Der Schablonenmensch

SchablonenmenschWir sind als Naturwesen und als Gesellschaftsmitglied in feste Strukturen eingebettet. Im Kindheitsalter sind diese Strukturen noch relativ wandelbar. Beim Verlassen der Kindheit sammeln wir unzählige Erfahrungen und Erlebnisse und bündeln sie in unserem Gehirn zu neuronalen Schablonen und festen „Datenbahnen“.

Dadurch schaffen wir ein abgeschlossenes Gefäß, gefüllt mit einschlägigen Erlebnissen, die wir durch Prinzipien geformt und eingepresst haben. Dieses Konstrukt tragen wir fortan durch unser ganzes Leben. Wir richten unsere Wahrnehmungen darauf aus. Der Verlauf dieses Lebens bleibt zwar potenziell wandelbar, unsere Erkenntnisse tendieren jedoch zur Verhärtung. Diese abgeschlossene Form nähren wir ab und zu mit Bestätigungen von außen oder begründen sie, rechtfertigen sie durch Provokationen anderer. So befestigen wir sie in ihrer Grundstruktur andauernd. Dadurch verdicken wir unsichtbare Mauern gegen außen und schließen uns immer mehr in diesem virtuellen Kerker ein.

Unser Handeln wirkt mit zunehmendem Alter normiert. Die Natur entlässt uns irgendwann mit zwanzig, dreißig Jahren und beendet ihre Wirksamkeit an unserer körperlichen Entwicklung. Die Gesellschaft und das soziale Leben wirken unentwegt weiter. Die Interaktionen befestigen sich somit nachhaltig. Das Agieren wirkt automatisiert, angepasst, etikettiert. Verständnis gegenüber Fremden, Andersdenkenden in tieferem Sinne bleibt aus, weil die geistige Beweglichkeit verloren geht. Etikette trifft auf Etikette. Maske auf Maske. Handlungsnormen, Sitten und Gebräuche, Traditionen und Gewohnheiten prägen den Routinealltag unseres Lebens.

Ein düsteres Bild von fertigen Automaten, schattenhaften Robotern zeichnet sich ab. Ist es überzeichnet dargestellt? Wie war das in den Dreissigern, Vierzigern? Und leider nicht nur damals. Nach außen wirkt alles oft relativ lebendig und es funktioniert in gewissem Rahmen auch ganz gut. Nach innen entstehen Frustration und Täuschungen, die entlarvt (ent – täuscht) werden müssen, Misstrauen und Verständnislosigkeit. Das gesellschaftliche Leben korrigiert sich in diesem Kontext weniger durch wahrhaftige Einsicht, als vielmehr durch Anpassung. Größere Korrekturen geschehen leider nur durch Katastrophen. Die Tatsache, dass es in dieser Abgeschlossenheit funktionieren kann, täuscht über die desolate Situation hinweg. Wahrhaftige Begegnungen und wirkliche Freundschaften werden immer rarer, „freundliche“ Feindschaften immer grösser.

Der Schablonenmensch isoliert sich in seinem eigenen, festgefahrenen Käfig der Meinungen, Dogmen und Prinzipien. Er sieht das letzte Stadium der Entwicklung der Menschheit darin, das Beste daraus zu machen und durch immer detailliertere, eindringlichere, pointiertere und raffiniertere Gesetze und Richtlinien, der Gesellschaft einen scheinheiligen und „gesicherten“ Überbau einzupflanzen. So soll der Kitt geschaffen werden, der zusammenhält, was sonst zerfallen müsste. Doch der Schein trügt. Diese Entwicklung hat ihre Grenzen. Die notwendige Folge sind immer mehr „Lücken im System“. Dadurch werden Kriege geschürt und Krisen provoziert. Das Ende ist ein notwendiger Kampf aller Egos gegeneinander.

Zum Glück ist dieses düstere Menschenbild nicht definitiv und abschließend vorgezeichnet! Es bleibt immer der berühmte Funken der Hoffnung aufrecht! Jeder Schatten wird von einem Licht geworfen. Ein stilles Licht, welches in uns aufleuchtet und einen kleinen freien Raum offen lässt, eine kleine Tür, die wir jederzeit öffnen können…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Wagnis Denken…

DenkenNicht ein „Darüber-Stehen“ ist Motivation für all die Ausführungen, die in diesem Blog hier dargestellt und „angedacht“ werden. Es ist vielmehr ein „Darinnen-Stehen“, ein Kampf mit all den dunklen, hellen, klaren oder auch undurchsichtigen Kräften, welche sich schliesslich in Worte formen wollen. Dabei steht aber nicht ein Dozieren oder Rechthabenwollen im  Vordergrund. Eher ist es ein stetes Bangen und Zweifeln, gepaart mit grossartigen, überraschenden Einsichten, welche sich hin und her bewegen in einem suchenden Geist und Genossen dieses Zeitalters.

Ehrlichkeit steht zuvorderst und zwar eine Ehrlichkeit vor allem mir selber gegenüber. Mit grösster Selbstkritik diesem rasenden und fluktuierenden Medium „Gedanke“ sich gegenüber zu stellen und nur das hindurchzufiltern, was auch nach langem Hin- und Herbewegen noch Bestand haben kann. Das ist und war immer mein Bestreben. Insofern ist „Wahrheit“ ein seltener Gast im Getriebe unseres Denkapparates. Sie gibt sich oft nicht von alleine, sondern entsteht langsam, herantastend aus dem dunklen Gedankenleben heraus. Alle diese grossen Begriffe, ausgegangen vom GLAUBEN, ERKENNEN, hin zu WAHRHEIT, GEWISSEN, FREIHEIT usw. können nicht in starren Definitionen und Erklärungen verstanden werden. Sie haben vielmehr ein Eigenleben in sich, sind sehr individuell in ihrer Bedeutung und bilden sich erst mit der Zeit aus der Erfahrung heraus. Sie können auch wachsen… oder einfrieren, je nach dem.

Dennoch können viele Erkenntnisse selbst im Nachdenken über solche Begriffe gefunden werden. Sie bilden letztlich auch das Grundgerüst für die Frage nach dem Sinn des Lebens…

Was als Glaube am Anfang dieser Auseinandersetzung stand, führt alles in allem letztlich immer hin zum Freiheitsbegriff. Dabei muss der Weg von jedem einzelnen Menschen selbst begangen werden und jedes „Stadium“ kann befriedigen, weil in jedem Entwicklungsschritt entsprechende Qualitäten stecken, die gerade aus dieser Situation und nur aus dieser Situation heraus entstehen konnten.

So kann ein starker Glaube in irgendeiner Form, sei es nun in Politik, Kultur oder Religion, im wahrsten Sinn des Wortes „Berge versetzen“. In der Medizin nennt man diesen Effekt „Placebo“. Was dort immer etwas erniedrigend kommentiert wird, ist in Tat und Wahrheit eine viel stärkere Kraft, als alle chemisch-biologischen Wirkungen (inklusive Nebeneffekten)!

Auf dem Weg des Menschen tritt immer irgendwann einmal das Bedürfnis nach Erkenntnis auf. Und auf jeder „Stufe“ wird man viele positive Erfahrungen machen können. Aber jeder Schritt hat auch seine Verluste zu beklagen. So geht dem Erkenntnisringen vieles an Kräften verloren, die im Glauben drinnen stecken. Dies ist wohl der Preis auf dem Weg zur Freiheit.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

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