieser begehrt und geachtet werden. Mit anderen Worten: Wenn sie sich verkaufen lassen. Kunst als blosser Job, um mit den Ideen und Vorstellungen, Geld zu verdienen. Hier liegt der berühmte „Hase im Pfeffer“.

Gibt es dennoch eine tiefere Ebene, die uns als Kunstschaffende bewegen könnte?

Ich meine: Ja! Würde ich mit meinem Bewusstsein so tief eindringen können, dass ich quasi über die Ebene des blossen, alltäglichen Denkens/Vorstellens, woraus in der Regel unsere Ideen genährt werden, hinauskommen, dann würde ich erkennen, woher „meine“ (vermeintlichen) Gedanken (und damit auch die Ideen) kommen und welchen Motiven sie entspringen. Ein solcher Anspruch darf sich niemals nach den äußeren Kriterien der Gesellschaft und der Wirtschaftlichkeit richten, sondern nur nach den inneren Gesetzen des auf diese Weise erlebten. Der äussere Erfolg darf diese Ebene nicht verdecken. Es darf keine „künstlerische Genügsamkeit“ entstehen.

Der Anspruch in die Tiefe zu dringen ist gegenwärtig nicht so vielen Künstlern eigen, wie man es in der Vergangenheit vielleicht noch eher erleben konnte. Leider, muss man sagen, wird diese Genügsamkeit des Erfolgs einhergehen mit zunehmender Dekadenz. Denn die Kunst wird gefärbt von den Ideen der Menschen. Und die Ideen der Menschen richten sich nach den Idealen einer Gesellschaft, nicht mehr nach dem Individuum. Man kann durchaus Verständnis haben für die oft desolate Situation in Sachen Finanzen vieler Künstler. Man müsste über den Schatten der äußeren Verpflichtungen springen können, und über sein Tun und Schaffen nachdenken . Vielmehr geht es in die andere Richtung. Man verweigert oft das Denken im höheren Sinn! Das ist insofern noch schlimmer, weil es eine Illusion ist, denn man verweigert damit eigentlich nicht das Denken, sondern die Bewusstmachung der eigenen Gedanken und das ist ein grosser Unterschied! Was daraus entsteht, ist unübersehbar.

Zum Denken anregen…

Oft wird das Nicht-Denken mit der Intuition verwechselt. Aber mit Intuition hat das leidlich wenig zu tun, denn diese liegt nicht unterhalb des Denkens, sondern darüber! Das heisst, sie schöpft zwar aus dem Gedankenleben, erhebt dieses aber ins volle Bewusstsein. Urteile sind in der Kunst üblich, trotz all diesen Parolen von: „Alles ist Kunst“ usw. „Dein Bild stimmt nicht in der Komposition“, heisst es zum Beispiel, „es hat zuviel Schwere, zieht nach unten, fliesst aus, hat kein Zentrum“ usw. Sind diese Urteile objektiv, oder haben sie oft mehr mit dem Betrachter zu tun, als mit dem Künstler? Haben sie den Anspruch der Allgemeingültigkeit? Und woher kommen sie? Das sind die Fragen, die sich jeder Urteilende stellen muss, der sie fällt. Denn nicht immer ist es so leicht zu unterscheiden, was mit mir, dem Urteilenden, zu tun hat, und was das Werk in Wirklichkeit betrifft, das ich beurteile (oder verurteile) . Gibt es überhaupt solche Urteile und wenn ja, woher kommen sie: das ist eine schwierige und zugleich spannende Frage… sie „soll vorerst zum Nachdenken anregen“…;-), was ja oft das alles schlagende Argument ist von vielen Künstlern für ihre skurrilen Objekte.

PS: Mein Bestreben gilt grundsätzlich nicht der Durchsetzung meiner eigenen Ideen, sondern dem wach werden für die zentralen Fragen des Lebens. Und zu denen rechne ich jene nach der Freiheit (auch in der Kunst) definitiv mit…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

Ist alles Kunst?

PapierknäuelZur Zeit (Dezember 2015) findet in der Basler Messe eine Ausstellung von Ben Vautier statt. Der Performer und Künstler stellt die provokative, jedoch mittlerweile gesellschaftsfähig gewordene Frage: “Ist alles Kunst?“
Bereits Joseph Beuys, der sich sehr mit der Anthroposophie Rudolf Steiners verbunden fühlte, implizierte in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Diskussion um die künstlerischen Intentionen und argumentierte in diese Richtung.

Glaubenssätze

Die Frage kann existenziell sein. Sie ist es jedenfalls für mich. Sie rechtfertigt oder vernichtet meine künstlerischen Ausbildungen, meine ganze Erfahrung, meine Talente (und Schwächen?), meine Präferenzen. Damit hängen viele Dogmen und Glaubenssätze, aber auch viel Leid und Freud zusammen, die in den letzten 5000 Jahren Kunstgeschichte kaum jemals so deutlich hinterfragt wurden wie heute. Jetzt ist die Zeit scheinbar gekommen, alles zu zertrümmern, was uns prägte, stärkte, schwächte, kurz unsere ganzen Ziele und Vorstellungen, denen wir unser bisheriges Leben zu „verdanken“ haben, nach denen wir uns richteten, über Bord zu werfen. Müssen wir deshalb gleich das Kind mit dem Bade ausschütten? Ist das “Alles ist Kunst“-Dogma nicht auch wieder ein neues Gefängnis unserer Vorstellungen in das wir hineintrampeln ohne es zu bemerken und welches uns den letzten Todesstoss gibt?

Tod der Kunst

Dass die Bejahung der so gestellten Frage gleichzeitig den Tod der Kunst bedeutet, wird den meisten Normaldenkern nicht klar sein. Zu jovial, zu locker, zu wenig gewichtig betrachten die meisten Menschen grundsätzlich die Tragweite und den Wert der Kunst. In vielen Fällen wird sie bestenfalls als wichtige Nebenbeschäftigung, als (oft brotloser) Sonntagsjob, angesehen. Jedoch, sie ist es gewiss nicht, behaupte ich jedenfalls; sie ist sogar das Wichtigste was es gibt für die Entwicklung der Menschheit und der Menschen! Die Tatsache, dass alles Kunst sei, entwertet die Gewichtigkeit derselben in Ihren Grundfesten und erschüttert überhaupt jede künstlerische Bemühung. So werden gerade diejenigen, die sich heute Kunstschaffende, Künstler nennen und die mit der Flagge des banalen, alltäglichen oder gar unterschwelligen, rein subjektiven „Sauglattismus“ oder einem blossen „Provokatismus“ auftreten, zu den grössten Feinden der Kunst (…viele tun es aus dem Verständnis dieser Paradoxie heraus unbewusst schon gar nicht mehr…). Ein Begriff der ALLES ist, ist generell absurd. Darin besteht ja gerade der Sinn und Zweck eines Begriffs, dass er sich von anderen Begriffen abhebt, unterscheidet. Wenn ALLES Kunst ist, dann ist Kunst ALLES und es gibt nichts mehr ausser Kunst. Aber es gibt auch sie selber nicht mehr! Schon aus diesem Grund ist die Frage sinnlos, denn sie schliesst ALLES mit ein. Sie wäre, philosophisch gesehen, der letzte Satz der menschlichen Geschichte vor ihrem Untergang, wenn sie ernst genommen würde. Ist es demnach nicht nur absurd, sondern sogar blosse Zeitverschwendung, sich überhaupt damit zu beschäftigen?

Kunstrealität

Und dennoch scheint es heute so etwas wie eine geschichtliche Bestätigung im Sinne einer Bejahung dieser Frage zu geben! Man wird das Gefühl nicht los, dass Jahr für Jahr immer mehr Argumente für die Beurteilung des im echten Sinne Künstlerischen bachab gehen. Nicht diese oder jene Argumente und Kriterien, sondern Kriterien generell. Argumente oder Aspekte wie Schönheit, Wahrheit, Echtheit, Können usw. verkümmern mittlerweile immer mehr, verwässern sich, werden unklarer denn je oder sie werden gar belächelt, wenn nicht sogar bekämpft und verpönt. Im Grunde gibt es gar keine solchen Kriterien mehr. Jeder ist sein eigenes Zentrum mit den ihm oder ihr eigenen Sichtweise und verteidigt diese aufs Blut gegenüber den “Mitstreitern“. So gewinnt der stärkere und der Darwinismus, den man doch vielerorts überwunden haben will, ist neu auferstanden. Ästhetische Aspekte sind sowieso verpönt oder werden in ein ALLES umgepolt. Unsinnigerweise werden gerade sie vom “Alles-ist-Kunst“-Dogmatiker ausgeschlossen! Der Subjektivismus beherrscht kein anderes Gebiet so sehr, wie die Kunst. Gerade deshalb ist sie zum Gradmesser, zum Thermometer unserer Gesellschaft geworden! Ein tragisches emotionales Zeugnis, wie ich meine und zugleich paradox zu einer Alles-ist-Kunst-Doktrin

Kunst als Königsdisziplin

Die Kunst war einstmals eine Königsdisziplin. Der Künstler gehörte zu den angesehensten Bürgern des Landes. Sein Können wurde bewundert oder gar verklärt. Die Kompetenzen und Fähigkeiten und das handwerkliche Geschick, wurden beispielsweise in der Renaissance sehr hoch bewertet. Diese Hochachtung hatte noch lange Bestand, im Grunde bis in das letzte Jahrhundert hinein, wenngleich ein Zerfall, ein Auseinanderbrechen einer tragenden zentralen Kraft, schon damals spürbar wurde. Trotzdem: Kunstschulen waren hochwertige Akademien, auch wenn Sie zuweilen antiquiert daher kamen. Ihre Lehrer waren selbst angesehene Künstler im Sinne von Könnern. Die Kriterien der Professionalität wurden hoch bewertet. Sie beinhalteten lange Zeit objektivierbare Maßstäbe. Auch wenn dabei die Gefahr einer Konservierung und Verkrustung, sowie einer Dogmatisierung der künstlerischen Anschauung durchaus bestand.

Kriterien der Kunst

Dennoch kann man die Frage einmal laut stellen: Welche künstlerischen Kriterien kann denn eine moderne Kunstschule überhaupt noch haben, wenn deren Philosophie in die oben gestellte Richtung zielt? Was soll an den heutigen Fachhochschulen für Kunst überhaupt noch gelehrt werden, wenn doch alles Kunst ist und grundsätzlich schon Kleinkinder kompetent sind? Es gibt dereinst keine angemessene, objektivierbare oder messbare Professionalität mehr! Die Kunst disqualifiziert sich selbst. Die geringste menschliche Handlung, sogar die tierische; jede Tätigkeit überhaupt, genügen dem so gearteten künstlerischen Anspruch, wenn man ihn konsequent nimmt.

Fachkompetenzen in der Kunst

Kein anderer Bereich als die Kunst, verlangt weniger fachliche Kompetenzen. Handwerker, Kaufleute, Wissenschaftler, Forscher, Lehrer, Köche, Bundeskanzler… innen immer mit eingeschlossen… erfordern höchste Ansprüche, um ihrem Fach gerecht zu werden. Ihnen allen wird akribisch auf die Finger geschaut. Und wehe, sie begehen Fehler! Ein Künstlertum dieser ART kennt keine Fehler, zumindest wird man dieses Gefühl in den bildenden Künsten nicht los. Alles ist gut, richtig – (nur unterschiedlich teuer).
Braucht es noch mehr Argumente um die gestellte Frage endgültig abzuhaken?
Wenn nein, so muss die nächste und entscheidende Frage lauten: Welche Kriterien hat ein Werk zu erfüllen, um dem Anspruch Kunst in professioneller Art und Weise zu genügen?
Problematisch wird es, wenn die Freiheit in der Kunst im Grundgesetz verankert ist, wie es in Deutschland zum Beispiel der Fall ist. Abgesehen vom “Alles ist Kunst“-Dogma, weiss ja keiner mehr, wo die Grenzen zu ziehen sind zwischen Kunst und Nicht-Kunst. Das wäre aber durchaus empfehlenswert und notwendig. Ansonsten wird es gefährlich. Denn allein die Definition “Kunst“ vermag den bis zur absoluten Dekadenz neigenden sogenannten “künstlerischen Akt“, was immer dies sein mag, in jeder Handlung zu decken. Wer entscheidet dann, ob es gegebenenfalls wirklich Kunst ist und somit der Freiraum gewährleistet werden muss, oder ob das nicht der Fall ist? Ein Richter?

Und was soll denn Kunst nun sein?

Sicher werden Sie vermuten, dass ich nun derjenige bin, der mit der weltumfassenden Lösung des Problems kommt und Ihnen die hyperkompetente Definition der Kunst gebe? Ich werde mich hüten. Dennoch beschreibe ich Ihnen gerne, wie meine Sicht und meine Erfahrung aussieht. Dazu braucht man ein wenig Bauchpinselei, denn sonst glaubt einem ja niemand mehr. Dass ich bereits seit 30 Jahren aktiver Kunstschaffender bin usw., dass ich künstlerische Prozesse intus kenne durch jahrelange Arbeit mit Kindern und Erwachsenen, denen ich ebensolche Kriterien nahebringen will, weil sie mit Fragen und Erwartungen an mich herantreten, weil sie sogar Heilung aus der Kunstbetätigung erhoffen, dies alles soll nur am Rande erwähnt werden. Am eindringlichsten sind meine eigenen Intentionen in Malerei und Plastik, im eigenen künstlerischen Versuch, entstanden. Dort zeigen sich immer quasi die Reflexionen meiner Selbst als Abbild ausser mir! Wer sich damit zufrieden gibt, eine tote Idee, z.B. eines Papierknäuels, die in seiner konditionierten Vorstellung wurzelt, als Kunstprodukt anzuerkennen und damit leben kann, dem seis gegönnt! Mir genügt es nicht. Mich langweilt es. Meine konditionierten Vorstellungen langweilen mich, weil ich mich in ihnen nicht wirklich als Mensch erkenne. Weil sie im Erkenntnisakt lediglich die vielen, unsagbar vielen, Teilaspekte meiner Selbst spiegeln und mir eine Freiheit vorgaukeln, die irrsinnig und absurd ist. Allein, durch diese (Selbst-) Erkenntnis setzen andere Maßstäbe, andere Ansprüche ein, die den Kunstgenuss erfüllen möchten. Es sind Intentionen, die immer mit dem innersten Wesenskern zu tun haben, der durch vielerlei Schichten verdeckt ist. Darin also besteht in erster Linie meine eigene Bemühung: Das Abdecken/Aufdecken dieser eigenen Schichten durch die Kunst, durch die künstlerische Betätigung. Aus diesem Wunsch heraus leiten sich alle Schritte und Kompetenzen ab, die Kunst für mich zur Kunst machen. Und dadurch ist auch Heilung im künstlerischen Prozess mit eingeschlossen! Der wahre, tiefere Kern einer Kunsttherapie! Leider ist an den gegenwärtigen Kunstschulen wenig davon zu finden. Und auch in den meisten Kreisen der gegenwärtigen Kunst Szene. Es ist zu hoffen, dass sich die Abgründe des Subjektivismus allmählich wieder zu schliessen beginnen und eine Selbsterkenntnis in diesem erweiterten Sinn wieder Fuss fast, um die Kunst wieder dorthin zu bringen, wo sie hingehört, zu einer, im umfassendsten Sinn, spirituellen Tätigkeit.

[wysija_form id=“1″]

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und ein KinderbuchUrsli und der Traum vom Schiff

Der Beitrag als Audio-Datei: Ist alles Kunst?

Ist Goethes Urpflanze nur eine Idee?

image

Mein letzter Aufsatz über Kunst wird dem Begriff der „Idee“ nicht gerecht, wenn ich schreibe, dass viele Kunstprodukte doch „nur“ Ideen und deshalb Kopfsache seien. Deshalb möchte ich hier näher darauf eingehen.
Auf die Bemerkung Schillers, dass die „Methamorphosenlehre“ doch nur eine Idee sei, antwortete Goethe: „Es soll mir recht sein, wenn ich Ideen habe und sie mit eigenen Augen sehe!“

„Man muss sich der Idee erlebend gegenüberstellen können, sonst gerät man in ihre Knechtschaft.“ (Rudolf Steiner, Philosophie der Freiheit). Sich der Idee erlebend gegenüberstellen, genau das tat Goethe und deshalb gerät er nicht in ihre Knechtschaft. In der Lehre von der „Metamorphose der Pflanze“, findet er sozusagen als Quintessenz seiner umfassenden Studien die „Urpflanze“. Diese Urpflanze kann Schiller natürlich nicht physisch sehen, niemand kann das, aber er kann sie auch nicht nacherleben. Und deshalb spricht er in geringschätziger Form von einer bloßen Idee. Wenn Goethe aber von der Urpflanze spricht, so hat er dem nicht nur eine „bloße Idee“ zugrunde gelegt, sondern ein Erlebnis! Denn diese Urpflanze ist sozusagen ein begrifflich „sichtbar“ gemachter Prozess. Es ist der Prozess des Wachstums, welcher sich in „andersartiger Gleichheit“ in jeder Pflanze wiederholt. So ist der Begriff der Urpflanze die Zusammenfassung des Wachstumsprozesses, der dem Pflanzenreich innewohnt!  Ist Goethes Urpflanze nur eine Idee? weiterlesen

Kunst kommt von Kopf

Moderne Kunst„Kunst wird erst dann interessant, wenn wir vor irgend etwas stehen, das wir nicht gleich restlos erklären können“
(Christoph Schlingensief)

„Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen“
(J. W. Goethe)

Alle Jahr wieder – ist ART in Basel. Eine der renommiertesten, wenn nicht DIE Kunstmesse der Welt, ist seit gestern eröffnet. Zeit, sich wieder einmal mit dem Thema auseinander zu setzen. Die Bilder der Werke gleichen sich immer, genauso wie die kuriosen Gestalten, die das Stadtbild Basels erfrischen. Solche und ähnliche Installationen und Performances überwiegen das Geschehen der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler. Manche inszenieren sich selbst als (nackte) Tatsache auf den Plätzen der Stadt. Zum Glück im Kontext der Kunst, ansonsten würden sie wohl schnell von den hiesigen Ordnungshütern abgeführt. Aber so finden das alle obercool. Sicher, das sind die Ausnahmen, denn das Überwiegende sind, zunehmend, und im weiteren Sinne aufgefasst, „Installationen“. Die Installation ist eine Zusammenstellung von möglichst alltäglichen Gegenständen in einem ungewöhnlichen Rahmen.  Kunst kommt von Kopf weiterlesen

Ich gestalte, also bin ich…

„Meditationen eines Bildhauers…“ im Spiegel der Gesellschaft…

wasseroberflächeDies gleich vorab: Nicht die Form trägt die Kraft meiner Skulpturen in sich, sondern die Fläche. Diese „bahnbrechende“ Entdeckung machte ich heute für mich – oder besser und einfacher gesagt, es wurde mir plötzlich klar… und dies sind ganz überraschende, daraus folgende Gedanken dazu.

Die Form des Wassers zum Beispiel, sie ändert sich in jedem Moment. Sie ist niemals gleich. Würde man einen Ausschnitt dieser Oberfläche 100 mal nacheinander im Sekundentakt einfrieren und heraus schneiden können und diese so entstandenen Formen danach miteinander vergleichen, dann hätte man 100 komplett verschiedene Formen neben einander liegen, so eine Art „Relief- Reigen“ von eingefrorenen Wasseroberflächen.

Und obwohl diese Formen sehr unterschiedlich aussehen würden, hätten sie doch denselben ihnen zugrunde liegenden einprägsamen Charakter, die gleiche Grund- Energie in sich. Man sähe die Verwandtschaft all diesen Formen an, weil sie aus derselben Kraft geschaffen wurden. Ähnlich ist es, wenn ich zum Beispiel mit dem Ton arbeite. Ich habe vielleicht auch irgendwann 100 verschiedene Formen gemacht. Und obwohl ich mir sehr viel Mühe damit machte, mein eigentliches Selbst durch konditionierte Vorstellungen (…und eingefleischte Technik), daraus hinaus zu verbannen, würde man doch stets erkennen, dass diese Formen vom gleichen Menschen geschaffen wurden! Die Ähnlichkeit ist nicht mehr so rein wie jene des Wassers, denn das Wasser kennt nur eine Energie, nämlich die seine. Aber es würde etwas wesentliches von mir sichtbar. Mein „Stil“, oder meine Wesensart oder wie man es nennen mag würden dennoch irgendwie sichtbar. Typisch „Mato“ halt…

Der Mensch hat nebst dieser einen und eigentlichen – zentralen, möchte ich jetzt mal sagen – Kraft, noch tausend andere Persönlichkeitsfacetten, „Kräftchen“, in sich geschaffen, mit denen er sein eigentliches Selbst verdeckt (und auch vergisst). Deshalb werden diese inkongruenten Gestaltungen erst sichtbar. Oft betonen die Gestalter ihre Form mehr als die in ihnen liegenden Flächen, weil der Ton (als Beispiel) dies zulässt, weil er nicht „reklamiert“, wenn ich ihn beeinflusse, „beeindrucke“. Würde ich dasselbe mit dem Wasser tun, so hätte ich Probleme, weil die Energie des Wassers immer sogleich seine Rechte einfordert und mich an seine Gesetzmäßigkeiten bindet. Und das ist die Flüssigkeitsstruktur, die Bewegungsstruktur, die Kraftströme und alles, was dazugehört.

Kanten, Bögen und Mulden, was auch immer ein Gestalter der Materie einverleiben und einprägen will und kann, es bleibt immer und unzertrennlich ein Teil von uns selbst, ein von unserer eigenen verwandelten oder unverwandelten Energie geschaffenes. Die Hände sind die Werkzeuge, die sich an die Intentionen und Impulse seines Eigners halten, sich an ihm orientieren. Wir können selbstverständlich immer den Kopf einschalten und die Koordination lediglich aus dem Intellekt und aus der blossen Idee heraus steuern. Wir sagen „Würfel“ – und die Hand führt den Befehl „Würfel“ aus. Was sie daran hindert, dies mit einem gewissen Unvermögen zu tun, ist lediglich ihre Ungeschicklichkeit. Die Steuerung der Hände folgt zwar den „Befehlen“ der Vorstellung, aber sie vermag es meist nicht ganz adäquat umzusetzen. Das ist dann die Schnittstelle zur Maschine (…oder wir lassen es von geschickteren Menschen gestalten). Wir sehen dies vielleicht auch schnell ein und fühlen uns ohnmächtig dieser Tatsache gegenüber. Eine konsequente Schulung vieler Faktoren vermag dieses Manko zu verbessern: Eine Art Kunstförderung mittels Wahrnehmungsschulung an vorderster Front, dann aber auch die rein physische Beweglichkeit der Finger. Weiterhin die genaue Kenntnis des Materials, deren Konsistenz und Formverhalten usw. stehen nun plötzlich der Idee voran.

Dies alles reicht aber immer nur dazu, die technische Seite einer Form, unser Können (Kunst kommt ja scheints von können…) voranzubringen. Damit haben wir aber den entscheidenden Schritt noch nicht getan. Die Verbindung zu unserem Wesenskern, der „Zentrale“ unseres Geistes, können wir mit der besten Technik (und auch nicht mittels blossem Wissen) nicht herstellen. Viel eher vermögen wir dies zu verdecken! Der schöne Schein trügt nur zu oft. Für die Kraft, für den Ausdruck der Form brauchen wir mehr! Wir brauchen zwar AUCH die Technik, zweifellos. Dies wird in der gegenwärtigen Kunstszene manchmal unterschätzt! Aber Technik ist nur Grundlage, noch nicht AUSDRUCK. Um diesen Schritt zu erreichen, benötigen wir eine direkte Verbindung von Herz und Hand, was nicht etwa Kopflosigkeit heisst. Bewusstsein ist aber mehr als Gedanke. Und das Bewusstsein muss erweitert werden auf den ganzen Körper! Nur aus dieser Haltung heraus schaffen wir den Schritt in die eigentlich wesentliche Kraft, die dem Werk erst Leben verleiht! Das wäre ein Quantensprung in der Kunst und im Leben!

Und was hat dies für Konsequenzen? Nicht nur in der Kunst, (aber dort wohl unmittelbarer als anderswo), begreifen wir die Welt ganzheitlich. Die Verbindung des eigenen Tuns mit dem dahinterliegenden Tat-Impuls und einem gleichzeitigen Anwesend-Sein mit der Handlung schafft erst diese Tiefe!

Demgegenüber ist vieles in unserer Welt Form-betont. Der Fokus (in der Kunst, wie auch im Alltag), liegt meistens in der Form. Die Kraft, die sich in der Fläche (der Welt, der Erscheinungen) ausdrückt, ist uns mehr oder weniger egal oder unbewusst. Wir nutzen die „Fläche“ bestenfalls als Strukturgeber, jetzt im übertragenen Sinn (als „Make-up“), machen die Oberfläche glatt oder rauh, bunt oder sonstwie. Wir bedienen uns dieser Oberfläche, dem „schönen Schein“ (smartphone, Computer, Play-Station). Aber das Wellen und Wölben, das Buchten, Stauen Pressen und Stoßen etc. – es findet nie auf der Oberfläche statt; es ist IN DEN DINGEN!

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Kunst und Freiheit

kinderzeichnungFast jeder Künstler pocht auf seine Freiheitsrechte. Fragt man ihn danach, wie er seine Motive findet, woher er seine Ideen habe, zuckt er mit den Achseln und macht vielleicht seine „Intuition“ geltend. Machen Sie doch, bevor Sie weiter lesen, einen kleinen Selbstversuch!

Nehmen Sie ein Blatt Papier und versuchen sie  einen einzigen wirklich freien Strich zu zeichnen!

Haben Sie das getan? Gut, dann betrachten Sie diesen einen Strich einmal ganz genau! Haben Sie links begonnen? Warum? Vermutlich fangen fast alle solchen Versuche von links nach rechts an. Das ist konditioniert! Wir Westler schreiben ja schließlich auch von links nach rechts.

Vielleicht beginnt ein Japaner oder ein Chinese, je nach Konditionierung oben oder rechts usw. Konditionen sind natürlich nie frei. Sie sind in unserer Kindheit schon früh gebildet oder uns je nach dem sogar eingetrichtert worden. Es mag sein, dass Sie, trotz dieser Prägung, rechts begonnen haben. Das ist schon gut und eher selten. Vielleicht sind Sie Linkshänder? Haben Sie dies frei gewählt? Aber wie sieht denn dieser Strich sonst noch aus? Schauen sie ihn einmal kritisch und möglichst unbefangen an. Vergessen Sie alles, was Sie als „schön“  bezeichnen. Vergessen Sie Ihr Gefühl für Formen, Ihre Vorlieben für Ordnung, Ästhetik, für Rundungen, Kanten, Ecken usw. All diese Präferenzen können Sie schon mal als unfrei abhaken.

Es sind genauso konditionierte und angelernte Vorstellungen, die sich im Laufe des Lebens gebildet haben und die Ihre jetzige Persönlichkeit ausmachen, wie die meisten routinemäßigen Handlungen, die Sie im Alltag verrichten! Wer wirklich ganz ehrlich mit sich selbst sein will, muss erkennen, wie schwierig es ist, nur schon einen einzigen wirklich freien Strich aufs Papier zu kriegen. Wenn Sie jetzt Farben dazu nehmen – oder meinetwegen Ton, oder andere künstlerische Mittel einsetzen, dann werden Sie, mit der nötigen Selbstdistanz erleben, wie wenig Ihr Handeln mit Freiheit zu tun hat!

Die Frage ist berechtigt, ob es Freiheit denn überhaupt gibt? Rudolf Steiner hat in seiner „Philosophie der Freiheit“ versucht, dieser Frage auf den Zahn fühlen. Das vordringen auf den tiefsten Kern der menschlichen Wesenheit spielt dabei eine wichtige, besser gesagt die wichtigste Rolle. Wenn wir unsere Verhaltensweisen, unsere Handlungen und Motive betrachten, müssen wir, uns selbst erkennend, feststellen, dass sie diesen Kern wenig bis gar nicht betreffen oder gar berühren.

Für mich als Kunsttherapeut hat diese Frage der Freiheit des wesentlichen Kerns unseres Menschseins eine hohe, wenn nicht höchste Priorität. Berührt werden kann man nur genau dort. Und um solche Berührung geht es. Alle Intention einer guten Therapie richtet sich nur auf dieses eine. Hier geht es weder Ideen, noch um Methoden oder um persönliche Vorzüge, weder jene des Therapeuten, noch jene des Patienten, sondern einzig und allein um menschliche Begegnung. Beziehung schaffen, Bezug schaffen, ist der Schlüssel.

Durch die Verhaftung mit unseren inneren Lieblingen, machen wir uns verletzbar für jede Kritik, jeden Einwand oder noch so gut gemeinte Intervention. Da wir diese Lieblinge nicht erkennen im Zustand der Identifikation mit ihnen, reagieren wir üblicherweise mit Abwehr oder Unmut, wenn sie von außen angezweifelt werden. Dasselbe ist Ihnen vielleicht auch gerade eben passiert bei meinem Einwand, dass Ihr Strich konditioniert sein könnte…

Manchmal sind Interventionen äußerst delikat und schwierig. Und dennoch sind wir alle darauf angewiesen, dass wir Rückmeldungen bekommen. Das ist in der Therapie nicht anders als im Leben selbst. Und sich jeder Kunstschaffender ist damit konfrontiert. Im Zentrum steht latent immer die Frage nach Freiheit. Welche Handlungen wir auch tun, sie betreffen immer unsere eigene persönliche Freiheit oder jene anderer Menschen.
Dabei wäre die Kunst meines Erachtens eines der vorzüglichsten Mittel, um unsere Verhaftungen sichtbar zu machen. Möglicherweise sitzen Sie jetzt immer noch vor Ihrer Strich-Zeichnung? Nutzen Sie die Chance etwas zu entdecken in Ihnen, was bisher möglicherweise verborgen blieb! Probieren Sie es wieder und wieder! Machen Sie sich auf den Weg… zu sich selbst!

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Mathematik und Kunst… unüberbrückbare Welten?

FormelXminImmer wenn sich zwei grundlegend konträre Gesinnungen treffen, kann es schnell zu kommunikativen und sozialen Problemen kommen. Eine erste, mögliche Grundgesinnung ist diejenige des Künstlers, eine andere jene der Mathematik. Das gesamte Persönlichkeitsgefüge ist vollkommen gegensätzlich strukturiert und die Anschauung der Welt ist somit polarisierend ausgerichtet. Der Mathematiker, oder besser, der mathematisch denkende (und fühlende) Mensch ist tendenziell geneigt, seinen Standpunkt nach „außen“ zu verlegen, in eine Welt der Objektivität und Logik.

Sein Urteil basiert niemals auf persönlichen Gefühlen, insofern er mathematisch denkt, sondern auf der Grundlage reiner, glasklarer Erkenntnisse, die man in der Wissenschaft als objektiv und evidenzbasiert bezeichnet. Das mathematische Urteil ist insofern „unumstößlich“ und fest. Es bleibt kein „Freiraum“ der Argumentation, kein „sowohl – als auch“.
Ganz anders der Künstler, insofern er künstlerisch denkt und fühlt. Sein Standpunkt ist niemals das äußere, mathematisch glasklare und unumstößliche Urteil, sondern es basiert auf den persönlichen, inneren Erkenntnissen, Erlebnissen und Einsichten jedes Einzelnen. In ihm lebt viel stärker die Welt des Subjektiven. Diese stellt sich weit über die für ihn total analytische, kalte und abstrakte Welt äußerer Logik. Seine persönlichen Emotionen bewegen sein Gemüt. Sie sind es auch, die ihm die entscheidenden Gestaltungsimpulse geben.
Selbstverständlich sind diese beiden Haltungen hier nur typisierend und einseitig dargestellt. Dies um klarzumachen, welche Gemütslage die Vorherrschende ist. Mit Sicherheit wird auch der mathematisch orientierte Mensch in einer subjektiven Innenwelt leben und erleben. Und auch er wird daraus Leid und Freude erfahren. Insofern ist auch er, ebenso wie der Künstler, emotional subjektiv beeinflussbar. Er wird aber sicherlich eher geneigt sein, dieser Welt wenig Beachtung beizumessen. Und er wird alles was ihn stützt und trägt, aus der anderen, der logischen Relevanz beziehen.
Es wird schwer sein, Gegensätze dieser Art in Einklang zu bringen. Sie existieren auch in anderen Bereichen, sind aber einprägsam charakterisiert in den zwei genannten. Denn der künstlerisch empfindende Mensch muss nicht zwingend Künstler sein. Es ist vielmehr die Art und Weise des Herangehens an jedwelche Anforderungen des Lebens, sei es im Beruf oder im privaten Alltag. Genauso gut muss der mathematische Eingestimmte nicht zwingend Mathematiker sein. Auch für ihn gelten die genannten Eigenschaften eher als die grundlegende Lebensstimmung.
Das gesamte Gefüge des Handelns, Fühlens und Denkens wird sich aus dieser Grundstimmung heraus ergeben. Sie prägt maßgeblich den Lebenslauf eines Menschen, sein Urteilen, Verurteilen, seine Vorzüge, Sympathien und Antipathien. Die Gegensätze sind im sozialen Umfeld oft nur schwer zu überbrücken. Und die Fähigkeit des „sowohl, als auch“ ist bei den meisten Menschen nicht gegeben. Vielmehr herrscht meistens ein Übergewicht des Einen oder des anderen.
Und keine der beiden Gesinnungen ist „objektiv“ richtig. Die Einsicht jedes Einzelnen ist das Entscheidende. Zu erkennen, wie man selbst die Welt betrachtet, aus welcher Brille heraus, ist erst der Weg aus diesem Dilemma. Erkennt der Mathematiker, dass er seinen Standpunkt außer sich selbst, außerhalb seiner persönlichen, inneren Welt, in eine Welt des Absoluten, reinen Geistes, in eine Welt der Logik und der unerschütterlichen Evidenz, gestellt hat; erkennt er dies, so tritt er aus der Verhaftung seines So-Seins heraus. Dasselbe erfährt der künstlerisch gestimmte Mensch, wenn er erkennt, dass sein Standpunkt nur in ihm selbst Wurzeln geschlagen hat, aus dem rein persönlichen, subjektiven Befinden seiner selbst geprägten Innenwelt, wenn er dies erkennt, dann wird er ebenso jegliche Verhaftung mit diesen vorgezeichneten Lebensformen verlassen.
Im Erkenntnisakt jeglichen So-Seins verlässt man die Identifikation mit den jeweiligen Formen und tritt ein in eine „freie Zone“. Es ist dies ein und derselbe Raum, der einzige verbindende Raum, der uns wirklich zu freien Menschen macht. Alles verhaftet sein drückt uns weg von jeder Einheitserfahrung. Jedes sprechen über solche Erfahrungen mit gleichzeitigem Objektivitätsanspruch und Beharren auf sein Recht, seine Religion, sein Konzept, seine Weltanschauung usw., schiebt uns zurück in die Identifikation und somit in einen Traumzustand unseres Alltagslebens.
Das wirklich Verbindende zwischen solchen Grundhaltungen besteht also viel weniger auf dem bloßen verstandesmäßigen Eingehen auf den Anderen, sondern vielmehr auf diese gemeinsame Erfahrung aus der anderen Perspektive heraus! „Ja, ja, ich verstehe dich schon, es geht mir auch manchmal so, dass ich mich im Irrgarten meiner Gefühle verirre, aber schau doch, in der Welt gibt es nun einmal nur klare und unerschütterliche Urteile. Alles andere ist doch Träumerei. Nur an solchen Urteilen kann ich mich festhalten. Da gibt es keinen Widerspruch, höchstens wenn einer nicht rechnen kann…“, so etwa könnte dann das väterliche oder kameradschaftliche Urteil des „Mathematikers“ ausfallen. Und der Künstler fühlt sich natürlich kaum verstanden und rät seinem Freund: „Ja, aber schau, du gehst ja nicht wirklich in die Dinge hinein. Du stehst ja immer daneben, außerhalb. Du hast deinen „großen Bruder“, die Logik, auf dessen Recht du dich stützt. Ich tauche ab in die Untergründe meiner eigenen Seele. Niemals möchte ich auf diese Erfahrungen verzichten, weil ich mich nur dort selbst erlebe…“
Wenn auf dieser Basis weiterdiskutiert wird, so kann man sich kaum je finden. Objektivität kämpft immer gegen die Subjektivität. Empirische Therapieformen gegen evidenzbasierte Therapieformen. Das Rechthaben wird nur entweder nach innen (in die persönliche Innenwelt) oder nach außen (an eine „objektive, wissenschaftliche“ Begründung) geheftet. Je nachdem auf welcher Seite Sie nun als Leserin oder als Leser stehen, werden sie sofort auch mit: „Aber Hallo…!“ reagieren und Ihren Standpunkt (den äußeren, mathematischen oder den inneren, persönlichen, künstlerischen) vertreten. Aus dem Widerspruch wird man nicht austreten können, wenn man dort verbleibt, wo man selbst drinsteckt. Objekt gegen Subjekt ist der globale Kampf und Vater aller Kriege und Konflikte! Insofern sind es die „Künstler“ gegen die „Mathematiker“.
Aber das muss nicht sein! Der angesprochene Freiraum, aus dem heraus ich mich selbst erkenne, steht über dieser Objekt-Subjekt-Spaltung! Oder meinetwegen auch außerhalb. Vielmehr ist es der Freiraum des Sowohl – als auch… Sobald wir Urteilen, kritisieren, analysieren, treten wir heraus (oder herein) in die Spaltung/Teilung (Ur-Teil). Dies deshalb, weil die Urteile immer einen Träger brauchen. Zum Beispiel jene zwei genannten. Und diese Träger haben zwei gegensätzliche Fundamente. Das eine ist die sogenannte Logik und das andere die subjektiv gefärbte, persönliche Erfahrungswelt jedes Einzelnen. Diese setzt sich aus dem bereits Erlebten zusammen, aus den daraus resultierenden Urteilen, Anschauungen, Emotionen und Gedankenkomplexen. Beide haben selbstverständlich ihre Berechtigung – mit einem kleinen Schönheitsfehler: sie sind nicht frei…

Jedes Teilen freut mich. Danke dafür!

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

ART Basel und ein paar neue Gedanken zur Kunst

Mato: Relief in Terracotta

Wer dieser Tage durch Basel wandelt und die sommerliche Stimmung genießt, der kann, wie jedes Jahr, ab und zu durchaus kuriose und originelle Typen antreffen. Ausgefallen sein ist zu einem Markenzeichen, zum Hauptkriterium für Anerkennung geworden.

Was früher Ausdruck war in der Kunst (Expressionismus), oder „Kunst ist, was beeindruckt“ (Impressionismus), entwickelte sich ebenso zum Symbolismus (Kunst ist, was symbolhaft ist), zu einem Ästhetizismus (Kunst ist, was ästhetischen Reiz hat), „Spaßismus“ (Kunst ist, was Spaß macht), „Sensationismus“ oder auch „Exklusivismus“ usw. Das einzig stabile was bleibt, ist der -ismus an sich, das Leitbild sozusagen, welches hinter der Motivation des Tuns steckt. Noch einer ist vielleicht zu nennen, der Egoismus (Ich bin Kunst, siehe Bild…)

Bei allem Normierten und begrenzt durch die vielen persönlichen und weltlichen -ismen (die ja meistens auch mit Geld und öffentlichem Geschmack/Meinung zu tun haben), will doch jeder und jede nicht auf die Originalität verzichten, man kann es schon fast wieder im gleichen Atemzug „Originalismus“ nennen. Welche Intentionen, frage ich mich, hatten denn die „alten Meister“ vor hundert oder vor 500 Jahren und noch ältere? Ging es um dasselbe wie heute? Um das krankhafte Bemühen nach Anerkennung, Prestige, Verkäuflichkeit, Massengeschmack usw.? Es ist sicherlich nicht abzustreiten, dass sich manches auch darum drehte.

Dennoch sehe ich die Sache etwas anders…

Ich bin allerdings sehr vorsichtig geworden mit Kritik an jedwelcher Kunstbemühung der heutigen Zeit. Zum einen kommt man dabei in Teufels Küche und zum anderen wird man gerne als überheblich und arrogant abgestempelt. Schnell wird man als (vermeintlich) Wissender hingestellt, der den „Nichtwissenden“ predigt, was gut und was schlecht ist und der sich auf den Sockel des erhabenen Expertentums stellt. Sicher, genau das tun tausende selbst ernannte Kunstkritiker auch, ohne mit der Wimper zu zucken.

Mir persönlich liegt diese Rolle eigentlich nicht und ich meine gelernt zu haben, dass doch die Bemühung um Toleranz in jedem Urteil über allen Schatten der Gegenwart stehen sollte. Diese Haltung stößt gelegentlich auf Widerstand, nämlich dann, wenn wirkliches Unrecht in der Welt geschieht, wenn es um kriegerische Handlungen geht zum Beispiel, oder um Menschenrechte, die verletzt wurden/werden usw. Immer dann sind wir aufgefordert uns den Ungerechtigkeiten mutig entgegenzustellen, aufzustehen und laut in die Welt hinaus zu schreien, was Sache ist und nicht schweigend zuzusehen und solches geschehen zu lassen! Auch wenn vieles kaum Anlass zu Fehlurteilen gibt, so sind die wirklichen Gründe doch oft tieferliegend. Dasselbe kennen wir auch in unserer eigenen, persönlichen Geschichte und wir lehnen uns (oft zurecht) auf, wenn man undifferenziert oder plakativ mit groben Geschützen unsere Taten verurteilt.

Für die Kunst gilt dies, spätestens seit der allgemeinen und provokativen Aussage, dass „alles Kunst ist“, nicht mehr. Und generell verbindet man mit Kunst nur das Adjektiv „gut“. Es gibt im Sinne der Meinung vieler Kunstexperten keine „böse Kunst“ (höchstens kaufbare und unkaufbare) Mit dem Begriff „Kunst“ verbindet man nicht zum Vornherein Gewalt, Verletzung von Menschenrechten usw. Wenn alles Kunst ist, kann man eben alles hinter diesem Begriff verstecken, einerlei, was es ist. Niemand schreit dann auf und sagt, „was Sache ist“. Einerlei gilt diese Sache oft mehr dem Beurteiler als zum Verurteilten. Auch dieses Urteil hält sich hartnäckig. Also wohin des Wegs? Was lässt sich mehr darüber sagen? Jedes Urteil wird somit im Keime erstickt. Schachmatt sozusagen. Alles ist Kunst. Punkt. Was soll das ganze Geschwafel.

Die Lösung liegt im Begriff selbst. Denn nicht alles ist ein Auto, nicht alles ist ein Kühlschrank, nicht alles ist Gott, nicht alles ist Liebe. Begriffe sind Namen, Symbole, Bezeichnungen für „etwas“, was dahintersteckt. Was als Gott „verkauft“ (oder gepredigt) wird, muss nicht zwingend Gott sein, was als Kühlschrank verkauft wird, muss kein Kühlschrank sein. Immerhin könnte es doch auch eine Attrappe sein? Außen fix und innen nix. Und was als Kunst verkauft wird, muss auch nicht Kunst sein! Denn die Aussage „alles ist Kunst“ ist im Grunde eine unsachgemäße Spielerei mit Begriffen. Denn dann wäre auch der Kühlschrank, Gott, der Mensch, das Wasser usw. Kunst. Die Welt wäre Kunst. Es gäbe Nichts, was NICHT Kunst wäre. In dieser Weise führt jeder Begriff ad absurdum. Er hebt sich selber auf. Gerade so gut könnte man sagen: Nichts ist Kunst! Also können wir wieder von vorn anfangen…

Es gibt eben nicht einfach Kunst oder Nicht-Kunst. Sondern es gibt lediglich unterschiedliche kreative Bemühungen. Wie oben erwähnt, enden sie oft mit übergeordneten Idealen, sprich -ismen. Und manche mögen die Bemühungen, andere eben nicht. Objektive Ansprüche müssen ins Tote laufen. Genau deswegen ist die Beurteilung auch so schwierig. Man kann höchstens dieses oder jenes annehmen oder ablehnen, weil man einen (subjektiven), persönlichen Bezug dazu hat oder gerade nicht. Das gilt auch für Kunstkritiker.

Die Gedanken enden immer wieder am selben Punkt, bei derselben Einsicht, nämlich dass die Geschichte dieser „Gedanken über die Kunst“ einmal mehr urteilsfrei ausgehen muss. Und wer sich ein Urteil zutraut, der sollte sich im Klaren darüber sein, dass es sich um seinen persönlichen Geschmack handelt. Damit ist mein Aufsatz am Ende angelangt. Wie so oft einmal mehr mit der Bemühung um Urteilslosigkeit.

Ich schreite durch die Räume, urteilsfrei selbstverständlich: Fleischhaken an der Decke mit Kadavern, die herunterhängen… Drei Tonnen Kies auf dem nackten Boden der Kunsthalle… Leere, rötlich gefärbte Kartonschachteln ohne irgendwelche erkenntliche Ordnung in der Ecke aufgetürmt…

Ach so, die Schachteln sind kein Kunstobjekt? Was denn? Verstehe! Da waren diese Kleider drin, aus Fäden genäht, die – in Blut getüncht – zu einer Unterhose gewoben wurden… und die jetzt an einer Leine in der Vorhalle hängen…

Auch dieser Aufsatz wie immer ohne Gewähr… ob Frauen Bärte tragen oder Männer Strapse ist doch völlig Wurscht. Kunst ist und bleibt ein umstrittenes Thema…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

RSS
Follow by Email
LinkedIn
Share
%d Bloggern gefällt das: